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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
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No. 192.






Ruͤckblick auf die letzten Tage in der Nationalverſammlung.


uſt müſſen 1n Vaterlande den ſchmerzlichſten Eindruck hervorbrjngen. Nie iſt
die Würde der Nationalveriretung In ihreni Schoße ven einigen ihrer Mitglieder
nicht nur, von einer genzen Partei, ja leider von dex Mehrheit ſelbſt unver-
antwortlidher aus den Augen zeſetzt, tiefer blosgeſtellt worden; nie haben ſich
die Männer, deren Händen die Leitung der Geſchäfte des Hauſes anvextraut
ift, unfähiger, um Feinen ſchlimmern Ausdruck zu gebrauchen, gezeigt, als bei
dieſer Gelegenheit.
des Junkerthums und andrer bisher privilegiytex Kaſten, Unſitten, die längſt in
den Augen des Volkes verurtheilt und vernachläſſigt ſind, haben dort, wo vie
Selbſiherrlichkeit des Volkes in ihrex ganzen Erhabenheit und Reinheit thronen
ſollte, frech allen Geſetzen und der öffentlichen Moxal Hohn geſprochen und den


ſon eines Volksvertreters ſelbſt ſich zu vergreifen! lit, wel
das deutſche Volk, das in feiner unermeßlichen Mehrheit über die Unſitte des
Zweifampfs längſt den Stab gebrochen, mit welchen Gefühl der Entrüſtung


Saale, wo das Recht der Nation feſtgeſtellt werden ſoll, den Volksvertreter Bren⸗—
tano auf der Tribüge und Andere im Saale laut „auf Kugeln“ gefordert! Und


„Rechtsboden“ im Munde führen!


terungen und Drohungen mit Piſtolen und Säbelklingen fügen, um Fder
freien Meinungsäußerung den ©araus zu machen. Pfui der Schmach!
der Minderheit kennen ihre Pflicht; im Auͤgeſichte des deutſchen Volls brandmarken
ſie dieſe Bubenſtreiche und erklären, daß ſie ſich weder durch Klopffechter a la
Girardin, noch hochgeborne Raufbolde von der Bahn abbringen laſſen werden,
die ihnen die wahre Ehre, die die Pflichterfüllung gegen das Jolk und ihr Land
morfchreiht, die in der Stunde der Oefahr, wo e6 Ihaten gilt, finden werden,
daß ſie Männer unerfchütterlihen Duths und felſenfeſter Entſchloſſenheit ſind.

Und für eine ſo empörende Handlungsweiſe fand der alg Vorſitzender
während dieſex beiden Sizungen fungirende Vicepräſident keinen Ordnungsruf,
während er für einen Ausdruck Brentano's eine Rüge erließ, deren hinzuge⸗—
fügte Begründung jedem Unhefangenen unbegreiflich vorkommen muß. Denn
waͤs hat der Prinz von Preußen mit dem preußiſchen Volksſtamm zu ſchaffen?
Sind hıide etiva identiſch? Daß wir nicht wüßten.
Soiron zu den Eingeweihten? Nun denn, ſo wollen auch wir herausſagen,
wag wir wiſſen, was der Abgeordnete, Brentaud in der geheimen Sitzung nur
leiſe andeutete und wobei er voͤn den Affiliirten der Rechten unterbrochen wurde.
Ja, die Camarilla des Stockpreußenthums — Etwas ganz Verſchiedenes von
Sem Bolfe in Preußen — dieſe Camarilla geht damit um, Den König von
Preußen zur Abdaxkung zu bewegen und an feine Stelle den Prinzen von
Preußen auf den. Thron zu ſetzen, um den alten Zuſtand wiederherzuſtellen.
Dieſer Plan datirt zurück bis zum 19. Mai, we man in den König drang,
die Armee zum Vernichtungskampfe gegen Bexlin zu führen. Auch nach der
Rücktehr des Prinzen aus England weigerteſich der König mit Entſchieden-
heit, auf einen wiederholten Plan ähnlicher Art einzugehen. Der Befehl des
Königs in Betreff der Reichsgewalt und Huldigung hat den Entſchliß endlich
gereift, und man ſcheint eniſchloſſen, damit zu Ende zu kommen, nöthigenfalls
mit Gewalt; auf den Schlöſſern der Mark iſt der Plan ausgebrütet worden


Wen hat es nicht befremden müſſen, ( ;
Sondergelüſte des Königs don DanndDer und ſelbſt in der Simon'ſchen Rede

vom 7. Auguſt ſehr heftige Ausfaͤlle auf deutſche regierende Häupter erfolgten,


Bemerkungen Brentano's über den Prinzen von Preußen wie von der Taran-
tel geſtochen auffuhr! Wer mag fagen, wie Viele in der Majorität dupirt, wie
Biele im Geheimniß ſein mögen! Soltte ſich aber nicht dex Argwohn aufdrän-
gen, daß die Wifſenden e6 darauf angelegt haben, durch volfofeinDdliche Be-
ſchluͤſſe und durch Auftritte, wie die hier erwähnten, Die DIE Nationglpexſamm-
Jung in den Augen des Volts herayſetzen müſſen, fie und thren Einfluß zu
ruiuͤiren, damit fie, wenn die Reaktion ihr lebtes Wort fpricht, ihren letzten
Trumpf ausfpielt, ohne Macht, Anſehen und Auhang Im Volke daſtehen,
Höchſt zweideutig und jedenfalls im höchſten Grade, unziemlich iſt das
Verhalten, welches das Präſidium dieſen Vorgängen gegenüber beobachter hat.
Erwiefen iſt, daß Herx Heinrich v. Gagern und Baron v. Soiron den Bera-
thungen in der Loge Sokrates beigewohnt hatten, welche 4 Partei am Nach-
mitlage des 7, Auguſt über das mM der Sitzung vom 8. Auguſt einzuhaltend.
Verfaͤhren gepflogen. Bereits am Abende des 7, Auguſt wußte man überall
den Text und: Inhalt des motivirten Ordnungsrufes, der dort beſchloſſen wor-
den war, und fiehe da! es war derſelbe, welchen der Hr. 6 am
S. Auguſt gegen den Abgeordneten Brentano vom Blatte ahlas!! Der zur
unpartetifchen Handhabung der Ordnung berufene Borfipende führte alſo einen
on einer Partei in dex Privatverfammlung gefaßten Beſchluß aus, D, 2
nichts auderes, ex lieh ſich zu offenbaren Parteßwecken her und zwar in eiNET
Weiſe, die {n ibrer anwidernden Geſtalt vielleicht ihres Gleichen MM der Ge-
ſchichte ſolcher Verſammlungen ſucht. B

— — —






Deutſchland.
* Heidelberg, 9. Auguſt. Der Auszug der hieſigen Stuventen nach
Neuſtadt hat in mander Beziehung ſeine guten Folgen. So haben die demos
kratiſchen Ideen unter der akademiſchen Juͤgend ſetzt eine ungleich gröhere Zahl
von Anhängern, alg vor dem Auszug, der bekanntlich in der Aufhebung des
demokrat. Studentenvereins ſeine Veraͤnlaſſung hatte. Beſonders aber verhal-
ten ſich jetzt die einzelnen Parteien nicht mehr wie früher zu einander, ſie ſind
ſich frpt näher gebracht und nehmen ein reges Intereſſe an allgemeinen Univer-
ſitätsangelegenheiten. Das beweiſen die Studentenverſammlungen, namentlich
die geftrige. In dieſer wurde mit Einmüthigkeit beſchloſſen,die Regieruag in
einer Adreſſe um Berufung des Philoſophen Ludwig Feuerbach zu erſuchen,
gegen die Vokation Eromann’s aus Halle hingegen Proteſt einzulegen, endlich
an Feuerbach die Bitte gelangen zu laſſen, er möge, im Falle das Miniſte-
rium ihn nicht alg Profeſſor beriefe, ſich als Privatdozent, an hieſiger Hoch-
ſchule habilitiren. Man hofft mit Grund, daß Hr. Feuerbach den Wünſchen
der Stuͤdenten entſprechen wird. Daß es endlich einmal an der Zeit wäre, als
Lehrer der Philoſophie, die hier ſeit Jahren darniederliegt, den Repräſentanten
der entfehieden freiſinnigeu Richtung anzuſtellen, darübex keine weitere Bemer-
kung. Ferner wurden in der geſtrigen Verſammlung 5 Abgeordnete gewählt,
die het dem am 25. September ſtattfindenden allgemeinen deutſchen Studenten-
Congreß in Eiſenach die hieſige Univerſität zu vertreten haben. *
; Die Konftitutionellen haben jetzt einen vatexländiſchen Berein“ gegründet.
Sie haben ein Programm veröffentlicht, nach welchem ihr Zweck iſt, zur „Ent-
wicktuͤng von Deutſchlands ſtaatlicher Größe und Wohlſtand beizutragen.“ Zur
Erreichung dieſes Zweckes will der Verein „vom geſetzlichen Boden ausgehen,
welden das deutfche Parlament dem Vaterlande unterbreiten wird.“ Das
— Programm enthält einen Widerſpruch. Es ſagt nämlich u. A.: „Der Verein
uͤntewirft ſich unbedingt den von der Mehrheit gefaßten Beſchlüſſen des
Neichstags“, und gleich darauf heißt es; „er wird bas ven ihm alg rich-
tig Anerkaunte in weiteren Kreiſen verbreiten,“ Die Mitgliederzahl iſt bis
— jeßt gering. Der Verein beſteht aus ſ. g. beſſeren Bürgerſ“, aus einigen
chriſtlich⸗germaniſchen Jünglingen und verſchicdenartigen Staatshämoxrhoidarien;
die Hofrathe, geheimen Hofräthe und Geheimräthe werden (ſe ſchmeichelt ſich der
Verein) noch nachkommen. Wenn ich recht unterrichtet bin, ſo heſteht der
Arsfchuß biefes bofnungsvollen Bereins aug ten Herren: Roßhirt, Ritter
“bes papıliiden Oıbene vom goldnen Sporn, Apotheter Stieper, Duchbinder
Wettftein und Dr. Herber, Correfpondent des Mannheimer Morgenblatts,
alfo- aus Männern, die hinlängliche Garantieen ihrer Geſinnungstüchtigkeit
und Loyalität bieten. ——
Ftantfurt, 9. Auguſt. Die Obervoſtamtszeitung bringt eigen offi
ciellen Artikel aus Inusbruck unterm 7. Auguſt, wonach der Kaiſer, die
Kaiſerin und die übrigen in Innsbruck anweſenden Glieder der kaiſerlichen Fa-
milie am S, d. M. dieſe Stadt verlaſſen und die Rückreiſe nach Wien antreten
werden. Das Eintreffen des Kaiſers in der Haußtſtadt iſt nach demſelben Arti-
kel zufolge den getroffenen Reiſeanorvnungen Samſtag den 12 Auguſt Nachmit-
tags zu erwarten. *
Frankfurt, 9. Auguſt, Abends 7 Uhr. Die Capitulation von Mailand
beftätigt ſich. Die ſo eben eingetroffene „Basler Zeitung“ meldet: Der Vor-
ort Bern theilt durch Kxetsſchreiben vom 7, Auguſt den Ständen ein Schreiben-
des Staatsraths von Teſſin vom 5. Nachts mit, welches anzeigt, daß Maie
land capitulirt habe.
MHendsburg, 4. Aug. Von der Huldigung des Reichsverweſers durch

die hier garniſonirenden haunoveriſchen, mecklenburg ſtrelitzſchen und preußiſchen
Trubpen iſt nicht die Rede, ja es iſt ſogar zweifelhaft, ob unſere eigenen Sol-
daten huldigen werden. Bis dieſen Augenblick iſt noch kein Tagesbefehl an
die ſchleswig-holſteiniſche Armte wegen der Hulrigung erlaſſen. (Wef. 3.) *
Wien, 2. Auguſt. Die Parteien ſind endlich aus dem Ei gekrochen.

Sie find an’g Tageslicht getreten, wenn ſie ſich auch ſchnell wieder zurückze-
gen, und wieder in das Zwielicht zurückkehrten, in das ſie gehüllt waren
Sind auch die Umriſſe derſelben noch nicht ſcharf gezeichnet, ſo haben wir doch
ihren Kern erblickt. Der Kern dex Oppoſition auf dem Reichstage ſitzt im
Centrum der Mitte. Dort haben die ſogenannten Konſtitutionellen ihren Sitz
Die Anhänger des Louis-Philipp'ſchen Syſtems, welche die Freiheit innerhalb
ſchwarz-gelber Schranken erlauben wollen, welche zugeſtehen wollen, daß des
Volk frei zapple, aber ſich nicht frei bewege, welche glauben, der Menſch
fange zwar nicht vom Baron, aber doch von den mit 20 M, jährlich Beſteuer-
ten an, welche der Preſſe zwar keinen Maulkorb und keine Feſſeln, aber doch
Handſchellen anlegen möchten. Ihre Führer ſcheinen Stadion und Pillersdorf,
ihr taͤpferer Kämpe und Vorfechter der ſchwarze Ritter Neumann zu ſein.
Sie ſelbſt theilt ſich in eine Rechte und Linke. Jene hat zu ihrem Feldmar-
ſchall Stadion, zu ihrem Generallieutengnt Gleißpach. Sie ſind Freunde Der ı
Zuͤlicharte, welche zugleich eine Chaxte blauche für die Bureaukralie und die
Miniſteriniriguen iſt, auf deren Stühle ſich der weiland Gubernator von Ga-
lizien fo‘ gerne träumt. Bei ihnen iſt der der 15. Mai ein ſchweres Berbrechen,
bie Flucht am 18. Mai eine Nothwendigkeit, die Lamarilla eine ſchuldloſe alte .
Hofwärterin, Beamten- und Soldatenheere nothwendige Regierungsorgane.
Hiltersdorf felbſt hat ihnen am 25. Apxil zu weit über die Schnur gehauen. Die-
fer nebſt feiner Schaar, welch? die Linke der Konſtitutionellen bilden, neigen
ſich dem engliſchen, zweihäuſigen Syſteme zu, modifizirt durch einige von
Frankfurt hergenommene Normen. Selfgouvernement und Beamtenwirthſchaft
in einen Brei zuſammengequirlt, ſind der Teig, aus dem die Verwaltung ge .
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baͤcken wird.
Der Adel mit den hiſtoriſchen k k Erinnerungen ſoll, keinen Vorzug in
vürgerlichen Leben, aber in der Geſetzgebung haben. Die Krone iſt die Suelle
der Macht, ſie theiltanit dem Bolte die Gefeggebung, Der 15, Mai war ein
yorübergehender Krawaͤll/ die Flucht am 18. eine Thorheit, die Kama rilla iſt


 
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