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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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!] Die Ereigniſſe zu Berlin und die Frankfurter
Berſammluug. x

Wir haben von der Frankfurter Verſammlung für Berlin nichts gehofft;
ihr ganzes bisheriges Auftreten rechtferigt iegliches, auch vas ausgebehuteſte
ißtrauen. Die letzten Beſchlüſſe derſelben haben uns dager leineswegs über-
raſcht. Wir unternehmen es nicht, zu ſagen, was die Nationaloerſammlung
in dem kritiſchen Momente, um den es ſich handelte, hälte thun ſollen; wir
würden ihr zu viel Ehre erweiſen, wenn wir ibr nur einen energiſchen Ent-


den ünterhandlungen vor; ſie iſt dadurch ſchon hinxeichend, charatteriſirt. Merk-
wuͤrdig genug iſt daß gleich von vornherein der Reichsminiſter Schmerling, die
tröſtliche Zuverſicht ausſpricht, die zu erwartenden Anträge werden an einen
Ausſchuß verwieſen werden. Nun, Herr, von Schmerling kannte eben ſchon
ſeine Leuͤte. Eine wahre Fluth von Anträgen ergießt ſich ſofort über die Ver-
ſammlung. Jeder will ſeinen Britrag liefern, Jeder glaubt, an den hochwich-
iigen Ereigniffen ſich durch eine Zuthat betheiligen zu müſſen..

Die ganze Geſchäftigkeit, wache die Verſammlung in nichtsſagenden Re-

den und bedeutungsloſen Beſchlüſſen ſo geſchickt zu entfalten pflegt, breitet ſich


ſehen, eine an ſich ſo einfache und natürliche Sache ja recht verwickelt zu ma-
chen. Jedenfalls iſt dieſe Zerſpaltung der Anſichten in einer Angelegenheit, über
welche das Volk mit Einſtimmigkeit abgeurtheilt hat und nur einen einzigen
ſchlagenden und entſchiedenen Antrag erwarten konnte, wieder ein ſehr abfön-
derlicher Zug dieſer ſogenannten Nationalverſammlung. Das Volk mag ſich
an der Vielſeitigkeit ſeiner Vertreter erbauen; es mag die „Ruhe und Beſon-
ucnheit, bewundern, mit welcher ſie in den Augendlicken, wo „vielleicht die
Würfel übex Deutſchlands künftiges Geſchick geworfen werden“, die Zeit unthä-
tig verſtreichen und über die wichtigſten Berachungen erſt das Gutachten eines
Ausſchuſſes abwarten können. O, Ts iſt eine intekeſſante Geſellſchaft, dieſe Ver-
ſammlung in der Paulskirche. Am folgenden Tage neue Antraͤge zu den frühe-
ren, die Commiſſion trägt ihre Vorſchläge vor; die Abſtimmuͤngen erfolgen;
alle Anträge, die nur den entfernteften Anflug haͤben konnten, die beregie An-


ten Wendung zu bringen, fallen durch; dafür wird der Majoritätsantrag der
Comniſſien angenommen, durch den die ganze Sache entſchieben zam Nachtheil
ves Volkes abgemacht iſt. Die Verſammlung beſchließt nämlich:

77 die Föntglich vreußiſche Negierung dahin zu beſtimmen, daß ſie die ange-
ordnete Verlegung der Nationalvexſamniluyg naͤch Brandenburg zurücknehme,
ſobald ſolche Maßregeln getroffen ſind, welche ausreichend erſcheinen, und die
Würde und Freiheit ihrer Berathungen in Berlin ſicher zu ſtellen;

2) daß die preußiſche Krone ſich alsbald mit einem Miniſterium umgebe,
welches das Vertrauen des Landes beſitzt und die Beſorgniſſe vor reactionären
Beſtrebungen und Beeinträchtigung der Volksfreiheiten zu beſeitigen geeignet iſt.

Mit dieſen beiden Beſchlüſſen reicht Friedr. Wilhelm vollfommen aus; ſie
enthalten nichts weiter, als eine bloße Umſchreibung der pom Könige ſelbſt ge-
ſtellten Farderungen und gegebenen Zuſagen; Friedrich Wilhelm IV. iſt gewiß
mit den Beſchlüſſen der Fraukfurter Verfammlung ganz einverſtanden. Er will
ja gar nichts anders, alg eben der Nationalverſammlung in Berlin „die Würde
und Freiheit ihrer Berathungen“ ſichern. Denn daß dieſe geſtört worden, das
iſt ja gerade der Vorwand, den er für ſeinen Gewaͤltſtreich genommen. Wenn
die nöthigen, Maßregelne dagegen getroffen ſind, dann wird er auch nicht eben
ſo beharrlich darauf beſtehen, daß die Nationalverſammlung verlegt werde; er


mer, oder die Kammer in Brandenhurg“; er wird alſo über diefen Punkt nach
dem Vollzug ſeiner „Maßregeln“ ſehr leicht mit ſich reden laffen. Und „die
Beſorgniſſe von reaktionären Beſtrebungen und Beeinträchtigung der Volksfrei-
heit“, ei, die müſſen doch wohl durch die königliche Proflamation gehoben fein.
Der König giebt ja die feſteſte Zuſicherung, daß dem Volke gar nichts von ſeinen
Närzerrungenſchaften genommen werden ſolle; er verſpricht es hoͤch und theuer,
daß er ein „guter Koͤnig! ſein will, daß er „ein Gebäude crrichten⸗ will, „unter
*** unſexe Nachkommen ſich ruhig und einträchtig der Segnungen Jahr-
Erte lang erfreuen mögen.“

Was braucht es mehr, als dieſes königliche Wort? Die Geſellſchaft in
der Paulskirche wird jedes Mißtrauen als beſeitigt decretiren und die „anarchi-
ſche Nartei! in Berlin für alle Folgen verantworilich erklären. Das königliche
Wort iſt ſchon eine hinreichende Buͤrgſchaft für die Bebenken gegen das Bran-
denburg ſche Miniſtexium. Ohnehin iſt ja das Miniſterium nur Ane Kleinigkeit;
zu dem Miniſterium darf man im Voraus noch kein Mißtrauen hegen; denn Herr
Welcker ſagt uns ja: „das Recht der Krone zur Ernennung der Miniſter wäre
illuſoriſch, wenn ſie ſchon bei ihrer Ernennung dem Widekſpruch der Kammer
ausgeſetzt wären.“ Es wird alſo damit ſein Bewenden haben: Friebrich Wil-
helm 1V. behält Recht, die Nationalverſammlung zu Berlin muß ſich in das
Mvermeidliche finden, und die Geſellſchaft in der Paulstirche hat einen neuen
Beſchluß zux Rettung des Vaterlandes gefaßt. Doͤch die Centralgewalt hat ja
ihren Unterſtaatsſeexctär nach Berlin geſchickt; er wird wahrſcheinlich dafür zu
ergen haben, daß die Dingẽ nicht einen „allzu blutigen“ Ausgang nehmen-

7
— —

DeutfdLand

Mannheim, 16. Novbr. Robert Blum iſt wirklich durch die
Norderhände, durch welche Kaiſer Ferdinand ſeine „lieben Wiener“ bearbeiten
Jäßt, hingeſchlachtet. Wir haben dieß noch in der zweiten Auflage unſerer ge-
ſtrigen Nummer, wie folgt, mitgetheilt:

2














* eſte Botſchaft.
b _ Bolkt Deutſchfands! Dein treuer Bürger Robertll
IBlum, unermüdlich thätig für deine Sache in den Ta f
Igen des Metterniſch ſchen Druckes, „gemafßigt, in derh
Zeit Deiner zuverſichttichen Hoffnungen, entſchioſſen kämp
fend an des Volkes Spitze in Wien, als dort der fürft
tiche Verrath offen lag, Robert Blum, der Abgeordnete
des Volkes zur „deutſchen eonſtituirenden Natio
Analverfammlung“, iſt gemordet nach dem Befehl des
tkaiſerlich-königlichen Volksmeuchlers Fürſt Windiſchgrätz!!
Bolk Deutſchlands: Du wirſt rächen das Blut Dei-M

*





























ner Söhne, ſegnen den blutigen Samen Deiner Freiheit!!!!
— — — s — — — — ——



Wien, 10. Nov. Geſtern Morgens 6 Uhr hörte Robert Blum im
Gefängniß das ſtandrechtliche Urtheil, welches den Tod über ſein Haupt ver-
hängte, man ſagt, durch den Strang, und nur die Schwierigkeit der Vollſtrek-
kung habe die Umwandlung zum Erſchießen veranlaßt. Er erklärte mit heroi-
ſcher Faſſung, die Sentenz käme ihm nicht unerwartet, und bat um die nöthige
Zeit, um den Scheidebrief an ſeine Frau ſchreiben zu können. „Faſſe dich muͤ—
thig ob meines Schickſals“, heißt es darin, „und erziehe unſere Kinder, daß
ſie meinem Namen keine Schande machen. Ich ſterbe für die Freiheit.“ Ge-
gen 7 Uhr langte der Leichenzug in der Brigittenau an, Blum aber war in
dem von Cuiraſſieren begleiteten Wagen, ohne einen Augenblick ſeine Geiſtesgegen-
wart und Seelenſtärke zu verlieren. Die Bruſt entblößend, wünſchte er mit un-
verbundenen Augen dem Tode entgegen zu ſchauen, ſchlang aber ſelbſt das Tuch
um die Augen, alg man ihm bedeutete, daß dieß in der Sitte ſei, und kniete
nieder. Drei Schüſſeſtreckten ihn todt nieder, die drei Jäger hatten
wohl gezielt. Zwei Kugeln trafen die Bruſt, die dritte den Kopf. Am Abend
Vielleicht findet ſich Hr. v. Könneritz,
der ſächſiſche Geſandte, bewogen, für den hingerichteten Landsmann und frank-
furter Deputirten wenigſtens eine Grabſtätte, den Hinterbliebenen und
Freunden kenntlich, zu beſorgen. Eine amtliche Notiz der „Wiener Zeitung“
bezeichnet ihn heute nur als Buchhändler aus Leipzig. Meinen Bericht gebe
ich nach der Erzählung eines Offiziers, welcher der Eyecution beigewohnt haͤben
will. Sie werden keine Betrachtungen erwarten. Mit Tauſenden und abır
Tauſenden erliege ich dem Eindrucke der furchtbaren Kataſtrophe. — General
Bem iſt erſt heut im Bürgerſpital verhaftet worden. Vielleicht ſchon in zwei
Tagen wird ſein Haupt ſicherlich fallen. — Heute erfolgte auch die Hinrich-
tung des NationalgardeOberkommandanten Meftenhaufer. —
In Folge einer aus Olmütz eingetroffenen telegraph. Depeſche wurde Profeſſor
Füſter ſeiner Haft entlaſſen. — Herr Bodenſtedt iſt nach der amtlichen Beſtä-
tigung der Hinrichtung Blum's heut ſofort von der Redaͤktion des „Oeſterreichi-
ſchen Lloyd“ zurückgetreten. Herr Kuranda läßt vorläufig die „Oſt⸗Deutſche
Poſt“ nicht erſcheinen. Bach, Bredannnd Helfert follen es abgelehnt
haben, in des Miniſterium zu tyeten. Graf Stadion hat in Olmütz die milde
und verſöhnliche Partei in der Behandlung Wiens vertreten. Er wird daher
wohl ſchon heute verzichtet haben, ein Portefeuille anzunehmen.

— (MNeue d. 3tg) Offener, als gegen Roberf Blum, hat die „gute“
Preſſe ihre gemeine, nieperträchtige Geſinnung noch nie zur Schau getragen; die
D7 P.»A.-Z." petteiferte, natürlich in ihrem nicht amtlichen Theile, mit der
„O. Ztg.“ um ihn zu begeifexn und mit Koth zu bewerfen, und die „ſlawiſche
Heerde dex Nachahmer Darmſt. 3. ꝛc. ꝛc. ſtimmten mit eifriger Befliſſenheit in den
gemeinen Ton mit ein. Erſt machten ſieihn zum Feigling; bald ließen ſie ihn on in Nez
gensburg umkegren, bald in Berlin ſpazikren gehen und mit höhniſchein Juͤbel fielen
ſie über den Verläumdeten her: „Scht-va, das iſt der Mann, der für die
Freiheit ſiegen oder ſterhen wollte!“ Mit keinem Worte berichtigen ſie ihre lü-
genhaften Angaben. Als nun aher ganz Deutſchland wußte, daß Nobert Blum
tapfer gefochten und ſein Leben für feine Ueberzeugung eingeſetzt hatte, da logen
ſie ihm Grauſamkeiten gegen wehrloſe Feinde nach. Als ſich die Nachricht von
ſeiner Verhaftung, von ſeiner Gefahr verbreitete, da beeiferten ſte ſich, die Sym-
patbien des Volkes zu erſticken; „die Herren hätten ſo viele Unbefonnenheiten
begangen, daß man ſie nicht bedauern fönne,v In den Augen dieſer hündiſchen
Preſſe iſt es freilich ein todeswürdiges Verbrechen, für die Freihell zu kämpfen;
fie hat nur zärtliche Sympathien für die mordeaden, ſengenden und ſchändenden
„Apoſtel dex Humanität“ Jellacie's! Noch nach dem Kampfe errötheie die „D.
3.“ nicht, frech darüber zu witzeln, daß Rokert Blum nicht auf feiner Barriz -
kade gefallen ſei, daß man ſein „lächelndes Silengeſicht“ in einer Bierſtube ge-
ſehen habe Mit Ekel und Verachtung wendet ſich jeder Chrenmann, er gehoͤre
zu einer Paxtei, zu welcher er wolle, don dieſem feilen, feigen, nichtswürdigen
Geſchmeiß ab. — Der Reichsjuſtizminiſter zweifelt an der Kichtigkeit der Naͤch-
richt. Wir zweifeln nicht daran. Zwar ift der ſächſiſche Gefandte beauftragt,
Blum unter ſeinen Schutz zu nehmen. Aber Windiſchgrätz, der blutige Henket
des Abſolutismus, der Prag und Wien opferte, wird auch vor dem Morde ei-
nes deutſchen Volfsvertreters nicht zurückbeben. \ .

Robert Blum iſt todt! ein, wackerer Kämpfer für die Freiheit iſt


deutſchen Stadt ruhig geſehen, welche dieſe das Jahrhundert ſchändenden Gräuel
der konſtit. Mongrchie als „Maßregeln zur Wiedetherſtellung der Ruhe und
Ordnung“ durch ihren Unterſtaatsſektetär Baſſermann auf der Tribüne lobprei-
ſen ließ, wird ſich auch durch den Mord eines deutſchen Volksvertreters nicht
von ihrer Art, die Ehre und Freiheit des Volkes zu wahren, abbringen laſſen;
ſie wird mit gewoͤhnter Beſonnenheit einen Konflikt mit Oeſterreich vermeiden!
Aber das Blut Robert Blunſs iſt nicht verloren für die Freiheit. Jubelt nicht
zu früh über ſeinen blutigen Tod! Das Volk wird furchtbare Rache nehmen
für den Mord ſeines Vertreters! — und der Kopf des Henkers Windiſchgrätz

x
*


 
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