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Dienſtag den
15. Auguſt.
Die Zeit iſt noch nicht lange vorbei, wo in der politiſchen Oede Deutſch-
lands das Wort Schleswig-Holſtein, für alle Liberalen eine Juͤbſche Dafe
war, auf der ſich der Freiſinn jedes guten Fortſchrittsmannes mit MWonne er-
ging. Was war das für ein Adreffenjubel! was wurden damals auf allen Sän-
zerfeſten für hochtoͤnende Reden über die „ſchleswig-holſteiniſchen Brüder“ gehal-
ten! Nicht blos die wackern Kammerredner mit dem wohlgenährlen Leidbe er-
klaͤrten, die Flinte auf die Schulter zu nehmen, um den heiligen Krieg gegen
den Dänen zu führen; nein, felbft wohlbeſtallte Beamte der beſtehenden Ord-
nung, ſogar Zenſoren überſtürzten ſich im Schleswig-Holſteinrauſch. Ganz
Deutſchland pochte wit hochtragiſcher Miene auf, die alten Pergamente, alle
Gelehrten ſchrieben Bücher über den Satz, daß die Herzogthümer ſollen „tofa-
men blyven ungedeelt“; — und ganz Deutſchland mußte dieſe Bücher leſen.
Es war nun einmal beſchloſſen daß in Schleswig-Holſtein der Weiberſtamm
nicht regieren dürfe. Dieſe ſchreckliche, revolutionäre Lebre poſaunten
täglich alle Patrioten in die Welt hinaus. An Schleswig-Holſtein, konnte man
glauben, hänge Deutſchlands Heil und Freiheit.
Die Agitation gegen Dänemark hatte aber ihren eigenthümlichen Grund,
Man erinnert ſich, daß die Gutsbeſitzer bei der „deutſchen Bewegung“
eine Hauptrolle ſpielten; daß, wenn man von Schleswig-Holſtein ſprach, der
Graf Reventlow-Prenz und Reventlow- ſo- und- ſo immer im Vordergrunde
aufrüchen. Das war kein Zufall! Man muß nämlich wiſſen, daß die „Ddeut-
ſche“ Bewegung in Schleswig Holſtein ihrem Anfang nach von Niemand An-
derem ausging / als von den Gutsbeſitzern, welche fürchteten, durch eine Ein-
verleibung mit Dänemark ihre Vorrechte zu verlieren. Dieſe Gutsbeſitzer
nahmen das „Deutſchthum“ uur als Maske vor. Maske war auch die Erei-
ferung über den „Abſolutismus“ Dänemarfs; der Abſolutismus des Bundesta-
ges war weit ausgedehnter. Den hohen Arxiſtokraten war das Deutſchthum ſo
gleichgültig, als eg dem Fürſten Windiſch-Grätz das Slaventhum iſt. Beide
wollen die Herrſchaft ihrer Kaſte und benutzen dazu alle Verhältniſſe; ſie beu-
ten große Schlagwörter in ihrem Intereſſe aus.
Es kam nun noch dazu, daß der König von Dänemark ſeine deutſchen
Länder ausſaugte zum Vortheil ſeiner däniſchen. Mit der Hinweiſung auf die-
ſen Finanzdruck wurde das Volk hauptfächlich für die „deutſche“ Bewegung
gewonnen; die Verhöhnung ſeiner Sprache von Seite der Daͤnen ftachelte es
ebenfalls auf. Die Gelehrten, wie geſagt, begeiſterten ſich für die alten Ur-
kunden. Endlich ſuchte eine Zahl Männer, die man damals liberal nannte,
den Kampf um das Deutſchthum mit dem Kampf um konſtitutionelle Verfaſ-
ſungsformen zu verbinden.
So ſtanden die Paxteien und die Zwecke. Unter Einem Wahlſpruch ſtrit-
ten vielerlei Ahſichten. Aber von der Ariſtokratie jedenfalls ging die Bewegung
aus; die Ariſtokratie hatte die erſte Leitung. Von welchein Schlage fle ift,
zeigt die neueſte Zeit; die bürgerlichen „Liberalen“ Schleswig-Holſtein's ſind
auch zur Genüge bekannt. Republikaner haben durchaus keine Urſache, weder
über den erſten Anfang, noch über die Leitex jener deutſchen Bewegung Lob
auszutheilen. Die Ariſtokratie und der Konſtitutionalismus, welche ſich und
Bundesgenoſſen revolutionärer Politik.
Betrachten wir den „deutſchen“ Krieg, der gegen Dänemark geführt wird. —
Die preußiſchen Truppen rücken gegen Jütland Lor; es ſind dieſelben Truppen,
welche in den Barrikadennächten zu Berlin mithalfen, das Volk niederzu-
metzeln. Ehe ſie mit dem Feinde ſchlagen, laſſen ſie zuerſt die Blüthe der
ſchleswig holſteiniſchen Jugend auf dem Felde verbluten, ohne ſich zu rühren.
Sie konnten dieſe Jugend retten. Sie thaten es nicht! — General Wraͤngel
eilt jetzt ſiegreich voran. Er ſchreibt eine Kontribution aus, um Deutſchland
für die großen Verluſte zu entſchädigen, welche es erlitten hat an der Freiheit
vieler ſeiner Bewohner, an ſeinem Handel und Gewerbe. Plötzlich verlaͤßt das
preußiſche Heer die vortheilhafteſten Stellungen; die Kontribution bleibt unein-
gezogen; Wrangel eilt zurück; man ſollte denken: er flieht! — Deutſchland
glaubt an eine Drohung, die der mit Dänemark verbündete Zaar gemacht
habe. — Da wird die wildenbruch'ſche Note bekannt. Alle Welt erkennt den
Verrath, das ſchändliche Komplott der kriegführenden Monarchen. Nach dieſer
volltommen ächten Note war der Krieg abgekartet, um in einem natio-
nalen Krieg die /republikaniſchen Tendenzen“ des Volkes nie-
derzuhalten; mit dürren, klaren Worten iſt dieß in dem Alktenſtück ausge-
ſprochen. Das Volk mußte das Volk morden, damit die Monarchen triumft-
ren! Ein ſolcher Verrath hat ſeltene Beiſpiele in der Geſchichte. Mit der
wildenbruch'ſchen Note war der Schlüſſel zu allen unerklärlichen Ereigniſſen ge-
funden: zu der Preisgebung der jugendlichen Kämpfer, zur Nichteinziehung der
Kontribution, zum ſchmachvollen Rückzug Wrangel's; endlich zu der feſten
Weigerung Dänemark's, mit dex deutſchen Centralgewalt Frieden abzuſchließen.
Natuͤrlich/ die Verſchwörer müſſen unter ſich handeln; Preußen mit Däne-
mark! Die „Drohung Rußlands“ war ebenſo nur eine Finte, eine zur Täu-
iſt ausgeſucht; er ſoll auch ſpäter ſeine ausgefuchte Beſtrafung finden.
Wir von unſerem Standpunkte aus haben uns ſchon früher, mitten in
den allgemeinen Deutſchheitsjubel gegen die ſchles wigholſteiniſchen Ariſtokraten
ausgeſſrochen. Wir erklärten, daß uns alle Pergamente der Welt gleichgül-
tig ſeien; daß wir immex nur handelten kraft des Rechtes der Revolution;
und daß wig nach „Nationalitäten“ als ſolchen niemals frügen. Ein deutſch-
thümliches, ſervatives Blatt wollte damals von uns wiſſen, wie wir als
einde des Mionalismus für Schleswig-Holſtein Partei ergreifen könnten.
König von Dänemark auf Schleswig-Holſtein ſeine Krallen ausſtreckt, von dem
Gebiet der Civiliſation fern halten wollen.“ *
Der jetzige Krieg in Schleswig-Holſtein iſt ein Nationalitätskrieg, hei dem
jedoch das materielle Intereſſe Deutſchlands betheiligt erſcheint. So weit man
aber die diplomatiſchen Leiter des Krieges betrachket, hat derſelbe di⸗ Unter-
drückung demokratiſcher Tendenzen zum Zweck; die kriegführende preußiſche Re-
gierung ſagt in der berüchtigten Note ausdrücklich, daß ſie fuchen werde, vor
Allem die Herzogthümer „ihrem rechtmäßigen Herrn“, dem König von Daͤne-
mark zu erhalten. — Wenn wir alg Republikaner für Schleswig-Holſtein
kämpfen wollten, ſo geſchähe es gegen den Abſolutismus, gegen die Vorhut
Rußlands, — im Intereſſe der Ehre und des Vortheils einer 74 Repu-
blik.
+ +
SS. Sitzung der konſt. Nationalverſammlung.
Donnerſtag, den 10. Auguſt 1848.
(Schluß ) *)
Vogt fährt fort: Wenn die Verſammlung das Prineip ter Ausſchließung
wegen materieller Gründe anerkennt, ſo kennt ſie auch die Conſequenz, daß fie
Jeden ausſchließen kann, der Anſichten ausſpricht, die mit denen der Majori-
tät nicht übereinſtimmen, oder die vielleicht nach einem neuerlichen Beiſpiel einen
halben oder ganzen Hochverrath nach dem Ausſpruch der Majorität in fich ſchlie-
ßen. Geifall) Weder in den Beſchlüſſen des Vorparlaments, noch des Fünf-
ziger-Ausſchuſſes — was er auf die Aufforderung eines frühern Redners er-
wähnt — noch in irgend einem Wahlgeſetz ſtehe elwas über Ausſchließung we-
gen materieller Gründe. Scharf geißelt weiter der Redner die in den Mitthei-
lungen der badiſchen Regierung aufgeſtellten Behauptungen. Dies ſei die re-
generirte Regierung von Baden, in der keine Reaction zu finden ſei! Sie ſolle
ſo weit gegaͤngen ſein, daß Buhl hierher gekommen, mit einer Legitimattons-
urkunde verſehen, um ſeinen Sitz einzunehinen; er frage den Präſidenten, ob
dies wahr ſei, Da er ſelbſt die Wahrheit nicht kenne. Präſident erklärt, das
ſei nicht wahr. Buhl habe erklärt, er werde nie eine Minoritätswahl an-
nehmen. ;
Sachs: iſt doch wahr, ich ſelbſt habe die Urkunde geſehen. (Unruhe,
Streit zwiſchen dem Präſidenten und Sachs, ob Buhl die Urkunde im Sacke
ehaht.) ——
* Bogt: ich zweifle nicht an der Wahrheit deſſen, was der Praſtoent geſagt,
indeſſen läßt es doch noch die Möglichkeit zu, daß eine ſolche Urkunde ausges
fertigt worden ſei. Der Redner geht auf die der Schweiz zugeſtellten Anfor-
derungen des Bundestags und der badiſchen Regierung über, die er mit ſchar-
fen Worten als die Frucht eines Lügenſyſtems darſtellt! Die Schweizer Behör-
den hätten ſelbſt erklärt, daß die Thatſachen, welche dieſer Aufforderung zu Grund
gelegt worden ſeien, völlig unwahr und erdacht geweſen. Es ſtehe feſt, daß
Heckex keinen Einfall in Deutſchland beabſichtige. Zum Schluß verliest er das
mit Kolb gemeinſchaftlich geſtellte Amendement und ſchließt mit den Woͤrten?
durch Ueberweiſung der Eniſcheidung dieſer Frage an die Nationalverſammlung
habe die badiſche Regierung dieſe die Kaſtanien aus dem Feuer holen laffen
wollen, welche ihr ſelbſt zu heiß waren. .
Vieepräſident verliest eine Erklärung des Abgeordneten Sachs auf ſein
Ebrenwort, daß ihm die Legitimationsurkunde von Buhl ſelbſt gezeigt worden
Präſident v. Gagern nimmt es gewaltig übel, daß man feine Perſon und
ſeine Gefühle in dieſer Debatte nicht verfhone, ſondern ihn nöthige, Eröffnungen
zu machen. Er wiederholt im leidenſchaftlichſten Tone, unter Ausfälien auf
Vogt, das oben Geſagte.
Vogt erklärt, unter dem größten Lärm der Rechten, daß er nichts behaup-
tet, ſondern nur gefragt habe, ob das, was er gehoͤrt habe, wahr ſei.
Sachs: es habe ſich nicht vom Verfahren des Hrn. Buhl, ſoͤndern von
dem der badiſchen Regierung gehandelt, deshalb habe er ſeine Erklärung abge-
v. Gagern: ich frage Hrn. Vogt, ob nicht mindeſtens in ſeiner Betonun
ein Vorwurf gegen Buhl gelegen? (Von vielen Seiten Nein! Neinh
Vogt verneint die Frage v. Gagerns ebenfalls. Unruhe. Es wird auf
Schluß der Debatte angetragen. Die Mehrzahl erhebt ſich auf die Frage des
Vicepräſidenten untex foͤrtwaͤhrender Unruhe. Mehrere Abgeordnete erklären,
daß dies ihrerſeits ein Mißverſtändniß geweſen; ſie hätten für Schluß der De-
batte über den Buhlſchen Incidentpunkt geſtimmt; die Abſtimmung ſwird wie-
derholt und der Schluß der Debatte beſtätigt.
Fürſt Lichnowsky und Wigand beantragen namentliche Abſtimmung über
den Ausſchußantrag und das Kolb'ſche Amendement.
Widenmann ſpricht zum Schluß und ſucht auf das Gehäſſigſte aus der
von Hecker herausgegebenen Zeitſchrift zu beweiſen, daß derſelbe foͤrtwaͤhrend
darauf ſinne, einen neuen Aufſtand in Deutſchland hervorzurufen. Sein wei-
terex Verſuch, den Widerſpruch, den ihm Vogt vorgeworfen, auf dieſen felbft
zurück zu bringen, erweckt bedeutende Heiterkeit. Er vergleicht die Befugniß
der Verſammlung, auch den freigeſprochenen Hecker aus derſelben zu verweiſen
— mit dem preußiſchen Disciplinarvexfahren gegen mißliebige Beamte (ein -
Vergleich, der Hände und Füße hat. Hat denn nicht eben diefes Verfahren in
Kurzum Hecker darf als unwürdig nicht in die Verſammlung gelaſſen werden.
— Es folgt die Unterſtützungsfrage wegen der eingereichten Anträge; von die-
ſen werden die von Kolb, Mohr, Simon Und v. Itzjſtein unterſtützt! Bei der
Abſtimmung wird der Ausſchußantrag: „Die Nationalverſammlung wolle die
„auf Dr. Friedrich Hecker gefallene Wahl eines Abgeordneten zur conſtituiren-
„den deutſchen Nationalverſammlung für ungültig und unwirkſam erklären;
Wir antıvorteteh: weil wir einen Krieg mit Dänemark für einen Anſtoß zu
demokratiſchen Bewegungen halten, und weil wir Rußland, welches durch den
„)Der Anfang ſteht in der Beilage zur vorhergehenden Nummer. A. d. R.