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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1214

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18458.




— —









EII Friedrich Wilhelm und Eriedrich Vaniel.

Es muß eine hübſche Scene geweſen ſein in dem Schloſſe zu Polsdam;
Friedrich Wilhelm von Hohenzollern und Friebrich Daniel Baſſermann einander
gegenüber in vertraulicher linterbaltung. Man hraucht ſich in dem, Hinter-
‚grunde nur noch das mißhandelte Berlin vorzuſtellen und man hat in einem
‚engen. Rahmen ein Bild, welches unfere ganzen gegenwärtigen Zuftande auf
das treueſie abſpiegelt; wir ſehen vor uns das Complott des Abſolutismus unD
der ariſtorratiſchen' Bonrgeoifie gegen das Volt. Friedrich Wilhelm und, Frie-
drich Daniel, ſie verſtehen ſich zuſammen; ſie ſchwärmen miteinander in den
nämlichen Gedanken Üüber deutfche Einheit und deutſche Freiheit. Friedrich
Daniel iſt mit einem Voruxtheil nach Berlin gekommen; er iſt überraſcht, mehr
deutfchen Sinn bei Friedrich Wilhelm zu finden, als er „gehofft., als er mge-
glaubt/; und Friedrich Wilhelm äußert ſeine allerhöchſte, diesmal gewiß, vicht
Theuchelte Zuftiedenheit darüber, daß Friedrich Daniel Ene ſo loyale königliche
Denkart befigt. Königtbum und Bourgeoiſie, warum follten bie auch gegen-
feitig ſich verſchmähen; ſie können ja einander die refflichſten Dieyſte leiſten.
Das Königthum iſt im Beſitze der Gewalt, die Bourgeoiſie im Beſitze des
Gaͤdes/ bei einer gegenſeitigen Verbindung beider findet jeder Zheil ſeine Rech-
nung; jeder zieht für ſich ſeine beſonderen Pracente au&g dem Volke und kann
ſich damit gaͤnz ſtattlich herausfüttern. In Frankreich iſt zwar dieſe gemein-


ung das an? Wir Deutſche ſind von zäherer Natur und können ſchon cher
etwas aushalten, und zudem ſind 18 Jahre oder wenn's auch noch ein Paar
druͤber oder drunter ſind immerhin mehr alg eine bloße Galgenfriſt.
Genug; die Bourgeoiſie und das Königthum ſind es, die gegenwärtig
im lieben deutſchen Reich das Volk an einander verſchachern. Das hübſche
Pärlein hatte ſich nach unferer Märzrevolution bald zufammengefunden und
jetzt ſehen wir ſie ſchon, wie alte Bekannte, in dem herzlichſten Einverſtändniſſe Arm in
Arın mit einander einherſpaziren. Die Einheit und Freiheit, zu welcher In den März-
tagen das Volk den Anlauf genommen, war beiden gleich unbequem; das Kö-
nigthum ſah ſein Anſehen vernichtet, und die Bourgeoiſie merkte auf einmal,
daͤß ffe in ihten Wünfchen und Forderungen überflügelt worden; das war ihr
doch die Volksfreiheit ein wenig zu weit gekrieben. Indeß ließ ſie ſich die Sache
noch gefallen; der Ruf des voͤrmärzlichen Liberalismus brachte ſie an die Spiße
der Revolution und es blieb ihr damit die Ausſicht, die Früchte derſelben für ſich
allein zu pflücken. Ihre erſte Sorge war es daher, die ſogenannten Märzer-
rungenſchaften in der Weiſe zurecht zu machen, daß das herabgekommene Kö-
nigthum wieder ſeinen ehrlichen Antheil davon zuruͤckerhaltẽ
guten Händen verwahrt bleibe. Demgemäß wird dem deutſchen Volke die
„wahre Freiheit“ auseinandergeſetzt und ihm bedeutet, daß Alles, was üder
bieſe „mwahre Freiheit“ hinausgehe, nothwendig zur „Anarchie“ führen müſſe.
Da bedarf es nun blos noch der „ſtarken Hand eines Einzigen“, der einſt-


nehmen und das große Linige, freie Deutfchland iſt fertig, die Revolution iſt
abgeſchloſſen; „bis zum März, da ging das Recht zur Revolution, ſeit April
aber iſt jedes derartige Recht erloſchen“ Dem Volke geht dieſe Theorie ein
wenig zu hoch; es bleibt lieber bei ſeinem natürlichen Inſtinkt, der es anweist,
nicht eher mit der Revolution ein Ende zu machen, alg bis es ſeine volle
Selbſtſtändigkeit gewonnen, ſeine „Märzerrungenſchaften“ in ſeinem eigenen Sinne
wirklich erfuͤllt hat.

Die Bourgeoiſie und das Königthum müſſen ſich beide aus der Noth hel-
fen; ſie bekämpfen gemeinſchaftlich unter dem Namen -Anarchie“ die Freiheits-
beſtrebungen des Volkes; das Königthum verſichert aber, daß es nicht im ent-
fernteſten an eine Reaktion denke und die Bourgeoiſie iſt vollkommen davon
überzeugt, daß die Freiheit durchaus keine Gefahr laufe, wenn auch zur Ret-
tung des Königthums Städte und Menſchen zu Grundegehen und das Blut der
freien Volksvertreter die deutſche Erde färbt, denn: der Credit hebt ſich wieder
und die Papiere ſteigen; und das iſt wahrhaftig keine Reaktion; die deutſche
Einheit und die deutſche Freiheit bleibt gerettet. Friedrich Wielhelm iſt durch
und durch deutſch geſinnt; der Mann denkt nicht an eine Reaktion. Das war die Freu-
denbotſchaſt, die Friedrich Daniel nach Frankfurt zurückbrachte. Friedrich Wil-
helm iſt deutſch, Friedrich Wilhelm will keine Reaktion! Wenn Ihr nicht ver-
ſteht was das heißen ſoll, ſo überſetzt Euch einmal den Spruch: „Das Volk


tet nach der Erläuterung, die Friedrich Daniel ſelbſt der preußiſchrn National-
verſan mlung gegeben haͤt auf echt Baſſermanniſch:“

ESie haben ſich groß gezeigt; zeigen Sie ſich noch groͤßer und gehen Sie
nach Brandenburg.“ —

— — —

ST Bekanntmachung.

Die Preßfreiheit iſt in Berlin vernichtet. Die Reaktion, deren Haupt-Or-
gan der Staatsanzeiger“ und die „Neue Preußiſche Zeitung“
ſind, verbreiten die größten Unwahrheiten, und erlauben ſich die gröbſten An-
griffe gegen die Nationalverſammlung und ihre Mitglieder; — wahre Thatſa-
chen werden entſtellt oder verſchwiegen. Widerlegungen und Gegen-Artikel
ſind verboten. Die Voffiſche und die Spenerſche Zeitung müſſen ſich auf Be-
richte nakter Thatfachen beſchraͤnken. Faſt alle übrigen Zeitungen ſind ſus-
endirt.

Unter ſolchen Umſtänden halten die unterzeichneten Mitglieder der Natio-
nalverſammlung ſich für verpflichtet, dem preußiſchen Volke und der Preſſe
in den Provinzen dringend anzuempfehlen, die Nachrichten der Berliner Zeitun-








gen über die innern Angelegenheiten des Landes und über das Wirken der Natio-
nalverfammlung nur mit der größlen Umſicht und nach ſorgfältiger Prüfung
und Vergleichung mit andern Nachrichten und andern Zeitungen anzunehmen.
Berlin, 17. Nov. 1848.
Kacoby, Abgeordneter für Berlin.
DEſter, Abgeordneter des Kreiſes Mayen 26

Deutſchland.

_ CH. Vom Neckar 22. Nov. Ich bexichte Ihnen einen Vorfall,
der meines Bebuͤnkens veröffentlicht zu werden verdient. Geſtern waren dahier
auf amtliche Vorladung ſämmtliche Schullehrer und Steuererheber des Amtsbe-
zirtes verfämmelt, um ſich auf die Verfaſſung vereidigen zu laſſen. Der Haupt-
iehrer Stay von Maisbach verweigerte die Ablegung des Verfaſſungseides und
gab folgendé Erklärung zu Protokoll: „Wenn ich mich eidlich verpflichten laſſe
auf die Verfaſſung, ſo verpflichte ich mich, meinem politiſchen Leben eine ſtrene
bezeichnete Richtung zu geben, während ich nicht weiß, ob nicht ſchon morgen
Ereigniſſe eintteten, welche mich mit unwiderſtehlicher Gewalt in eine andere
Richtung drängen; es würde alsdann meine Ueberzeugung mit meinem Gewiſ-
fen in Zwieſpaͤlt gerathen, Der Menſch muß Herr ſeiner Zukunft bleiben,
und ich Jalte demnaͤch einen politiſchen Eid grundſätzlich für unzuläfſig! Ueber-
dies ſoll ich auf eine Verfaſſung verpflichtet werden, deren weſentliche Beſtim-
mungen vielleicht in ſehr kurzer Zeit ſchon in Folge der von Frankfurt ausge-
henden Reichsverfaſſung außer Geltung kommen müſſen. Ich bin von der
Heiligkeit ves Eides zu ſehr durchdrungen, als daß ich mich dazu verſtehen
koͤnnle, einen überflüſſigen Eid zu leiſten.“ Geſtatten Sie mir einige Bemers -
kungen hierzu. Der poͤlitiſche Eid iſt ein Unſinn, weil durch ihn der Meyſch
über ſeine Zukunft verfügen ſoll, über die er ſelbſt eigentlich am Wenigſten
Herr iſt, denn die Ereigniſſe machen den Menſchen.

In den Händen der Gewalthaber aber iſt der politiſche Eid ein Mittel,
die Gewiſſen der „Unterthanen“ zu binden, und die Verfaſſung mit allen Zu-
ſtänden, die ſie herbeiführt, mögen ſie gut oder ſchlecht ſein, zu verewigen. Denn
wer es nur einigermaßen genau nimmt mit dem Eide, der muß geſtehen, daß
in einem Staate, in dem alle Bürger die Aufrechthaltung der Verfaſſung ger


laxere Anſicht vom Eid ſtutzt ſich zwar darauf, daß in der Verfaſſung die Be-
dingungen der Abänderung derſelben, der ſogenannte „geſetzliche Weg“ bezeich-
net feien, Allein die Erfahrung ſollte nun doch gelehrt haben, daß man auf
dieſem geſetzlichen Wege nicht vorwärts kommt; und wenn ich die Ueberzeugung habe,
daß dein Vaterlande nur durch eine Revolution zu helfen iſt, ſo dürfen mir die
Hände nicht gebunden ſein, wenn ich nicht ein Verräther des Vaterlandes ſein
will. Es komint aber noch ein Haken! Im badiſchen Verfaſſungseid wird auch
„Treue dem Großherzog“ geſchworen, und dies iſt durchaus unzuläſſig im demokra-
tiſchen Staat, im Staate, in dem die Volksſouveräͤnität anerkannt iſt! In
dieſem Staat iſt der Fürſt nicht Herr „von Gottes Gnaden“, fondern Diener
des Geſetzes, wie jeder andere Staatsbürger, und er hat daher ſich zur Beob-
achtung der geltenden Geſetze durch einen Dienſteid zu verpflichten; ihm aber,
ſeiner Verfon oder ſeinem „Haus“ ſich zu verpflichten, kann kein Bürger ſchul-
dig ſein. Es wäre an der Zeit, daß wie in Fraͤnkreich der politiſche Eid ab-
gefchafft würde. Wenn ihn eine Regierung durch Gewalt erzwingt, und zur
Gewalt gehört auch Androhung von Dienſtentlaſſung u. Dal., ſo kann ihn kein
Vernünftiger für verbindlich erachten, er iſt gar kein politiſcher Eid, ſondern
einfach eine polizeiliche Nothzüchtigung. Was dem Schullehrer Stay in Folge
ſeiner Weigerung geſchieht, werde ich Ihnen ſ. 3. berichten. *

Karlsruhe, 22. Nov. Damit der unbefangene Zeitungsleſer erkenne,


berichten in der Karlsruher Zeitung beurtheilen darf, theile ich Ihnen einen
Auszug aus dem Protokoll der 101. Sitzung der 2. Kammer (vom 9, Nevem-
ber) und zur ſofortigen Vergleichung die entſprechende Stelle aus dem Referat
des genannten Blattes mit. +

Bei der Berathung der Amneſtiefrage äußerte ſich der Abgeordnete Kiefer,
wie das ſtenographiſche Protokoll nachweist, wörtlich in folgender Weife: —

„Sie haden geſtern aus beredtem Munde von verſchiedenen Seiten gehört,
wo die Gründe der Verarmung und Gewerbsſtockung ſeit 30 Jahren liegen.
Das vorangegangene Nothjahr hat unſere traurigen Zuſtände dem Volk zum
Bewußtſein gebraͤcht, es hat zu klar nachgewieſen, in welchen Vermögens- und
gewerblichen Verhältniſſen wir ſtehen, und wie dieſe Verhältniſſe uns nicht mehr
gegen die nur vorübergehende Noth zu ſchützen im Stande ſind. Jenes Noth-
jahr hat klar gezeigt, auf welchem Standpunkt wir angekommen find, es hat
die Leute zum aͤchbenken gebracht, welche bisher noch nicht einſahen, in welchen
Verhältniffen wir leben und daß es ferner nicht ſo fortgehen könne. Von fer
ner Zeit datirt ſich eigentlich die Bewegung, und das Borkomme
niß in Frankreich im Februar dieſes Zahre hat ſie erft zur
Tyat werden Laffen, hat erſt die Leute beſtimmt, mit ihren Wünſchen
deutlicher hervorzutreten,“

Ich verkenne es nicht, daß dieſe Aufſtände der Verarmung und Erwerblo-
ſigkeil Vorſchub geleiſtet haben, muß abex auf das Beſtimmteſte widerſprechen,
daͤß diefe Ereignilfe die Verarmung herbeigeführt und die Erwerbloſigkeit
in der Art, wie ſie jetzt beſteht, verurſacht haben!“

„Soll die Regierung, wenn ſie, was ich annehmen muß, wirklich den
Wunfch hat, dieſe Zuſtaͤnde zu verbeſſern, auf dem bisher betretenen Weg, wel-
chen ſie, wie es ſcheint, noch nicht gerne verlaſſen will, fortan verbleiben? wenn
Taufende und abermal Tauſende, welche mit jenen Männern, die an dem Auf-
ſtande Theil genommen haben, in Verbindung ſtehen, nicht wiſſen was aus
der gegen dieſelben eingeleiteten Unterſuchung werden wird, nicht wiſſen, in wie
weit ihr Vermögen angetaſtet wird, können dieſe Tauſende ſich freudig ihrem
Erwerbe hingeben? Koͤnnen andere Geſchäftsleute, welche mit ihnen gleichfalls


 
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