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1848.
Der Abgeordnete Baum und die Glaubensfreiheit.
G, Karlsruhe, im Mai. Die Glaubensfreiheit, wie ſchon längſt an-
erkannt und oft beſprochen, unſtreitig eine der erſten Gewährleiſtungen, welche
die Vernunft vom Staate verlangt, — und obwohl nun bei uns von dex Re-
gierung ſchon zugeſichert ſcheint dennoch bedeutend unter der einſchränkenden
Bevormundung gerade Derjenigen zu leiden, die ſich vorzugsweiſe ihre Ver-
theidiger zu nennen belieben. — Begründet wird dieſe Anſicht durch folgendes-
kürzlich in unferer IL Kammer vorhekommene, aber vom Landtagsboten faſt
gänzlich mit Stillſchweigen übergangene Faktum. —
Bei Gelegenheit der Beeidigungsfrage entſtand eine kurze Diskuſſion da-
rüber: ob man zu der Formel: „ſo wahr mir Gott helfe“ auch noch die weiter-
„und ſein heiliges Woͤrt“ beibehalten ſolle. Es erhoben ſich nun allerdings
einige Stinimen für die Abſchaffung der zweiten Formel, wobei vxxibeg?
auch der Atheiſten, zu deutſch Goitesleugnex erwähnt wurde. Auf —
ſprach nun Herr Baum, der „liberale' Volksabgeordnete der,Bertheidige
der Glaubensfreiheit“ den Grundſatz aus: Einem — er 4
licherweiſe überhaupt gar keine politiſchen Rechte zugeſteben!! 2 Aus-
forudy, Der, beiläuftg gefagt, wirklich verdiente, als Sakfimile un}ay Herrn
Bauıns Portrait zu prangen, fügte derſelbe noch ein desavouirendes, 2
lächter hinzu, deſſen Sinn ſich käum anders deuten läßt, als dahinRit
fann man ums Himmels Willen überhaupt nur CME vernunftherechtigte Exiſtenz
des Atheismus aͤnnehmen!“ Der Verfechter einer ſolchen Anſicht ſcheint mun
freilich fehr in den Feſſeln der Beſchränktheit 3U 3. — denn nur Be-
fſchränktheit kann foͤlche Beſchränkungez veranlaffen; — trotzdem aher,
fogar cben daͤduͤrch, macht ſich derſelbe der Befprechung Wwerth, weil er hier
fü fchön im Sinne ſeiner oben angegehenen offizillen Eigenſchaften auftritt. —
Erſtens alfo iſt Hr. Baum ein „(Hberaler!! Volksvertreter, und zwar einer
der ächten Liberalen von Profeſſion. Berückſichtigt er denn gar nicht, daß er
als ſolchet, ſo dick auch bei ihm der Theismus ſitzen mag, Anderedenkenden.
politiſche Geltung wenigſtens geſtatten muß? und zwar aus doppelter Rück-
ſicht! Da er ſowohl Freiheit für ßich beanſprucht, als auch Andern welche
folcher nicht fede Nichtung, die irgendwie Neligiom zum Gegenſtand ihrer
Denfkthatigleit macht, wenigſtens gegen alle äußere Brſchraͤnkung ſchützen? —
E3 müßte denn Hr. Baum unter Glaubensfreiheit etwas ganz Beſon-
deres verſtehen, nämlich: „Die Freiheit, überhaupt zu glauben, und nament-
lich allermin deſtens doch ſo viel, alg der Herr ſelbſt, — aber um Gottes-
willen nicht die Freiheit: Nichts zu glauben. —
Gerade dieſe letzte, kraß ſelbſtſüchtige Theorie, die ihren Ruin ſchon in
ihrem eigenen Widerſpruche mit ſich führt, bringt uns näher der eigentlichen
Sache und ihren bedeutungsvollen Folgerungen! Es iſt die Glaubens- reſp.
Denk⸗Freiheit eine Sache von ernſteſter, wichligſter, höchſter Bedeutung; und
wahrlich iſt jene liberale Beſchränkungstheorie nicht blos durch eine Verſon
vertreten. Schon die Manier zeigt uns ganz deutlich das Verfahren der offi-
ziellen Liberalen, der Volks-Vertreter! Sie möchten uns gerne ihre ſoge-
nannte Freiheit in abgemeſſenen Portiönchen zutheilen, wie etwa der Fabrik-
beſitzer ſeine Arbeitslöhne; aber ja nicht zu viel, damit der Menſch nicht üppig
werde. Aber Fretheitchen, meine Herren! bringen uns die Freiheit noch
nicht, wohl aber umgekehrt: iſt dieſe da, nämlich eine ächt volksthümliche Ver-
faſſung Alles dürch das Volk und Alles für das Voll — dann kommen
jene von ſelbſt. Mit ſolchen Portiönchen kann der durch lange Jahrhunderte
zurückgehaltene, unabweisbar angewachſene Hunger nach Freiheit nicht hinge-
halten! geſchweige denn befriedigt werden. Wir leben, Heil der Menſchheit,
nicht mehr in der Zeit, wo man kann ſingen und ſagen:
„Ein Rucker an dem Treſſenhut
* „Macht alles Elend wieder gut.“ — ;
Was verlangt Glaubensfteiheit? Abſolute Gewährung jedes freien
Denkens übet Religion, aller darauf bezüglichen freien Aeuſ-
ſerung und ſonſtigen Wirkſamkeit Freies Denken über Religion; wie
bewährt ſich dies? Im Glauben? Nein! Denn jeder religiöſe Glaube
beruht auf Untergrabung der Vernunft, vermittelt entweder durch
Schwäche, oder durch Träßheit des Geiſtes. Im Erſten Falle entſteht
ver ſogenannte innige, offene Glaube, blinder Glaube, Stockglaube, religiöſer
Fanatismus und andere Arten von Wahnſinn. Im Zweiten Falle entſteht
innerlich meiſt nur die Gleichgültigkeit, Indifferentismus. Solche Indiffereti-
ſten behalten eben das Ueberlieferte und Angenommene nur aus Bequemlichkeit
bei, laſſen, wie man ſagt, Gott einen guten Mann ſein, und ſind eben deß-
wegen zu faul, ſcharf darüber nachzudenken, und es demgemäß abzuſchütteln.
heiſcht, ſich ganz entſchieden der erſten Claſſe anſchließen; denn da ſolche Men-
ſchen gewöhnlich ebenſs conſervativ in jeder einmal herrſchenden wenn auch noch
ſo verderbien, politiſchen Richtung ſind, ſo wirken ſie ſchon als ſolche für Ver-
TLonſequenzt Atheiſt. Denn Ratio, zu deutſch ernunft, ſtellt ja welt-
Abrede. —
cherlich aber perfider Weiſe abſichtlich genährt und verbreitet, deßhalb dem
Volksbewußtſein gefährlich iſt, nämlich den: „Die Atheiſten
und für ſich ſchon unmoraliſche, verderbte, charakterloſe, unredliche Men-
M, — Run fragen wir: Ein Menſch, der ſeiner durchdachten, feſt be-
4 innigſten Keberzeugung nach mit allen ſeinen Kräften, Wünſchen und
Anſprüchen, mit ſeinem ganzen Beruf und ſeiner ganzen Beſtimmung eben nur
fchaffen und zu gewähren ®! —. Wie kann dieß nur mit einem Graͤn von
Bernunft und Einficht in die Sache in Abrede geftellt werden? — — —
Die poſitiv-praftiſche Hauptſeitedes Atheismus iſt die Menſch-
ſichklit, der Humanis mus. — Ihr Öottesanbeter liebt @ötter, Engel
und dergl., die freilich nur gexinge, eigentlich gar keine Wirkſamkeit und Auf-
opferung von Euch fordern; Katholizismus oder nicht: jeder Pfafft giebt den
— Wir aber, wir Gottesleugner lieben die Menſchen! Unſer gaͤnzes Deuͤten
und Fühlen, Wollen und Wirken, unſere Genüſſe wie unſere Opfer unfere
Freuden und Schmerzen ſind der Menſchhett zugewendet, ganz ihr und ihr
allein! — Nun entſcheidet, Völker, entſcheide, Menſchheit! Wer von Bet-
den Eures Vertrauens würdiger iſt, — von wem Ihr das Licht und daͤs
Heil, — und von wem daͤs Dunkel und das Elend zu erwarten habt! —
Soviel zur Löſung unſerer hier geſtellten Aufgabe: darzulegen! daß der
Beſtand des Atheismus durch die Glaubensfreiheit äußerlich, und durch die
Vernunft innerlich nicht nur berechtigt, ſondern auch namentlich durch die Ver
nünft nothwendig und mabweisbar erfordert wird; daß alſo der einmal beſte-
hende Atheismus, vermöge ſeiner ebenſo nothwendig in ihm liegenden, unläug-
baren poſitipen menſchlichen Moral, auch nothwendigerweiſe vollkominen poli-
tiſche Berechtigung verlangt und verdient. — Ein vollſtändiges wiſſen-
ſchaftliches Syſtem des Rationalismus und Atheismus zu geben, lag hier
weder in unſrer Aufgabe noch in unſerm Beruf. — , *
Noch einmal müſſen wir auf die beſchränktere Seite unſrer nächſten Auf-
gabe zu ſprechen kommen, nämlich auf den Hrn. Abgeordneten und Freiheits-
Portionen-Vorſchneider Baum. — Es fällt uns va nämlich ein hübſches
Hiſtörchen bei, was zur Charakteriſirung dieſes Herrn noch etwas beitragen
könnte. Nämlich vor etwa 5 Jahren, in einer Sitzung der 2. badiſchen Kaͤm—
mer, ſprach Hr. B., treu ſeiner Rolle, zum Vortheil der geiſtigen Freiheit
(wenn wir nicht irren, bei Gelegenheit des öffentlichen Unterrichts und ſchloß
„Die Sache muß durchgefetzt werden, und wenn
alle Sterne am Himmel er bJaffen!““ Lieber Hr. Baum! Die
damals angeregte Sache iſt bis heute noch nicht durchgeſetzt. Wohl aber iſt
gar Manches Sternlein ſeitdem ſchon erblaßt, nicht blos am Himmel, ſondern
auch hier auf Erden. Und noch manches Lämpchen wird erlöſchen, das den
vertrauensvoller Wahlmänner erborgt hat, —
Mühe und Oel umfonſt verſchwendet haben, —
wenn dieſe einfahen: Daß ſie
Deutſchland.
&8 Mannheim, 29. Mai. In Frankfurter Blättern laſen wir eine
Einladung zur Feier des Jahrestages des Hambacher Feſtes, an Alle gerichtet,
die vor 16 Jahren demſelben beigewohnt hatten. Im Hotel Schröder wurde
dienſten gütlich thaten.
ſchienen an alle Vaterlandsfreunde von nah und fern, und eine Deputation nach
Frankfurt abgeſendet worden, um mehrere Parlaments-Mitglieder und Volks-
männer um ihre Theilnahme anzugehen. Leider waren dieſe durch unverſchieb-
liche Arbeiten abgehalten und konnten nur durch den beim Beginne des Feſtes
von Frankfurt zurückkommenden Dr. Hepp ihre Sympathieen ausſprechen laſſen
Auf Verlangen übernahm dieſer, nachdem der Zug ſich durch die feſtlich ges
ſchmückte Stadt auf die nah gelegene Wolfsburg begeben hatte, die Präſtdent-
und heißem Kampfe endlich ausgeſprochen: daß alle Beſtimmungen einzelner
deutſcher Verfaſſungen, welche mit dem von ihm zu gründenden Verfaſſungs-
werke nicht übereinſtimmen, nur nach Maßgabe des letztern als gültig zu bes
trachten find. Mit Jubel wurde dieſe Nachricht aufgenommen. Auch die Er-
klärung des Bürgers Ph. Abretch von Neuſtadt, er erwarte, daß Jeder der
Anweſenden Sut und Blut daran ſetzen werde, die heute von ihm aufge-
pflanzte ſchwarz roth-goldene Fahne, die nemliche, welche er auch im Jahre 1832
nach Hambach zu tragen die Ehre gehabt, als Sympol der deutſchen Freiheit
und Einheit zu vertheidigen erntete verdienten Beifall. 4
&$ iraten nun mehrere Redner auf, von Denen beſondere Auerkennung fanden
fender Weiſe den traurigen Zuftiand von Mannheim und Mainz unter der
Soldatenherrſchaft ſchilderte; daun Faß von Saarbrücen und Weher von Neuz
Auf den Antrag voͤn Moerdes wurde eine Petition an die Nattonal-
„nur der gus m | 8
ſchen Volkes hervorgegangene Reichstag iſt befugt die deutſchen Angele-
genheiten bis zur Cinführung der künftigen Verfeſſung zu leiten und
dieſe Verfaffung ſelbſt feftzufegen. Der deutſche Bund iſt aufgelöſt! Der
Reichstag ernennt aus feiner Mitte einen Ausſchuß, welcher ‚ mif _ dem
„Bollzuge feiner Beſchlüſſe beauftragt und zmtpergefa mmten Vollziehungs
Gewalt, namentlich der deutſchen Militit Gewalt betraut wird.
Wegen alsbaldiger Einführung eines Gefchwornen - Gerichtes für politiſche
Vergehen 26 und Exlaſſung eines auf dex freieſten Srundlage bemü)eubcnl Preß
geſeßes, dann Schöpfung einer wahrhaft, deutſchen Militärmacht Schritte bei
dein Paͤrlamente zu thun, wurde noch weiteres befchloffen. — *
Trotzdem daß ſämmtliche Redner ım republikaniſchen Sinne ſprachen/ ließ
ſich nicht verkennen, daß dit Mehrzahl der Verſanunlung größere Entſchieden-
yeit gewünſcht hätte und daß es der herrſchenden Stimmung an tüchtigen Or-