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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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1848.


















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Deutſchland.

(+ Mannheim, 24. Olt. ehm
Bezuß auf den letzten republikaniſchen Aufſtand iſt immer noch nicht aufgeklärt.
Buͤ dalten es für nothwendig, gerade jetzt, da die Kammern verſammelt ſind,
auf. dieſen Gegenſtand zurückzukömmen und verlangen eine gründliche Unterſu-
chuͤng. Es iſt bekanntlich der badiſchen Rehierung der Vorwurf gemacht wor-
den , fie ſei über die Zurüſtungen der geflüchteten Republikaner unterrichtet ge-
weſen, ſie habe über die bevorfiehende Erneuerung der Schilderhebung Kenntniß


ſialten gemacht. Gegen dieſe Anſchuldigung hat ſich die Regiexung bis jetzt
Karlsruher Zeitung, das offizielle Organ der Regiexung, in dielem Betreff klar
die Aeufſerung, wie unklug es wäre, wenn man ſich von dem Feinde beſtändig
an den Grenzen beunruhigen ließe und wie viel beſſer man gethan, ihn einmal
in's Land hereinzulaſſen, um ihn feſthalten zu können. Man ſieht daraus we-
nigſtens, wie leichten Glauben jene Unterſtellungen gefunden haben und es läge
ſonach an dem Hrn. Miniſter Bekk, die öffentliche Meinung über dieſe Sache
beruhigen und ſich gegen das Mißtrauen, das auf ihm laſtet, zu rechtfer-
igen.

Verhielte es ſich wirklich ſo, daß die Regierung nur deßhalb alle Vorſichts-
maßregeln unterlaſſen hätte, um die im Aufſtand begriffenen Republikaner ſorg-
los zu machen und um ſo ſicherer mit Einem Schlage zu vernichten, dann hätte
Herr Bekk eine ſchwer zu tragende Verantwortung auf ſich geladen. Nächft
dem Fluche vieler unglücklichen Familien, der auf ſeinem Gewiſſen laſtete,
würde ihm ein Hauptantheil an jener ſogenannten hochverrätheriſchen Unterneh-
mung zukommen, indem ſich unter den angenommenen Vorausſetzungen ſeine
Mitſchuld nicht in Zweifel ziehen ließe. Wir erwarten von der zweiten Kam-
mer, daß ſie den Herrn Miniſter übex dieſe Angelegenheit zu Rede ſtelle und
ſich beſtiebe, das Dunkel zu lichten, in welches die ganze Sache bis jetzt noch
gehüllt iſt.

Karlsruhe, 24. Okt. Sitzung der II. Kammer. Staatsrath Bekk
legt der Kammer einen Geſetzeutwurf vor über Ermäßigung der Hundstare
für Solche, die der Hunde zur Sicherheit odex ihres Gewerbes wegen bedürfen.
Schaaff zeigt Petitionen verſchiedener Gemeinden des Odenwaldes an, welche
um Berückſichtigung ihres Nothſtandes bitten und zugleich erklären, dieſe Kam-
mer habe ihr Vertrauen noch nicht verloren und man möge daher die ihre Auf-
löſung bezweckerden Eingaben nicht berückſichtigen. Petitionen ähnlichen An
halts! ſowie ſolche von Staatsdienern in Betreff des Penſionsgeſetzes werden
vom Sekretaridt angezeigt, worauf Biſſing die Rednerbühne beſteigt, ım eine
Motion zur Beſchleunigung des deutſchen Verfaſſungswerkes zu begründen. Er
hält es im Intereſſe eines Gegenſtandes von ſolcher Wichtigkeit, wie der An-
ſchluß an die Centralgewalt, für zweckmäßig, daß die beiden Kammern denſelben
in reifliche Erwägung ziehen und eine Erklärung darüber erlaſſen, und ſtellt,
nachdem er ſich über die herrſchende Verwirrung, aus welcher zuletzt nur die
Reaͤktionäre, die den Abſolutismus, und die „Anarchiſten, welche die Re-
publik wollten“, Vortheil ziehen könnten, übex die vielen Interpellationen
und verlaͤngten namentlichen Abſtimmungen in der Paulskirche, über den Stru-
veſſchen „Räuberzug“, womit hoffentlich dex Höhepunkt des Waydalismus, er-
reicht woͤrden, „weil ſonſt die ganze Civiliſation auf dem Spiel ſtehen würde,
des Breitern aͤusgelaſſen, den Antrag, die Kammer möge beſchließen, den Groß-
perzog in einer „unterthänigften Apreſſe! zu bitten, daß er reſp. die hadiſche
Regierung 1) an den badiſchen Bevollmächtigten bei der Eentralgewalt die Weiſung


Böhme findet dieſe Bemerkung Helmreichs zu vorſchnell; es ſeien aller-


Schluß auf die Stimmung des Volkes ziehen dürfe, da es kein beachtenswer-
ther Theil deſſelben ſei, voͤn welchem diefelben herrührten. Die Kammer bes
ſitze allerdings noch das Vertrauen des Voltes. An den Anträgen
des Motionsſtellers findet er zu tadeln, daß dieſelben zu demokratiſch
weil nur nach Einer Seite (der Regierungen) hin gehalten ſeien. Die Lommiſ-
ſion müſſe nun ergänzen, was Jener verſäumt habe, nämlich eine ernſte Rüge



naͤch Kräften hinzuwirken. 2) an ſämmtliche deutſche Regierungen die Auffor-
derung ergehen laſſe (reſp. ſelbſt mit gutem Beiſpiel vorangehe) ſich ihrer
Machlvollkommenheit in Beziehung auf die auswärtigen Angelegenhei-
ten, das Militärweſen und die Zollſachen zu Gunſten der Centralge-
walt zu entäußern.

Baum ſchlägt vor, dieſen Antrag an die Abtheilungen zu vexweiſen.
Kapy macht darauf aufmerkſam, bei Erörterung der Zentraliſationsfrage
den richtigen Geſichtspunkt nicht qus den Augen zu verlieren; eine politiſche,
nicht aber eine polizeiliche Zentraliſation ſei es, was Deutſchland noth thue.

Betk bemerkt! die Regierung hege, wie ſie vielfach erklärt, den eifrigen
Wunſch, daß durch Vollendung der Verfaſſung die Einheit Deutſchlands bald-
möglichft ins Werk gerichtet werde, und werde nach ihren Kräften dazu beitra-
gen, Biſſings Antrag aber könne formell nicht von Belang ſein; nur inſofern
babe er Bedeutung, aͤls durch ſeine Berathung die öffentliche Meinung bearbei-
iet und der einheillichen Entwicklung dadurch Vorſchud geleiſtet werde.
Lehlbach mahnt bei jetziger Sachlage vor Allem zur Vorſicht; ehe man
Rechte dus den Händen gebe, müſſe man wiſſen, auf wen dieſelben übergien-
gen. Zur Zeit ſei die Zentralgewalt noch eine yroviforifde Bet der Ber:
ſchiedenheit der Verhältniſſe des nördlichen und ſüdlichen Deutſchlands könnte
3. B. durch Weggabe der auf das Zollweſen bezüglichen Rechte das materielle
Vohl des kadiſchen Volkes aufs Spiel geſetzt werden. Ueber der Einheit
ſtehe die Freiheit. Auch hierin wiſfe man noch nicht, was man zu er-
warten habe. Der Sprecher kritiſirt hierauf verſchiedene, über die Zutheilung
der definitiven Zentralgewalt aufgetauchte Projekie und warnt im Intereſſe des
materiellen Aohls und der politiſchen Freiheit nochmals ernſtlich vor übergroßer
Liſfertigkeit in der Aufgebung ſo wichliger Rechte, bevor man wiſſe, in welche
Hände man dieſelben überliefere. *

—— vermißt unter den vom Motionsſteller aufgeführten Punkten mehrere
ſehr wichtige, namentlich die Handelsgefeßgebung, und Helmreich iſt der rich-
tigen Auſicht, daß auf die öffentliche Meinung durch die Verhandlungen dieſer
Laͤmmer nicht ſehr ſtark eingewirkt werden dürfte, da letztere, wie man wohl






lungen wichtiger ſchienen.“

Auch Schaaff hatte ſich bei der Diskuſſion betheiligt und vielleicht in der
Freude darüber, daß ſeine Anregung einer Reviſion des Hundstargeſetzes
dei der Regierung ſo ſchnell eine gute Statt gefunden, alle und jede Regktion
in Abrede oeftellt. Wer jetzt von Reaktion ſpreche, der kämpfe mit Wind-
mühlen.

Kuenzer wünſcht Hru. Schaaff, daß das neuerdings dem Dr. Eiſenmann
aufgegangene Licht auch ihn erleuchten möge; eı für ſeine Perſon habe gleich zu
Anfang Reaktion geſehen! wie Jeder, der die Menſchen zu nehmen wiſſe wie
ſie ſind. Es ſei nätürlich, daß Jeder, der eines, wenn ſchon eingebildeten Rechtes
berdubt werde, hiergegen reagire. Nur die Reaktion ſei Schnld, daß das Ver-
faffungswerk nicht fichcuniger vollführt werde. Die Kammer aber möge, che ſie
ſich daͤrüber aufhalte, felbft mit dem guten Beiſpiel vorangehen, denn ſie Fönne
ſich noch in manchen Dingen, was Beſchleunigung betreffe, die Verſammlung
in der Paulskirche zum Müſter nehmen. Man möge deshalb die Motion ſofort


die Foͤlge doch keine andere ſein werde, als daß man die Sache wieder gehen
Yaffe wie ſie debt —

Kiefer'bekämpft, was Böhme gegen Helmreich über die Kammerauflö-
ſung und die dahin gehenden Petitionen bemerkte. Von verſchiedenen Seiten
fei ihm geſagt worden! man würde noch vielmehr in dieſem Sinne petitionirt
haben, wenn man überhaupt noch an dieſe Kammer Peticionen bringen möchte,
die zudem entweder leichtfertig behandelt würden ober bei der Petitionskommiſ-
ſion begraben blieben. —*

Junghanns wünſcht, daß die vielen dringenderen Geſchäfte nicht durch
die Erörterungen über die Biſſing'ſche Motion aufgehalten werden möchten, und
Zittel unterſtützt Kuenzers Autrag, ſogleich in abgekürzter Form über dieſelbe


Belk erklärt ſich dagegen; die Diskuſſion darüber ſei widhtiger, als
die Beſchlußfaſfung, weil die Letztere ja keine Folge haben und ihretwe-
gen doch Alles beim Alten bleiben werde. Deßhalb möge die Lammer nicht ſo-
fort abſtimmen, ſondern den Gegenſtand auf dem üblichen Wege reiflich bera-
then. (Unvergleichliche Logik! Weil Eure Beſchlüſſe über eine Sache nichts
gelten, deßhalb übereilt Euch nicht, ſondern verbreitet Euch darüber recht ans-
führlich. Ein Anderer dürfte vielleicht der Meinung ſein: wenn dem ſo iſt,
ſo ſollte die Kammer lieber ganz ſtill darüber ſchweigen; aber was wiegt der
beſchränkte Unterthanenverſtand gegen die hohe politiſche Weisheit des Miniſte-
riums Bekk? Dieſelbe überwiegt zum Mindeſten in der Kammer, welche den Antrag,
die Motion in die Abtheilungen zu verweiſen, annimmt.)

Baum ereifert ſich als Vorſtand der Petitionscommi ſſion über die Aeuße-
rung Kiefers über die Behandlung dex Petitionen. ;

Kiefer zeigt dagegen, wie die Ehre dieſes Hauſes es erfordert, die zahl-
reichen Petitionen um Auflöſung der Kammer als dringlich zu behandeln, und
führt zur B gründung der vorhin von ihm mitgetheilten Anſicht vieler Bürger
eine Petition der Stadtgemeinde Breiſach an, das Benehmen des Abg. Mathy
betreffend, welche als erledigt verzeichnet ſei, obgleich gar nicht über ſie berich-
tet worden. Dieß verſucht Baum dadurch zu entkräften, daß er jene Adreſſe
als eine zu Gunſten Mathy's lautende darſtellt, worauf ihm jedoch Kiefer ſeine
eigenen vor wenig Tagen über dieſelbe geäußerten Worte ins Gedächtniß ruft:
„folche Skandale dürften nicht an die Kammer kommen.“
Alſo abermals ein Stück Eskamotage! Hr. Baum weiß nichts zu entgeg-
nen und iſt auf einmal verſchwunden, Hr. Blankenhorn dagegen geſteht naiv
genug, daß man die Erledigung der Auflöſungsfrage deshalb nicht Leſchleunige,
weil die dahin gehenden Eingaben ſämmtlich ihr Entſtehen den Bemühungen
Einer Seite verdankten und man den Leuten nun auch Zeit und Gelegenheit
zu Gegenpetitionen laſſen wolle, womit heute der Anfang gemacht worden.

Nach Kapps Erklärung, daß er von mehreren Seiten beauftragt ſei, auf
ſchleunige Erledigung der Auflöſungsfrage aufs Entſchiedenſte zu dringen, wird
zur weitern Tagesordnung übergegangen und die Berathung des Geſetzes über
die Verwaltungoͤbehörden fortgeſetzt. *

M Bom Mittelrhein, im Oktober. Im Jahre 1809 wurde durch
eine landesherrlihe Verordnung ein „Oberrath“ konſtituirt und ihm die ge-
ſammte Oberleitung der israelitiſchen Schyl? und Kirchenangelegenheiten übex-
tragen; durch fexnere Verordnung von. 1821 wurde demſelben eine jährliche
Summe: von 3760 fl. ausgeſetzt zur Beſtreitung ſeiner amtlichen Bedürfniſſe
und beſtimmt, daß dieſe Summe durch alljährliche Umlage von den ſteuerpflich-
tigen Israeliten Badens erhoben werden ſolle. Der Oberrath hat ſo in 30
Jaͤhren die Summe von ctwa 100,000 fl. verwendet, ohne daß es ihm bisher
Inhefallen wäre, übex dieſe Gelder Rechenſchaft abzulegen; ſogar ſehr dringende
Aufforderungen, die in dieſer Sache an ihn ſergingen, hat er durchaus unberück-
ichtigt gelaſſen. *
ſich 2 4 nicht, was eigentlich die Urfache dieſes haxtnäckigen räthſelhaf-
ten Schweigens iſt; doch vermuthen wir, baß die Eigenſchaft, weiche die 30räh-
rige Wirkſamkeit des Oberraths ausſhlieblid bezeichnet⸗ nämlich die voll-
frändige Unthätigkeit deſſelben die Schuld daran trägt. In den 30 Jahren


 
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