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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 91 - No. 118 (1. April - 29. April)
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2












— Weitere Beſtelluugen für










24 fr., durch die Poſt bezogen in ganz Baden
das Abonnement um den Poſtauf Ola u }
der: frei einzuſenden.







Deutſchland.

Konſtanz, Samſtag, 15. April. Schon Morgeus früh waren die Straſ-

ſen von bunten Menſchenhaufen durchzogen, Männer, Frauen und Kinder un-

ter einander gemiſcht; da und dort bildeten ſich um einzelne Männer oder

Frauen, die irgend eine Neuigkeit mitzutheilen oder ein Wort der Ermunterung

des Muthes und dergl. zu ſprechen hatten, lebhafte, bewegliche Gruppen und
Klumpen, die in einer ewigen Auflöfung und Wiederzuſammenſetzung begriffen,
die große Unruhe verriethen, wovon ihr Inneres in Bewegung gefeßt war.
Es war keine Unruhe oder Angſt, ſondern vielmehr eine ſtürmiſche Aufregung
der Kampfluſt, in Erwartung der Dinge, die da kommen ſollten. Die gefirige
Wordnung nach Stockach zu Herrn Hecker wurde ſtündlich zuruͤckrrwartet; ihr
Bericht ſollte entſcheiden, ob noch weitere Auszüge der Konſtanzer Wehrmann-
ſchaft und dex umliegenden Gem inden den vokausgegaͤngenen folgen ſollien
oder nicht. Mitten auf den Straßen, an den Ecken der Häuſer wurden Stand-
rcden geholten, für und wider geſprochen, Briefe und Flugſchriften vorgeleſen

und kecke Frauen waren unerſchöpflich an Witz und Spoͤtt über die Schläfrig-

keit und den Hoſenſchlotter gewiffer Männer. Die fürſtendientriſche Gegen-
partei hatte ſich meiſtens in ihre Winkel verkrochen und zeigte ſich blos in ih-
ren finſtern Produſten auf ter Straße, d. h. in den uͤber Nacht fabrizirten
Flugſchriften, die ſie in Tauſenden von Exemplaren zu Stadt und Land an
die Menge vertheilen, auf die Straßen verſtreuen, in die Häuſer werfen und
an Ecken und Mauern kleben ließ. Es waren lauter Ang ſi⸗ und Lugſch rif-
ten, um die Begeiſterung des Volkes entweder niederzuſchlagen mit Furdht,
oder den Kampfzoͤrn des Michels wieder in den alten Schlaf zu ſingen mit
den alten Lügen, die er feit mebr als 30 Jahren zu Schmach und Ver-
derben kennen Felernt hat auͤs ihren Früchten. Aber der Michel war dies-
mal Michel nichtz er war auch gar nimmer, zum grauſenhaften Schreck ſei-
ner bisherigen Vormünder und Zuchtmeiſter, alg der alte lammfromme und
eſelsdumme Tölpel zu erkennen! Kaum waͤren einige Zeilen der Augſt- uud
Luͤsenzettel geleſen, ſo war auch die Maskerade vom Fuchsſchwanz und
Wolfs zahn ſogleich entdekt; die Zettel wurden vom Voͤlke unter Spolt und
Fluch in tauſend Fetzen geriſſen, in die Lüfte geſtreut, in den Koth getreten
und auf dem Lande ganze Päke davon in den Straßen verbrannt. Und das
geſchah den Gensdarmen, den Polizeidienern, traurigen Anblicks, faſt buchſtäb-
3ig unter der Naſe, und der amtsknechtiſche Austheiler dieſer Wiſche wurde
wahrendD. dem Äustheiien derfelben von den rechts und links, um und an zer-


reuen Gegenpartei trat auch hierin völlig an Tag, daß ſie ihre Lug und
Trugfabrikate, ihre mitternächtlichen Sudeleien, durch den uniforinirten Amits-
diener unter das Volk veriheilen ließ, damit es ja nicht lang im Irrthum dare
über bleibe, aus welcher Zigeunerhecke dieſe lieb- und ſüßſchwätzigen Lockvögel
ausgeflogen ſeien. — Erſt gegen V, 11 Uhr kamen die ſo ſehnlich erwartelen
Abgeorducten von Stockach zurück, und um 11 Uhr ſollte dem Volk im neuen
Stadthauſe offene Kunde davon gegeben werden, was ſie mit Hrn. Hecker
näher beſprochen Unzeh.ige Voltsmaſſen verſammelten ſich nun im Freien vor
dein neuen Stadthaus, in der Vorausſetzung, es werde vom Balkon herab
zum Volke geſprochen werden. \ ; (Seeblätter.)

— Maftatt, 16, April. Die ganze veafloſſene Nacht mußie ſich ſämnuliches
ſieſiges Militär aller Waffengatiungen marſchfertig halten. Warum, iſt nicht
zuvertaſſig befannt, doch fagt man, daß dei Lauterburg ein nächtlicher Uebsvws
gang bewaffneter deutſcher Arbeiter befürchtet worden war. Diefer Grund hat
daium. eine Wahrſchemlechkeit, weil Bekannte vem jenſeitigen Rheinufer uns
verſichern, daß in Bergzabern wirklich ein großer Theil des Parifer Abganges
ſich hefammeli hele! Indere glauben, die waͤrtiale Maßregel ſei wegen eincs
verkündeten Ueberſalls aus dem Oberlande, durch welchen die Feſtung Raſtatt
als Anhaſtepunkt für die republicaniſchen Operationen hätte weggenommen
werden ſollen, getroffen worden. Dritte, freilich die wenigſten und wentgß


Ruſtungen gegolten. Letzteres iſt ſchon batlım unrichtig, weil Ficklers Kerker


$ m auch ſollie Ficklet hieher in Haft gr Werden? Die hieſigen, fehr
halten, wenn die öf-

Loerte.
* Algemein begehrt mor — daß über Ficklers Vergehen und Prozeß
2— Selanntmachuſt erfolgen werde, wenn man nicht in ſeiner Ver-
einen tielen Eingriff in die — — der Staatsbürger er-
— gleich ſeine republikaniſchen Beſteebungen bier wentg, mo
„ gur keinen Anklang finden. Wie väterlich die abgegangene Militarver-


gar an den nöthigen Kochgeräthen, Betten und ſonſtigen Reqniſiten fehlt, ob-
ſchon die Regimenter nicht einmal vollzählig ſind. Mangelhafte Koſt und fon-
ſtige Unbequemlichkeiten für den Soldalen ſind davon die naͤchſten Folgen, und
auch bierin ein Theil der Unzufriedenheit zu ſuchen. Vohin, fragt auher-
den Jeder, fleſſen denn die enormen Sumnien, welche jährlich der Militaͤre-
kat verſchlang? — Der Weisheit der Verordnungen in Betreff der hieſigen
deſtungsbauten haben wir zu dauken, daß wir hier fortwährend mit Einquars
tirung ſchwer gedruckt ſind, weil für Menſchen und Thiere, welche alg DBifas
tung der halben Mauern hierher beordert find, nur in den Häuſern der Dür= -
Die paar Kanonen welche die Fe-
ſtungsausrüſtungscommiſſion nach mehrjähriger theuerer Thätigkeit in die
Werke ſchleppen laͤßt, nehmen ſich für eine Buͤndesfeſte wirklich ſehr ehrfurcht-
gebietend aus —** (Oberrh. 35
Maiuz, 16. April. Geſtern iſt Herr Zitz von Darmfadt zurückgekehrt
und hat erklärt, daß er, nachdem die Kammer für indirekte Wahlen geſtimmt
hätte, nichts mehr darin zu un habe und nicht dahin zurückehren werde, Er
ſſt darauf geſtern Abend mit einer an Einftimmigkeir gränzenden Majorität







zum oberften Befehloͤhaher der Nationalgarde gewaͤhlt worden. Heute wird ihn
eine Huldigung ſeitens der Buͤrgerſchaft dargebracht und eine Danladreſſe uͤber-
reicht. (Mainz. Z
E: Stuttgart, 14. April. Welch wunderliche Sprünge macht das gol-
dene Kalb der Freiheit in Wü:temberg, dem geprieſ nen Lande der Wunder.
Wie rächt fih hier die vernachläßigte Bildung des Bolfs. Die unklaren Bea
griffe von Rechten und Pflichten erzeugen hier die toͤltuͤe Analchie dort Schera
gen⸗Dienſt und blinde Ergebenheit an daͤs Schickſal. Die Reaktion vrſteht
es, {n das Dunkel dieſer Verwirrung ſeine Nehe augzubreitrn, und ſie wird
das pol tiſche Leben, gefättigt durch einige Coneeſſionen, jaͤmmerlich erwürgen,
wenn nicht ‚in äußerer Anſtoß den erſtarrenden Strom der Zeit wieder {n Be-
wegung bringt. 7 8 2
&s hat ſich hier ein demokratiſcher Klubb gebildet. Er pflegt in ſeinem
Schooß die magere, gehaßte Pflarze der Repuhlik! Aber er darf ihren wahreu
Namen nicht nennen, Es iſt da Lin Häuflein teſinnuͤngoͤvoller jun er Maͤu⸗
ner, die den Muth haben, dex öffentlichen Phuiſtermeinung gegenüber zu tre-
ten. Wer das Philiſtertaum Stultgarts kennt, we.ß, daß dazu Muth gehört.
Einige junge Litexaten, Scherr, Waßer 2e. ſteb u an der Syp tz Deffelben und
andere theils politiſche thetls literariſche Notabilitaͤten ſind Mitglieder, Tafel,
Zimimermann, Fetzer, Herrmann Kurz, Simon, Heinrich Müller, Buhlmaun.
Er ſucht dem Geiſt der Freiheit eine Geſſe zu babuen. Aber diefer Geift
äußert ſich erſt in ſeinen aller rohſten Formen: in Haß/ Berleumdung und Bero
rath; er iſt noch der Geiſt der Verueinung. 24
Die verſuchten Volks verſammlungen ſind Tummelplaͤge. Die Reden ſind
markloſes Gepraͤnge. Es iſt Unfriede und Zerriffenheit überall. Die erſten Le-
benswehen der Freiheit ſiad Schmerzen, Krämpfe, Zuckungen, gleich den To-
deswehen der dem Untergang unerbilterlich geweihten Partei der Luge, die bier
thätiger iſt alg je. Der ſchaͤndliche Verrath Maͤthys hat hier Indignation
Wer auch Furcht erweckt. Man glaubte uicht an die Moͤglichteit einer ſolcheu
That, und ficht in ibr der Wiedergeburt des Schreckenſyſtems, das uni ſo
uechtbarer ift alg die Männer des Voͤlks die Schergen der Tyrannei; der
Tyrannei des Liberalismus geworden ſind. — RE
‘ Wir erleben bier dhnkche Dinge. Maͤnner, die einſt Haß predigten dem


mar ſind pögich zahme Diener der Monarchie geworden und ihre eifrigfem
Bertheidiger. Der tinzige radikale Volkemann Nur chet trägt eine Adreffe an
die konſtituirende Verſammlung zu Frankfurt un der, worin derſelben die kon-
ſtitutionelle Monarchie als einziges Mittel. die Wünfde des Poletariais
zu erfüllen, emgfoblen wird. Er vrediat Koni ibum und Ordnung! und pre-
digt Haß den Nännern des Fortſchritts. Und keider erreicht er feinen Zioeck
nur zu gut. Die Seenen der Vıntolirät der Bourgeofie, an deren Spitze
der Abtrünnige fteht, mehren ſich ven Dag zu Taz. Eine Demouſtration gegen
den Deputirten Magling, der in Fraukfuͤrt auf der aͤußerſten Linkeu der Re.
publikaner ſaß, warde nur mit Muͤhe unterdrüct, Rau von Gaildorf,/ ein
Mann von entſchiedenex Rehnergade, Freund der Arbeiter, Feind der adligen
Privilezien, ward in einer Verfammiunig auf dem Bürgermuſeum, wo Mure
ſchel feine Ergebenheitsadreſſe vorttug, {n der ſchaͤndlichſten Art mißhandelt.
Der Republikaner Alexander Simon, der vor einigen Tagen aus feinem Eril


19 befhimpft, daß er ihn in der ſchenſten Form auf Piflolen forderte. Als
Berfefde Simon den andern Zeg auf dem Wilbelmepag Frfien, wo in einer
Leltaverſammlung über Wündkihfeit und Berifkugfeit aBgeflimmt werden

e wurbe er von den Dürgerk gewWaltpahtg aug der Q érfämmmüé en







Bandiungem Mehnlichen Vefelgungen And faſt atle Nepablikaner erı
!ıcder des demokrattſchtn Bereing ausgefegt, Und alle dieſe Sandlumng
Onftrafionen der wieder erwaten Neaktion. Man Begnügt A n GE
An nbefte Definitionen vom Wefen der Republit, durdy Schredgeflalteit M
Kommunidmug die beſizenden Alaffen des Volko zu erbittern, man ſuch dür





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aufzuhetzen. Da man dem Geiſt des Militaͤrs, der bereits Zeichen der Widera


traut, ſo hatte man geſtern Abend, wo man Untuhen befuͤrchtete eine Anzabl Weinz
gärtner befoffen gemacht, und ſchiche ſie mit langen Spießen bewaffaet, die
Straßen dex Stadt zu ſaͤuhern. Sie turkelten mit bfanfen Säbeln und vor-
gehaltenen Lanzen wie ſpaniſche Bluthunde durch die Stadt und ſchlugen und
ſtießen auch alle ruhig Wandelnden, die das Unylück hatten, ihnen zu be-
egnen. - C .
* Zu der Abſtimmverſammlung auf dim Wilhelmoplatz! wo um die Mund-
Ibkeit zu vernichten, die fhändiichfien Beträgereien vortamen, ſoll fogar der
Kronvrinz 300 Bauern vom Lande und alle feine Arbeiter, alle Hofbediente
in Civil gefendet haben ! * * 2
So ſtehen die Angelegelegenheiten der Hauptſtadt; unter dem Miniferiung
des Volksvertrauen! Ein Obermann, der mit 500 Soldaten petitionirte um
Avancement der Unterofficite zu Lieumantſtellen, ſist auf dem Asberg nebew
Adolpb Mayer, der den Bauern die Fteiheit predigte. Das nennt man bet
uns Rede⸗ und Denkfreiheit. E . . e
Indeß ſieht es am Bodenfee und im Unterlande beffer aus. Dort regt
es ſich energiſcher und klarer und vur die Stuttgarter Bourgeoiſie iſt der gün-
ſtige Ankergrund für die finſtere Pläne des geſtürzten aber keineswege vernich-
teten Syſteins der Luge Bernichtet? O nein. Ie ſchweigender, defto furcht
barer wirkt es. Es ſchweigt aber ſhon nicht mehr, es tritt an den bellen Tag,
geharniſcht bis an die Zaͤhne. Es fender ſeine Söldner. Gegen dußere
Feinde? — Es ſind keine da. Es fendet ſie gegen f ein eig c«n__'ß oiti —
Es wappaet das Bolt. Cehen Frankreich? gegen Rußland? — Nein! gegen
das Boif! Und das Bolf ift blind. Es ſieht nicht, daß es ſich ſſeſbet
mordet! — 4


 
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