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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 2 – No. 31 (2. Januar – 31. Januar)
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Inſerate die geſpaltene Zeile in Petitſchrift ode








Deutfchland.
*4* Vom Rhein, 23. Jan. Es ſcheint, daß diedeutſche Zeitung“

ſich in Defterreich will polizeilich approbiren laſſen. Sie nimmt feßt die metter-
nichſche Politik ganz zärtlich unter ihren couſtitutionellen Fittich, und macht
mit den ſteinernen Wächtern des Beſtehenden Fronte wider die „angebliche
olkopartei“ in öſterreichiſch Italien. Die „Männer der Bewegung“, mögen
ſie noch ſo „gemäßigt“ ſein, gefallen ihr gaͤr nicht mehr. Ja felbft, die Leute
des „gefeßlihen‘‘, des „paſſiven“ Widerſtaͤndes werden von ihr geradezu —
„Terroriſten“ genannt. Die lombardiſchen Reformer alg „Eerroriſten“,
und Metternich als Vertreter der „deutſchen Nationalität“! iſt das nicht ſcherz-
Denn ſogar dem ſervilſten

der ſervilen Blätter iſt es noch nie eingefallen, zu fagen, ‚Die italieniſchen
ſeien Texroriſten und Metternich vertrete die deutſche Na-
tionaliiãt. /
daß das „unrubige Bölfchen‘“ in Italien ſo Viel Epviva ſchreie, zweckeſſe,
Fahnen herumtrage und Theaterdemonſtrationen mache, und daß hinter ſo vie-
ien Worten oft ſo wenig ausdauernde Kraft ſtecke! Und die ſervilſten Män-


öſterreichiſche Abſolutismus viel zu wortkarg, als daß er mit Redensarten
über „deutfche Nationalität“ gelobt werden möchte.
‚ Der Zeitung, welche ſich vorzugswiſe die „deutſche“ nennt, war es


gegen das herrſchende Syftem höchſt „gefaͤhrlich“ finden; ſie mußte das „herr-
ſcheude Regierungs yſtem? Metternichs geradezu als Vertretung der „deutſchen
Nattonalitaͤt⸗ erklaͤren; ſie mußte die Maͤnner, welche paſſiden Widerſtand
gegen die eiſerne Hertſchaft leiſteten, die auf ſie herabdrüdt — ſie mußte
diefe gemäßigten Männer unbedingt als Terroriſten verfolgen! , .. Als
Terroriſten!? Warum Das?

Antwort: weil ſie keinen Tabak mehr rauchen und nicht mehr Lotto ſpie-


Die fuͤrchterlichen Terroriſten! „Wenn ſie durchdrängen“, ſo wäre „ber


Schweigen wir von dieſer Lächerlichkeit. Nur noch zwei Fragen an Hrn.

Die „deutfche
ſem weſenlich Eius ſei mit der „maßloͤſen Erbitterung gegen die drutſche Nar

Zeitung“ ſelbſt ſagt, nicht bloß den Nerven des Deutſchen, ſondern auch des
ungariſchen Militärs Aerger bereiten? Darnach ſcheint es denn doch/ als
hegien die Italiener keinen Widerwillen gegen die Deutſchen als ſolche, ſondern
eben gegen das Regierungsſyſtem Oeſterreichs und ſeine Werkzeuge. Löſe uns
die „Deutſche“ Zeitung gefaͤlligſt den Widerſpruch, den ſie unwillkürlich zu
Tage gefördert hat. — Zweite Frage! Iſt denn der friedliche Reformer
Gervinus, der Feind aller Revolution, ſogar von der „Evolution“ abgefallen,
die er ſo lange Jahre her auf dem Katheder ſeinen Zuhörern dozirte? Will
er ſelbſt den „Widerſtand durch Unterlaffung“ als Hochverrath, und mehr als
Das: alg Terrorismus bezeichnen? — Er ſelbſt hat's geſagt! — So biſt
alſo Du, John Hampden, der Du in geſetzlichem Widerſtande das Schiffgeld
nicht bezahiteſt, nicht mehr das leuchlende Borbild des großen Servinus,
Er hat Didy verſpottet. Er ſchämt ſich Deiner. Er iſt ganz auf die Seite
des /herrſchenden Regierungsſyſtems getreten; er ſieht Terrorismus
varin, wenn ein Unterthan keinen Tabaf raucht und kein Lotto
ſpiett. Sei froh, todter John Hampben, daß zu Deiner Zeit bloß Ohren-


wird man maffakrirt, weil man nicht raucht und kein Lotto pielt.

Von der würtembeigifchen Donau, im Jan. Wenn der Landtag,
der nun zufammentritt, die düſtere Stinmung, welche allgemem hexrſchend iff,
heben würde, und wenn auch nur theilweiſe, ſo hätte er ıtwas Öropes ge
ihan. So weit meine Erinnerung reicht, hat es niemals ſo trüb ausgeſehen,
wie jetzt; 1817 war die Noth wohl groß, allein ſie hörte auch auf, aber dies-
anal wuͤl die Bedrängniß gar nicht enden. Am übelſten iſt die Claffe der ge-
woͤhnlichen Handwerker geſtellt, und die, iſt in unſern Stedtlein und Dörfern
fedr zahtreich; man teſe die ©antregifter im Schwäb. Merkur, und man
wird einen unwiderleglichen Bewweis finden, denn wenigſtens Neunzehntel der
Jalle treffen jene Bürberklaſfe. Bei dieſer dringt die Wunde bis in das Mark;
— 4— Haͤndwerker fangen ihren eignen Herd mit Schulden an, und der
Zins ißt, wie ein ſchwäbiſches Sprichwort ſagt, mit ihnen aus der Schüffel.
Der Vuͤdienſt nimmt jeit geraumer Zeit wehr und mehr ab, weil jedes Handwerk übers-






ſtehen gerade zwei- bis dreimal ſo hoch, als vor 20 Jahren; das Einſammelu
des Reiſigs iſt verboten oder erſchwert, das Gleiche gilt vem Aufrechen des
abgefallenen Laubes; die Handſpinnerei trägt nichts nad Weberei nicht viel
mehr; alles dieſes wirkt zuſammen, daß unjere arme und verarmte Bepoͤlke-
rung zulehends anwächſt. Dieſes Uebels Quelle zu ſtopfen, vermag kein Land-


gen kann. Was ſollen wir endlich zu unferm Strafgeſetz und der Prozeforde
nung ſagen, mit welchen die Kamwer uns vor wenigen Jahren beglücki hat?
Kein Meuſch iſt da mit thnen zufrieden, aber man kann ſie do nicht ſchon
wieder abaͤndern. Die Preßfreiheit wird wieder einſtimmig verlangt werden,
wie von dem votigen Laudtage und was das genützt hat, beweift die wuͤrttem-
bergifche Preſſe; ficherlich würde der eine und andere Abgeordnete, der „für
Pechfreihett (tHimmte, ſich milig zum Cenſor machen laſſen.! Wern wir etwas
erhaiten, ſo iſt es ein Geſetz das die Lebenslaͤnglichkeit der Gemeinderäthe,
bioͤher ein Aergerniß im ganzen Lande, aufhebt, vielleicht auch etweldhe Aen-
derung im Militarweſen. Etwas von —44 — erwartet bei uns Niema
man fleht dem Landtage



+ .»‚„1‘w„.n‚:b;
ſo gleichguͤltig entgegen, wie von 1820 „,Qß .1830,
nur iſt alles viel truͤber geſtimmt, weil man nicht einmal mg%r;‚„e‚me beſſere
Zutunft zu hoffen wagt, denn die Bevölferung mehrt ſic zu ftarf, während


Oberth · 3.)

Miürnchen, 22. Jan. Die Müncdhner pol. Ztg, tritt in einem halb-















Weni menden überlaffen wird.“ Der gleiche Mann muß nun ſein Ge-
244 — und Boden, 4 er nämlich einen beſitzt, dem Staate verſteuctn,
und wenn wir auch gerne zugeben, daß der Anfatz bei uns billiger iſt als in
manchem Staͤate, ſo trägt er dabei meiſtens Gemeindelaſten, die anderswo der
Staat übernimmt; die Steuern ſind alſo der zweıte Gaſt· der mit zu Tiſche
ſitzt. Und nun die letzten zwei Jahre das Gewicht. * Nahrungeſergen, das
manchen, der noch ungebeugt widerſtand; niederdrückte! Dieſe find nun ver-
fchuldet, andere vollends verarmt, DEr Verdienſt ſtockt noch immer und wird
ſich bel allen Handwerkern, wo der Fabrikant und Kaufmann beifommen Fann,
uit mehr beſonders hiben, wenn auQ die Gelderiſis. gewichen iſt. Eben
übel obder noch trauriger iſt der Zuſtand Derjenigen, die ein kleines 44

beſitzen, das ſie in gulien Jahren ganz ernaͤhit, und die * 7 * oͤh⸗
ner, Fabrikarbeiter, Leineweber u. fı w. noch etwas baares Geld verdienen
wollen. eide

; ber Theuerung und an der fortwährenden Verdienftlofigkeit,
%%b?;tnb?töii%ä)n ſo 4 zu 8 Nachtheil geändert; 2* * der Örund-
ücke ift geftiegen und ihnen die Erwerbung dekfelben erſchwert; die Holzpreiſe





ner Hochſchule wiedergegeben werden ſolle. So lange das gegenwaͤrtige Sy-
ſtem in Kraft bleibe, Fönne davon keine Rede fein, und am ;‚\gfüemgu%fign_
wären Klagen von jener Seite zu erwarten, deren frühere Cpurationen (Eten,
Stahl, Pfeufer, Harleß, v. d. Pfordten ze. noch in 4 —

18 Berlin, 21. Jan. So weit man aus unſern Zeitungen abnehmen
fann, iſt der Vereinigte ſtändiſche Ausſchuß aus dem anzewieſenen Ge-
ſchäfisgeleife noch nicht herausgetreten, Se viel man Ader auf nichtamtlihem
Wege hört, ſteht die Erörterung der Kompeteuzfrage mit Sicherbeit zu erwar-
ten. Es wuͤrde auch im höchſten Grade auffallen, wenn der Bereinigte. Aus-
ſchuß ohne Weiteres an die Berathung des Strafgefegbuches Hinge wenn
er, nach allen Ereigniſſen unferes Verfaſſungslebens vom 3, Febt. und 11.

Ayr. vorigen Jabres an, nicht die Nothwendigkeit begriffe, eine Selbfprüfung




anzuftellen, ſich felbft über ſeine Rechte und Pflihten aufzuflären. Wir halten
die Unterlaffung dieſer Pflicht gegen ſich ſelbſt für eine moraliſche Unmödglidh
keit. Bei der Betretung des heißen Bodens der Kompetenzfrage werden wohl

drei Hauptmeinungen ſich kreuzen und um die Mehrheit kamyfen! Die erſte
Meinung wird dahin gehen, daß es in Preußen nur Ein Händi{rs Verfaſ-
funysgefeß gebe, nämlid das vom 3. Febr., und daß der Ausfduß alle da-
raus abfließenden Befugniſſe und Obdifegenheiten Übernehmen mülfe. Diefe
Meinung iſt allerdings die einfachfte und heguemſte und wird, da fie jede
Spannung mit der Krone vermeidet, ſiherlich einen ſehr auſehnlichen Theil
deg Ausſchuſſes für ſich haben Die zwelte Meinung werden die verfreten,
welche die Thätigkeit des Ausſchuffes auf die Berathung des Strafrechis be
ſchraͤukt wiſſen woͤllen einige, weil ſie den Ausſchuß dazu befugt halten, zwar
nicht auf Grund der Berordnung vom 3, Febr v. J., wohl aber guf Srund
der Veroͤrdnung vom 21. Jupi 1842 über die Bildung der provinztalftändi»
ſchen Ausſchuͤfft, andere, weil ſie zwar die Ausuͤbung des Begutachtungorech-
tes Seitens des Ausſchuſſes gegenwärtig überhaupt nicht dem RNechte nach zu-
laſſig finden, aber bei den obwaltenden eigenthümlidhen Lerhaͤltaifſen, bei dem
Sameben der ganzen Verfaſſungofrage einen Bruch mit der Regierung ſcheuen
unb fuͤr die Naͤchgicbigkeit des Ausſchuſſes eine Erweiterung unferer ſtaͤndiſchn
Einrihtungen als Belohnung erhoffen. Dieſe zweite Partei der Ermittelnden
rechten Mitte“ würde vermuthlich das Schitkſal aller /rechten Mitten und
Mitielmäßigkeiten theilen, nämlich keiner von beiden Flügelparteien, weder dem
Bolfe noch der RNegierung, es recht zu machen, vielmehr von beiden befämpft
und zufammengepreßt zu werden, Endlich die drifte Meinung würde die des
wahren Rechtes und zugleih auch Ddes wahren Wohles f‚e‘tx};‘, indem ſie dem
Tuͤoſchuffe ſederlei Befugniffe abſpraͤche; welche den allgemeinen Landſtanden
gebühren. Die Geſetzgebung vom 3, Fehr. Fann und wird ſo lange keinen
feſten Boden gewiynen! als ſie nicht mit der älteren, zu Recht beſtehenden
ſtaͤndiſchen Gefetzzebung in Einklang geſetzt iſt, oder als nicht wenigſtens et-
wanige Aenderungen auf Vereinbarung zwiſchen Regierung und Staͤnden ge-
baut werden. Die Vertheidigung des ſtreugen Rechtes thut xielleicht nirgends
mebr Noth, alg in Deutſchland, deffen Einwohner nur' allzu biegfam „ und
ſchiniegſam ſind und oft ihr gutes Recht unverantwortlich verſchleudern. Die-
jenigen, welche aus übelverſtandener Friedensliebe über das Recht weggehen und weg-
geben laſſen, geben die Grundlage der öffentlichen Wohlfahrt Preis. Rechtit die erſte
Bedingung jedes Wohlergehens; ohne allerſeitige Achtung vor der Würde des
Nechtes bleiben alle Privat- und öfflutlichen Verhaͤltniſſe uuͤſicher und ſchwankend.
Die Feſtigkeit des Rechts iſt unentbehrlich, wo Freiheit und Männerwürde ge-
deihen foli; und keinen kläglichern Zuſtand gibt es, als wo das Recht von der
Haͤcht nach Gutbeftaden geformt und gemodelt wird, wo die Büger zu Unters
leben. Täuͤſche ſich
doch Niemand damit, daß ein Volk wahrhafte, öffentliche Rechie befige, ſo
lanze ſein Wille in öffentiichen Angelegenheiten noch nichts gilt und nichte ent-
ſeidet. Der wirkliche Staat begiunt erſt dann, wenn das Volk feines eige-
xen Staates vollkommen mächtig, wenn es die Perſoͤnlichkeit des Staates iſt.
Früher verdient das Volk ſelbſt ſeinen Namen nicht, es ſtellt eine bloße Au-





*) Er iſt inzwiſchen nach kurzer Verhandlung über die Competenzfragen dazu
geſchritten.

). Med.




 
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