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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 91 - No. 118 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0437

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Montag, 2 ‚ Mpril.





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njerate die gefpaltene Zeile in Petitſchrift oder Deren Naın vier Kreuzer, — Briefe und Gelder: fret einzuſenden. * :








— —⏑ — 2 * — — — — *

















— —












*

Landesverrath.

Ein Tag des Unglücks und der Trauer iſt über Deutſchland, ein Tag
der Schmach und der Beſchimpfung hereingebrochen. Die Deutſchen ha-
ben eine Schlacht verloren. Doch daͤs iſt ein Unglück, welches in der


Nation iſt von dem winzigen Daͤnen geſchlagen worden! Allein auch dies iſt
noch nicht das volle Maaß der uns zugemeſſenen Schande. Erröthe Deutſch-
land im Angeſichte von 40 Millionen Deutfcher und in der un-
mittelbaren Nähe deutſcher Truppen iſt ein Häuflein helden-


den, indem man e s däniſcher Uebermacht erliegen ließ!
Das iſt ein gewaltiges Unglück, das iſt ein großer Schimpf, nicht für


nen. Die preußiſchen Truppen, angeblich zum Beiſtand Schleswig- Holſteins
ausgeſendet, ſtanden, durch den eiſernen Bann ibrer Ordre gefeſſelt, müßig
an der Grenze und mußten die tapfern Brüder in ihrer Nähe am Tage der
Nolh hülflos hinwürgen und wegſchleppen ſehen! 2 *

Wie aber konnte dies geſchehen ohne Landesverrath? Entweder es
waren von Seiten Preußens mit Dänemark Uuterhandlungen angeknüpft oder
nicht. Im erſtern Falle mußte ein Waffenſtillſtand während des Parlamen-
tirens ſich gewiſſermaßen von ſelbſt abſchließen: im letztern Falle war der Krieg
im Sange, dex Feind bekanntlich in Anzug, und das Einrücken der preußifcheu
Truppen in das bedrohte Gebiet war duͤrch den Drang der Umſtände wie
* die von Preußen ſelbſt anerkannte und ausgeſproͤchene Buͤndespflicht
geboten.

Iſt es nicht wahrſcheinlich, oder vielmehr, liegt es nicht auf der Hand,
daß bier ein diplomatiſcher Kniff, eine Hofkabale im Spiele iſt, daß die deiden
„nordiſchen Höfe, wer weiß mit welchem dritten in Emverſtänduiß, hier
gemeinſchaftliche Sache gemaͤcht und zuſammen unter einer Decke geſpielt;
daß die hingeſendeten preußiſchen Truppen dazu dienen mußten, das Hinzu-


gar eoentuell mit Gewalt zu verhindern und die hochherzigen deut-
ſchen Kämpfer in Feindeshand zu übexliefern, damit das Volk aͤller Orten ſehe,
was es auf ſich habe, ſich gegen den Willen eines gekrönten Hauptes und
gegen die Verfügungen des Wiener Kongreſſes aufzulehnen, und damit die
Canaille⸗ künftighin Reſpekt bekomme vor legitimen Herrſchern von Gottes


Dieſe Scharte. muß ausgemwegt, dieſer Flecken muß abgewaſchen werpen!


Deutſches Bolt erhebe Dich für Deine Ehre, Dein Baterland, Deine Brüder!
Krieg den Dänen! Die Reichsacht den 2— 4
RuM.

Meine Exrtlaruag.

So eben aus Amexika hier angelangt, erſuche ich Sie um unverzügliche
zufnahme folgender Zeilen. — H €

Ich war, wie ſo Viele, bis fept von der Ausübung meiner deutſchen

Bürgerrechte und von der Theilnahme an den jüngſten Vorgaͤngen gewaltfam
und hänzlich ausgeſchloſſen. Deßhalb beeile ich mich, ſo gut es augenblillich
geſchehen kann, als Glied der deutſchen repudlikaniſchen Partei mein Recht
wenigſtens durch nachträgliche Abgabe weines Votums zu wahren. Ich lhuͤe
dieß um ſo eher, da ich zugleich als Delegirter unſerer Landsieute in Amelika
auftrete, welche wahrſcheinlich hinnen Kurzem maſſeweiſe herüberkommen werden,

Als Prediger dex bewaffneten Empörung gegen das bewaffnete Unrecht

Fabe ich Europa verlaſſen, und ich kehre mit unveränderten Grundſägen zurüg,
Aber eben ſo unverändert iſt meine Ueberzeugung geblieben, daß es eine Het-
abwürdigung der Vernunft und Freiheit iſt, an die Gewalt zu appelliren, wo
die freie Dethätigung freier Ueberzeugungen durch keine Gewalt gehindert
wird oder werden kann. Die Möglichkeit humaner Rechtsmittel macht die Au-
an dung gewaltſamer Nothmittel zum Widerſinn und Verbrechen. Ia Frank
yr ift durch eine unerwartete Wendung der Dinge ein Weg zu ſoicher
Möglichkeit angebahnt worden. Er konnte zu der Hoffnung führen, daß
der Haupttheil derjenigen Gewaltmittel, welche ohne die Frankfurter Borgänge
eine Nothwendigkeit waren, werde überflüſſig gemacht werden; er fonnte
dieß, wenn er zu denjenigen Konſequenzen führte, dereu Beginn er war. Ob
er dazu geführt hat, werden wir ſogleich ſehen.

Ganz Deutſchland iſt im erklärten Repolutionszuſtand. Dieſe That-
ſache iſt durch nichts bedeutſamer und unwiderſprechlicher conſtatirt, als durch
die Verſammlung von Notabeln, welche den bisherigen Regierungen die Leir
tung der Geſchicke Deutſchlands aug der Hand genommen um ſie einer kon-
ſtituirenden Verſammlung zur definitiven Feſtſtellung zu übergeben. (Daß fie
mit dem Bundestag noch conferirt, obſchon ſie feloͤſt ihn nır Leiche nennt
iſt eine von ihrer Inkonſeguenzen, die aber ihre revolutionäre Stellung nicht än-
dert.) Derx revolutionärſte Körper Deutſchlands, der offtzielle Heerd der deut-
ſchen Revolution die organiſirte Revolution fämmtlicher Bundesſtaaten iſt alſo
in Frankfurt. Dies iſt unwiderſprechliche Thatſache. Wohlan knüpfen wir an
dieſe Thatſache hre Folgerungen. ; -
Als revolutionärex Körper, welcher offen die Souveraͤnitaͤt des deutſchen
(Bolfes, ia in gewiſſer Beziehung eine proviforifde Negierung Deutf d
Lands repräſentirte, hatte die Berfammlung der Notabelu zunaͤchſt den Wis
perſpruch einer Unterhandlung mit Regierungn zu vermeiden, weicher die ufur-


und dürfen ſo wenig bei ber Verſammlung der Notabeln wie bei der conſtitu-
yörenden Verſammlung konkurriren; ſie dürfen es weder direkt noch indirekt. Sie



ſchäftsführer der ein zeinen Staaten ſo lang geduldet, bis der ausgeſprocheue
freie Wille des Volkes ſie entweder deſinitiv befeitigt oder beſtaͤtigt. Trogdem
hat die Notabelnverſammlung den durch ſie faltiſch in allgemeinen Angelegenz


überlaffen , in welcher die Voͤlkedelehirten zu der Konſtituirenden Jerfammlung
gewählt. werden ſollen. Sie hat dadurch ein unentbehrliches Hauptrecht des
Asolles ſofort aus der Hand gegeben. Die Regierungen werden die Art, wie
die ”fouveränen“ Disponenten über ihr Schickfal gewählt werden follen, nas
türlich nach ihrem Intereſſe beſtimmen oder leiten und in Preußen, wo die pa-


zu der unerhörten Monſtruoſität gefübrt, daß unfrei gewählte Vertleter voͤn
Ständen die revolutionären Volkedelegirten mw leu, alfo Nepräfentantem
von Standerepräſentasten nach Franffn ; ſenden ſollen, um den ſou-
veränen Willen des preußiſchen Voikes ın fein r wichtigften Angelegenheit zu
vertreten.

Der Haupttheil des preußiſchen Volkes iſt alſo von vorn herein von der
Rckonſtituirung Deutſchlands ausgeſchlaſſen. So mit dem Rechte zu ſpieleu
wird man natürlich nur durch halbe Maͤßregeln verleitet Es waͤrẽ Berrath,
dieß Spiel zu wollen; es waͤre Niedertraͤchtigkeit, es zu dulden.
Der Nothwendigkeit, dem Volk allein die Wahl, die ſreie Wahl ſeiner
Delegirten zu übergeben, ging die andere, es über ſeine Intereffen durdy freie
Preſſe und in freien Voltsverſammlungen hinläͤnglich aufzuͤklaͤren, voraus. Iſt
es etwa darauf abgeſehen, das Volk zu Gunſten der konſtitutionellen Parlet
zu überrumpeln? Wie kann ein Volk, welches, eben vom Joch der Cenfur
und politiſchen Verdummung befreit, in die freie Luft hinaustaumelt, ſofort
ſich beſinnen und Mar werden über feine wichtigſten Rechtẽ und Intereffen? Es


Wahl von Männern zuzuſchreiben, welche über ſeine Wahl für lange Zeit eni-
Geiden ſollen, und zwar ohne ſeibſt noch Zeit, Gelegenheit und Freiheit zur
Darlegung ihrer wahren Geſinnung gehabt zu haben. So wird alfo daͤs Voͤlt
nothwendig faftınur auf die Auswahl unter Denen beſchränkt, welche un-
ter den bisherigen kläglichen Verhälinſſſen allein zu Wort, kommen oder ſich
producixen könnten. Die Halben, die Unentſchiedexen, die Juſte⸗ Milieu Maͤu⸗
ner, die Konfulen ſind alſo nothwendig in den — gedrängt und ſo
iſt voraus zuſehen, daß die loyalen Rev oluroaare, welche in der Nota-
belnperſammlung vorgeherrſcht, auch in der kouſtituirenden Verſammlung vor-

hereſchen werden wenn ſchon bis zur bıg er Diefer Verſamm-






*
dieſem Betracht nicht den ganzen Willen und di ganze Juͤteltigenz des Bolls
repräfentiren können, und grade derjenige Zpeilk iff Wefentlich aus-
gefloffen, welcer bei einer Aenberuug der befßehenden Zu«
ſtände dem Meiſteminterefſttttſt. —4

Ein drittes Erforderniß war, Alle von der konſtituirenden Verſammlung
auszuigliefen, die in einem mittelbaren vder unmıttelbaren Anhängigkeitsver-
hältniß zu den Regierungen ſt hen alſo namentlich die Beamten. Solche


leit geſtanden und opponirt babeit, verfaͤlſchen den Charakter der Berfammlung
durcaus und beeintrachtigen effen das Recht des Volle. Sie ſind vorn herein


Berfammiungen flmm n, wetet möglier Qere diee Wegierungen befeitigen
ſel Rannn man Miniſter hiueiulaſfen ſe ſtehl nudıs catetget; aul die Fuͤrſten


Drüdtı) die Anbelfateffe Heging, {n der Netabeingerfamulung Sine Aede gegen
Sie 3 publif zu Dalteit und ein arößer Eheil der Anwefenden kın Dedehken
teun, (n du applauSiten: Meder Herr voͤn Gageru noͤch feine Applaußiter : -
haben ſich gefragt, 0b er als fürſtlicher Miniſter auch eine Rede fuͤr Die Mer
publik halten dürfe. Wie kann man oftiziell verpflichtete Fürftendiener als Olieder
einer konſtituirenden Berſammlung für möglich Halten? Dergleichen iſt nur in
Deutſchland möglich. Uebrigens ſcheint es mir nothig und folgerecht, daß nicht
bloß die Heamten, ſondern auch die (durch einen Eid an die Fürften gebundee
nen) keuftitutionellen Deputirten, wenn ſie nicht zeitweiſe abdanken oder die


konſtituirenden Verſammlung fern gehalten werden.

Ein vierter Punkt betrifft die Freiheit der Wahlen und ſpaͤter der Berathun-
gen der Konſtituante. Weder die eine noch die andere Freiheit iſt geſtchert
Sie iſt es nur dann, wenn voltſtändige Berfammlungsfreibeit und perſbn-
liche Sicherheit beſteht und die ſtehenden Soldaten überall verdängt ſiib Im
Anblick von Polizeiſäbeln und Bejoneten können weder die Burger idre Ver-
treter frei wählen noch die Vertreter frei beſchließen. Waͤhrend die Bundes-
truppen ſchon unter dem Befehl der Nationalverfammlung fte>
hen ſollten, bedecken noch immer unter allerlei Vorwaͤnden Überall die Sols
daten dır Fürſten das Land und füllen die Städte. Die bisherige Voltobe-
waffnung iſt keineswegs geeignet, die Wirkung der militériſchen Einſchüchterun·
gen zu paralyſiren, welche nur der reaetionären, höchſtens der konftitutionell-
monarchiſchen Partei zu gut kommen können.

Es iſt nach allem dieſem klar, daß die Motabelnverjammlung ihrer Nas
tur nicht treu geblieben iſt, daß ſie den Boden der Volksſouveränetaͤt, kurz den
Boden der Demokratie, weichem ſie entfproffen, — bezüglih die weſeut-
lichſten Punkte ganz verlaſſen und das noͤthige Qurchgreifen nicht gewagt hat.
Sie hat ſogar die Maßregeln unterlaſſen, welche eigentlich ihre Eriſtenz be-
dingen. Eben ſo klar ift es, daß urter dieſen Umſtaͤnden bei den Entfcheiduu-
gen der naͤchſten Zukunft keine Partei mehr und ſyſtematiſch benachtheiligt feia



wird, alg die republikaniſche. Sie iſt der konftitutionellen gegenüber völlig
rechtios oder gelaͤhmt und wird von dieſer, welche die Mittel der biaherigen

*


 
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