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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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Sonntag, den

22, Oktober.







Abonnement in Mannheim vierteltährlich 1 fl


24 kr., durch die Poſt bezogen in ganz Baden













S Auf die „Mauuheimer Abendzeituug“ und

ihre Beiblätter kann noch täglich abonnirt wer den





[ Der Wiener Neichstag und das Volll.

Durch die Stellung, welche wir den Reichstag zu Wien in der neueſten Wie-
ner Revolution dem Kaiſer gegenüber haben einnchmen ſehen, iſt die Sache des
Volkes in ein entſchieden vortheilhaftes Verhältniß gefommen. Wird der Reichs-
tag am Ende wieder verderben, was er gut gemacht hat? Man kann dieſe
Frage thun, wenn man die neueſten Berichte über den Stand des Streites
zwiſchen dem Volke und dem Kaiſer ins Auge faßt. Der Reichstag hat eine -
zweite Deputation an den Kaiſer geſchickt und einen völkerrechtlichen Congreß
verlangt. Dieſer Schritt iſt ein unberzeihlicher Fehler, ein Fehler, mit welchem
das VBerhältnif des Reichstags zu dem Volke ſich gewendet hat, Es iſt waͤhr,
der Reichstag konnte nach der ganzen Lage, in waͤcher fich der Kaifer befand,
vorerſt nichts Beſſeres thun, als den gewonneyen Boden feſtzuhalten; er mußte
ſich zum Handeln zwingen laſſen, aber einmal in eine feindliche Bahn bineir ge-
draͤngt durfte er ſich nicht mehr aus der eingenommenen Stellung zurückziehen,
und auf Vermittlungen einlaſſen. Wer muthwillig und eigenſinnig einen Streit \



verloren; der mag ſich unterwerfen, wenn er die Folgen ſeines angetretenen

der Stadt anzuordnen genöthigt war und der Kaiſer die Rückkehr entſchieden
verweigert hatte, da mar der Reichstag jeder ferneren Verbindlichkeit enthoben,
er mußte jetzt eben ſo entſchieden ſich gaͤnz auf die Seite des Volkes ſtellen und
mit voller Entſchleſſenheit auf die weiteren Schkitte des Kaifers gefaßt ſein. Man
hätte nun erwarten ſollen, das Betreten des öſterreichiſchen Bodens durch ein
feindliches Heer, die Bewegungen Jellachich's gegen die Stadt müßten als eine
ſofortige Kriegserklärung angefehen werden und unverzüglich die geeigneten Ge-
ginmaßregeln hervorrufen.

Aber was geſchieht? Während Jellachich ſich ruhie vor die Stadt lagert,
während ganz Wien unter Waffen ſteht und kampfesluͤſtig dem Angriff entge-
gegenſicht, während die Ungarn an der Grenze ſtehen und nur des Minkes ge-
wärtig ſind, um zur Hülfe herbeizueilen, — ba befinnt ſich der Reichstag noch
einmal, ruft plötzlich: Halt! und wendet ſich abermals an den Kaifer. Von
diefem Augenblife an iſt der Reichstag von der Leitung der Zoltsfache zurück-
getreten; das Volk f nun einzig auf ſich ſelbſt hingewleſen, das Volt als fol-
des nitt auf die Bühne. Die natürliche Folge diefer veränderten Stellung
des Neichetages iſt tie Mißſtimmung, das Mißtrauen, das gegen denſelben von
Seite des Voͤlkes ſich bereits kund gegeben hal; der Reichsiag ſelbſt fühlt ſich
unfäbig, ſeine Rolle durchzufuͤhren und ift in der Auflöſung begriffen. Das
Volk muß ſchen, daß es bei einer längeren Verzögerung des Kampfes nur verlie-
ren fann, Es iſt genug, daß man die Vereinigung Auerepergs mit Jellachich
uhig geſchehen ließ, genug, daß man Windiſchgtätz noch unter die Manern ber
Stadt rüden läßt welchen Giund Fenn man haben, noch größere Heercswacht
unthätig und geduldig ſich verfammeln zu loſſen? Wird der Kampf nicht
ſchon blutig genug werden, will man auch noch auf Radetzty warten? Oder
hofft der Reichstag turch längeres Hinhalten die Kampfluſi des Voͤltes zu er-
müden, um bden günfiigen Mement zur tuhigen Auflöſung des ganzen Streites
zu finden? Ao die Heere ſich Fampfgerüftet entgegenſtehen, va hieße ein der
artiger Auggang nichts, alg die Waffen ſtrecken und ſich für befiegt erklären;
die Folgen einer ſolchen Schwäche möchten ſchwer zu tragen ſein. Und was
kann durch weitexe Unterhandlungen mit dem Kaiſer gewonnen ſein? Wer wird
glauben, daß die Kamarilla ihre Pläne aufgegeben hat? Entweder ſucht ſie
den Reichstag hinzuhalten, um Zeit zur Zuſammenziehung maſſenhafter Streit-
kräfte zu gewinnen, oder der Kaiſer lenkt ein für den Augenblıck und fügt ſich,
und dann iſt die Entſcheidung wiederum in die Zukunft hinausgeſchoben.! Aber
das Volt? Wird das Volk jetzt, wo die Ereigniſſe auf die hoͤchfte Spitze ge-
trieben ſind, jetzt wo Alles auf dem Punkte ſtehl, das ganze Schickſal der Ne-
volution durch einen Schlag zu erfüllen, in diefem Schritte des Reichstags nicht
einen Berrath an feiner Sache erkennen und ſich weigern, den Kampfplatz zu
verlaſſen? In dem Mißtrauen, welches bereits das Voͤlk dem Reichstag ge-
genüber gezeigt hat, liegt die Antwort. Dies Volk wird über den Reichstag
hinweg ſeinem Ziele entgegenſchreiten. —

Die Urſachen des Konflikts zwiſchen den Arbeitern und
der Bürgerwehr in Berlin.



Es wurde geſtern plötzlich Allarm geblaſen, die Männer der Bürgerwehr
folgten inſtinktmäßig dem Signal und ſtellten ſich in unruhiger Erwartung, was
da fommen werde, unter's Kömmandoͤ; die Straßen füllten ſich mit Menfchen-
maſſen, Alles war in Aufregung, der Tauſendſte wußte nicht, wie und warum
und wozu Alles in Bewegung geſetzt worden; man fragte unruhig, was los ſei,
und erhielt die Antwort:', ein Arbeiterkrawall, ein Konflikt zwiſchen den Arbei-
fern und der Bürgerwehr“ Bald ſahen wir unzweifelhafte Thatſachen diefes
Konflilts: wir fahen Barrikaden, wir ſahen Leichen. Wir fragten, was
find ' die Urfadjen diefes Konfliftes? Wir erhielten verfhiedene Antworten; der
Eine nahm die Bürgerwehr, der Andere die Arbeiter in Schuß: Alle befhränk
ten ſich in ihren Erhlärungen darauf, wie der Kampf ausgebrochen, wer zuerſt
angegriffen, ob die Arbeiter oder die Bürgerwebhr. Wir übergehen die zum
Theil fabelhaften Nachrichten über die nächften Veranlaſſungen des Konflikts,
indem wir e8 alg gleichgültig betrachten, wer geftern zuerft.die Han zum
Kampfe erhoben. Die wahre Urſache des Konfliktes liegt nicht in den erſten





Ausbrüchen deſſelben, ſie liegt in der Stellung der Bürgerwehr zu den Arbei« {

tern. Der Konflikt hat bewieſen, daß dieſe Stellung nicht die rechte ſei. Ein
Konflift iſt nicht möglich ohne Gegenfatz, ein Kampf nicht/ ohne daß ſich Feinde
gegenüberftchen. Bürgerwehrmänner und Axbeiter bilden an und fuͤr ſich keinen
Segenfaß : erſtere können Arbeiter, letztere können Bürgerwehrmänner ſein. Der
Gegenſatz iſt gebildet durch Beſchränkung des Inſtitutd der Bürgerwehr, durch
Umwandlung deſſelben in ein Inſtitut das die Arbeiter von ſich ausſchließi-


tut. Die Reibungen zwiſchen Beaufſichtigten und Aufſehern, zwiſchen Bevoͤr—
mundeten und Vormündern: ſie ſprechen aus, daß es ein dringendes Bedürf-
niß ſei, das Bevormundungsſyſtem endlich aufzugeben, die Grundfäße der De-
mofratie durch die That anzuerkennem, an die Stelle des proviſoriſchen, dem
Mißbrauch ausgeſetzten Inſtituts der Bürgerwehr zu ſetzen, was die Zeit er-
fordert, was in Folge der Revolution verheißen worden, nämlich die Bolks-
wehr. Denn will man Konfliften vorbeugen, ſo muß man ihre Urſachen gu⸗-
heben. Soll es alſo zwiſchen Arbeitern und Bürgerwehrmännern üicht zu Rei-

bungen kommen, ſollen ſie einig ſein, ſo dürfen ſie ſich nicht alg Parteien ge-

genüberftchen, Nur die Einführung der Volkswehr kann den Reibungen zwie .

/



— Deutfhland.

Mannheim, 21. Ott. Nach dem- neueften großherzoglich Badiſchen
Regierungsblatt iſt endlich das Berbot der Kaͤrtöffelausfuͤhr aufgehoben und
— —, Dr. Alban Stolz zum ordentlichen Profeſſor der Paflokaltheologie
und Pädagogik an der Univerſität Freiburg ernannt. * *

SMannuheim, 21. Ott. Das Keichscentralcomplott zur Verbreitung
von Schmähſchriften gegen die Volkspartei hat ſeine Lakaien abırmals mit
einem ſeiner Produkte in Bewegung geſetzt Das „HZranffurter Journal“ bringt
in beſondern Abdrücken die famöſen Cucubrationen, die der Unterſtaatsſekretaͤr
und mandatbrüchige Abgeordnete Baſſermann für die gerichtliche Verfolgung der
Volks Abgeardneten Schlöffel, Simon von Trier und Zitz losgelaſſen. Man
höre die Neue deutſche Zeitung! hierüber:“ Herr Baſſermann war der Haupt-
tedner ; er drängte ſich auch in der Waffenſtillſtandsfrage hervor, er iſt fötmlich
beſeſſen darauf, bem Volke zu zeigen, wie thöricht es war, daß es ihn je für
jeinen Freund hielt. Herr Baffermann hat ſich in ſeiner ganzen Größe 0lg
Träger der polizeilichen Inquiſitionsſucht des Abſolutismus gezeigt; er hat für
jeden, für den es noch zweifelhaft war, bewieſen, daß dieſe alten ſog. Liberalen
viel fanatiſchere politiſche Inquiſitionsrichter ſind, als es die Abſolutiſten jemals
waren. Neben ſeinemitodesmuthigen Fonatismus hatte er aber doch noch Weltklug-
heit genug, mit Hrn. Plathner zu rauſchen, damit Herr Vogt, deſſen kauſtiſche
Kritik er fürchtete, nicht nach ihm zu Worte käme!! Um bie Linke mit vdem
Morde der beiden Abgeordneten in Zuſammenhang zu bringen, hat er ſich nicht
geſcheut, Unwahres zu bexichten. Er ſagt, die Verſammlung in Köln, welche
die Nachricht vom Tode Lichnowsky's mit Beifallklatſchen aufnahm, habe un-
mittelbar nachher die Linke leben laͤſſen, und mit einer wahren Jammermiene
ſaß er ba, als Schaffrath der Wahrheit gemäß ihm zurief, die Nachricht laute
babin, daß jene Verſammlung auch die Linfe, weil fie nicht auggetreten, für
Verräther erklärt habe. Herrn Baſſermanns fanatiſche Inquiſitionsgelüſte, ſeine
politiſche Verfolgungs wuth iſt um ſo widerwärtiger, als er felbſt fa feinen Haupt-
ſtolz auf ſeine Leidenſchaftsloſigkeit“ ſetzt. Waͤhrlich, das fanatiſche Wüthen
dieſes erblaßten, ausgetrockneten Männchens mit der dünnen Stimme wäre fo-
miſch, wenn es nicht gar ſo widrig wäte. Es beliebt Hru— Baſſermann, eine
Hand, die an ſeine Tbür klopfte, eine „Mörderfauſt“ zu nenneh. Bah! Hr.
Baſſermann überſchätzt ſich; er mag ſich beruhigen. Wer möchte ſich die über- -
flüffige Mübe geben, ihn phyſtſch zu tödten, da er felbft ſo eifrig beſchaͤftigt iſt,
ſich moraniſch umzubringen! Man kann Hrn. Baſfermann kühn feinen eigenen
Händen überlaſſen.“ ;

05 Mannheim, 21. Oct. Die hier liegenden Kön. preußiſchen Trup-
pen werden in die Gegend von Alzei bis Bingen verlegt. Ein Theil derfelben
iſt heute bereits dahin abgegangen, die übrigen follen baldigſt folgen. Damit
aber unſere durch den heilloſen Kriegszuſtand und die neuen Einquartirungen
ſo ſchwer heimgeſuchte Stadt nicht frei von Militärlaſten bleibe, fondern noch
mehr ausgeſogen und mit Kriegsſchulden beladen werde, ſollen alsbald weitere
f. 9. „Reichstruppen“ einrücken man ſpricht von Haͤnnoͤveranern und Frankfur-
ter Linie. März-Errungenſchaften!

LCarlsruhe, 20. Okt. Sitzung der 2. Kammer. Wie ich Ihnen be- '
reits vor mehreren Tagen berichtet, hatte der Abgeordnete v. Itzſtein eine Peti-
tion der Bürger von Ettlingen um Aufhebung des Kriegszuſtandes der Kammer
übergeben und dringend befürwortet, wogegen ſchon daͤmals Bürgermeifter Ul-
rich von Ettlingen, von frühern Landtagen her als der Sancho Paͤnſa des Dr.
Buß bekannt, aͤllerlei verzoͤgerliche Einreden vorzubringen ſuchte! Dieſem from-
men Mann gelang es denn auch, mit Hülfe einiger Ettlinger Einwohner fei-
nes Schlages eine Gegenagitation zu Stande zu bringen, welche die Fortdauer
des Kriegszuftandes bezweckte. Gegen dieſe iſt die Eingabe von mehr als 300
Bürgern Etilingens gerichtet, welche die Befreiung von dem ungeſetzticher Weife
über ſie verhängten Ausnahmezuſtand und den in ſeinem Gefolge hefindlichen
obwohl von dem Miniſterium zum Deftern in Abrede geſtellten Laſten und
widerxechtlichen Beſchränkungen der Eſetzmäßigen Freiheit dringend verlangt und
von Brentano übergeben wird. Derſelbe Abgeordnete reicht eine Petition vie-
ler Bürger Pforzheims ein, des Inhalts, daß die Abgeordneten ihre Nandgte
in die Hände ihrer Wähler zurückgeben und die Regierung zur Auflöſung der
Kammer c. veraylaſſen möchten; ein neuer Beweis, daß allerwärts die Bürger
nichts weniger, als ein Verbrechen darin ſehen, um ſolcherlei mißliebige Dinge zu


 
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