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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 126 - No. 153 (1. Juni - 30. Juni)
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Behute Sißung vom 31r Ma



Vor Eroͤffnung der Sitzung herrſcht große Aufregung im Saale. Um


ſammeln ſich zahlreiche Gruppen. Die Intrigue , dexen Refultaͤt die Flucht
des Kaiſers aus Wien war liegt fetzt offen da; die Ariſtokratie und der Je-


ſollte. Aber Wien haͤt ſich wieder gefunden; die Kraft der Reaktion iſt hoffent
lich für immer gebrochen! Studenten, Arbeiter, Nationalgarde erhohen ſich


fen Hohyos und Dietrichſtem alg Geißeln, Monterueuli flob. In einem Augen»
blick war die Stadt mit Barrikaden, an denen feingekleidete Damen fleißig hal-
fen, bedeckt, die ſich mit entſchloſſenen Kämpfern füllten Zu einem ernſtlichen
Kampfe ſcheint es nicht gekommen zu ſein; aber die demokratiſche Partei het
Alles erreicht. Sie hat ihre Forderungen in 10 Punkten „Was, wir. wollen”
zuſammengeſtellt: * * — / 7
« Da wir erlannt haben, daß die reaktionäre. Partei den Sieg des fonverä-
nen Volkes zu ſchmälern beabuchtigte,. ſo wollen wir: **
17 daßı das geſammte Miliiär Wien verlaſſe und die ruſſiſche und italie-
niſche Gränze befeße; *
2) baß alle Errungenſchaften des 15. Mai ungeſchmälert aufrecht erhalten
* die konſtituirende Verſammlung nach Wien ſchleunigſt einberufen
3) daß von amtlicher Seite Abgeordnete in die Provinzen geſchickt werden,
welche unſeren Brüdern daſelbſt bekannt geben, daß Alles, was wir ge-
; !an nur im gemeinſamen Intereſſe der ganzen Monarchie geſchehen ſeiz
4) Aufhebung der Klöſter; ;
„ 5) Einführung einer Einkommen und Armenſteuer;
‚ 6) Beeidigung des Militärs auf die Verfaſſung;
7 Gteichſtellung aller Nationalitäten;
O Innigſter Anſchluß an Deutſchland;
9) Baldigſte Rückkehr des Kaiſers unter Aufrechthaltung der Errungenſchaf-
ttten des 15. Mai;
10) Daß Alle, welche den Kaiſer durch falſche Vorſpiegelungen zur Abreiſe
bewogen, vor ein Volksgericht geſtellt werden. *
* San Namen des Bolkes.,,
Die Ariftofvatie und die Reaftion haben Va banque gefpielt. — und wie
es ſcheint, das Spiel verloren. Glück auf! — *
Die Sitzung wird eröffnet; der Präſident läßt die eingegangenen ſelbſtſtän-


Der Central⸗Wahlausſchuß erſtattet durch Hrn. v. Lindenau Bericht über
das Reſultat ſeiner Pruͤfungen. 521 Deputirte ſind bis jetzt vollſtändig legitimirt.

Hierauf erſtattet Hr. Widerſold den Bericht des Prioritätsausſchuſſes. Der-
ſelbe hat den Auträgen auf Errichtung einer proviſoriſchen Centralgewalt vor
allen anderen mir Recht den Vorzug gegeben. Dieſer Bericht wird zur Diskuſ-
ſion auf die nächſte Tagesordnung geſetzt.

Derfelbe Ausſchuß fragt dann durch Hrn. Fuchs an, ob dieſer Ausſchuß
nur die Priorität feſtſtellen, oder auch die Funktionen eines Petitions Ausſchuſſes
uͤbernehmen ſolle. Es ſeien nicht in, ſondern außerhalb der Commiſſion Zweifel
daruber laut geworden. Auch dieſer Bericht wurde auf morgen auf die Tages-
ordnung geſetzt.

‚Hierauf erſtattet Hr. Dahlmann den Bericht des Verfaſſungs-Ausſchuſſes
über den Antrag Marels: Die National-Verſammlung ſolle erklären, daß
Deutſchland nie zur Unterdrückung irgend einer Nationalität die Haud bieten
werde/ daß es allen Staatsbürgern irgend eines mit Deutſchland verbundenen
Staates, welche nicht zum deutfchen Voltoͤſtamme gehören, alle Rechte deutſcher


wo der größere Theil der Einwohner eine andere Sprache fpricht, alg die
deutſche, welche Staatsſprache bleibt, dieſe andere Sprache in Communal-
Angelegenheiten, im Unterrichtsweſen und Gerichtsverfahren gebraucht werden
OR 2—
Der Auͤsfchuß hat eine andere Faſſung des Antrages beliebt; er hat ihn-
veſchraͤntt! er fagt nicht, daß Deutſchland nie die Hand bieten werde zur Un
prückung irgend einer Nationalitätz er ſpricht nur von den Rechten der nicht
chen VBolksftämme auf deutſchem Bundesgebiete; ſein Antrag, daß die Dis-
Hon wegen Dringlichkeit der Saͤche ſofort begiunen möge, wird faſt einftim-
mig angenommen.
gefdrochen, den Antrag ves Ausſchuſfes ohne Diskuffion anzunehmen, weil
dulch dieſelbe leicht die-Vielen da zur Sprache kommenden Intereſſen verletzt wer-
den - möchten. Die Berfammlung entſcheidet darauf faſt einftimmig, es ſolle
keine Diskuſſion ſrattfinden, Fbenjo der Bericht des Ausſchuſſes angenommen
und damit der Antrag Marels für erledigt eraͤchtet werden. Eine den Slaven

und anderen nicht deut ;
beantragte , ſchüne mir zweltmaͤßiger. „Das ganze Berfahren mag klus fein,
erfeint aber ſonſt etwas wunderſam. —4 — 4 —

Hiefauf geht die Verſammlung zur Tagesordnung zur Wahl der defint-
tiven Beamten bes Hauſes über, rachdem zuerfi die Namen der völlig legiti-
mirten Deputirten verleſen ſind. Hr. Eiſennann bemerkt, daß unter den ver-
leſenen und im Verzeichniß aufgeführten Abgeordneten einzelne ſich befänden,




diefen Zwiſcheufall weggehen, da auch die nur vorläufig zugelaſſenen Abgeord-
neten unbedingt wählen Fönnten, — *

‚ Geftimmt haben 543 Mltgliederz davon yat Or. v Gagern 494 Stimmen

Dieſes Refultat wird mit lautem Beifall aufgenommen. Ylum hat 12 Stimmen,
— 5 3 1, Sa I d a n 4






























Briefe und Gelder: frei eiuzulenden.




Der Präſident dankt ſichtlich geruͤhrt mit bewegten Worten. _ E
ein Gefühl des Stolzes, foüdern der Demuth, welches ihn erfülle!
ſolche Verſammlung ihn mit einer ſolchen Stimmenzahl zu ihren
Präſidenten erwaͤhlen würde, das habe er nicht erwarten Fönnen. @
für die Anerkennung und werde fortan alle feine Kräfte 1eDigliw
nal-VBerfammlung widmen, (d. h. ſeinen Miniſterpoſten nied


















Zum erfien Bizepräftdenten wurde von 513 Stimment

1, Möring 4, Arndt 3, Raveaux E (DBeifalk.) _
Zum. zweiten. Bizepraftdenten wurde Hr. v. Andrian al
Robert Blum erhielt 116,
men; einzelne hatten Auersberg, Mittermaier, Werner, Heckſ
Simon und andere. 4
So haͤt denn alſo der Partikularismus, durch die Nech
Hr. v. Andrian iſt nur gewählt, um den Defterreichern

d

einen Ariſtokraten. Es iſt unerhört, daß die Mejorität der Berfamm
Mann, wie Robert Blum, nicht zu dieſem Ehrenpoſten berie

Hrn. v. Andriang Name wurde von der Rechten beflat]
ausgeziſcht. Er verficherte , daß Niemauden Deutſchlands
zen liege, alg ihm. — Die nächſte Sitzung iſt erſt am

Deut ſch Lan d

+* Mannbetm, Juni. Das heutige Mannheime

3 aufeinander folgenden Artiteln ein Sündenregiſter unferes 5
bei der großen Mafle von Material, das unſerer Befprechung. WÜrdi
als die Kritik uuferet feindnachbarlichen Schweſier, ung zu keiner Erwider
bequemen, wenn wir es nicht für eine Aufgabe der Preſſe hielten, Bornirthe
ten zu berichtigen, Verdächtigungen an's Tageslicht zu ſtellen und für wohl-
meinende Belehrungen dankbar zu ſein. 2— — —— —
Der Correſpondent will „fein Volk tauſendmal eher abergläubifchen Cin-



lüſterungen hrieſterlicher Dunkelmänner als der Herrſchaft frecher C) Oottes-
läugner überliefert {ehen.“ Das glauben wir ihinz Ddenn- die erſtern ſind ein




probates, ſeit Jahrtauſenden bewährtes Mittel, um unfer Voll unter 4

vormundung und in der dazu norhwendigen Berdummuhg zu halkten.. X
aber die „Herrſchaft“, welche die Gottesläugner in Anfpruch nehmen?
unſerem Artikel iſt nur von Anſprüchen auf gleiche Berechtigung, wie der Oldue
bigen allex Art, ſo auch der Unglaͤubigen, die Rede Aber unſer Correfponbent
wittert mit Recht eine Herrſchaft, die wir obzwar nicht für die Goͤttesl *






































Weltanſchauung beaͤnſpruchen: naͤmlich für die Wiſſenſchaft D
macht, wie jener Herr vielleicht noch nicht erfahren, auch die Welt-
ſtehüng und Erhaltung, ſich zur Aufgabe und würde in einer unbewieſen
jenen Herrn auͤfgedruͤngenen Annahme eines felbfiftändigen höchſten AB
Mauer, an die {ie ſteis anrennt, oder ein Grab fiüden, in das ffe g
dann hineinſtürzt, wenn ſie, bis dahin ein blühender YJüngling, nun ein U
ger Mann zu werden verſpricht. Wir aber gönnen der Wiffenfchaft den br
ſten Boden nach unten, den weiteſten Raum. nach obenz Ddenn in ihre
breitung erblicken wir das Heil der Menfehheit; — wir. beanfpruchen
dieſem Grunde: Wohlſtand, Freiheit und Bildung für Alle. Der Hr. Co
die Gotteslaͤſterer ihren Atheismus bekennen und immerhin gewähren; €S I
ihnen dadurch weder die perſönliche Freiheit, noch ein 4 Recht geſchin
lert werden; aber ſeinen Abſcheu vermag er nicht zurügzuhalten.“”
Großmuih verdanken wir dem Geiſte unferer Zeit, der das Herz unfer
ſeligen Cörreſpondenten ſo weit gerührt hat, daß er die Atheiften nicht
will, aber doch perabſcheut; er wendet ſich ab —: - von den Atheiſten und Dem
Zeitgeiſt, denn dieſer iſt auch atheiſtiſch! inſofern er nicht gläuhig ſondern wiſſen-
ſchaftlich iſt.„Sie werden hoffentlich mit uns darin Kberefnftimmen, daß wahre ©ot-.
tesfurcht Die erſte Bedingung des Heils für den Einzelnen, wie Zr Bolker iſt. Furcht
iſt keine Bedingung des Heils, fondern Folge ves Unheils die erſte Bedingung.

*



dern, wie auch Autoritäten behaupten, die der Herr Koͤrreſpondent an
aber nicht, wenn man die gläubige Phantaſie zwiſchen den Sternen fhazieren,

—1 . * — —— 4

ESchließlich noch Eins: Wir wollten in-unfeem Blatte keine Lanze für
den Atheisnius brechen, ſondern die vernunftgemäße Berechtigung ſeiner Eriſtenz
{m Staate beweifen. Wir proklamiren nicht die Sottesläugnung., ſondern das
Recht des Menſchen, naͤch feiner Bequemlichkeit glaͤuben, aber zuch vermittelft

ſich die Welt eben monarchifch verwaltet vor, als ihren Lenker einen ſelbſtbe-
wußten, mit eigener Machtvollkommenheit verſehenen Sott/ zu ſeiner Seite
gut und böswillige Miniſter — Engel und Teufel, hält nach ganz verzeih

das Unglück für Strafe oder Mißfallen an denjenigen, die die allerhoͤchſte Maje-

felbſtbewußt, ſondern an die Welt gebunden und in ihr aufgegaugen, gerade
ſowie man ſich die höchſte Staatswürde, in den Händen eines Buͤrgers vor-
ftelfen kann! der mit allen Banden , der Familic, der Verantwortlichkeit, der

' Leule niit ſolchen Auſichten von der Weltregie-
und mit ſolchen Anſichten vom Staate Repu-




rung nennt man Rationaliſten
blifaner, — Berftanden?
 
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