*
— — —
—
Inſerate die gefpaltene Zeile in Vetitfchrift over
* No
—
Deut ſchlaud.
*5* Karlsruhe, 30. Jan. Der Abgeorbnete Hecker hat in der Ver-
Dieſer Brief rief ſowohl in, als außerhalb der Kammer mancherlei Be-
merkungen hervor. Wir werden in einem andern Artikel darauf zurücktommen.
Jedenfalls aber glaubten wir, daß es bei diefen Bemerkungen bleiben, und daß
nicht eiwa „ Maßregeln“ nachfolgen würden.
Wir haͤben uns daͤrin getäuſcht! Es iſt ſchlimm, daß wir uns täuſchten.
Jedem Badner ſteht verfaſſungsmäßig das Recht der Petitien zu, und keine
konſtitutiouelle Regierung wird den Bürger, welcher ſich ſeines Petitionsrech-
tes bedient, polizeilich oder auf andere Weiſe deßwegen verfolgen. Vollends
aber müßte es ein Unrecht genannt werden, wenn Leute wegen Aeußerungen
in einem Privatſchreiben verfolgt würden. Laſſen wir indeßen dieſe all-
gemeinen Bemerkungen und gehen wir zu den Thaͤtſachen über.
Neben jenem Privatbriefe der Arbeiter hat der Aogeordnete Hecker auch
eine Peiiiion mit 170 Unterſchriften aus Ourlach vorgelegt, welche verlangt,
daß die Regierung die drei Fabrikanſtalten nicht unterſtützen ſolle. Bei den
Unterzeichnern der Petition befinden ſich, wie man jagt, auͤch Arbeiter aus der
nach der Kammerverhaudlung? Die Arbeiter der Maſchienenfabril wurden zu-
ſanimengerufen und ihnen geboten, eine Kommiſſion zu wählen, welche die Be-
Könne dieß binnen acht Ta-
gen nicht geſchehen, ſo iſt ſämmtlichen durlacher Arbeitern mit
Lutlaſfung gedroht. Die Arbeiier ſind natürlich darüber in Verzweiflung;
denn die aͤnßedrohte Maͤßregel wird ſicher ebenſogut ausgeführt werden, wie
früher die Maßregel gegen die beiertheimer Arbeiter, welche entlaſſen wurden,
weil Beiertheim für Herrn Emil Keßler keinen Grund und Boden abgeben
wollte auf welchem er zwei Wege in ſeine Fabrik wollte bahnen laſſen. —
Die Namen der burlacher Petitionsunterzeichner witd die Kommiſſion vielleicht
von dem Kammerpraͤſibenten erfuhren, da die betreffende Emgabe der Kannner
e Die Namen der dreiundſechzig Arbeiter wird die Kommiſſton
uicht erfaͤhreu, da ſie in einem Privatſchreiben an Hecker ſtehen. Es müßten
denn die dreiundſechzig felb ſt ihre Namen veröffentlichen: was wir jedoch gar
praͤchte! Die Verhöre in der Fakrik ſind freilich in vollem Gange! Vermu-
zbungen auf allerlei mißliebige Verfonen gehen umher. Die Wächter des Be-
fiehenden werden aber wahrſcheinlich dichmal nicht in die Lage gefegt werden
SMaßregeln ergreifen zu fönnen. Bielleicht jedoch gibt ihnen der Abgeordnete
Chiiſt Ausfunft, der ſo Biel ven den hieſigen Phalanſteriauern und dem „un-
hefannten Manne in Algier / zu erzählen wußte. —
Wir wollen nun ſehen, was ferner in dieſer Sache erfolgt. Ein Abge?
ordneter der Volkspartei wird ohne Zweifel morgen die Regierungsbank inter-
pelliren, zumel da jeßt die Regierung die Kontroͤlle über die Fahriken erhalten
joll. Es muß wohl der Regierung, welche freiſinnigen Grundfägen Yuldigt,
außerordentlich daran gelegen ſein, auch den geriugſten Schein zu vermeiden,
alg wolle ſie bereits durch ihren Einſluß auf die Großgewerbe eine poͤlitiſche
Ueberwaͤchung der Arbeiter handhaben. Die religiöſe Ueberwachung, ja ſo-
gar meht noch: Das pofitive Eingreifen mit Religionspredigten für die Ar-
Feiter hat ihr bereits der Abgeordnete Buß angerathen. *
—_ *0* Karlsruhe, 31. Jan. Siebzehnte öffentliche Sitzung unter dem
Präſidium Bader's.
Tagesordnung: Bericht des Abg.
über den Getreidezoll betr. ;
Motionsbegruͤudung des Abg. Brentauo, Enihebung des Ortsvorgeſetzten
vom Gerichtevollzieherweſen betr.
Vericht des Abg. Speyerer, Zolltarif betr.
Auf der Kegierungsbank: Regenauer, Kühlenthal.
Die Gallerien ſind dicht gefüllt. n
Die Kammer iſt nicht ſicher vollzählig, da man noch nicht weiß, ob der
Bleidorn, die proviſoriſchen Geſetze
Der Praͤſident eröffnet die Sitzung. Es werden Petitionen vorgelegt.
Hecker: Bitte verſchiedener Buͤrger aus Feudenheim, Ablöſung von
Petition
aus Neuenkirch, Verantwortlichkeit der Miniſter; Beſſerſtellung der Schulleh-
rer; Uebernahuie der Schulgelder auf die Staatskaſſe. Eingabe um Eiufüh-
rung der Preßfreiheit.
Siraub legt Petitionen vor über Einführung der Vermögensſteuer; Auf-
hebung von Jagoͤrechten. Petition wegen Getreideausfuhr.
BHelmreich: Petition aus Haͤnoͤſchuhsheim und Schriesheim. Geltend-
madung von Laͤndrechtsfätzen, welche die Motion des Abg. Biſſing über die
Vfandgerichte unnöthig maͤchen ſollen.
> BZentner: Peiitionen aus Neukirch, um Oeffentlichkeit und Mündlich-
keit Des Gerichtsweſens. Petitionen, beti. das Bauweſen auf dem Schwarz-
ſchwornengerichten und Preßfreiheit.
Selgam erlaubt ſich die Ehre, einer hohen Kammer Petitionen einzu-
Kapitalſteuer; Ausfertiguns der Kaufbriefc durch Gemeindebeamten; Aufhes
bung dir Verordnung über die Einführung des Gemeinderechnungsweſens.
Schaaf! Petitionen, die Straße von Hardheim nach Grombach, Ver-
bindung des Odenwalds mit dem Main betr.
Welte: Petition um Aufhebuns dex Bürgereinkaufsgelder.
G hrijt reicht zwei Peutionen über die von Arbeitern ausgegangenen Ein
gaden bei der Dreifahrikenſache ein. Es erflären naͤmlich Arbeiter aus der
Naſchinenfabrik des Hru. Keßler, daß ſie es mit ihrem „Chrgefühlw nicht
vereinbaren koͤnnten, neben Leuten zu arbeiten, welche gegen die Unterſtützung
ihres Brodherrn geſprochen haben. Der Abg. Chriſt verliest die eine Peti-
tion — gegen die Geſchäftsordnung! — in ihrem vollen Umfang. Es ergibt
ſich daraus, daß ſie verlangen die Namen der 63 Arbeiter, welche an Hecker
einen Brief gerichtet haͤtten, ſollten ihnen zur geeigneten Benutzung beant-
wortet werden: Denn entweder müßten die 63 Arbeiter aus der Fabrik ent-
laſſen werden; oder Hr. Keßler ſolle Alle entlaſſen. Die Petition iſt angeb-
lich in dem Namen von 800 Arbeitern durch etliche Zwandis unterzeichnet.
Der Abg Ehtiſt verlangt darauf, daß Hecker ſeine Erklärung abgeben ſoll.
Zugleich beginnt er, die zweite Petition aus Durlach zu verleſen.
Welter fällt ihm in's Wort; es ſei wider die Geſchaͤftsordnung / ſo zu
verfahren. ; 7 —— ala ;
Schgaf behauptet, die Uebung des Hauſes geſtatte das Verleſen.
Hecker: Die Geſchäftsordnung geftattet es nicht. Laſſen Sie übrie
Ehriſt: Die Sache kann ja einfach abgemacht werden. Ee handelt ſich
nicht um Thatſachen, fondern einfach um eine Erklärung Heders, ob er die
Naͤmen nennen will. 2
Weller: Ein Kammerbeſchluß iſt nothwendig, damit der Abg ˖ Oecker
gefragt werden koͤnne. Der Abg. Chriſt hat nicht die Befugniß, im Namen
von S00 Arbeitern hier eine Zrage zu ſtelen.
Trefurt: Der Abg. Weller hat darin allerdings Recht. Aber die
Moͤglichkeit iſt Loch da, daͤß die Namen aus eigenem Antrieb von dem Abg.
Hecker genannt werden. Vielleicht thut er Das. ; ’
Hecker. Gut, Herr Abgeordneter Trefurt. H denn
in der Sache reden. Meine Herren! man hat ſich nicht eiumal die Mühe ge-
geben, die Leute ordentlich zu Unterrigten, welche gegen den Brief der 63-
auftreten. Es wird da von einer „Petition“ geredet, welche 65 Arbeiter an die
Kammer übergeben hätten, Es iſt feine Petition durch mich Übergeden, es iſt
nur ein Privatbrief an mich gerichtet worden, den ich hier in der Kammer-
verlas! Und nun will man mid den Volksrepkäſentanten deßwegen beute kon-
ſtituiren! Das iſt eine parlamentariſche Frage, die nicht ich allein entſcheiden
kann, zu deren Entſcheidung ich mich weder verpflichtet, noch berechtigt fühle.
Zoll i gefragt werden, fo iſt ein foͤrmlicher Beſchluß der Kammer nöthig.
Der Abg. Chrift hat aber nicht das Kecht Yier im Namen von angeblich 800
Arbeileru mich zu koͤnſtituiren. — Das iſt mir doch ſonderbar, daß der Mann,
der ſich den Tag über mit ſchwerer Arbeit abquält und dem Fabrikherrn ſein
Vermögen ſchafft! nicht eine freie volitiſche Neinung ſoll haben dürfen. Der
Arseiter, der im Schweiße ſeines Angeſichts arbeitet, iſt doch uebenbei, meine
ich, auch ein Menfch und Staatgbürger. Man redet von „Ehrgefühl“, das
mich gerichtete cine war. Oh, meine Herren! es gehört vielmehr ein großes
Ehrgefühl dazu, frei und offen ſeine Meinung zu ſagen; es gehört Charakter
daͤzu, unter den drückenden Verhältniſſen des Lebens den Mannesmuth und
die Keberzeugung nicht fahren zu laſſen. Die 63 Arbeiter haben Manness
muth und haben Ueberzeugung bewieſen. — —
(Stürmiſches Bravo auf der dichtgefüllten Gallerie. Der Praͤſident droht.
die Gallerie räumen zu laſſen. Mit ſteigender Heftigkeit und einer wahr-
5 erſchütternden Kraͤft der Stimme und des Ausdrucks faͤhrt der Reduer
ort:) 2 —
Die Worte der Adreſſe ſind verdreht worden Man haͤt die Arbeiter,
welche die heute gehörte Petition unterzkichneten, getäͤuſcht. Es war in
dem Briefe gefagt, daß das Intereſſe des vierten Standes durch die Aſſozia-
tion der Arbeiter geſchützt werde, daß aber die ſachverſtändigen Männer in
der Kammer ſchon die Angelegenheit der Fabriken würden zu behandeln wiſſen.
Meine Herren! daß in der Adreſſe für das Wohl des gedrüdten vierten Stan-
des geſprochen war, dayon hat man den Arbeitern Nichts$ geſagt; und wenn
es ſchon leicht war, „im Namen“ von 800 eine Demonſtration zu machen,
weil die 800 gar nicht gefragt wurden und keiner es wagen durfte, ſeinem
Brodherrn zu widerſptechen, ſo war das noch um ſo leichter, weil man die
Leute hinter ging. Man will einen Skandal machen, man will ein Feuer
anzünden, man will die Maſſe aufhetzen, damit die lodernde Flamme durch
das ganze Land brenne. Eiuſchüchtern, terroriſiren will man ung, ein
Sturm ſoll erregt werden! Aber ihr Herren dort, wenn es nicht gehen, ſon-
dern brechen foll, dann bin ich der Mann, der. es durchfechten wird.
(Stürmiſches Bravo. Während dem abermals der Praͤſideut droht, die
Gallerien räumen zu laſſen, ruft Hecker in ergreifendem Tone:) .
Ich waͤre heute nicht hierher gekommen, haͤtte man mir nicht geſchrieben,
daß ein Feuer folle angezündet werden. Ich habe zu Hauſe einen krauken
Vaͤter, ein krankes Weib, ein krankes Kind liegen. Ich bin mit Arbeit über-
laden/ um alg Anwalt politiſch Verfolgte zu vertheidigen. Aber ich habe es
für weine Pflicht gehalten, heute auf meinem Sitze zu erſcheinen, um gegen
die Hetzer zu ſprechen. — Ich laſſe mich aber weder von den Abg Chrift, noch
yon einem Andern ausfragen. Ich kann auch den Rath Trefurt's nicht be-
folgen; denn ich halte die Sache für eine Angelegenheit, die aicht ich allein
entſcheiden kann, ſondern über die die ganze Volsreprãſentation entſcheiden
muß. —
Cabermaliges Bravo. Der Präfident droht wieder, die Tribüne räumen
zu lafſen.) 4 4
Iiſt erklaͤrt ſehr niedergedrückt, daß die Duxlacher Petition den gleichen
4 — 8 8 den Abg. Hecker nicht „Fonftituirt,“ nicht im
Namen der S00 Arbeiter die Frage geſtellt haben, Soviel varlamentariſche
Kenntniß habe er auch. Das Schreiben an Heger ſei entweder eine Petition
gewefen, dann müſſe es als %Iftcnfiuct‘ der Lauimer hetrachtet und die Namen
der Arbeiter koͤnnten veroͤffentlicht werden. Oder es ſei ein Privatbrief, daun
2
— — —
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Inſerate die gefpaltene Zeile in Vetitfchrift over
* No
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Deut ſchlaud.
*5* Karlsruhe, 30. Jan. Der Abgeorbnete Hecker hat in der Ver-
Dieſer Brief rief ſowohl in, als außerhalb der Kammer mancherlei Be-
merkungen hervor. Wir werden in einem andern Artikel darauf zurücktommen.
Jedenfalls aber glaubten wir, daß es bei diefen Bemerkungen bleiben, und daß
nicht eiwa „ Maßregeln“ nachfolgen würden.
Wir haͤben uns daͤrin getäuſcht! Es iſt ſchlimm, daß wir uns täuſchten.
Jedem Badner ſteht verfaſſungsmäßig das Recht der Petitien zu, und keine
konſtitutiouelle Regierung wird den Bürger, welcher ſich ſeines Petitionsrech-
tes bedient, polizeilich oder auf andere Weiſe deßwegen verfolgen. Vollends
aber müßte es ein Unrecht genannt werden, wenn Leute wegen Aeußerungen
in einem Privatſchreiben verfolgt würden. Laſſen wir indeßen dieſe all-
gemeinen Bemerkungen und gehen wir zu den Thaͤtſachen über.
Neben jenem Privatbriefe der Arbeiter hat der Aogeordnete Hecker auch
eine Peiiiion mit 170 Unterſchriften aus Ourlach vorgelegt, welche verlangt,
daß die Regierung die drei Fabrikanſtalten nicht unterſtützen ſolle. Bei den
Unterzeichnern der Petition befinden ſich, wie man jagt, auͤch Arbeiter aus der
nach der Kammerverhaudlung? Die Arbeiter der Maſchienenfabril wurden zu-
ſanimengerufen und ihnen geboten, eine Kommiſſion zu wählen, welche die Be-
Könne dieß binnen acht Ta-
gen nicht geſchehen, ſo iſt ſämmtlichen durlacher Arbeitern mit
Lutlaſfung gedroht. Die Arbeiier ſind natürlich darüber in Verzweiflung;
denn die aͤnßedrohte Maͤßregel wird ſicher ebenſogut ausgeführt werden, wie
früher die Maßregel gegen die beiertheimer Arbeiter, welche entlaſſen wurden,
weil Beiertheim für Herrn Emil Keßler keinen Grund und Boden abgeben
wollte auf welchem er zwei Wege in ſeine Fabrik wollte bahnen laſſen. —
Die Namen der burlacher Petitionsunterzeichner witd die Kommiſſion vielleicht
von dem Kammerpraͤſibenten erfuhren, da die betreffende Emgabe der Kannner
e Die Namen der dreiundſechzig Arbeiter wird die Kommiſſton
uicht erfaͤhreu, da ſie in einem Privatſchreiben an Hecker ſtehen. Es müßten
denn die dreiundſechzig felb ſt ihre Namen veröffentlichen: was wir jedoch gar
praͤchte! Die Verhöre in der Fakrik ſind freilich in vollem Gange! Vermu-
zbungen auf allerlei mißliebige Verfonen gehen umher. Die Wächter des Be-
fiehenden werden aber wahrſcheinlich dichmal nicht in die Lage gefegt werden
SMaßregeln ergreifen zu fönnen. Bielleicht jedoch gibt ihnen der Abgeordnete
Chiiſt Ausfunft, der ſo Biel ven den hieſigen Phalanſteriauern und dem „un-
hefannten Manne in Algier / zu erzählen wußte. —
Wir wollen nun ſehen, was ferner in dieſer Sache erfolgt. Ein Abge?
ordneter der Volkspartei wird ohne Zweifel morgen die Regierungsbank inter-
pelliren, zumel da jeßt die Regierung die Kontroͤlle über die Fahriken erhalten
joll. Es muß wohl der Regierung, welche freiſinnigen Grundfägen Yuldigt,
außerordentlich daran gelegen ſein, auch den geriugſten Schein zu vermeiden,
alg wolle ſie bereits durch ihren Einſluß auf die Großgewerbe eine poͤlitiſche
Ueberwaͤchung der Arbeiter handhaben. Die religiöſe Ueberwachung, ja ſo-
gar meht noch: Das pofitive Eingreifen mit Religionspredigten für die Ar-
Feiter hat ihr bereits der Abgeordnete Buß angerathen. *
—_ *0* Karlsruhe, 31. Jan. Siebzehnte öffentliche Sitzung unter dem
Präſidium Bader's.
Tagesordnung: Bericht des Abg.
über den Getreidezoll betr. ;
Motionsbegruͤudung des Abg. Brentauo, Enihebung des Ortsvorgeſetzten
vom Gerichtevollzieherweſen betr.
Vericht des Abg. Speyerer, Zolltarif betr.
Auf der Kegierungsbank: Regenauer, Kühlenthal.
Die Gallerien ſind dicht gefüllt. n
Die Kammer iſt nicht ſicher vollzählig, da man noch nicht weiß, ob der
Bleidorn, die proviſoriſchen Geſetze
Der Praͤſident eröffnet die Sitzung. Es werden Petitionen vorgelegt.
Hecker: Bitte verſchiedener Buͤrger aus Feudenheim, Ablöſung von
Petition
aus Neuenkirch, Verantwortlichkeit der Miniſter; Beſſerſtellung der Schulleh-
rer; Uebernahuie der Schulgelder auf die Staatskaſſe. Eingabe um Eiufüh-
rung der Preßfreiheit.
Siraub legt Petitionen vor über Einführung der Vermögensſteuer; Auf-
hebung von Jagoͤrechten. Petition wegen Getreideausfuhr.
BHelmreich: Petition aus Haͤnoͤſchuhsheim und Schriesheim. Geltend-
madung von Laͤndrechtsfätzen, welche die Motion des Abg. Biſſing über die
Vfandgerichte unnöthig maͤchen ſollen.
> BZentner: Peiitionen aus Neukirch, um Oeffentlichkeit und Mündlich-
keit Des Gerichtsweſens. Petitionen, beti. das Bauweſen auf dem Schwarz-
ſchwornengerichten und Preßfreiheit.
Selgam erlaubt ſich die Ehre, einer hohen Kammer Petitionen einzu-
Kapitalſteuer; Ausfertiguns der Kaufbriefc durch Gemeindebeamten; Aufhes
bung dir Verordnung über die Einführung des Gemeinderechnungsweſens.
Schaaf! Petitionen, die Straße von Hardheim nach Grombach, Ver-
bindung des Odenwalds mit dem Main betr.
Welte: Petition um Aufhebuns dex Bürgereinkaufsgelder.
G hrijt reicht zwei Peutionen über die von Arbeitern ausgegangenen Ein
gaden bei der Dreifahrikenſache ein. Es erflären naͤmlich Arbeiter aus der
Naſchinenfabrik des Hru. Keßler, daß ſie es mit ihrem „Chrgefühlw nicht
vereinbaren koͤnnten, neben Leuten zu arbeiten, welche gegen die Unterſtützung
ihres Brodherrn geſprochen haben. Der Abg. Chriſt verliest die eine Peti-
tion — gegen die Geſchäftsordnung! — in ihrem vollen Umfang. Es ergibt
ſich daraus, daß ſie verlangen die Namen der 63 Arbeiter, welche an Hecker
einen Brief gerichtet haͤtten, ſollten ihnen zur geeigneten Benutzung beant-
wortet werden: Denn entweder müßten die 63 Arbeiter aus der Fabrik ent-
laſſen werden; oder Hr. Keßler ſolle Alle entlaſſen. Die Petition iſt angeb-
lich in dem Namen von 800 Arbeitern durch etliche Zwandis unterzeichnet.
Der Abg Ehtiſt verlangt darauf, daß Hecker ſeine Erklärung abgeben ſoll.
Zugleich beginnt er, die zweite Petition aus Durlach zu verleſen.
Welter fällt ihm in's Wort; es ſei wider die Geſchaͤftsordnung / ſo zu
verfahren. ; 7 —— ala ;
Schgaf behauptet, die Uebung des Hauſes geſtatte das Verleſen.
Hecker: Die Geſchäftsordnung geftattet es nicht. Laſſen Sie übrie
Ehriſt: Die Sache kann ja einfach abgemacht werden. Ee handelt ſich
nicht um Thatſachen, fondern einfach um eine Erklärung Heders, ob er die
Naͤmen nennen will. 2
Weller: Ein Kammerbeſchluß iſt nothwendig, damit der Abg ˖ Oecker
gefragt werden koͤnne. Der Abg. Chriſt hat nicht die Befugniß, im Namen
von S00 Arbeitern hier eine Zrage zu ſtelen.
Trefurt: Der Abg. Weller hat darin allerdings Recht. Aber die
Moͤglichkeit iſt Loch da, daͤß die Namen aus eigenem Antrieb von dem Abg.
Hecker genannt werden. Vielleicht thut er Das. ; ’
Hecker. Gut, Herr Abgeordneter Trefurt. H denn
in der Sache reden. Meine Herren! man hat ſich nicht eiumal die Mühe ge-
geben, die Leute ordentlich zu Unterrigten, welche gegen den Brief der 63-
auftreten. Es wird da von einer „Petition“ geredet, welche 65 Arbeiter an die
Kammer übergeben hätten, Es iſt feine Petition durch mich Übergeden, es iſt
nur ein Privatbrief an mich gerichtet worden, den ich hier in der Kammer-
verlas! Und nun will man mid den Volksrepkäſentanten deßwegen beute kon-
ſtituiren! Das iſt eine parlamentariſche Frage, die nicht ich allein entſcheiden
kann, zu deren Entſcheidung ich mich weder verpflichtet, noch berechtigt fühle.
Zoll i gefragt werden, fo iſt ein foͤrmlicher Beſchluß der Kammer nöthig.
Der Abg. Chrift hat aber nicht das Kecht Yier im Namen von angeblich 800
Arbeileru mich zu koͤnſtituiren. — Das iſt mir doch ſonderbar, daß der Mann,
der ſich den Tag über mit ſchwerer Arbeit abquält und dem Fabrikherrn ſein
Vermögen ſchafft! nicht eine freie volitiſche Neinung ſoll haben dürfen. Der
Arseiter, der im Schweiße ſeines Angeſichts arbeitet, iſt doch uebenbei, meine
ich, auch ein Menfch und Staatgbürger. Man redet von „Ehrgefühl“, das
mich gerichtete cine war. Oh, meine Herren! es gehört vielmehr ein großes
Ehrgefühl dazu, frei und offen ſeine Meinung zu ſagen; es gehört Charakter
daͤzu, unter den drückenden Verhältniſſen des Lebens den Mannesmuth und
die Keberzeugung nicht fahren zu laſſen. Die 63 Arbeiter haben Manness
muth und haben Ueberzeugung bewieſen. — —
(Stürmiſches Bravo auf der dichtgefüllten Gallerie. Der Praͤſident droht.
die Gallerie räumen zu laſſen. Mit ſteigender Heftigkeit und einer wahr-
5 erſchütternden Kraͤft der Stimme und des Ausdrucks faͤhrt der Reduer
ort:) 2 —
Die Worte der Adreſſe ſind verdreht worden Man haͤt die Arbeiter,
welche die heute gehörte Petition unterzkichneten, getäͤuſcht. Es war in
dem Briefe gefagt, daß das Intereſſe des vierten Standes durch die Aſſozia-
tion der Arbeiter geſchützt werde, daß aber die ſachverſtändigen Männer in
der Kammer ſchon die Angelegenheit der Fabriken würden zu behandeln wiſſen.
Meine Herren! daß in der Adreſſe für das Wohl des gedrüdten vierten Stan-
des geſprochen war, dayon hat man den Arbeitern Nichts$ geſagt; und wenn
es ſchon leicht war, „im Namen“ von 800 eine Demonſtration zu machen,
weil die 800 gar nicht gefragt wurden und keiner es wagen durfte, ſeinem
Brodherrn zu widerſptechen, ſo war das noch um ſo leichter, weil man die
Leute hinter ging. Man will einen Skandal machen, man will ein Feuer
anzünden, man will die Maſſe aufhetzen, damit die lodernde Flamme durch
das ganze Land brenne. Eiuſchüchtern, terroriſiren will man ung, ein
Sturm ſoll erregt werden! Aber ihr Herren dort, wenn es nicht gehen, ſon-
dern brechen foll, dann bin ich der Mann, der. es durchfechten wird.
(Stürmiſches Bravo. Während dem abermals der Praͤſideut droht, die
Gallerien räumen zu laſſen, ruft Hecker in ergreifendem Tone:) .
Ich waͤre heute nicht hierher gekommen, haͤtte man mir nicht geſchrieben,
daß ein Feuer folle angezündet werden. Ich habe zu Hauſe einen krauken
Vaͤter, ein krankes Weib, ein krankes Kind liegen. Ich bin mit Arbeit über-
laden/ um alg Anwalt politiſch Verfolgte zu vertheidigen. Aber ich habe es
für weine Pflicht gehalten, heute auf meinem Sitze zu erſcheinen, um gegen
die Hetzer zu ſprechen. — Ich laſſe mich aber weder von den Abg Chrift, noch
yon einem Andern ausfragen. Ich kann auch den Rath Trefurt's nicht be-
folgen; denn ich halte die Sache für eine Angelegenheit, die aicht ich allein
entſcheiden kann, ſondern über die die ganze Volsreprãſentation entſcheiden
muß. —
Cabermaliges Bravo. Der Präfident droht wieder, die Tribüne räumen
zu lafſen.) 4 4
Iiſt erklaͤrt ſehr niedergedrückt, daß die Duxlacher Petition den gleichen
4 — 8 8 den Abg. Hecker nicht „Fonftituirt,“ nicht im
Namen der S00 Arbeiter die Frage geſtellt haben, Soviel varlamentariſche
Kenntniß habe er auch. Das Schreiben an Heger ſei entweder eine Petition
gewefen, dann müſſe es als %Iftcnfiuct‘ der Lauimer hetrachtet und die Namen
der Arbeiter koͤnnten veroͤffentlicht werden. Oder es ſei ein Privatbrief, daun
2