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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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No. 206.





— — z S —



*ö* Die Miniſterinterpellativn in der deutfchen Natio-
* nalverſammlung

Der 25. Auguſt war von den Miniſtern des Reichsverweſers zu dem
Tage beſtimmt worden, an welchem ſie auf mehrere zum Theil ziemlich ver-
faͤngliche Fragen Antwort geben wollten. Diefer- gefährl.he Tag iſt glücklich
vorüber,, Freue dich Deutſchland, deine Ruhe iſt geſichert. Die Miniſter ſitzen
wieber fefßt auf ihren Sitzen; daß ſie ſich felbft und die Centralgewalt unaus-
Uſchlich blamirt, daß die Mehrbeit del National-Berfammlung bemüht war,
ſie auf Koſten der Ehre Deutſchlands zu erhalten, unbekümmert um diẽ geßrie-
ſene Einheit;die wieder einen ſo derben Stoß erlitten, daß ſie nun bald vol-
lenDdS zumM Kinderfpott werden wird was fümmert dich das, was Fümmert
das den Centralmichel, in deſſen Händen e8 lag, der Saͤche eine andere Wen-
dung zu geben.

Belanntlich hatten verſchiedene Zeitungen einen Brief des Reichskriegsmi-
niſters Peuker veröffentlicht, worin derſelbe nicht nur Ddie für den 6, Auguft
anbefohlene Huldigung des ſämmtlichen Militärs in Deutſchland (das daduͤrch
zum deutſchen Militär werden ſollte) eine die Sondergelüſte der einzelnen Re-
gierungen minder verletzende Deutung gegeben, ſie nur alg eine Art militäri-
ſchen Ceremoniels dargeſtellt, mit andern Worten geſagt hatte, ſie habe eben
gar nichts zu bedeuten, ſondern ſogar die einzelnen Regierungen zur Unter-
drückung der demokratiſchen Vereine aufforderte mit dem Bemerken, die Central-
gewalt werde das Odium (die Gehäſſigkeit) dieſer Unterdrückung auf ſich neh-
men. Das war eine böſe, Geſchichte; wollte der Miniſter vden Brief abläug-
nen, wer hätte ibm geglaubt? Er hätte ihn ja, falls er dieſes wirklich war,
längſt für unächt erklären müſſen; ihn anerkennen, konnte zu ſchlimmen Ver-
wicklungen führen, zumal da ſich gar keine Beſchönigung dafuͤr auffinden ließ.
KLurz, der Kriegsminiſter war ſehr beſorgt um ſein noch ſo junges Portefenille,


Ausweg, und der Miniſter erklärte mit großex Emphafe, ein Pribatbrief, der
durch Indigkretion veröffentlicht worden, ſei kein Gegenſtand der ſich für eine
öffentliche Berhandlung eigne; übrigens könne man gewiß ſein, er werde unter
allen Umſtänden ſeine Schuldigkeit thun. Wie fein ausgedacht!
um von einem engliſchen oder franzöſiſchen Parlamente zu ſchweigen, ſelbſt eine
ſächſiſche oder badiſche Ständekammer eine ſo unverſchämte Erklärung aufgenom-
men? Aber Hr. Peucker kannte ſeine Leute; weder die preußiſchen Piſtoͤlenhel-
den, noch die baixiſchen Lolaritter, noch die öſterreichiſchen Schwarzgelben auf
der Vechten hätten ihn fallen laſſen, und noch zuverläſſiger als diefe war ja


einer Miniſterveränderung Lorzubeugen; wußte er doch, wie viel Noth: eS ge-
macht hatte, die ominöſe Sieben für vas Miniſterium aus allen Winfkehn zu-
ſammenzuklauben. Als daher Vogt den Antrag ſtellte, die Verſammlung folle
dieſe Erwiederung des Miniſters als ungenügend erklären und auf vollſtändiger
Desavouirung des Briefes beſtehen — ſo verwarf. ffe zwar dieſen Antrag nicht
geradezu; bewahre ſo viel Courage hat Centralmichel nicht. . Nein, er erflärte
ihn „nicht für dringlich?, d. h. er 30g ihn nicht ſofort zur Berathung, ſondern
übergad ihn einem Ausſchuß zur Begutachtung; da mag er Monate lang be-
graben liegen. Zeit gewonnen, Alles gewonnen. /

Daß Herr Peucker auf eine zweile Interpellation Vogt's die verweigerte
oder nur halb vollzogene Huldigung in Oeſterreich, Preußeu, Hannover 20. betr.
ebenfalls alles Ehrgefühls baar erklärte, es fei entweder befriedigend gehuldigt
worden, oder es ſeien doch, wo dieß nicht geſchehen, beſondere Umſtände vor-


Antrag auf vollſtändige Nachholung der Huldigung gleichfalls für nicht dring-
rklär Wenn Windiſchgrätz unter dem Vorwande ſlaviſcher Wider-
ſpenſtigkeit das demokratiſche Element in Prag bombardirte, wenn Radetzky das
nach Freiheit ringende Italien mit Gewalt niederdrückt, wenn Preußen ein Reſt-
chen Polen ſich einverleiht, was felbſt Rußland zu thun ſich noch nicht über-
winden konnte, da ſchreien ſie von „deutſcher Ehre“, ſchreien es denen
enfgegen, die ſich der Unterdrückten annehmen wollen; wenn aber ein Miniſter
die Vertreter des deutſchen Volks bei der Nafe herumführt, wenn er die von
ihnen eingeſetzte Centralgewalt von den einzelnen Regierungen nicht nur ver-
böhnen läßt, ſondern dieſe Vexhöhnung auch noch gut heißt, wenn er den of-


treibt, wenn er dieſem jämmerlichen Treiben zuſchaut.

In dex That, es erſcheint als die größte Thorheit, der neuen Centralge-
walt zu gehorchen wenn ihre verantworilichen Träger ſo bereitwillig ſind, den
Ungehorſam zu beſchönigen und die Nationalverſaminlung ſich feig genug zeigt,
dieſe Beſchönigungen für baare Münze hinzunehmen.


6* ſich an dieſem gloxreichen Tage wieder einmal zum Gefpött der
erſammlung, die immerhin ein unſchuldiges Vergnügen daran finden mag,
ihn auszulachen, gleichviel, wenn ſie nur für ihn ſtimmt. Auf die Frage, ob


fämpfen betheiligt, jeßt zur Deportation verurtheilt feien, antwortete er mit
lindlicher Unhefangenheit, es ſeien dem Minifterium- keine offiziellen Anzeigen
zugefomımen (!), was denn ein donnerndes Gelächter hervorrief, auch ſei das
008 der, Deportirten, gar nicht ſo ſchlinm/ fie würden alg Koloniften na Algier
gebracht. Im Uebrigen verfprach er Erkundigungen einzuziehen.! Unbedeutender
ſind die Expektorationen des Miniſter des Innern, welcher, anſtatt Oeſterreich
wegen des Geldausfuhrverbots ſcharf zuzuſetzen, ſich bet der Hoffnung“
beruhigt, es werde das Verbot von ſelbſt aufheben.
— Durch Hoffen und Harren,

Wird Mancher zum Narren.






Eine Wahrheit, welche Deutſchland ım Lauf der letzten 33 Jahre nach-
gerade eingeſehen haben könnte. Freilich in den diplomatiſchen Salons des
Hrn. v. Schmerling kennt man die Volksſprichwörter nicht. Doch hat er das
Verdienſt, von ſeinen Kollegen der einzige zu ſein, der beinahe etwas vernünf-
tiges geſagt hätte.

Der alte Jahn, Turner und früherer Erzdemagog, hatte ihn interpellirt,
ob etwas geſchehen ſei, um den Wühlereien der kommuniſtiſchen oder ſogenann-
ten radikal-demokratiſchen Vereine entgegenzutreten. 2*

Ihm entgegnete der ehemalige Bundestagspräſident: das Miniſterium er-
kenne zwar das Vereinsrecht als heilig und unentbehrlich an, werde aber, wenn
die Gränzen die es haben müſſe, überſchritten würden, der Zuſage des Reichs-
verweſers gemäß die öffentliche Ruhe und Sicherheit aufrecht erhalten; vor-
derhand gehöre aber Ueberwachung ber Vereine den einzelnen Regierungen (Alſo
immerhin ausweichend geantwortet, kein ehrliches Ya oder Nein) Der alte
Jahn, der wahrſcheinlich jetzt den Demokraten der jüngeren Generation das ent-
gelten laſſen will, was er ſelbſt einſt unter den Demagogenriechern und Burſchen-
ſchaftsverfolgern wahnſinnigen Angedenkens erleiden mußte, ſtellt der Nationalper-
ſammlung das Anſinnen, einen Spionirungsausſchuß, oder wie er es nennt einen
„Sicherheitsausſchuß jener Vereine“ zu ernennen, (wie trefflich hätte ſich Ma-
thy zu deſſen Präſidenten geeignet) und hat wirklich die Freude, in Mathy’s


wald, Beſeler, Rotenhan, und ve Schreuͤck heißen die Eoͤlen. Sogar Stüder,.
der auch Jahre lang verfolgt worden, jetzt aber lammfromm rechtsgeſinnt iſt,
blieb ſitzen.
Und dabei hört man Tag für Tag ſchönklingende, hochtrabende Redens
arten von der hohen Würde der Nationalverſammlung, von den glorreichen Ta-
gen des Märzs 1848, von der neugegründeten, wohl gar von der erkämpften Einheit
Deutſchlands, deren treffendes Symbol der Kölner Dom iſt, der jr doch aller
fürſtlichen Beſtrebungen unerachtet unvollendet bleiben wird; von den Hoffnun-
gen, die die neugeſchaffene Centralgewalt überall erwecke (vom Befriedigen hört
man noch nichts, als neue Steuet) von dem Segen, den der Reichsverweſer
über Deutſchland ausgießen wird. — Glück zu!: -
Ein Tag wie dieſer übertönt alles Vivatrufen und Glockenläuten, allen
Kanonendonner; er eröffnet einen tiefen Einblick in das Schickſal, dem Deuiſch-
land unter ſolchen Führern entgegengeht — Spott und Verachtung von Außen,
Zerxiſſenheit, Zerfall im Innern; er zeigt aber auch die Unmöglichkeit, mit der
Halbheit, die ſich nicht völlig von dem alten Wuſt loszureißen vermag einen
neuen geſegneten Zuſtand für Deutſchland herbeizuführen. —



Deut ſchhand.

© Baden, 26. Auguſt. Die Beſtimmung des badiſchen Preßgeſetzes
daß für jede periodiſch erſcheinende Zeitſchrift ein badiſcher Staatsbürger alg
verantwortlicher Redakteur geſtellt werden ſoll, dieſelbe Beſtimmung, welche auf
ſo logiſche Weiſe von dem Stagtsprofurator in Mannheim zur Grundlage des
gegen Heinr. Hoff eingeleiteten Preßprozeſſes genommen wurde, ſcheint nicht alz
lenthalben ſo genau beobachtet zu werden. Es hat ſich nemlich in hieſiger
Stadt ein neues Blatt aufgethan, „der wahre Volksmann“ benannt, deffen
Probehlatt auf die zudringlichſte Weiſe den Leuten ins Haus geſendet wird,
und alg deſſen Redakteur eine unbekannte Größe, ein gewiſſer Dr. Herrmann
Berthold erſcheint. Beſagter Dr., welcher gerade aus Paris komnit, iſt im
Badiſchen ſo gut, wie die Hrn. Fröbel und Pelz, ein deutſcher Ausländer und
macht neben der Eigenſchaft des verantwortlichen Redakteurs auch noch jene
des Verlegers geltend. Wir ſind weit entfernt davon, dieſes Blatt hierwegen
dem Hry. Staatsprokurator und der hohen Polizei zu denunziren; e& waͤre
dies auch pergebliche Mühe, denn hier geht nicht das Geringſte vor, was die
Polizei nicht weiß; es iſt ihr daher auch alles dies nicht unbekannt. Im Ge-
gentheile, wir freuen uns, daß man von der deutſchen Ausländerei aͤhſieht
und fene in unſre Zeit nicht mehr paffente Beſtimmung des Preßgeſetzes un-
berückſichtigt laßt. Allein — das Blatt ſoll von fürſtlicher Hand unterſtützt
werden, fürſtliche Kronenthaler ſollen die Unterlage des Unternehmens bilden,
und das Blatt ſchreibt gegen die Republik! Boshafte Menſchen mögen nun
die Polizei verläumden, und für die verſchiedenartige Handhabung der Geſetze
dieſem Blatte, und gegenüber der Volkszeitung ihre Randgloſſen
machen! *—E —

Ich habe die erſte Probenummer geleſen, und kann Ihnen ſagen, wenn ich
ein Fürſt wäre, ich würde mir für meine Kronenthaler einen andern Redakteur
geſucht haben, denn, ſoll dieſer fahrende Doctor die konſtitutionelle Monarchie
retten, ſo iſt ſie unrettbar verloren. Nach der Ankündigung erſcheint das Blatt
in einer Auflage von nur 10000, ſage zehntauſend Abvrücken — jede Woche
zehntauſend wahre Volksmänner, nun kann's nicht mehr fehlen! Doch ich ſage




ganz umſonſt haben kann, werden die Leſer fehlen.
Das badiſche Volk iſt in ſeiner politiſchen Bildung doch viel zu weit vor-
gerückt, als daß es ſich durch Anekdoten, worin der Leibarzt eines Fürſten den
Magen mit dem König vergleicht und die Darmkanäle alg Staatsmafchine
ſchildert, ergötzen ließe, oder durch Mittheilung des franzöſiſchen Klubbgefeges
zur Anbetung des baͤd. Vereinigungsrechts gebracht würde, und was Dergleis
chen abgedroͤſchene Albernheiten mehr find. Wie gefagt, die Monarchie muß
am Stekben ſein, wenn ſie ſich durch einen ſolchen Toͤktor wilt kuriren laſſen
Aus der Erzdiöcefe Freihurg, 25. Auguft. Nach Zeitungsberichten iſt
die Strafe des berüchtigen Schäfers Fraſch in lebter Inſtanz um zwei Jahre
verſchärft worden, ſo daß er nun feine bekannten Betrügexeien zwölf Jahre, lang
abzubüßen hat. Unwillkürlich drängt dieſes Strafurtbeil zur Frage, wie die
Unterſuchung gegen Vicar Rettfuß ſteht. Die Erbitterung gegen ihn und
ſeine Helfershelfer gibt der Beſorgniß Raum, daß gewiſſe Rückſichten dieſer
Sache einen Ausgang geben könnten, wie er bei der unglücklichen Gräfin von

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