Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 126 - No. 153 (1. Juni - 30. Juni)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0579

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext














E Weßhalb bilden die Demokraten in Deutſchlard eine
2— Partei und nicht das ganze Volk?

Die bevorſtehende Demokratenkonferenz veranlaßt uns zu dieſer Frage, die
jeder nachdenkende Poliijter ſich gewiß in dieſen Tagen ſchen , vorgelegt hat.
Seitdem durch die Kartaͤtſchenmorde der Soldateska und Barrikadenſiege der
Buͤrger der himmliſch ſchöne Traum des chriſtlich-germaniſchen Staates und des
yatrlarchaliſchen Koͤnigthums von Gottes Gnaden ſo gründlich zerſtör— iſt, daß
lein Huber und Görres, kein Stahl oder Leo ihn weiter zu ſpinnen wagt, ſeit-
dein die Volksſouveraͤnität als Phraſe ſelbſt von der „Spitze der Leutſchen Be-
wegung! dem Koͤnige von Preußen, und, was noch mehr ſagen will, vom
deutſchen Parlamente in Frankfuit anerkannt iſt, ſollte man in der That glau-
hen, daß die herrſchende politiſche Stimmung in ganz Deutſchland durchaus de-
motratiſch feie, und daß die Partei Zer Demokyaten 4* ganze deutſche Volk in
ſich aufgenommen haben müßte. Dies iſt nicht der Fall. Die Demoͤkraten,
d H. die entſchiedenen, wahren Demokraten, welche die rückſichtsloſe, vollſtändige-
Durchführung der Volksherrſchaft nicht nur wünſchen, ſondern auch wollen,
welche einen geraden Gegenſatz der Parter, welche ven eing Nonarchie auf
demofratifcher. Baſis fabelt, biden; die Mänuer, welche die Repuhlik nicht als,
fernes, unbeftimmtes, nebliges Ideal, ſondern als die ig mohlihhs und prak-
tifche, ſehr leicht zu erreichende Staatsform ſchon der allernächſten Zukunft an-
erfennen, dieſe Paͤrtei iſt allerdings im deutſchen Volke mehr vertreten, als im
Parlamente,, befindet ſich aber, man darf ſich dies nicht verhehlen, für den
Augenblick, wenn man ganz Deutſchland in Betracht zieht, noch in der Min-
derhtit Diefe Erſcheinung iſt zu auffallend, als daß man nicht aufmerkſam
unDd bedenklich naͤch dem Grunde derſelben fragen und forſchen ſollte

das Gegentheil der Demokratie, die Fürſten Adelsz, und Geldherrſchaft, hat




niſche Gutsbeſitzer aus Pommern und Weſtfalen, die großen Wucherer der
Menfchheit, die Rothſchild's und Compagnie und vor Allein die ſiebenzehn Berz
trauensmänner ausnehmen,“ keine Anhänger mehr. Es hat Nieman mehr
den Muth,-einen. abſoluten König zu vertheidigen, der ſein Volk aus, Mißvar-
ſtaͤndniß! Tage laug mit Kartätſchen zuſammenſchießen läßt, um ihm ſeine kö-
nigliche Guade zu bezeuͤgen, der während achtjähriger Herrſchaft, trotz aller er-
denflichen Steuern und Anleihen, die früher gefuͤllten Kaſſen vollſtändig geleert,
der ſein Volt bis an den Rand des Abgrundes gebracht, und ganze Provinzen,
wie Schleſien, dein Hungertode übexantvoxtet hat. Es hat Niemand den
Muͤth ineßr, die konſtitutibnellen Fürſten in Schutz zu nehmen, welche Jahrelang
Cenfur duldeten, ja anbefahlen, obgleich ſie einſt die Verfaſſung und die dadurch
garantirte Preßfreiheit beſchworen haben. Es hat Niemand den Muth mehr,
ein Geldkonigihum a la Louis Phitipp herbeizuwünſchen, durch welches eine reiche
Naͤtion einem allgemeinen Bankeroͤtte, ein edles, hochherziges Volk einem ſittli-
chen Abgrund; der allgemeinen Ehrloſigkeit entgegengeführt wurde. Es hat
Niemand den Muth, ſage ich, die beregten Ausnahmen abgerechnet, ein deutſches
Kaiſerthum zu wolen, jene alte, ſchwerfällige Staatsmaſchine, die Drutſchland
cheinals nicht nur dem Gelächter, ſondern auch dem Eroberungsgelüſte ſeiner
Feinde Preis gegeben hat. Niemand, ich wiederbole es, hat den Muth, die
Monarchie zu vertheidigen, er müßte denn zu den geheimen Agenten des Tufft-
ſchen Kaͤiſers, zu den Hofbedienten des Königs von Preußen oder zu den Mit-
arbeitern der deutſchen Zeitung gehoͤren. Und doch hat die Demokratie ſo we-
nig Auhaͤnger! Wir müſſen in Deutſchland eine merkwürdige, aber traurige
Erfahrung machen: Nicht alle Feinde der Nonarchieſind Freunde
der Freiheit, der Demotratie, der Republit. Den Grund dieſer
auffallenden Erſcheinung zu unterſuchen, iſt Zweck dieſer Zeilen.
Deittſchland war von jeher das Land der Geſpenſterfurcht! Die Ammen
erzäblen kleinen Kindern von Kobolden, Geiſtern und Räubern, ſo daß dieſe
nich allein ſchlafen wollen. —
Die Kinder werden Männer, und die Furcht vor dem Knecht Ruprecht
0 } ; Man erbebt. bei dem
Nynen Republif, wie man früher helm naͤchtlichen Schrei der Eule oder beim
Agulen der Hunde erbebten Deutſche Männer laſſen ſich von ihren Ammen
And Vormündern, den Beamten, den Adligen, den Pfaffen, den Profeſſoren
das Mährchen erzählen, die Republikaner wollten Anarchie, Bürgerkrieg, Schrek-
knoſyſten, Communismus. Alle Schrecken der dunkeln Kammer des ſeligen
Kitter Blaubart werden der Republik angedichtet Deßhalb fürchten ſich Viele
or der Republik und bekämpfen Diefelbe, obeſie gleich auch die Monarchie haſ-
* verabſcheuen 2* * *

*


der Repuͤblik andichtet, daß Anarchie, Bürgerkrieg, Schreckensſyſtem, Commu-
nismus der Fürſtenherrſchaft angehört, und von dieſex unzextrennlich iſt. Es
gibt namentlich keinegnarchiſchere, keine geſetzloſere Stagtsform, als die ken-
ſtitutionell monarchiſche. Wenn Fuͤrſt und Volk fich, wie das mmer in konſti-
nitipnellen Staaten geſchehen iſt und geſchehen muß, um die Herrſchaft, um die
Geſetzgehung ſtreiten und zanken , wenn keine Einheit der Gewalt da iſt, wenn
man nicht weiß/ wer in einem Staate Koch, wer Kellner iſt, wenn eine Ge-
walt die andere aufhebt und eine Kraft die andere paralyſirt, dann befindet ſich
der Staat in einem Zuſtande der Schwankung und Machtlofigkeit, daß der
Anarchie Thür und Thor geöffnet iſt. Wir befiiden uns jetzt zum Beiſpiel in
einer vollſtändigen Anarchie, und wenn wir unſere Fürſten und die Sonderin-
tereſſen unferer Duodezſtaaten beibehalten, ſo werden wir eine Zeit der Geſetz-
loſigkeit bekommen, welche die Kaiſerliche, die ſchreckliche Zeit des Mittelalters,
zehntauſendfaͤch überbietet. In Frankfurt werden Geſetze „gemacht, in Berlin,


durch ganz Deutſchland gelten, auch in Preußen, wo die Berliner Nationalver-
jamm{ung. mit deni Könige ſich über die Verfaſſung vexeinbart. Zweierlei Ge-
ſetze werden für diefelben Menfchen gemacht.! Muß hieraus nicht eine vollen-
dete Gefetzloſigkeit folgen? Ferner, das Parlament wird eine Exekutivge-








walt fchaffen. .. Daneben beſteht der Bundestag. Die Heerfchaft der Fürſten
wird nicht abgeſchafft, nicht einmal modiftzirt. Welcher Gewalt ſoll de nter
than folgen? Leben wir nicht in einer ähnlichen Zeit, wie im Mittelaltex, wo
Kaifer mit Gegenkaiſer kämyfte und der Pabſt mit Allen zuſammen? UnDd _1n
einer ſolchen duͤrch und durch anarchiſchen Zeit wagt man noch, vor der Anar-
chie zu. warnen?

Ber Bürgerkrieg, den, wie man erzählt, die Repuͤblikaner erregen
wollen, wurde don jeher in der Monarchie ſyſtematiſch organıfirt und Vorbereiz
tet, Man nahm eine ganze Klaſſe von Bürgern aus dem Volke heraus, be-.
waffnete ſie, bekleidete ſie mit zweifarbigen Tuche, ſtellte ſie unter die unum-
ſchränkte Herrſchaft des volksfeindlichen Adels unD beredete ſie, ihr hoͤchſter
Ruhm beſtände darin, das andere Volt todtzuſchießen. S0 er30g man ſich auf
Unfoften des armen, hungernden Volkes eine prahleriſche und wuthſchnaubende
Soͤldateska, die ſich von Tag zu Tag mehr vor dem Bolfe, aus dein fte herz
vorgegangen war ünd das fie bezahlte, iſelnte und entfremDete. . Die Kartät-
ſchenmißverſtändniſſe in Berlin, die Unterdrüchung der republikaniſchen Bewe-
gung in Baden, die „humane! Maßregeln in Mainz, we man eine wehrlos
gemachte Stadt von gemißhandelten Bürgern zur Ehre des Königs von Preus,
ßen zuͤſammenſchießen wollte, der Mord des unglücklichen Polenvolkes,, deſſen.


ſirt haben. Und aus dieſex Zeit ꝛes raffinirt vorbexeiteten Buͤrgerkrieges ſind
wir noch nicht heraus. Selbſt unfere fogenannte Volksbewaffnung iſt nichts
Im Allge-

nehmen, nur die ſogenannte Bourgediſie, die angefefjenen, wohlhabenden Buirz


ayıne , rechtlofe, unterdrückte Arbeitervolk beſchützen Fönnen, Die Partei, welche
geraͤde den ſchroffen Unterſchied der Stände und die Borrechte Einzelner aufhe-


Freiheit kennt, die den Bürgerkrieg, welchen bisher die Fürſten erzogen. haben,
durch die herrlichen Principien der Gleichheit und Brüderlichkeit zu beenden
ſtrebt, dieſe Partei des Friedens und der Humanität darf man gewiß nicht mit


*

Ebenſo unrechtlich und unvernünftig handelt man, wenn maͤn den Repuͤb⸗
likanern die Sehnſucht nach Schrecensherrſchaft, nach Terrerismns
vorwirft, wie dies dẽr deutſche Michel mit anerkennungswerther Confequenz bis-


ſtern Namen des Terroͤrismus mit Füg und Recht von ſich abkehnen, zn der


Eine SCchrecfensherrz
ſchaft iſt jede,. Die nicht durch Ucherzcugung und freie Anerkennung, fondern
dürch Bajonette und Kanonen herrſcht. Terrorismus iſt ferner jede ©ewalt,
die nach unhekaͤnnten oder aufgedrängten Geſetzen regiert. Unfere Schreibſtüben-


roriſtiſchen Gewalten, unter denen das deutſche Volk bisher fenfzte. Noch In


wandt. In Mainz regiert man nach einem Feſtungsreglement, welches mit
den heſſiſchen Ständen nicht vereinbart worden iſt, welches die Bürger, die ſich
demſelben fügen ſollen, nicht einmal kennen. Kann man ſich eine größere
Schreckenshexrlſchaft, als Diefe, denken?
Das Gefpenſt des Communismus endlich, welches die Fuͤrcht des
deutſchen Michels neben dem Worte Repuͤblik hingemalt hat, iſt uns audy
ſchon eine alte, längſt bekannte Erſcheinung und mir haben uns In unſerer
jaͤhrelangen monarchiſchen Kuechtſchaft genugfant daran gewöhnt! Kann man
fich größere Communiften denken, als unfere Fürſten, die ſich mit jedem Ar-
men , mit jedem Handwerker und Tageloͤhner, Ja mit jedem Bettler in ſein
dürftiges Hab und Gut theilten, die, wenn der Arme nur Brod und Salz
verzehrte, ſich mit ihm zu Tiſche ſetzten, die von dem Ertrage der Steuern,
welche der Arme ihnen hungernd und weinend bezahlte, herrlich in Freu-
den lebten, wie der reiche Nann in der Bibel.! Comniuniſten ſind die Leute,
welche alles theilen. © — Sn —
Kaͤnn man ſich nun, um mich eines Ausdruckes Ludwig v. Mieroslawoͤlſs
zu bedienen, den ich im penſylvaniſchen Gefängniß bei Berlin von ihm gehört
habe, größere Kommuͤniſten?) denken, als die Fuͤrſten, welche eine vierfache wie-
derhoͤlle Theilung Polen's vorgenommen haben? —
Das Geſagie wird genuͤgen, um zu zeigen, daß die Republikaner ihre
Haupteigenſchaflen und Haͤuptſtützpunkte der Monarchie, den Terroryiomus, den
Bürgerfrieg,. die Anarchie und den Communismus nicht herbeifuͤhren oder ver-
theidigen wollen , ſondern zu bekämpfen und unmöglich zu machen fuchen. Deß-
halb Taffe. man ſich durch dieſe kindiſche ©efpenfterfurcht nicht von dem Repu-
blikantsinus, von Dder wahren, entfchiedenen Demokratie abwendig maden,
Entſchiedenheit und Entſchloſfenheit iſt ung in dieſer verhängnißvollen Lage noth-
wendiger, als dies ſelbſt von manchen Republikanern eingeſchen wird. An al-
fen. Grenzen von Deutfchland waͤchſt Krieg über Krieg. AWenn wir nicht bald
alle -unfere Kräfte aufbieten, und einen einigen, ‚freien unDd dadurch ſtarken
Staat begründen , wweın Wwir. nicht bald die Privatspede Und Sonderblindniffe


den Ereigniffen halt- und machtlos gegenüber., Deutfchland wird, wenn e$ fih
nicht vereinigt, wenn e fich Feine allımachtige Diftatorifche Staatsgewalt [Mafft,
das Schlachlfeld werbden, auf dem unfere Nachbarvölfer unfere Kriege führen.
Wenn Dder Skterreichifhe Scepter nicht bald bricht, ſo wird Der Krieg Diefer

) Sier iſt natürlich von Communismus und Communtſten nur in demjenigen Sinn
die Nede, wie die Perfidie der reactionären Organe ſie darſtellt und Unverſtand oder
Unwiffenheit fie auffaßt Unmöglich kann unter dem Obigen der wahr Communismug In
feinem edele Sinne verſtanden feim. ; Anmerk! D, RNed, «

*


 
Annotationen