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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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— —

1848.











Ieil Die Nevolution in Preußen.

Als der Verſuch zur großen Volkgaufwieglung, die Friedrich Wilhelm zum
beſchönizenden Vorwand ſeiner Unterdrückungsplane zu nehmen gedachte, beim
Einzug der Wrangel'ſchen Truppen in Berlin ſich alg ein mißhlückies Unter-
nehmen kund gab, da herrſchte die verzweifelndſte Rathloſigkeit und Verwirrung
im Schloffe zu Potsdam. Friedrich Wilhelm fah ſich plöhlich in die ärgerlich-
ſten Verwickelungen hineingebracht und mußte daran deuken, ſich wo möglich
noch mit heiler Haut aus dem gefährlichen Netze herauszuziehen. Damals
war es, wo der Prinz von Preußen unverſehens wieder mit auffallender Ge-
wichtigkeit in den öffentlichen Blättern herumgetragen wurde, ünd es hatte
allen Anſchein, als ſollte derſelbe noch zum fetzten Rettungsanker der bereits
verloren gegebenen Monarchie beſtimmt ſein. Die Dinge ſind indeß anders ge-
kommen. Die lange Zeit, die über dem „paſſiven Widerſtand“ Lerſtrich, hat
den König bald wieder die nöthige Faſſung finden laſſen, und da ohnehin die
Könige nicht mit den Scrupeln gewoͤhnlicher Menſchenkinder behaftel ſind, ſo
waren aus dem königlichen Antlitze Friedrich Wilhelm's alſobald die Spuren
der erlittenen Beſchämung hinweggeflogen; er umflammert noch einmal mit
heißer Begierde den Scepler urd entfchließt ſich, ſeine Herrſchaft aufrecht zu er-


Provinzen hinſichtlich der Steuerverweigerung, ferner die Geſiunungs und Er-
gebenheitserklärungen der Heiden des paͤſſiven Widerſtandes, und Friedrich Wil-
helm iſt vollſtändig mit ſich im Reinen; er erkennt in dieſen Erſcheinungen un-
zweifelhafte Winke der göttlichen Gnabe und — von einer Vergleichung, von
einer Vermitilung kann keine Rebe mehr ſeln; es bleibt dabei, bie Nationalverfamm-
lung geht nach Brandenburg, und das Miniſterium Brandenburg-Manteuffel
behaͤlt die Regierung. Die ſogenannte deutſche Centralgewalt, die ſogenannte
deutſche Nationalverfammlung ſtellen ſich mit ihren mehr als veſcheidenen For-
derungen umſonſt auf die Seite des Königs, bei dem Daniel Friedrich mehr
deutſchen Sinn gefunden, als er „gehofft“, als er „geglaubt“. Der König
kraucht ſich nints vorſchreiben zu laſſen, cr weiß von felbft zu handeln; die
Herren Simſon und Hergenbahn trifft das gewöhnliche Loos der Rrxichekommiſ-
ſäre, ſie werden abgeſpeiſt und fortgefagt, — die -Centralgewalt? und die
„deutſche Nationalverfammlung, haben ſich nichts um die inneren Angelegenheiten
Preußens zu bekümmern. Der edle v. Gagern muß ſich zuletzt auf den Weg
machen, um „mit dem ganzen Gewicht ſeiner — 6 Schuh hoden — Perſön-
lichkeit“ in Potsdam die „Vermittlung“ zu betreiben; auch er theilt das Loos
der Reichetemmiſſäre, er nimmt „entmuͤthigt und angegriffen“ ſeinen Abzug.
Wahrhaftig, Friedrich Wilhelm bringt die „Reichsgewalt“ über die „Anarchie
von unten und von oben“ in Verlegenheit! Nicht Linmal die deutſche Kaiſer-
krone, auf die der edle v. Gagern die ſichere Ausſicht eröffnet, kann den Staͤrr-
ſinnigen zur Rübrung bringen. — © geht doch mit Euren Poſſen! Friedrich
Wilhelm wird ſich etwas ſchenken laſſen von einer Nationalverſammlung, und
gar noch von der zu Frankfurt, auf welcher der Spott des ganzen deutſchen
Volkes haflet! Kennt Ihr ſo wenig den „großen“, den „mächtigen“ Herrn?
Friedrich Wilhelm braucht Euxe Gefchenke nicht; er wird fchon ſelbſt zugreifen,
er iſt ja König von Gottes Snaden,. *

Und mit der „Vermittlung“ laßt's gut ſein, aus einem Miniſterium, „wel-
ches das Vertrauen des Volkes beſißt,“ wird einſtweilen einmal nichts. Eure
„Reichstruppen“ könnt Ihr ebenfalls für Euch behalten; Friedrich Wilhelm
fühlt ſich ſicher auch ohne „Reichstruppen“, denn Nicolaus I. hat ſein Verſpre-
chen gegeben, er duldet nicht, daß ſein Schwager durch das Volk ſeiner „Ho-
heitsrechte“ beraubt werde. Friedrich Wilhelm'hat ſich nun alſo ſo weit glück-
lich von der preußiſchen Nationalverſammluyg, wie von der deutſchen, Central-
gewalt“ emancipirt; er iß unumſchränkter, abſoluter Herr, und ſtrahlt aufs
neue in der Glorie des Gottesgnaventhums. Friedrich Wilhelm's erleuchte-
ter Wille reicht vollſtändig hin für das Glück des preußiſchen Volkes, Voilko-
vertreter die das nicht einſehen können, die ſind dem Herrn ein Gräuel; wer
aber von ihnen thut den Willen des Herrn, der gehe —. nach Brandenburg;
denn dorthin ſind berufen die Getreuen des Reiches, um in Gemeinſchaft und
„Vereinharung“ mit dem Herrn „die breiteſte Grundlage“ des neuen König-
thums legen zu helfen. In Brandenburg wird alſo jetzt Friedrich Wilhelm
den Glanz ſeines königlichen Talentes entfalten; nach Brandenburz ſind die
Wünſche und Hoffnungen ſeines „treuen Volkes“ gewieſen; das „treue Volk“
macht ſich auf die Entſcheidung bereit.

Noch ſteht Friedrich Wilhelm als die Hauptperſon auf der Bühne; die


werden das Volk auf den Schauplatz rufen. Bis jetzt hat dasſelbe mehr oder
minder den ruhigen Zuſchauer gemacht; nur hie und da, ein Zucken, eine Be-
wegung, ein ſchwacher Ausbruch des Zornes; das Volk befindet ſich im gegen-
wärtigen Augenblicke noch einer vorbereitenden Periode. Der revolutionäre Schritt
der Steuerverweigerung, zu welcher die königlichen Gewaltthaten die National-
verſammlung zu Berlin hindrängten, hat eine augenblickliche weitreichende
Wirkung nicht gehabt, er vermochte zwar nicht das Volk zur Revolution fort-
zureißen, allein er hat doch einen Funken in die Maſſen geworfen, der den
vorhandenen revolutionären Stoff in eine brauſende Gaͤhrung verſetzt hat, die
nicht ſo leicht wieder ins Stocken zu bringen iſt! Friebrich Wielhelm wird da-
für ſorgen, daß das Volk bald aͤus der Vorſchuͤle der Revolution heraus-

Kitt.

DBeutſchLand.

Mannheim, 1. Dez. Bei der geſtrigen Verhandlung vor dem hieſiggen
Hofgericht wucde der verantwortliche Redatteur der „Republk“, Buchorucker
Keuner, wegeu des Artikels „aus dem Linzgau in Nro. 112 zu einer achtwöch-
entlichen bürgerlichen Gefängnißſtrafe verurtheilt. Der Verurtheilte hat ſofort
Appellation angezeigt.






Struve'ſchen Aufſtande verfloſſen, und das hieſige Zellengefängniß iſt annoch
mit ca. 150 Gefangenen angefüllt. Es wird Ihnen gewiß nicht unintereſſant
ſein, etwas Näheres über das Leben der Gefangenen zu erfahren. Am zwan-
zigſten vorigen Monats wurden dieſelben, da in dem neuen Zuchthauſe eine
hinlängliche Anzahl von Zellen noch nicht zum Heizen eingerichtet war, in das,
ſonſt für weibliche Sträflinge beſtimmte Gefängniß übergeſiedelt, und ihnen, Je-
dem abgeſondert, eine Zelle, ungefähr 10 Fuß lang und 7 Fuß breit, ange-
wieſen. Bis dahin hatten die Angeſchuldigten in den xerſchiedenen Amtegefaͤng-
niſſen und auch noch hier zu 3, und 4, zu 6, und S, in einem Zimmer bei-
ſammen geſeſſen. Warum plötzlich ſolche Aenderung? Will man durch dieſe
Sonderung verhüten, daß die Gefangenen ſich über zu machende Ausſagen ver-
ſtändigen können, ſo mußte man von dem erſten Augenblick der Verhaftung zu
dieſem Mittel ſchreiten. Warum gibt man die ihrer Freiheit beraubten, fomit
ſchon hinlänglich Beſtraften auch noch der geiſtestoͤdtenden Marter des Allein-
ſeins preis? Aber man will ſie „zwicken“. Es iſt ferner keinem Gefan

erlaubt, zu rauchen, es iſt ihnen nicht geſtattet, ſich eine zeitlang des X
in den Hofräumen zu bewegen, außer in dem Falle, wo der A di
Vangel an Bewegung Exkraͤnkten „aus Geſundheitsrückſichten! einen tägliche
Spagiergang verordnet., Der letzteren Fälle ſind bereits ſo viele, daͤß fich er-
warten ließe, es möge baldigft allen Gefangenen die Bewegung im Freien er










alle in Untexſuchunge haft Befindlichen während diefer Haft vor jedem Richter


Rechte man ſolche Leute beſtraft. Oder ift das Alleinfigen in einer dumpfen
Zelle keine Strafe? Iſt es keine Strafe, Jemaͤnden an der Befriedigung lange
Jahre gepflegter Gewohnheiten zu verhindern, auf daß er nur ja die trüben
Kerkertage ſich auch nicht im Geringſten erhellen möge.
zung der Zellen anbelangt, ſo iſt auch dieſe ſchon die Veranlaſſung der verſchie-
denſten Erkrankungen geweſen.. Wegen ſchiechter Einkichiung dek zur Berbrei-
tung der warmen Luft angebrachten Röhren fuͤllen ſich faft ſämmiliche Zellen
bei jeder Feuerung mit erflickendem Rauche. —
Die Verwaltung, von unzaͤhligen Klagen der Eingepferchten beftürmt,
fühlte ſich veranlaßt, in einige größere Zimmer und Säle mehrere Gefangene
zuſammenzulegen. Bei dieſer Verlegung müſſen ſich ſelbſt Gefangene im Kers
fer — es kaun dies aber in keinem Winkel der Monarchie anders ſein —
in zwei Klaſſen getheilt ſehen, in die der Bevorzugten und der Unterdrückten.
Die wohlhabenden Gefangenen dürfen ſich des gefellſchaftlichen Ungangs wäh-
rend der Haft erfreuen, die armen müſſen in dumpfen Löchern mit abgemager-
ten Körpern, mit durch die Einſamkeit gequältem Geiſte dahinſchmachten So-
eben erfahre ich, daß ein junger Mann heute plötzlich in feiner. Zelle erhenkt
gefunden worden. Der Värter geht den Gang enilang, hört ein Stöhnen,
In Aechzen, ruft den Aufſeher, e& wird geöffnet und ſiehe da, man findet ein
Opfer der abſcheulichen Kerkerqualen. Denken Sie ſich, welchen Einz
druck dieſes ſchauderhafte Ereigniß auf die übrigen Gefanzenen maͤcht! MAber
was hilft deren Toben, deren Fluchen gegen eine Monarchie, die kein
Mittel ſcheut, um ſich im Sattel zu erhalten. Wenn irgendwo alle Geſange-


Hundexte von vernünftigen Todfeinden los, und ein Fürſt koͤnnte fich bequemer
auf ſeinem Throne zurechtrücken. Ich bin überzeugt, daß dieſer Selbſtmord die
Wirkung auf alle mitfühlenden Brüder und Schweſtern unferes Landes hervor-
bringen wird, daß Alle wie ein Mann ſich erheben werden, um den Gefan-
genen eine menſchliche Behandlung zu erwirken. Dieſer gräßliche Zwiſchenfall
iſt mir zu eryſt, als daß ich meine fernere Abſicht, Ihnen auch noch eine ge-
treue Beſchreibung der Lebensmittel, mit denen man das Leben der Leidenden
friſtet, zu geben, für diesmal aucführen ſollte. Dieſe Zeilen werden hinlänglich
darthun, wie man „rothe Republikaner“ behandelt, waͤhrend „rothe Monarchi-
ften“, als da ſind Radetzki, Windiſchgrätz, Wrangel u. ſ. w., ſich übermuͤthig
ins Fäuſtchen lachen. Doch es wird die Zeit kommen, wo es in der Gewalt
der jetzt geknechteten Partei ſtehen wird, ſich auf „edle“ Weiſe zu rächen.

*) Die großh. Gefangnen Verwaltung und ihre Vorgeſetzten mögen aus
obigen Mittheilungen Vexanlaſfung nehmen, ſie zu berichiigen, wenn ſie in
einem Punkte falſch ſein ſollten, oder aber dieſe inhumane und ungeſetzliche
Behandlung einzuſtellen. Die „Strafprozeß-Ordnung“ von 1845 beſtimmt:

S. 187. Es dürfen dem Gefangenen gewohnte Genuͤſſe, Bequem-



dem Zwecke des Verhafts vereinbar ſind, und weder die Ordnung des Hauſes


Licht geſtattet, wenn dabei keine Gefahr zu beſorgen iſt. *
5. 188. Der Gefangene iſt befugt, Briefe an Andere abzuſenden, oder

von Anderen zu empfangen. ...
S. 189. Wenn der Gefangene den Beſuch eines Arztes oder eines
Geiſtlichen ſeiner Confeſſion nach eigener Wahl verlangt, deßbleichen,
wenn ihn Vexwandte beſuchen wollen, oder Perſonen, die mit ihm in Le-
ſchäftsverhältniſſen ſtehen, oder mit denen er ſich zu berathen wünſcht-
ſo iſt die Erlaubniß hierzu innerhalb der durch die Hausordnung eenen

Schranken nicht zu verweigern. ‚... D. Red.
rankfurt, 29. Nov. (125 Sitzung der konſtituirenden Na-
— 4 4— m m'tung. Fortſ.) Hierauf ſprachen Beda Weber und J.
Fröbel, Erſterer lächerliches Zeug, Legterer mit Bezug auf demnachſtige aus führ-
liche Mittheilungen. Welcker will ſich gegen die „maßloſen— Angriffe auf ihn
vertheidigen, und wendet ſich deßhalb zuerſt an den von Zimmtrmaxn aus Syan-
dau eingebrachten Antrag, worin nach Aufzählung der größten Scheußlichkeiten



 
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