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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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Die ſogenannte deutſche Natignalverſammlung zu Frankfurt hatte erklärt,
in den Berliner Streitigkeiten die Vermittlung übernehmen zu wollen; wir be-
ſitzen jetzt über den Sinn dieſer Vexmitung bie genügende Aufklärung. Wenn
voͤr einizen Tagen die Frankfurtex Geſellſchaft Bichiſſe gefaßt hat, welche, an
ſich durchaus bedeutungslos, den Gewaltmaßregeln Friſdrich Wilhchus nicht im
mindeſten Einhalt gebolen, ſo wagte ſie wenigſtens doch nicht, ſich zu Gunſten
des Königs gegen die Nationalverfammlung auszulpredhen, Das iſt ietzt an-
ders gewörden! Ungeachtet über die königliche Geſchleſigkeit in Bertin eine fo
allgenieine Uebereinſtimmung herrſcht, daß Beamte ihren Dienſt verweigern, daß
Offiziere, die zu den verordneten Maßregeln eommandirt wordey, es ihrex Ehre
ſchuidig zu ſein glauben, ihre Entlaſſung, zu nehmen, daß Cbſt die Gexichte
durch einen förmlichen Beſchluß die Ungeſetzlichkeit des getroffenen Berfahrens
verurtheilen, ungeachtet aller diefer ſprechenden Zeugniſſe beſitzt die Frankfarter
Geſellſchaft die Keckheit, gegen die Nationalverſammlung gu Berlin ein Ver-
dammungsurtheil zu ſchleudern. Sie iſt nunmehr. gänzlich davon abgekommen,
eine Zurücknahme der angeordneten Verlegung nach Brandenburg zu verlangen;
die ſehr gemaͤßigten Anträge zu Gunſten der preußiſchen Nationalverſammlung
weist ſie zurück; ſie beſchließt, dex König möge ein Miniſterium nehmen, wel-
ches das Vertrauen des Landes beſitze, ſie erklärt den Beſchluß der Steuerver-
weigerung für null und nichtig und fügt darauf wie zum Hohne noch die Ver-
ſicherung bei, die Rechte und Freiheiten des Volkes vor jeder Beeinträchtigung
ſchützen zu wollen. Die Verſammlung iſt mit dieſem Beſchluſſe aus ihrer Un-
thaͤtigkeit herausgetreten; ſie hat einen Schritt gethan, ſte hat ſich entſchieden
auf die Seite des Königs geſtellt. In der Thaͤt, eine glänzende Vermittlung.
Friedrich Wilhelm iſt jebenfalls außerordentlich entzuͤckt über die deutſche Einheit;
Herr Baſſermann hat Recht, der König iſt über alle Maßen deutſch geſinnt. —

Merkwürdig! Worin ſoll denn eigentlich die Ungeſetzlichkeit der Steuer-
verweigerung liegen? das Recht dazu bringt doch woͤhl ſchon von ſelbſt das
Verhältniß der Nationalverſammlung zur Krone mit ſich. Soll die Natisnal-
verſammlung der Krone gegenüber die Intereſſen des Volkes wahren, ſo muß
ihr auch die Befugniß zuͤſtehen, der Krone fortgeſetztem Peißbrauch der
Gewalt nöthigen Falls die Mittel zur Regierung zu verweigern ; ohne dieſe Be-
fugniß iſt die ganze Volksvertretung ein nichtihes Spiel, Der Nationalver-
ſammlung iſt zudem durch die königliche Verordnung vom 6, April das Steuer-
bewilligungsrecht noch gysdrücklich zugeſtanden; ſie kann alfo geſetzlich darauf
beſtehen/ die Steuern nicht zu bewilligen; ſte dirfte das in dem vorltegenden
Faͤlle um fo mehr, als die laufenden Sttuern ohne Lereits exfolgte Genehmit-
gung der Nationalverſammlung erhoben werden. Oder ſollte vielleicht das
Steuerbewilligungsrecht bloß das Recht ſein, die Steuern zu bewilligen, nicht
aber zugleich auch das Recht, die Bewilligung zu verweigern? Ein ſchönes

Recht das, eine ungeheuere Ehre, zu der Verwirthſchaftung der Volksgelder Ka
ſagen zu dürfen! Und wer kann wiſſen, ob nicht gerade der fogenannten Deutz
ſchen Nationalverſammlung eine derartige Auslegung eines „Rechts“ beliedt hat?
Es war bei den Frankfurter Volksvertretern ſo Etwas ganz in der Ordnung;
bei ihrer ſplendiden Freigebigkeit mit den Geldern des Volkes muß ihnen vor


ſetzen voraus, das Recht der Steuerverweigerung iſt anerkannt. War etwa die
Anwendung desſelben in dem betreffenden Falle eine Geſetzwidrigkeit? Die Na-
tionalverſammlung in Berlin hat ſich gewiß Vieles gefallen laffen, bis ſie zu
dieſein Mittel ſich verſtanden hat. Weiter konnten doch gewiß die Schnürereiẽn
des Königs nicht gehen, um ſie zur Steuerverweigerung zu berechtigen. Hätte
ſie freilich ſich in Frankfurt ihr Vorbild geſucht, ſo würde ſie viel eher die nie-
perträchtigſten Verfolgungen geduldig und fügfam ertragen, als einen energiſchen
Schritt gewagt haben.

Formelle Bedenklichkeiten enthält der Beſchluß der Berliner Nationalver-
ſammlung durchaus keine. Mit welchem Rechte maßt ſich alfo die Frankfurter
Verſammlung an, den einſtimmigen 44 eiener nach den geſetzlichen Be-
ſtimmungen vollzähligen Verſammlung dex Vollsvertreter eines deutſchen Staa-
tes für eine Geſetzwidrigkeit zu erklaͤren? Das iſt nicht eine bloße Nichtan-
erkennung der Volksſonveränität, das iſt bei weitem mehr, das iſt eine grobe
Verhöhnung des Vellswillens, das iſt eine offene Auflehnung gehen die dem


Freiheit. Es iſt uns wohl denkbar, daß es ſchwacht Seelen genug gibt, welche
in dem conſequenten Widerſtand dee preußiſchen Nationalverſammlung nur ein
Unglück fürs Land ſehen und ſich über die Steuerverweigerung in wehemüthige
Heuͤlereien ergießen können, aber den Beſchluß als geſetzwidriß zu verurtheilen,
das vermag nur eine deutſche Nationalverfammlung! Die Vertketer des preu-
ßiſchen Voͤlkes zu Berlin haben nicht die Feigheit beſeſſen in die Frankfurter-
Politik mit einzuͤſtimmen; das iſt der einztge Özrund gegen die Geſetzlichkeit ih-
rer Beſchlüſſe, ein anderer Grund iſt nicht aufzufinden. Duͤrfen wir ung nun
bald ſchaͤmen, Deutſche zu fein?
Die Nationalverfammlung zu Berlin und das Preußiſche Volk iſt alſo jetzt
durch einen Frankfurter Beſchluß jehlichen Schuͤhes gegen die königlichen An-
maßungen verluſtig gemacht. Der König foll ein Miniſterium wählen, welches
das Vertrauen des Landes beſitzt! Wenn er das aber nicht thut, wer zwingt
Ün dazu ® Die Nationalverſaminlung muß fich fügen, denn die Stenerverwei-
gerung iſt eine Geſetzwidrigkeit; das Volf muß ſich fügen, denn das ſchwächſte
thällichen Widerſtandes — die Steuerverweigerung, iſt eine Gefetz-
idrigkeit.
fübrung feiner Abſichten gehindert; er mag gegen das Bolk unternehmen, was
er will, das Volt iſt genöthigt die Mittel zur Unterdrückung feiner Freiheit bei-
zuſchaffen; denn die Steuerverweigerung iß unter allen Bedingungen eine Ge-




ſetzwidrigkeit; ſo will es die deutſche „Nationalverſammlung“ zu Frankfurt. Wer
ſich von jetzt an noch weigert, in Preußen Steuern zu bezahlen, ber hat es
nicht mehr allein mit dem König von Preußen, fondern auch mit der deutſchen
Nationalverſammlung und der deutſchen Centralgewalt zu Frankfurt zu thun.

Steuerverweigerung in Preußen iſt Auflehnung gegen bie deutſche Central-
gewalt, und dafür gibt es ein probates Mittel, — die Rrichstruypen. So
ſind denn glücklich die Ereigniſſe ſoweit gebracht worden, daß der Koͤnig von
Preußen die ſchöne Ausſicht hat, ſeine volksfeindlichen Pläne mit Hülfe der
Reichstruppen durchſetzen zu können. Doch was will das heißen, die deutfche
Nationalverſammlung zu Frankfurt hat ja heſchloſſen, die Freiheiten und Rechte
des preußiſchen Voltes vox jeder Beeinträchtigung zu ſchützen! Wir hoffen,
daß das preußiſche Volt diesinal die Auslegung zu dieſem Beſchluſſe ſelbſt ma-
chen und die kentralgewaltigen Deutler mit einer wirkſamen Entgegnung heim-
ſchicken wird. —

Deutſfch Land.

Varlsruhe, 21. Novbr. In der heutigen Sitzung der 2. Kammer
ſtellte der Abg. Schmitt den Antrag, das Geſetz über Beſoldung und Penſio-
nirung der Slaatsdiener zur nochmaligen Berathung au die Commiſſion zu ver-


dringend zur Annahme empfohlen, damit doch noch wäbrend der Dauer Ddes
gegeuwärtigen Landtages Etwas in dieſer Sache gethan werde und nicht Alles
deim Alten bleibe. Zentner bekämpfte dagen den Antrag zunächſt aus formellen
Gründen, indem er es für unzuläſſig erklärte, daß ein eben verworfenes Gefeg
ſofort wieder aufs Neue zur Berathung gebracht werde Zugleich ließ ev, gleich
Schagff, die Andentung fallen, dah ein ſolches Geſetz mit rückwirkender
Kraft nun und nimmermehr in dieſer Kammer durchgehen werden Sich felbft
woͤllen die Herren nun einmal ſchlechterdings keine Verkürzung gefallen laſſen,


gegenüber fein mag; — das Eigene wenigſtens feſtgehalten dann in Gottes Na-
men apres wotle deluge. Großmüthig genug, daß man die Laſt des Volkes
doch wenigſtens noch auf fremde Koſten erleichtern will. ; *

Auch Bekk beſtritt die Zuläſfigkeit einer ſofortigen abermaligen Berathung.
Ein Geſetz, das verworfen worden, ſei eigentlich gar nicht mehr da; würde die
Kammer es wieder an die Kommiſſion verweiſen, ſo ſei es gleich einer neuen
Borkage zu betrachten, wodurch ſie in das der Regierung allein zuſtehende Recht
der Initiative eingreifen würden. Uebrigens erkannte er an, daß allerdings
etwas geſchehen müſſe und ſtellte die baldige Vorlage eines neuen Beſoldungs-
und Penſionsgeſetzes mit olchen Movifikationen in Ausſicht, wie ſie in der letzten
Berathung als im Willen der Mhrheit liegend ſich herausgeſtellt. (Der Kaͤm⸗
mermehrheit nämlich, nicht der Volksmehrheit; das iſt zur Zeit in Baden ein
himmel weiter Unterſchted) *

Auf dieſe Zufage nahm Schmitt ſeinen Antrag zurück, und die Kammer
ging alsbald zur Tagesordnung — Berichte der Petitionskommiſſion — über.
— Es wurde übex eine große Anzahl in den Märztagen eingelaufener Petitio-
nen berichtet, meiſtentheils Gegenſtände betreffend, deren Erledigung eniwerder
bereits eingetreten oder doch in Bälde zu erwarten iſt.

Die Petition einiger Staatsaſpiranten um Abſchaffung der fı g. Conduiten-
Liſten gab dem Abg. Böhme Gelegenheit, ſich in einer Weiſe vexnehmen zu
laſſen, die ſelbſt in den vormärzlichen Zeiten in dieſem Saale aufgefallen ſein
würde. Der Berichterſtatter Baum hatte Namens der Commiſſion die emp-
fehlende Ueberweiſung der Eingaben an das Staatsminiſterium beantragt, und
gleich anderen Abgeordneten auf die Gehaͤſfigkeit einer politiſchen Geſinnungskon⸗—
trolle 4 wie ſie mittelſt jener Conductinliſten oder ſ. g. Dienſttaͤbellen
über Braktikautes, Notare, Beanıte 30. geübt wurde und welche großentheils


Behkeſtellte die Nothwendigkeit der Dienſttabellen, ſo weit ſie die Dienſt-
führung betreffen, ins Licht, ſtellte jedoch in Abrede, daß duͤrch diefelben auch
die pollilche Gefinnung kontyollirt werde und noch mebr, daß ſolches Irgend-
wie auf die Anſtellung oder Nichtanſtellung der Betreffenden Einfluß habe! Um
ſo klarern Wein ſchenkte der Miniſterkandidat der ultrareactionären Partet ein;
ganz im Geiſte deſſen, was er über die Amneſtie und was er uͤher Blums Er-
mordung geſprochen, erklärteer es für natürlich und billig, daß die Regierung ſich
auch über bie politiſche Richtung des Anzuſtellenden verläffige. Man fönne
doch der jetzigen Megierung nicht etwa zumuthen, einen excentrifchen jungen
Mann der „rothen Republik-?) huldige, in die Reihen ihrer Agenten aufzu-
nehmen. Sie müſſe wiſſen, ob Jemand zu dem herrſchenden Regierungsſyſtem
paſſe, bevor ſie ihn anſtelle, und dafür beduͤrfe man der Kontrolle, die deshalb
nie verſchwinden werde, die Kammer möge ſagen, was ſie wolle. ; **

Man ſieht, Herr Böhme fühlt ſich ſchon alg Miniſter; ſeine Fantaſie fliegt
der Wirklichkeit voraus und läßt ihn vom Deputirtenſitze aus die ganze vor-
ſündfluthliche miniſtexielle Inſolenz gleichſam probeweiſe entfalten. Freilich ift
eine neue, ſtärkere Sündfluth geweiſſaget und ſcharfe Augen woͤllen ſchon die
drohende Wolle am fernen Horizont erblicken — aber wer hört heutzutage noch
auf Moſen und die Profeten? *

Daß aber eine neut, gründlichere Wäſche Noth thut, ſpringt jedem ins
Auge, der zu ſehen Gelegenheit hat, wie nach und nach der alte Schlamm,
und höher als zuvor, zu Tage wächst. — Uebrigens wurde der Commifſtons?
antrag, inſofern er ſich auf den politiſchen Theil der Conduitenliſten beſchraͤnkte,





Ein Denunziantenausdruck für die republikaniſche Partet überhaupt und
bereits ſelbſt füx diejenigen, die die Konſtitution auf breiteſter Baͤſis zur Wahre
heit haben wollen. 4


 
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