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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1146

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— O8 —













1848.







r Kreuzer. Brieft und Golder: frei einzuſenden.









— —

ſen Ein Blick auf die letzten Tage.

Die letzten Tage fallen ſchwer in die deutſche Geſchichte hinein; es waren einmal

wieder Tage, in die ſich ein weltgeſchichtliches Drama zuſammen drängt. Die
yochherzigſte Begeiſterung, die widerlichſte Gemeinheit, der rührendſte Edelmuth
und die empörendſte Unmenſchlichkeit, Alles nebeneinander, Alles zu einem ein-
zigen großen Bilde zuſammengewebt. An den Oſtgränzen Deuͤtſchlands die
erſte der deutſchen Städte von Barbarenhorden umlaͤgert, die ein ſchwachſinni-
ger und verblendeter Kaiſer zur Unterdrückung der Freiheit herbeigerufen. Das
ganze deutſche Volk wendet dorthin ſeine Blicke; es fühlt die Groͤße der Ereig-


Kunde von der ſeltenen Entſchloſſenheit, mit welcher ſich die muͤthige Stadt zum
Kampfe rüſtet, bald ſieht es mit ſchmerzlichem Bangen den Sturm, der fich
über ihr zu entladen droht; es knirſcht über die Verletzung, die der deutfche
Boden durch fremde Heeresmaſſen erfahren muß; es will fein Wort mitreden;
umſonſt ſieht es ſich um nach der Centralgewalt, Die Centralgewalt ſchaut mit
einer unbegreiflichen Kälte den Ereigniſſen zu; ſie hat kein Shr für die Mah-
nungen des Volkes, kein Herz für die edle Begeiſterung der bedrängten Büt-
ger, keine Hülfe für die gefährdete Freiheit. ;

Während die Stadt vollſtändig umftellt , ihrer Zufuhren beraubt wird,


ſind, da weiß die deutſche Centralgewalt kein befferes Mittel gegen das frevel-
hafte Beginnen, als zwei armſelige Reſchskommiſſäre ohne Macht und ohne
Anſehen, ohne Kraft und ohne Saft! Sie erträgt geduldig die Schmach, daß
ihren Abgeſandten und Vertretern von dem hochfahrenden General vor MWten
gleichſam die Thüre gewieſen, daß ihre Vermittlung vom Kaiſer mit kurzen
Vorten abgeſchlagen wird. Die deniſche Centralgewalt ſteht in ihrer eigenen
Beſchimpfung noch keine Schande für Deutſchland wie follte ſie die Beſetzung
des deutſchen Bodens durch flopiſche Horden ſtrafen oder ſich gar noch die
Mühe nehmen, gegen die gewaltſame Unterdrückung der Freiheit einzufhreiten!
Sie hat ja eine bequeme Aushilfe in dem beliebten Worte Anarchte gefunden
und zudem ſteht ihr die glorreiche deutſche Nationalverſammlung zur Seite,
die für die hochherzige Hingebung, welche die herrii ıe Stadt gezeigt, keinen
anderen Lohn hatte, als ein vornehmes, verächtliches Lächeln. Die Vorſtädte
von Wien gehen in Flammen auf, ſinken in Trümmer, und die Centralgewalt
zu Frankfurt tröſtet ſich über die beſtrafte „Anarchie“ der Wiener Bevoͤlkerung,
und die deutſche Nationalverſammlung faßt nichts ſagende Beſchlüſſe und —
lachelt. Das Volk zu Wien ſtand im Kampfe für die Sache Deutſchlands
aber 6 wollte mit Deutſchland zugleich auch die Freiheit. Das iſt Anarchie.


vor Wien zur Unterdrückung der Freiheit. Das iſt keine Anarchie doch die Central-
gewalt und mit ihr die Nationalperſammlung zu Frankfurt hat bereiis ihr Urtheil
erfahren; ſie muß bei ſolchen Thaten machtlos in ſich felbſt zuſammenſinken.

Itt es nicht ſchon ſo weit gekommen, daß die Kammern einzelner deut-
ſchex Stagten ſich genöthigt ſehen, ihr entgegenzutreten und ſich der allgemein
deutſchen Angelegenheiten anzunehmen, weil diefelben in Frankfurt keine Erle-
digung finden. Die deutſche Centralgewalt muß von der Nationalverſammlung
zu Berlin, von der Kammer der Voltsabgeordneten in Oresden zu ihrer Pflicht
gerufen und an den Schutz der deuͤtſchen Freiheit erinnert werden.! Und der
Nißtrauensruf, der in Berlin, der in Dresven ertönte, hallt wieder in allen
Gauen Deutſchlands.

Alber die Nationalverſammlung zu Frankfurt, die beutfche Centralgewalt
iſt taub für die Stimme des Volfes; fie mögen ihrem Schickfal entgegengehen,
und das unerbittliche Gexicht ertragen, das die Zeit über'ſie vexhängey wird;
ſie haben mit einander ein Stück Geſchichte aufgeführt, das noch nicht da ge-
weſen ift. Zu Prag ſchaudern die Feiaͤdẽ der Deutſchen zuſammen ob der grau-
ſamen Zuͤchtigung, welche der Freiheitsſinn einer deutſchen Stadt erfahren ſollz
ſie vergeſſen ihre Feindſchaft und flehen für ſie um Schonung, und in Franf-
furt, wo der Sitz der deutſchen Nationalverſammlung, der deutſchen Central:
gewalt iſt, da regt ſich keine Hand, da hat man für die großartige Aufopfe-
rung, die felbft das Herz des Feindes zur Rührung bringt, nichts, gar nichis,
— als ein Lächeln. Wer kann hier noͤch ſeinen Abſcheu zurüdhalten? C iſt
ein merkwürdiges Schauſpiel. Mit ſchmerzerfülltem Herzen dlickt das deutſche
Bolf hin auf die Scenen der Verwüſtung, mit denen die ſinkende Burg der
deutſchen Freiheit heimgeſucht wird; in den Gluthen des Feuers, das aus ih-
ren Räumen emporſteigt, zerſchmilzt der Haß der Völker, der Haß der Natio-
nalitäten, und im Hintergrunde, da ſteht grinſend das dämonifche Geſpenſt der
deutſchen Nationalverſammlung und der deutſchen Centralgewalt, -



— Deutſch Land.
Karlsruhe, 6. Nov. In der heutigen Sitzung wurde der Kammer
durch den Abg. Lehlbach die Petilion einer Gemeinde des Heidelberger Amts-
bezirks übergeben, welche auf Niederſchlagung ſämmtlicher politiſcher Prozeſſe
Ind Ertbeilung einer allgemeinen und unbedingten Amneſtie gerichtet und vom
S. Oktober datirt iſt. Die Tagesordnung führte fodann zir Berathung des
von O ennin g erſtatteten Berichts der Eiſenbahnbaukommifſion über das Bud-
get des Eiſenbaͤhnbaues für 1848 und 1849 urd die Nachweiſungen über den
Bauaufwand bis zum 31. Dezember 1847, wobei der Regierung von Seiten
mehrerer Abgeordneten gegründete Vorwürfe über unnöthigen Aufwand gemacht
wurden. Der, Abg. Schaaff nahm insbeſondere die Aufmerkſamkeit der Re-
gierung auf diejenigen Gegenden des Landes in Anſpruch, welchen die Eiſen-
bahn keinen Nutzey, vielmehr theilweiſe Nachtheil bringe; er finde im Budget
immer noch keine Poſition für die namentlich im Ddenwald ſo nöthigen Straßen-
bauten, während fortwährend ſo große Summen für die Eiſenbaͤhn verlaͤngt
— zu deren Bewilligung er unter dieſen Umftänden
p fage. ; <












Mez ſpricht ſich in gleichem Sinne aus. Insbeſondere rügt er die hins
ſichtlich der Richtung der Bahn begangenen Mihgriffe und die Verſchwendung
an Ober- und Unterbau, wo öfter das praktiſche Bedürfniß einer unnützen Pracht
hintangeſetzt worden. Die Exrichtung beſonderer Appartements für die Ehöch⸗—
ſten Perſonen! 3. B. habe auch 1846 ſchon unterbleiben ſollen; um ſo ſchwerer
werde man ſie 1848 verantworten können. Bei künftig noch aufzuführenden
Gebäuden müſſe mehr die Zweckmäßigkeit berückſichtigt werden, namentlich was
die Bahnwartshäuschen betreffe, die mit unnützen Schnörkeln verziert, dagegen
aber ſo klein ſeien, daß kaum eine Familie darin nothdürftige Unterkunft finden
könne. —
Ehriſt hält dem Miniſterium mehrere einzelne Fälle vor, wo große Sum-
men auf gaͤnz unnütze Weiſe verſchleudert worden, z. B. für den Thurm im
Carfgruher Bahnhof, und verlangt zum Zweck der erforderlichen VBereinfachung
der Verwaltung die Vereinigung der für den Eiſenbahnbau und für die Eiſen-
bahnbetriebsverwaltung eingeſetzten Behörden, auf welche ſoſort Vlankene
horn förmlich den Antrag ſtellte. — Auch Lehlbach ſpricht ſich tadelnd über die
Ururiöſe Einrichtung dex Eiſenbahn und die ſtiefmütterltche Behandlung des
Odenwaldes aus. Als Geiſtlicher fet ev in der Lage, jährlich einmal von Amts
wegen gegen den Luxus predigen zu müſſen, und zwar vor einer armen Gemeinde;
jetzt ſei er veranlaßt, in dieſem Saal ein Wort über den Staatsluxus zu ſpre-
chen, deſſen Koſten am Ende doch wieder den gedrückten Bürgern zur Laſt fal-
len. Er dringt ſofort auf die von den frühern Rednern verlangten Vereinfa-


haushalt namhaft. Arnsberger macht darauf aufmerkſam, daß Baden, Ge-
fahr laufe, in Zeit von 50 Jahren das Holz vom Auslande beziehen zu müſſen,


Einrichtungen getroffen und Mittel angewendet würden, daſſelbe zu dieſem Zwecke
Er ſchlägt vor, zu dieſem Behuf durch die Regierung
eine Vereinbarung zwiſchen der Forſt- und Eiſenbahnbaubehörde zu veranlaſſen

Bekk ſucht dagegen theils die Vorwürfe der Redner zu widerlegen, theils
die begaugenen Fehler zu entſchuldigen, und erkennt auch die Nothwendigkeit der


Somit iſt die allgemeine Diskuſſion über den vorliegenden Gegenſtand ges
ſchloſſen. Nach Anhörung des Berichterſtatters, der die Behörde gegen die von
den vorigen Sprechern erhobenen Ausſtellungen in Schutz zu nehmen ſucht, wer-
den die Auträge von Blaͤnkenhorn und Arnsberger angenommen und ſofort die
einzelnen Poſitionen der Diskuſſion ausgeſetzt, in deren Fortſetzung nebſt der Bes
rathung von Petitionsberichten, die Tagesordnung für die nächſte Sitzung be-
ſteht. ; ; e
*Aus dem badiſchen Schwarzwald, 6. Nov. Die Berathung
der 2, Kammer über die Petitign des Uhrengewerbvereins hat unter der hier
ſigen Bevölkerung bedeutende Senſation gemacht. Namentlich ſchien es ſehr
an der Zeit, daß endlich einmal der ſſchaͤndliche Mißbrauch, der anderwaͤris
unter dem Namen „Trukſyſtem“ bekannt und verhaßt iſt, in der Kammer zur
Sprache kam! Es iſt unglaublich, welcher abſcheuliche Bruck von Seiten der-
Verpacker auf die armen Uhrmacher auf dieſe Weiſe ausgeübt wird. Die-
jelben ſind meiſtentheils zugleich Wirihe, Tröbler und Verkäufer aller möglichen
Lebensbedüxfniſſe, welche ſie dem arinen, auf ihre Beihülfe und Vermittlung
zur Veräußerung ſeiner Produkte angewieſenen Arbeiter an Zahlungsſtatt, und
obendrein zu einem übertrieben hohen Preiſe aufnoͤthigen. Freilich hat, wie der
Abg. Sachs in jener Sitzung richtig bemerkte, der Staat nicht die Mittel in
Händen, dieſem ſchäudlichen Wucher zu ſteuern; aber es gibt doch deren noch
welche, worauf der Abgeordnete gleichfalls aufmerkſam machte, und dieſe liegen
in der entfeſſelten Preſſe. Bekahntlich war vor wenigen Jaͤhren jenes fluch-
würdige Trukſyſtem nirgends ſtärker ausgebildet, als in den großen rheinifchen
Fabriforten, wie Solingen u. A., wo es die großen Geſchäftöherren gegen
ihre Arbeiter auf eine unerträgliche Weiſe in Anwendung brachien. *

In kurzer Zeit aber hat es die dortige Preſſe, die zudem damals noch
von der Eenſur geknebelt war, dahin gepracht, daß kein Fabrikherr mehr wagte,
das Truckſyſtem beizubehalten, indem die öffentliche Meinung durch die unauss
geſetzten Angriffe der Tagesblätter dergeſtalt bearbeilet war, daß Jeden, der
deſſelben bezuͤchtigt wurde, die allgemeine Verachtung traf und Gefahr für ſeine
Perſon bedrohte. Jetzt, wo die Preſſe nicht mehr durch die Rückſichten diefes
oder jenes Cenſers eingeengt iſt, würden ihre Bemühungen in dieſer Hinſicht
den gleichen Erfolg wohl in einer noch kürzeren Zeit erkeichen, weßhalb wir
ſowohl die größern Organe alg auch namentlich >& in faſt jeder Hütte zu
findenden kleinern Provinzialblätter unſexes Oberlandes auf diefen Gegenſtand
dringend aufmerkſam machen. Wollen ſie ſich deſſelben, woran wir keinen Au-
genblick zweifeln, mit Ernſt und Eifer annehmen, ſo wird es gewiß nicht an
Solchen fehlen, welche ihnen die Fälle, wo ſich Spediteure ſolche Schändlich-


haft maͤchen, damit ſie derartige Verbrechen, die kein Richter beſtraft, uners.
bittlich der öffentlichen Meinung denunziren und ihre Urheber an den Pranger der
allgemeinen Verachtung ſtellen! 2

Darmſtadt, Noyv. Geſtern wurde unſer im Laufe des verfloſſenen
Sommers verhafteter Mitbürger Fr. L, Nexroth aus Michelſtadt nach 16wöchent-
licher Haft in Freiheit geſetzt. Ebenſo 12 andere ſeiner Leidensgefährten, Man
hatte mehrexe Bataillone Militär und 4 Kanonen zu ihrer Verhaftung aufge-
boten, die Leute dem Kreiſe ihrer Familien und ihren bäuzlichen Geſchäften eut-
zogen, man inquirixte nach einer weitverzweigten Vexſchwörung, um am Ende
— — (nad) dem Wunſche (?) der Gefangenen, erzählt die, Darmſtädter 3Ztg.)
Wer entſchädigt, die Leute für die ihnen 16
Wochen lang entzogene Freiheit, für ihre zum Theil zerrüttete Geſundheit, für
ihren Kummer und den Graͤm ihrer Familien? Und da wagt die „Darmfäd- .
ter Ztg.“ uoch von landesväterlicher Milde zu ſprechen! (N, Rhn. Volkoͤbl. *

** Frankfurt, 5. Loy. So eben erhalten wir hier Exemplare der..
in Anhalt⸗Seſfau puͤbltzirten Verfaſſung. Sie iſt ungemein freifiunig, jedenfalls

*


 
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