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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 61 - No. 90 (1. März - 31. März)
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* ; — 7











halbjährlich








— 2 —





No. 7‘2

T


Preis von fl 1. 45 fr worauf *

2



** Die Bauernunruhen in Baden. ‘

Aus dem Schefflenzer Thale, 10. Maͤrz. Mit Schauder ergreife

ich die Feder, um die Schreckensſcenen zu fchildern, welche ſich ſeit einigen Ta-
gen in unferer Umgegend ereignen. Die blinde Wuth gegen die Grund⸗ und


gerechten Abgaben im Keimeſlag, brach, gleichſam wie ein aus einem Vulkane her-
gorſtroͤmender Lavaſtrom, yerbor. Mehrere Orte rotteten fich zufammen, bil-
deien eine Maſſe von oft 500 — 600 Mann und zwar ın den Umgegenden
don allen fuͤrſtl. leining. Reutämtern und grundherrlichen Rentämtern ; räum-
len alle Papute aus, und verbraunten ſie; wo oft von einex Vegiſtratur
A4'— 5 Wayen voll verbraunt wurden. Geſtern wurde der Heidhof f g
PMarienhöhe dei Oſterburken, die dem Fürſten von Leining gehört, abgebrannt,

Auch aus den Orten Schefflenz und Großeicholzheim wuͤrden theils ſchrift
liche theiis mündliche Drohungen von dem Odenwalde her, der Art gemacht.
Die Bürger ſind organiſirt, dieſem Unfuge, wenn er kommen ſollte, mit Ener-
gie entgegen zu treten.

Es vewaͤhrt ſich hier deutlich, daß gerade die Orte, wo bei Ur- und
Deputirtenwahlen der jeſuitiſche Geiſt der Pfaffen und Beamten einwirkte, jetzt
die größten Unordnungen, ohne das Recht zu erkennen, beſtehen und daß das
Voll im blinden Wahne des Abſolutismus gehalten, jetzt in einer fchreden- und
ſchaudererregenden Exploſion hervorbrach und für die Freunde der geſetzlichen
Ordnung nur zum Abſcheu werden muß. 2

Uns hat man bei den Deputirtenwahlen angefeindet, — Revolutionaͤre ꝛe.
bezeichnet; aber es beweist ſich nun jetzt deutlich? wer im Geiſte des Lichts
ober der Finſterniß handelt.

$* Eppingen, 10. Marz. Mit tiefem Schmerze mußte ich die



uicht blos in Berwangen, ſondern auch in Richen und Ettlingen Er-
So beklagenswerth dieſer Umſtand
iſt und ſo wenig er gerechiferugt werden kann, ſo fühle ich mich doch verpflich-
tet, auf die beſöndern Umſtande hinzuweiſen, welche dieſe Exceſſe in Etilingen
und Richen herbeigeführt haben. Während an manchen andern Orten eine
daͤrbariſche Wuth gegen die Bekenner des moſaiſchen Glaubens überhaupt ſich
zu erfennen gab, ſo wurden in Ettiingen nur an zwei und in Richen, wo 31
Zudenfamilien leben, nur an 5 oder 6 Kamilien Bolfägericht gehalten. Ale
Beißhandelten ſtehen in Nah und dern im Geruche des gemeinſten Scha-
hers. Einer derſelben war ſchon durch hofgerichtliches Urtheil zu 4 Jahren
Correctionshausſtrafe verurtheilt und durch oͤberhofgerichtliches Urtheil wurde
er, weil die Beweiſe nicht vollſtandig genug waren, für Nagfret erflärt. Bemer-
kenswerth iſt ferner, daß, als Einer aus der Zahl derer, welche in Richen die
Gewaltthatigkeiten ausuͤbten, an den Laden eines unbeſcholtenen Iſrgeliten
ſchiug, ſogleich mehrere Stimmen riefen: „Halt, dem gehört nichts, der iſt
tein Schacherer.“
Soviel muß zur Steuer der Wahrheit und zur richtigen Beurtheilung der
Sache geſagt werden.
(4+) Tauberbiſchofsheim 10. Maͤrz. Der furchthare Drud der
namenlojen Abgaben, die in dem Taubergrunde und den anſtoßenden Segen en

nern ruhen, und dieſelben ſeit Jahren ſyſtemaͤtiſch dis auf das innerſte Watk


Leibeigenſchaft entnommen ſind, und deren Erhebung von den Rentäintern
mit außerſter Schätfe bis an das äußerſte Ende verfolgt wurde, dazu noch
das hoͤhnvolle arifiokraͤtiſche, ubermütyige Benehmen einzelner Rentbeamten
gegen die Pflichtigen; dieſe Forderungen und Erpreßungen aller Art unter dem
Namen von Rechien/ die größtentheus veraltet vorkommen und auf gat keinen
rechtlichen Grundlagen, vielleicht nur auf Gutheißen alt abenger
‚ Zopfberren beruhen, wo oft nicht eine einzige Urfunde da iſt; das Hilfloslaſſen
' Dder Gegend von Seite der Regierung, die ſich um das Wohlſein unſerer Bur-
“ ger nicht viel mehr bekümmert — als der Kaifer von Cpina, und dieſe Er-


entzoͤgen wurden und die Gemeinden mit enormen Schulden belaſtete.
Alle dieſe Uebel riefen in der jetzigen aufgeregten Zeit einen Aufſtand
in den obern Theilen unſerer Gegend hervor: Bei Schäpf ſammelten ſich
jele Funderte von Bauern, mit dem 3wecke alles Standes-
rrliche zu zertrümmernz die Haufen fhwellen an, ziehen ven Ort
‚ zu Ort wo grundherrliche Reutämter u. ſ. w. ſind, und arge Exceſſe, Dem o⸗
iirung det Gebäude, Berbrennung aller auf Feudallaͤſten be-
züglichen Papiere, Foxiſchleppung er hobener Gült⸗ und Zehnt-
früchte fallen vorz in Schäpf wurden die Taͤden allgemein als Wucherer bekannter
Zuden geplündert. Ju Boxberg geſchehen ebenfalls arge beklagenswerthe
— Erceffe, und auch ung iſt, wie man allgemein hört, auf beute oder Morgen
ein Beluch zugedacht.
ihre Rechte als Pflichten kennen, ſtraubt ſich gegen jede Geſetzloſigkeit.
Schon am 5. d. hat der hieſige Bürgerverein alle Beamten*) und
vie Iuͤdenſchaft unter ſeinen beſondern Schuß geftellt, dem die ganze Bürgers
ſchafi beigetreten iſt und zur Erreichung ſeines Zweckes einen Aufruf in einer
deſonderen Verſammlung gehalten, dem Wir Folgendes entnehmen:
— * — —
Wer da weiß, welch' bittere Klagen jüngſt noch über einzelne dortige
Beamte wiederhoͤlt ergingen, wird die Großherzigkeit und Gutmuͤthigleit die-

ſer Bürger bewundern muͤſſen.






















Gehorſam und Beobachtung dem verfaſſungsmäßigen Geſetze.
Das ſei fortan unſer Wahiſpruch, unſer Eid.
Deutſche Maͤnner, Brüder, Freunde! 2
Laßt von nun an das Wort Herr zwiſchen uns fallen, wo Hen. find,
Keine Scheibewand mehr, das trauliche Du ninſchlinge

Wir find alle Bürger eines Staats, ein und dasſelbe Ziel verfolgend,


daß wir alle Glieder ein’s Staates

leer.volfébeträtber(ifd)e Menſchen haben die Ordnung geſtört und dieſe


Tragen wir dazu bei, dieſe Ordnung wiederherzuſtellen, weichen wi
wir ſelbſt die Ordnung mit
herſtellen wollen, ſo dürfen wir die Geſese nich! ſelbſt verlaſſen. *

Keine, auch nicht die kleinſten Exceſſe dürfen von uns begangen werden, viel-
mehr müſſen wir ſie mit aller Kraft in der Geburt ſchon zu unterdrücken ſu-

en. 2
Man ſchenkt uns Vertrauen, dieſem Vertrauen wollen wir uns würdig

zeigen.

Ich ſtelle daher den Antrag: 44
Wen gefährdeten Stand der Beamten — den der Judenſchaft unter
den Schutz des Bürger-Vereins — vielmehr der ganzen Bürgerſchaft zu
ſtellen., ** —
Nur Einigkeit macht ſtark, nur rechtſchaffene Handlungen ehven:
Unſere Freunde, Kapp, Welker, Itzſtein, Hecker, Struve, haben den

geſetzlſchen Weg nie verlaſſen, es iſt ihr auedrückicher Wunlch und Zutuf

Es leben unfere Freunde Kapp, Welker, Itzſtein, Hecker, Struve. 26 V

Es lebe das Volk in allen ſeinen Abſtufungen. / ;

Es lebe das Band der deuiſchen Einigkeit, Schwarz, Roth/ Gold und
ziere jedem Deutſchen die Bruſt. ; .

Wir ſind geruͤſtet und entſchloſſen jeden Ueberfall, der uns in dieſen Ta-

Beamten/ Angeſteute Wa Burget Heden

xd in Hand, die nächtliche Wache haltend, bis die Stadtwehr organijirt iſt,
was wohl in einigen Tagen ſchon der Fall iſt Wir haben von der Regierung


Gewährung. Nichtgewäbrung waͤre für uns Verachtung und Preisgabe einer Anars
chie, zumal mir von jeder Staatshilfe entfernt ſind. Wenn auch unſer


ſetzen deſto feſter.

Aus dem Amtebezirk Borberg, 10. März. In dieſen Tagen
bei uns die Ordnung aus den Fugen geriſſen, das Recht und das Geſetz lie-
gen unmächtig dargieder und unter den grohartigen Ereianiſſen und dem nadı-
drucksvollen und kräftigen Ringen nach geſetzlicher Freiheit, einigen ſich auch




zu üben an der Vergangenbeit, So zog am 7, 5, M. Nachis um S Uhr eine -


jeintg’'1dhe Keniamis gebäude, erſthrmte die Kautlet und waͤrf in gerftürenden
Wuͤth alle Acten und Doͤcumente duͤrch die Feuſter auf die Steaßt und dies
Schonungolos ſchriti die Wuib fort HmD

2


Privatbeſiß bis auf den Tegten Reſt vernichtet war und dieſer Theil des Haua


Der untere Siock dieſes fürfiliden Gebäuͤdes, welcher das großherz Dea
zirksamt inne hat, blieb jedoch von der Gewaltthat underührt. Mit herbet
gebolten Wagen wurden unter wildem Ttiumphgeſchrei die auf der Straße auſ-
gehäuften Trümmer vor die Stadt geführt und loͤoͤten ſich da in Feuerflammen
und Gluthfunken auf. Das Auflodern dieſes Brennmateriaig übte einen ei-
genthümlichen Eindruck und es ſchien als ſollte der (früher durch die Beamten
eingeleyrte) Gefang, dex ſich in die Gluth miſchte, „heil unſerem Leopold“ die
Gewiſfen deruhigen. Die ganze That von Anfang bis zu Ende ging ohne
allen Widerſtand vor ſich. Der Beziuksbeamte, der ſich ſchon oft als „Dden
Mann mit der eiſernen Hand“ ausgab, „der Schreckensmann,“ der wohl in
gefahrloſer Stunde die Leute zu Paaren zu treiben vermochte, war in feinem Amts-
und Gewaltkleid ein ruhiger und ſogar freundlicher Zuſchauer und bildete da-
durch eine perſonificirte Ironie des Geſetzes, welches doch mit Muth und ei-
gener Aufopferung aufrecht erhalten werden ſoll. Die Gensdarmen gaben eben-
falls in ibren Cervismützen und alles Gewaltzeichen eatblößt, das Zeugniß,
daß mit ihrer Macht zulegt doch nichts gethan iſt. Wer noch ein Wort zu
reben weiß gegen die Volksbewaffnung, der beherzige dieſen Vorgang und
lerne einſehen, daß es den Bürger hebt und ſtttlich kräftigt, ſobald er weiß
und fühlt, daß die Wahrung des Rechts und der Drdnung in ſeiner Hand ruht.

Doch hier in Boxberg hatte die blinde und frevelnde Volkswuth ihr Ziel noch
nicht erreicht. Die ganze Maſſe ſammelte ſich von neuem und zog das Thal
abwaͤrts nach Unterſchlüpf, demolirte die Judenwobnungen auf eine ſchreckliche
Weiſe und ein dortiger grundherrlicher Reutbeamter rettete nur durch Bitte
und Vorſtellung und ſonſtige begütigende Mittel ſein privatliches Eigenthum.
Leider artete hier mehr wie zu Boxberg der Zug zum Raub und zur Plüne
derung aus und wie von einem Jabrmarkte heimkehrend, verſchleppte das ge-
blendeie Volk in die verſchiedenen Orte ſeine Beute. —ES








 
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