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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 126 - No. 153 (1. Juni - 30. Juni)
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1848.






No. 41 2















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Erinneruug aus dem Kammerleben *).


auf Yängere Zeit beurfaubt, weit ein Theil derſelben zu Abgeordnefen 4
konſtituirende deutſche Volkskammer erwählt iſt; um nun nicht ganz jene Män-


um namentlich einzelne der frühern Größen, die fſe das Volt todt finD, ge-
nauer beurtheilen zu fönnen, wollen wir einige, Bilder aus der Vergangenheit
vor dem Spiegel unferes Gedächtniſſes vorüberziehen laſſen.

Wir beginnen mit Welcker,

deſſen Adern jedesmal anſchwollen, deſſen Alugen. wie glühende Blitze in dunk-
fer Gewitternacht leuchteten, und deffen Bruſt ſich mächtig bewegte, um den
Donner feiner Fräftigen Mannesworte ertönen zu laffen, wenn der Name
der Verſammlung in dex Eſchenheimer Gaſſe zu Frankfurt wie ein Schlag-
wort. in die Kanimerverhandlung fiel. Wer hätte wohl geglaubt, daß es je


weiſe erörtert wurde, daß Letzterer, welcher über die großen Koſten der Bun-
destagsgeſandtſchaft begründete Klagr erhob, und dieſe Stelle wohlfeiler verſehen


würde? Das damals Unglaubliche iſt eingetroffen. (
ein anderer geworden, iſt Welcker Derfelbe geblieben? Auf eize Fragen können
wir nur mil „Nein“ antworten. Welcker, der Mann des Volkes, der Ver-
theidiger ſeiner Rechte gegenüber den Anmaßungen der Fürſtengewalt, er iſt ein



ausrechnete! daß die badiſche Eivilliſte auf den Kopf nur zwölf Kreuzer treffe,
der ſich von ſeinen früheren Freunden osſagen. zu müſſen glaubte, Welcker hat
ſich aus der badiſchen Staatskaſſe viertaufend Gulden auszahlen laffen,
um ſich bundestagsgeſandtenmäßig in Frankfurt einzurichten! Siehſt du es
Volk, ſo täuſcht man dich; derſelbe Mann, der früher die großen Koſten der
Bundestagsgeſandtſchaften bekämpfte, er läßt ſich viertauſend Gulden gusbezah-
len, um ſich luxuriös einzurichten, er, Der früher ſolchen. Tand der Diplomatie
bekaͤmpft hat, der den Andexen durch das Beiſpiel bürgexlicher Einfachheit
Hätte vorangehen und ſie zur Nachahmung hätte aneifern, ſollen, vergeudet ſo
die mit deinem Schweiße erkauften Steuern! Doch er wird dir berechnen, der
wievielte Theil eines Kreuzexs dadurch auf den Kopf kommt!

Welcker iſt noch Mitglied der badiſchen zweiten Kammer! Auf dem vor-
letzten Laudtage hat Hecker einen Antrag begründet, daß jeder Deputirte, wel
cher ein Staatsamt annehme, austreten und dadurch ſeinen Wählern Gelegen-
heit geben müſſe, ſich auszuſprechen, ob cr noch ihr Vertrauen beſitze.Welcker
hat dieſen Antrag ſehr unterſtützt, dex Antrag wurde von dex Kammer ange-
nommien, allein von der Regierung, wie alle freiſinnigen Anträge der Kammer,
nicht berückſichtigt; unterdeſſen hat jedoch ſelbſt der Eytwurf dex preußiſchen
Verfaſſung eine foldhe Beſtimmung aufgenommen, — allein Weltker, der Bun-
destagsgefandte und geheime Rath, findet ſich nicht vermüßigt, ſeine Abgeord-
netenſtelle niederzulegen, er läßt es auf keine neue Wahl ankommen, er weiß
es, daß ihn die biederen Schwarzwälder nicht mehr wählen wüxden, und bleibt
zähe und mit Todesvexachtung auf ſeiner Stelle, ganz ſo wie Rettig, Schaaff
und Fauth. Und wie hat er ſeine Pflichten als Deputirter erfuͤllt? Hat
er etwa Urlaub genommen, um alle ſeine Kräfte der Vertretung des Volkes
zu widmen? o nein! ſein Poſten in Frankfurt war ihm wichtiger, als ſein
Sitz in der Kammer, welcher viele Wochen leer war, obgleich es oft an der
nöthigen Zahl der Stimmfübrer fühlte. Und wann bequemterer ſich dazu, von
SZranifırt nach Karlsruhe zu reiſen um an den Kammerverhandlungen Theil zu
nehmen? So oft es galt, in Gemeinſchaft mit den Herren. Mathy, Baſſermann,
Soiron und ſolchen eine Vertrauenskomödie für das Miniſterium Bekk aufzu-
führen oder für Martialgeſetz und Standrecht zu ſtimmen! Er, welcher ſo oft
mit Revolution drohte, welcher ſagte, das Volk werde ſich endlich ſeine Rechte
vom Himmel herabholen, hatte er ein Wort der Fürſprache für diejenigen, welche
dieſe Revolution verſuchten, welche ihr Recht vom Himmel holen wollten? Hatte
er ein Wort der Fürſprache für die Männer, welche in den Kerkern leiden oder
das Vaterland verlaſſen mußten, hatte er ein Wort der Fürſprache für die An-
zahl unglücklicher Familien, auf deren Köpfe, trotz des Bettelſtabes, doch die
zwölf Kreuzex für die Eivilliſte und der Bruchkreuzer ſür ſeine Einrichtungsko-
ſteaufgeſchlagen bleiben, hat er für die Amneſtie ein Wort gefprochen? O

er hat dahegen geſtimmt, er hat gegen feinen Freund Hecker geſtimmt,
Ler ihn ſo muthig vertheidigte als er ſo feige vor den Schranken des Raſtatter
Hofgerichtes geſtanden iſt. „Wir haben mit unſern Freunden gebrochen,“ hat
Welckex in dex Vertrauenskomödienſitzung vom 9. April geſagt; gut! wir neh-
men dieſe Aufkündigung an, allein es hält uns jetzt auch die Freundesrückſicht
nicht mehr ab, öffentlich mitzutheilen, was in der gehelinen Sitzung des Hof-
gerichtes DPrBINGg, und was wir nur aus Freundſchaft ſeither verſchwiegen haͤ—
ben. Als Verfaſſer des Buches „geheime Inquiſition, Cenfur und Kabinetsfus


Schulz auf Autrag der großh heſſiſchen Regierung von dem Staats Anwalte miteinem
Preßprozeſſe verfolgt. Da Schulz in der Schwetz lebte, Und ſich auf die La-
dung nicht {tellte, 19 nahın die Staatsbehörde für ihn den Verleger des Buͤches,
den Buchhändler Knittel in Karlsruhe als für den Inhalt verantwortlich in

*) Die Nummer 129 unſexes Blattes, worin vorſtehender Aufſatz abgedruckt
war, wurde eines andern Artitels wegen Fonfiszirt, weshalb wir ung
für verpflichtet halten, damit wenigſtens dieſer unfern Leſern nicht vorent-
halten bleibe, denſelben hier nochmals abdrucken zu laffen.

Die Redaktion,


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Anſpruch. Schnlz, durch ſeinen Aufenthalt in der Schweiz vor den Armen der
yadiſchen Juſtiz ſicher, beurkundete dem Herrn Welcker, daß gerade die ſchärf-
ſten Stellen der angeklagten Schrift von ihm (Schulz) hekruͤhrten, und nun
ſuchte, ſich Welcker in Dder Art zu vertreidigen, daß er jede Verantwortlichkeit
für die (angeblich) von Schulz herrührenden St llen von fich ab, und auf den
nach dem badiſchen Preßgeſetze ſuͤbſidär verantwortlichen Buchhändler zu wätzen
Wir können kaum einen richtigen Ausdruck für ſolch ein Verfahren fin-

den; der eine der Verfaſſer eines ein Ganzes bildenden Buches, welcher mit
dem Buchhändler wegen der Herausgabe unterhandelt und die Bezahlung für
das Manuſkript in Empfang genommen hat, will für den Inhalt dieſes Bu-
ches nicht verantwortlich ſein, ſondern die Verantwortlichkeit dem unſchuldigen
Buchhänbler, von dem er ſich bezahlen ließ, aufhalſen. Eine ſolche Feigheit
ſucht doch wohl ihres Gleichen. Wir haben uns von Gerichtsmitgliedern und
Anwaͤlten, welche jener Gerichtsverhandlung anwohnten, erzählen laſſen, welche
erbärmliche Figur damals der muthige Kaͤmpfer für Volksrechte geſpielt, und
wie ihn Herr Knittel gebührendermaßen an den Schandpfahl geſtellt, wir haben
ebenſo uns erzählen laͤſſen, welch peinlichen Eindruck es gemacht, wie der Herr
Hofrath das Gericht aufmerkſam machte, daß man ihm ſeine Penſion nehmen
werde, wenn nach dem Antrage des Anklägers eine mehr als achtwöchige Ge-
fängnißſtrafe erkannt würde. Wir haben Ihn ſelbſt geſehen, wie er in ſeinem
tauſend Aengſten in Raſtatt herumlief, geſtützt durch Hecker, deſſen ausgezeich-
nete Vertheidigungsrede ihm die Freiheit und Penſton rettete! Und wie lohnt
er dem Freunde, der nun in der Verbannung lebt? Hat er ein Wort für die
O nein! wer feige iſt, der iſt auch herzlos und yraunfam !
Und Ihr, biedere Bewohner des Schwarzwaldes, ſeht in vorſtehendem
Bilde den Abgeordneten Eures Bezirkes und fragt Euer Gewiſſen, ob Ihr nicht


Deutfoh Lan

Heidelberg, 6 Juni. Mit Befremden hat Correſpondent den Ar-
tikel in Nr. 130 Ihres Blattes geleſen, datirt Heidelberg 2. Juni, welcher ge-
gen Profeſſor Hagen gerichtet iſt. Sie haben wohl nicht im Entfernteſten


Ihr Btatt nur benutzen wollte, um dem Candidaten der entſchiedenen Partei
ein Bein zu ſtellen. Nachdem man ſich vergebens alle Mühe gegeben, wider
efeſor Hagen irgend etwas aufgufinden, was ihn bei ſeinen Wählern hätte
berabſetzen koͤnnen, ſo klammerte man ſich zuletzt an feinen Entwurf zu einer
veutſchen Reichsperfaſſung, um ihn entweder als nicht ſo freiſinnig wie die
Partei, welche ihn vorſchlägt, oder als ſeiner politiſchen Geſinnung untreu zu
verdächtigen. Dieſex Entwurf, wie geſagt, iſt das Einzige, woran die reaktio-
näre Partei ſich halten zu müſſen glaubl, um gegen Hagen zu operiren, und
ſie hat ſich kein Verſäumniß darin zu Schulden kommen laſſen, ſie hat be-
reits untex dex hieſigen Bürgerſchaft ihre Weisheit ausgekramt, und nun per-
fider Weiſe ihre Verdächtigungen auch in Ihr Blatt gebracht. Wir kennen
des Profeſſor Hagen politiſche Geſinnungen ſchon ſeit Jaͤhren und wiſſen, daß
er immer zu der entſchiedenſten Richtung gehört hat. Das hat er hinlänglich
als Schriftſteller wie als Lehrer bewieſen. Aber dabei hat er ſtets die Ueber-
zeugung gehegt, daß man in politiſchen Dingen nichts über das Knie abbre-
chen könne und daß ſich eine höhere Stufe poͤlitiſcher Entwicklung nur erreichen
laſſe, wenn der Weg dazu gehörig angebahnt iſt. Der fragliche Entwurf ei:
ner Reichsverfaſſung iſt gleich nach dem Anfange der deutſchen Bewegung er-
ſchienen, vor der Zuſammenkunft des Vorparlaments, wo man die Tragweite
der Bewegung noch nicht bemeſſen konnte, und wo man zufrieden- gewefen
wäre, wenn man all das darin Verlangte erhalten hätte. Ueberdieß glauben
wir noch bemerken zu müſſen, daß die Grundzüge jenes Schriftchens im We-
ſentlichen ſchon vor mehrexen Jahren, alſo längſt vor der deutſchen Bewegung
entworfen waren, und dieſem Umſtande mag es vorzugsweiſe zuzuſchreiben fein,
daß noch manche Beſtimmungen darin aufgenommen ſind, über welche die
jetzige Zeit bercits hinaus iſt. Ueberhaupt darf man an unſere Gegenwart
nicht den Maßſtab anlegen wie an gewöhnliche Zeiten.
Sie geht mit Rieſenſchritten vorwärts, und was heute noch am Vlatze
wäre iſt morgen ſchon vexaltet. Man hat es immer als ein Zeichen wahrer po-
litiſcher Bildung angeſehen, die Zeit zu egreifen und mit ihr fortzuſchreiten.
Aber Ihr Eorreſpondent macht gexade dies dem Profeſſor Hagen zum Vorwurf,
was Andere als einen Vorzug betrachten. Ueberdies hat der Schreiber jenes
Artikels den Entwurf in ſeiner weſentlichen Tendenz entweder nicht begriffen,
oder er hat ihn abſichtlich nicht begreifen wollen, denn ſonſt hätte er finden
müſſen, daß er eine größere und durchgreifendere Umgeſtaliung Deutſchlands
anſtrebte, als viele zu hoffen wagten und heut zu Tage noch hoffen! Was end-


Deutſch-Kaiſerlichen gehalten, ſo weiß Niemand deſſer, als der Schreiber jenes
Artikels, was es dainit für eine Bewandtniß hat. Er weiß recht gut, daß der
Kaifer“ des Hagen'ſchen Entwurfs, der übrigens nur in Parentheſe vorkommt,
nichts weiter iſt, als ein Präſident. Er weiß ferner ſehr gut daß Hagen mit
der conſervativen Parthei niemals etwas hat zu thun haben wollen, was man
ihm freilich höchlich übel genommen hat, und weßhalb man jetzt alles aufhie-
tet, um ihn zu verdächtigen. Wenn die Gegner ehrlich ſein wollen, und nicht
mit perfiden Waffen kämpfen, ſo müſſen ſie zugeſtehen, daß ſie ſelber wiſſen,
daß Hagen in der Grundrichtung ſeiner politifchen Geſinnung ſich nicht veräu-
dert, und mmer darnach gehaͤndelt hat. Sie wiſſen ſehr gut daß er bereits im
Vorparlament bei der austretenden Minoritat geweln⸗ ein Umſtand, welchen
ſie erſt neuerdings gegen ihn auszubeuten ſich alle Mühe gegeben baben. —


 
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