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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1338

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Aufruf an die Bürger Badens!

Die Nativnalverfammlung zu Frankfurt hat in der Sitzung vom 2l. De-
zember das Einführungs- Geſetz für die Grund-Rechte des deutſchen Volkes be-
ſchloſen , ;

Der Art. VIII. dieſes Geſetzes fautet? —

Abänderungen der Grundverfeſſung einzelner deutſcher Staaten, welche durch
die Abſchaffung der Standesvorrechte nothwendig werden, ſollen innerhalb ſechs
Monaten Luech die gegenwaͤrtigen Organe der Landesgeſetzgebung nach folgenden
Beſtimmungen herbeigefübrt werden. ;

1) Die durch die Berfafungenrhunden für den Fall der Verfaſſungsände-
rungen vorgeſchriebenen Erſchwerungen der Beſchlußnahme ſinden keine Anwen-
dung, vielmehr iſt in den Formen der gewöhnlichen Geſetzgebung zu verfahren.

Wenn in Stagten, wo zwei Kammern beſtehen, dieſer Weg keine Bers
einigung herbeiführen ſollte, ſo treten dieſe zuſammen, um in einer Verſammlung
durch einfache Stimmenmehrheit die erforderlichen Beſchlüſſe zu faſſen.

Uebrigens bleibt es den gegenwärtigen Organen der Landesgeſetzgebung un-
benommen, ſich darüber, daß die gedachten Abänderungen durch eine neu zu
wählende Lande verfammlung vorgenommen werden, zu vereinbaren, für welche
Vereinbarung die Beſtimmungen unter 1 und 2 gleichfalls maßgebend ſind.

Sind in der bezeichneten Friſt die betreffenden Geſetze nicht erlaſſen, ſo hat
die Reichsgewalt die Regierung des einzelnen Staates aufzufordern, ungeſäumt
auf Grundlage des Reichswahlgeſetzes eine aus einer einzigen Kammer beſte-
hende Landesverſammlung zu berufen.

Auſſerdem beſtimmt der Art. II. dieſes Geſetzes, daß der im 5. 17 der
Geundrechte ausgeſprochene Geundſatz der Selbſtſtaͤndigkeit der Religionsgeſell-
ſchaften ungeſäunt dadurch zur Geltung gebracht werden ſoll, daß die nörhigen
organiſchen Einrichtungen und Geſetze in den Einzelſtaaten möglichſt bald ge-
troffen werden.

Ferner beſtimmt der Art. Nl die ungeſäumte Abänderuag und Ergänzung
der Laͤndesgeſetzgebungen auf verfaſſungsmäßigem Wege, inſoͤweit ſie betreffen:
1) Die in den Grundrechten beſtimmte Abſchaffung der Todesſtrafe.

2) Die Abſchaffung der Standesunterſchiede im Privatrechte. ;

: 3) Die Regelung der Wehrpflicht, inſoweit ſie für alle gleich iſt und Stell-
vertretung ausſchließt. —

4) Die Modififationen der Fabeascorpus⸗Akte bezuglich des Heerweſens.

5) Die Ausnahmsfaue für die Unverleslichkeit der Wohnung. ;

6) Die gleiche und Furze Eidesformel und die Führung der Standesbücher
durch Civilbeamte. '

7) Die Beaufſichtigung des Unterrichts- und Erziehungsweſens durch den
Staat und die Enthebung der Geiſtlichkeit von dieſer Aufſicht; die Ertheilung
der Staatsdienerrechte an alle öffentlichen Lehrer; die Beſtimmung der Bethei⸗—
ligung der Gemeinden bei der Wahl der Volksſchullehrer; die Unentgeldlichkeit
des Unterrichts.

8) Die unentgeldliche Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, der grund-
herrlichen Polizei, der Aufhebung der privilegirten Gerichtsſtände, die Unabhän-
gigkeit der Richter durch Verbot der Suspenſion oder Verſetzung und Penſio-
nirung ohne vorausgegangenen gerichtlichen Beſchluß, Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeil des Gerichtsverfahrens, Anklageprozeſſe, Schwurgerichte, Trennung der
Rechtspflege von der Verwaltung, Aufhebung der Verwaltungsrechtspflege und
der Strafgerichtsbarkeit der Poltzei. ;

Endlich beſtimmt der Art. IV. die ungeſäumte Erlaſſung derjenigen Be-
ſtimmungen, welche betreffen die Aufhebung des Lehensverbandes, der Familien-
fioeikommiſſe, die Jagbberechtigung auf eigenem Grund und Boden, die Regu-
lirung ber Ausübung des Jagoͤweſens, die unbedingte Veraͤußerbarkeit des
Grund und Bodens, die Durchführung des Grundſatzes der Theilbarkeit alles
Grundeigenthums und die Beſchränkungen des Erwerbs und der Veräußerung
von Gruͤnd und Boden, betreffs der todten Hand.

Mitbürger! Die Aufgabe, welche in dieſer Weiſe der Landesgeſetzgebung
uͤberwieſen iſt, betrifft das ganze materielle und geiſtige Wohl aller Staatsbür-
ger, jeder Gewerbſtand, jeder Beruf erwartet gefetzliche Beſtimmungen, welche
die Durchführung der bisher ſo fehnlichſt erwarteten Grundſätze ebenſo gut er-
ſchweren, als erleichtern können, je nach dem die Männer geſinnt ſind, welchen
es obliegt, die vetreffenden Geſetze zu fertigen. Es liegt alfo in eurem drin-
gendſten Intereſſe, alle Mittel aufzuoieten, daß nur die Männer eueres unbe-
dingten Vertrauens jene Geſetze zu beſtimmen haben, und dies um ſo mehr, als
die politiſche und ſociale Unigeſtaltung des ganzen deutſchen Vaterlandes viel-
leicht umſonſt erſehnt worden und die Revolution des März keine weiteren
Früchte für die Freiheit des Volkes bringen wird.

Das oben aͤngeführte Geſetz überläßt die ganze Geſetzgebung den ſeitherigen
geſetzgebenden Orgaͤnen, den beiden Lammern, der Regierung und dem Fürſten;
nur waͤs die durch Aufhebung der Staͤndesvorrechte nöthigen Verfoſſungsände-
rungen betrifft, iſt die Errichtung einer neu zu wählenden Landesverfammlung
möglicherweife in Ausſicht geſtellt. Aber diefe Beſtimmung des Reichegeſetzes
iſt nicht bindend für das einzelat Land, ſie gibt blos diejenige Erleichterung zur
Geltendmachung des freieren Volkswillens, welche jedenfalls eintreten muß, und


Mitbuͤrger! Der Ruf um Auflöſung der Kammern und um Berufung
einer verfaffungsgebenden Verſammlung hat ſich überall im Lande geltend ge-
macht, es bedürfte keines weiteren ©rundes , die Kammern zum Rücktritt zu
bewegen. Wer aber immer bishex dieſem Rufe nicht beigetreten, der hat nun
eine entſchicbene Aufforderung, alle ſeine Bedenken fallen zu laſſen.

Die Staͤndesuuͤterſchiede ſind durch dies Geſetz über die Grundrechte auf-
gehoͤben, das Geſetz anerkennt die Unzuläſſigkeit jedes Vorrechtes auf Grund
jener Uuterſchiede, es anerkennt, daß ſich ein ſolches Vorrecht mit der politiſchen
und focialen Freiheit des Volkes nicht verirägt, — und nichtsdeſtoweniger ſol-




len die wichtigſten Geſetze unter dem Einfluſſe dieſer Vorrechte nicht blos von
den Vertretern des Volkes, ſondern auch von ſolchen Männern gefextigt werden,
denen nur ihr Standesvorrecht den Zutritt zu dem Saale der Geſetzgeber ver-
ſchafft hat?! Und es ſollen dieſe Männer auch da noch gewichtigen Einfluß
geltend machen können, wo es ſich namentlich auch um die Abſchaffung ſolcher
Beſtimmungen handelt, welche direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar
ihre bevorrechtete und die gedrückte Stellung der übrigen Staatsbürger betref-
fen?

Wie kann die erſte Kammer noch eine Stunde beſtehen, noch irgend ein
Geſetz auch das unbedeutendſte mitvoliren, wenn es keinen bevorrechteten Adel,
keine bevorrechtete Geiſtlichkeit mehr gibt?

Waͤs aber die zweite Kammer betrifft, ſo dürfte nach unſeren Anſichten
der eine Grund ſchon hinreichend genügen! daß ſie unter der Herrſchaft ganz
anderer Grundſätze, zur Löſung weit verſchiedener Aufgaben gewaͤblt worden,
alg diejenigen ſind, welche ſeit dem März ſich Geltung verſchafft oder neu auf-
getreten find. Darum iſt ſie bevölkert mit Beamten , deren Stellung durdh die
neue Ordnung der Dinge gefährdet würde, durch Männer, welche dem Miß-
trauen des Voͤlkes längft verfallen e& dennoch mit ihrer Ehre vertraͤglich halten,
den Namen der Volkevertreter zu führen, durch Männer, deren Unentſchieden-
heit und Zaghaftigkeit ſich nicht mit der Entſchiedenheit des Volkswillens und
der unbedingten. Geltenduniachung deſſelben vertrug, vielmehr jedem energiſchen
Schritte hindernd in den Weg trat.

Diefe Männer haben mindeſtens dem Volke keine Gelegenheit gegeben, da-
rüber zu urtheilen, ob ſie würdig und fähig ſeien, die große, Aufgabe der Ge-
feggebung im Sinne der endlich anerkannten Grundſätze zu löſen; während an-
der? Maͤnner auch da ſich für die freie Bewegung und die Befriedigung der
wichtigſten Intereſſen des Volkes bemühten, wo dieſe Bemühungen nicht mit
denen der machthaͤbenden Behörden übereinſtimmen. Auch die jetzige zweite Kam-
mer kann alfo nicht als ein Organ des Volkswillens für diefe wichtigen Geſetze
betrachtet werden.
Mitbürger! Man hat das Volk Badens in der deutſchen Nation ſou-
verän genannt, nehme das Volk jetzt dasjenige Recht in Anfpruch, welches die
Grundbedingung uud erſte Uebung ſeiner Souveränität iſt, verlange es das
Recht der freien Wahl ſeiner Vertreter — der freien Wahl derjenigen, welche ſein


Mitburger! Bauern! Ihr erwartet die Freiheit eures Grund und Bo-
dens, Befleiing von ungerechien Laſten, von dem Brucke der ſog. Herrſchaften
und ihrer Diener! ; . .

Gemeindebürger! Ihr erwartet die Freiheit von hemmendem und bevor-
mundendem Einfluſſe der Verwaltung Scitens der Regierung, Seitens der Po-
lizei, ihr erwartet Theilnahme an der Wahl derjenigen, welche euern Kindern
den wichtigſten Unterricht ertheilen.

Staatsbürger! Ihr erwartet Sicherheit eurer Perſon, eures Hauſes in
aller und jeder Beziehung, gleiche Berechtiguug mit Allen, gleiche Vertheilung
der Laſten unter Alle. Ihr erwartet die Sicherung dafür, daß die Verwirrun-
gen des ſocialen Lebens durch die Beſeitigung krankheiterzeugender Vorrechte
gehoben werden. -

. In euer aller Intereſſe liegt es, daß den Geſetzen nicht blos die rechte
Richtung, ſondern auch von Anbeginn das nöthige Vertrauen werde, ohne dies
Vertrauen werden ſie niemals Stuͤtzen der Ruhe und Ordnung, vielmehr die
Quelle unabläßigen Kampfes ſein, und dies Vertrauen beruht allein darauf,
daß das gzfeſetzgebende Organ aus ſolchen Männern beſtehe, welche ihr nach bes
ſtet Ueberzeugung frei gewählt habt. . —S 2

Je mehr die erſte Kammer gewillt iſt, ihr fluchwuͤrdiges durch das Geſetz
des Reiches ſogar verdammtes Vorrecht auch jetzt noch geltend zu madhen , je
weniger die zweite Kammer mit dem Volke einen Weg zu gehen und ſeine
Kraft nicht mehr in dem Willen des Volkes zu finden gemeint iſt/ deſto wich-
kiger iſt es, daß ihr alle ihnen den Weg der Pflicht angebt und eurem Rechte
kraͤftige Stimme verlcihet.

Wir fordern euch auf, entſchieden und unverweilt an die Kammern die
Forderung zu ſtellen * *

ſich ohne Verzug aufzulöſen, nachdem ſie die Regierung aufgefordert ha-

ben, eine verfaſſunggebende Landesverſammlung mit direkten Wahlen und

unter denſelben Bedingungen, wie die der früheren Reichstagswahlen als-
bald zu berufen.

Mannheim, den 23. Dezbr. 1818.

Der Kreisausſchuß der bad. Volksvereine.
Für denſelben: Der Präſident: Florian Moͤrdes.



Deut ſchLand.⸗

O München/ 23. Dezember. Trotz der eingetretenen ſtrengen Kälte
laſtet auf unſerer Stadt eine Gewitterſchwüle, und eine düſtere Stimmung
herrſcht. Das Abtreten des bisherigen Miniſteriums iſt die Urſache hiervon.
Schon ſeit einigen Tagen ging das Gerücht, daß der Miniſter Lerchenfeld ab-
treten werde; nun iſt die Sache zur Gewißheit geworden; Lerchenfeld hat das
Portefeuille des Innern an den verweſenden Finanzminiſter Weigand abgetreten.
Sämmtliche Miniſter ſollen in Folge dieſes Rücktritts ihres Collegen ihre Ent-
laſſung verlangt haben, mit alleiniger Ausnahme des Finanzminiſters. Als
nächſten Grund des Zurücktretens Lerchenfelds nennt man die Einmiſchung der
Kamarilla, und beſonders Armanſpergs in die Regierungsgeſchäfte, welch' letzterer
ſich ſogar eine ſtrenge Cenſur der Geſetzentwürfe des Miniſters Lerchenfeld an-
gemaßt haben ſoll. Man tyeilt ſich heute folgende Zuſammenſtellung des neuen





Kabinets mit: Wallerſtein für die auswaͤrtigen Angelegenheiten, Schrenk für
das Innere, Zurhein für die Finanzen und von der Becke für die Tuſtiz. Ein

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