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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1232

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An das deutſche Volk.

Das Bedürfniß nach Einigung thut ſich überall in dem Volke kund.

Durch die erſchütternden Ereigniſſe der jüngſten Zeit, durch die Vorgänge
in Wien und Berlin ſehen wir die Errungenſchaften der deutſchen Revolution
in Frage geſtellt. Der Feind, den man beſiegt glaubte, wagt es, auf's Neue
ſein Haupt zu erheben. Die Freiheit und das Recht des Volkes ſind in Gefahr,
verkümmert, vernichtet zu werden.

Arbeit und Handel, öffentlicher und Privatkredit, trachten vergebens nach
Gedeihen, ſo lange ſie von den Wühlereien einer volksfeindlichen und gewalt-
thätigen Partei bedroht werden.


tel abzuwenden. Es bedarf aber zu dieſem Zwecke einer großartigen Vereinigung


Deutſchlands wirklich wollen.

Wir haben zu gemeinſamem Handeln nach den beigefügten Grundſaͤtzen ei-
nen Verein gebildet. Wir verhehlen nicht, daß wir in einzelnen Punkten ver-
ſchiedener Auſicht ſind; die Einen ſind Anhänger der conftitutionellen
Monarchie, die Andern der Republite Wir alle aber vereinigen uns
zu dem gemeinſamen Zwecke, die demokratiſchen Grundlagen aller Verfaͤſſungen,
die Freiheit und die unveräußerlichen Rechte des Volkes in geſetzlicher Weiſe
zu erzielen und ſicher zu ſtellen. Wir fordern Alle, welche gleichen Zweck mit
uns haben, auf, ſich uns anzuſchließen und über dem gemeinfamen näher lie-
genden Ziele die entfernteren Punkte ihres Strebens hintaͤnzuſetzen.

Unſere Zerſplitterung hat unſeren Feinden die Waffe wieder in die Hand
gegeben, welche ihnen enitungen war — vereinigt werden wir auf's Neue ſieg-
reich ſein!

Programm des März-Vereins.
Wir wollen die Einheit Deutſchlands; * —


anerkannt werde, nicht als ein Geſchenk oder eine Gabe, die ihm nach Belieben
von irgend einer Seite zugemeſſen wird;

Wir wollen, daß die Nation die Einſchränkungen dieſer Freiheit ſelbſt be-
ſtimmt und ſich nicht aufbrängen laͤßt, daß aͤber ein Jeder ſich diefen Einfchrän-
kungen zu unterwerfen hatz ;

Wir wollen die Berechtigung für das Geſammtvolk, wie für das Volk
eines jeden einzelnen Landes, ſich ſeine Regierungsform ſelbſt feſtzuſetzen und
einzurichten zu verbeſſern und umzuͤgeſtalten wie es ihm zweckdienlich erſcheint,
weil jede Regierung nur um des Volkswillen und durch ſeinen Willen da iſt;

Wir wollen, daß die Verfaſſungen, welche der Geſammtſtaat und die ein-
zelnen deuiſchen Staaten ſich geben, Beſtimmungen enthalten! nach denen ſie
auf friedlichem, geſetzlichem Wege geändert und verbeſſert werden koͤnnen;


dem Geſammtſtaate garantirt werden;

Damit auf dieſe Art die Revolution zu Ende gebracht und ein dauernder
Zuſland der Geſetzlichkeit, des Friedens und der Wohlfart der deuiſchen Nation
und der einzelnen deutſchen Velkeſtmme geſichert werte.

Organiſatian des Geſammt -Vereins.

1) Der aus Deputirten zur deutſchen Nationalverſammlung beſtehende Verein bildet
den Geniralverein.
2) Er hat die Kerpflichtung, die übrigen Vereine von denjenigen Schrilten, deren Vor-



3) Um dieß zu ermöglichen, wählt jeder einzelne Zweigverein einen Ausſchuß, welcher
die Geſchäfte des Zweigvereins verwaltet und ihn nach Außen vertritt.

4) In den größern Staaten Oeutſchlands — Oeſterreich, Preußen und Bayern — ver-
einigen ſich die Zweigvereine jeder Provinz, in den übrigen deutſchen Einzelſtaaten die des
ganzen Landes unter einem Centralausſchuß, wercher regelmäßig die Vermittlung der Cor-
reſpondenz mit dem Centralverein übernimmt.

te Art und Weiſe der Errichtung des Centralausſchuſſes bleibt dem jedesmoligen
Ermeſſen der einzelnen unter ihm zu vereinigenden Zweigvexeine überlaſſen. So lange ein
Centralau ſchuß noch nicht konſtttuͤirt iſt, Uberntmmt Dder
Hauptſradt des Landes, beziehentlich der Provinz, die Beſorgung der Geſchäfte deſfelben.

_6) ön den Ländern, in denen neben einander verſchiedenartige Vereine beſtehen, welche
ihren Veitritt erklären wollen, bleibt es denſelben unbenommen, neben einander foͤrtzubeſte-
hen, in dem Maaße, daß jede Klaſſe von Vereinen ſich unter einem eigenen Eentralaus-
ſchuß vereintgt. 2
7) Seder Centralausſchuß zeigt ſo bald alg möglich dem Centralvereine an, wie groß
yt der u und welche von den in ſeinem Kreiſe
4 Zeitſchriften ſich zur Aufnahme der von dem Centralvereine ausgehenden Ar-
ikel eignen-
‚ 8) Der Eentralverei läßt von den lediglich für die Vereine beſtimmten Mittheilungen
fedem Centralausſchuſſe ſoviel lithographirtẽ Exemplare als unter ihm Zweigvereine beſte-
hen, zum Behufe der Mittheilung an tetztece zugehen. *

9) Es wird dafür von dem ECeniralaubfchuſſe lediglich der auf ihn fallende Antheil
der Koͤſten für die Lithographien felbſt entrichtek, wogegen der Centralverein alle Bureau-
laſten übernimmt,

10) Artikel, deren Verbreitung in den Zeitſchriften der Centralverein beſchließt, werden
den einzelnen, von den Centralausſchüſſen namhaft gemachten Zeitſchriften, ebenfalls in li-
thographirten Exemplaren und gegen Erlegung der Koſten für die Lithographien gefendet.

Der Vorſtand:
v. Trützſchler Naveaux. Eiſenmann.
Die Schriftführer:
Max Simon. Maus. Weſendonk.

444 Hofkalender für das Jahr 18l9.

Da liegt das niedliche Büchlein mit dem ſchönen Einband und den feinen
Bilderchen wieder wie voriges Jahr um dieſe Zeit vor mir, Leider noch eben ſo
4 wie bamals. Das ſturmpolle Jabr 1848 hat all die Gottbegnadeten,

vchlauchten und Erlauchten im lieben guten Deutſchland in ihrer Eriſtenz un?

*









Ahounement um ven Poftaufſchlag





— — — —

erfchüttert gelaffen, auch nicht Eines fehlt in Rethe unſerer geliebten Landesväter
und Landesmüttex und die Zahl der hohen Sprößlinge hat ſich zur Freude der
deutſchen Vaterländer wie alljäbrlich vermehrt! Außer den hohen Herrſchaften
figurixen allerdings auch viele in ſolcher Geſellſchaft ungewohnte Namen in dem
Büchlein, die Namen der in Heidelberg verfammelt gewefenen Perfonen, die
Siebener Commiſſion, das Borparlament, det Fünfzigkr-Ausſchuß, die Natio-
Lealoerſammlung fanden alle in dem Hofkalender ihren Platz, Reichaͤverweſer,
Neichsminifter und Unterſtaatsſekretare reihen ſich an. Da haben wir alſo unſere
Märzerrungenſchaften recht bequem, im niedlichften Format für die Weſtentaſche
geeignet beiſammen in einem Hofkalender. Es ift wirklich recht bezeichnend.
Eiſt kommen die Fürſten mit ihren Weibern und Kindern, dann folgt das Hof-
geſinde, die Oberſtkammexherrn, Marſchälle und die Männer, die der Märzbe-
wegung die Ehre verdanken im Hoftaͤlender zu ſtehen, als Fortſetzung des Hoͤf—
ſchrangencorps. Die Mehrzahl diefer Herren verdienen ihrer Natur und Sefinz
aung nach mit Recht dieſem Geſinde einverleibt worden zu ſein, die waͤhren
Volksvertreter aber, die ihrem Berufe treu, fortwährend auf der Seite des




gegenüber erfolglos, kämpften, werden ſich ſchämen ihren edlen Namen dadurch
ennweibt zu feben, daß man ihn in einem Hof kalender mit denen vereinigt ſieht,


kalender mehr nöthig oder moͤglich ſei; wie ſchnieichelten wir uns, die Frühlings= -
luft des Jahres 1349 nicht mehr verpeſtet zu ſehen von jenen mephitiſchen
Dünſten, die überall in dem weiten Deuiſchland die Bruſt des freien Mannes


die du für Freunde hielteſt; die du zu Führern wählteſt, um durch ſie zu ſiegen;
die dein Vertrauen ſchimpflich mißbrauchten und nun in den Reihen der Feinde


dunger mäſten, die ſie ibrer Ehrloſigkeit verdanken!

Die Nainen dieſer Abtrünnigen gehören mit Recht unter genauer Angaͤbe
ihrer Titel und etwa erhaltenen Orden in einem Hofkalender an den Pranger
geſtellt; denn an den Höfen mögen ſie guten Klang haben, das Volk aber hat
e längſt aus dem Herzen geſtoßen und ihre Bilder aus früheren Jahren von
den Wänden abgehängt.


wie fern der Deutſche noch von der Verwirkihung feines kurzeu Frühlings-
traumes ſteht. Fragt ihr euch, woher es komme, daͤß das große Deutſchland
mit dem Fleiße ſeiner Bewohner, der Fruchtbarkeit feiner Gelände, der Schiff-
parkeit ſeiner. Ströme und Flüſſe, der Leichtigkeit, ſich Häfen und Schiffe zu
bauen und überſeriſchen Handel zu treiben, dennoch mehr und mehr der Ver-
armung und Nahrungsloſigkeit entgegengeht,
laſſen, um im fernen Weſten ihr Brod zu ſuchen, ſo blickt zuf den Ho flalen-
der pro 1849, vergegenwärtigt euch die unernießlichen Summen, die dem Voͤlte
von den darin verzeichneten Perſonen unter allerlei Vorwänden abgepreßt wer-
den, als: Eivilliſten, Apanagen, Penſionen, übergroßen Beſoldungen, Ordens-
Emolumenten u ſ. w., wovon ein groͤßer, vielleicht der größte Theil, ins Aus-
land geht und für ausländiſche Producte verausgabt wird, während die Indu-


Axmuth in Zweifel ſein kann, mit deſſen Beurtheilungskraft muß es ſcheu aus-
feben, Wahrlich dieſer Hof kalender mit feinem Inhalt laftet wie ein Alp auf
Deunchland und hemmt jede freie Regung. Es kann nicht eher beſſer werden,
bis dieſer Alp abgeſchüttelt und wir ftatt des dicken Hofkaͤlenders einen dünnen
Volkslalender, wollte Gott ſchon pro 1850 ausgeben können; dieſer ſoll zwar
auch Bilder enthalten, aber nicht die abgelebten nichtsſagenden Lieutenantsge-
fichter einiger Potentaten, Prinzeu und ihrer geputzten Weiber und befternten
Werkzeuge, ſondern die geiſtpollen maͤnnlich-eruſten Züge der Männer, die Das '
Volt jetzt ſchon im Herzen trägt, auf die es mit Verehrung blickt, den todten
Blum und den verbannten Hecker an der Spitze.





— — —

LKarlsruhe, 27. Nov. Zwölf bis fünfzehn Petitionen um Auflöſung
der Kammer 20. aus verſchiedenen Gemeinden, mit zahlreichen Unterſchriften be-
deckt, wurden Eingangs der heutigen Sitzung der 2. Kammer von Brentano
vorgelegt; darunter eine von 125 Bürgern von Willſtett, worin zugleich geſagt
iſt, daß die von dortigen Gemeinderaths- und Ausſchußmitgliedern im entgegen-
geſetzten Sinne eingegangene Petition nicht als der Ausdruck der Willftetter
Bürgerſchaft betrachtet werden dürfe. Derſelbe Abgeordnete reichte eine Be-
ſchwerdeſchrift des in Bruchſal eingekerkerten Anwalts v. Rotteck ein, die er
der Petitionskommiſſion zu möglichſt beſchleunigter Erledigung dringend empfahl.
Der Petent, bemerkte er, ſchmaͤchtet ſeit 7 Mongten im Kerker, und noch nicht
Eine, thatſächliche Anſchuldigung konnte gegen ihn erhoben werden Wenn Sie
die Eingabe leſen, ſo werden Sie meine Empörung über eine ſolche Geſetzloſig-
keit, wie ſie in dem Verfahren gegen dieſen Gefangenen zu Tage tritt, vollkom-
men theilen. Er will nicht Gnade, nicht Amneftie; er verlangt nur Gerechtig-
keit. Es handelt ſich hier nicht um die Exiſtenz eines Mannes, ſondern um die
Exiſtenz der Gerechtigkeit in Baden. Wenn man einen Mann Monate lang


ihn auffinden zu können, dann waͤhrlich iſt die Gerechtigkeit in Baden bankroft.
Beff begann ſeine Entgegnung damit, daß er, was Brentano geäußert,
als unpaſſend bezeichnete, zu welcher Art der Kritik ihm dieſer das Recht be-
ſtritt. Herx Weller rief, weit entfernt, dem Miniſter ſein Benchmen zu ver-
weiſen, vielmehr den Abgeordneten Brentano zur Ordnung, und heb da der-
ſelbe ſich nicht geduldig in ſolcher Weiſe mitfpielen laſſen wollte, die Sitzung
auf kurze Zeil auf. ; *



 
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