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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0659

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A







Der Bundestag.
(Aus der „neuen deutſchen Zeitung,“)

Eine auffallendere und, unpaſſendere Stellung, 2*4 Erey5. Bun-
destag ſeit DEr Revolution einnimmt, hat wohl noch nie irgend ein Regierungs-
—— ⏑4 — (om, dem Bertreter der Legieimität, Die ve-

der Revolution, als ſich neben ihm, dem Vertreter der Legitimität, die xe-

7 ſoͤnäre Gewalt des Vorparlamentes organiſirte, vergaß er aller ſeiner Au-
—444 — Der Bundestag war diesmal klüger, als die Hofräthe, was frei-


* {utionäre Maͤcht ſei, obgleich Herr Hofrath, Welcker jetzt dem Volke
44 möchte, das Vorparlament ſei nur die legitime Frucht der le-
8* RBerfammlung deutſcher Abgeordnetex in Heidelberg, dem Sis des Orn,


willi Uen Auͤforderungen des Vorparlaments oder rief ihnen „gehorſamer
44 * 5 ſich 4 Hamburger Repuhlikaner Herr Heckſcher in ſei-
ner trivial komiſchen Weiſe ausdrücktz derſelbe machte übrigens in ſeiner berühm-
ſen Rede über die ſchleswig-holſteiniſche Frage dem Bundestag zärtliche Lor-
wuͤrfe über dieſe plötzliche kopfloſe Nachgiebigkeit oder nachgiebige Kopfloſigkeit.
Dieſe Fügſamkeit half dem Bundestage aber Nichts; zu lange hatte er das


waͤr darüber einig: der Bundestag muß fort; e& wäre eine offenhare Verhöh-
nung, wenn er fürderhin als Vertretung Deutſchlands daſtehen ſollte.

Herr v. Gagern, den man den legitimen Vertreter der Revolution nennen
Die Regierungen ſchauten ſehnſüchtig
nach allen Ecken hin aus, ob fih nicht irgendwo ein Mittelchen darböte, den

tage abzuwenden, und ihm ein Fünkchen von der früher ſo hochmütbig verach-
lelen Pöpularität zu verſchaffen. Endlich glaubten ſie das Mittel gefunden zu
haben. Sie beſchloſſen, den Bundestag zu reorganiſiren, nicht, wie Polen, mit
fondern mit Hofräthen, Geheimen Legationsräthen und Ver-

zrauengmännern. Die „gefeierten deutſchen Männers Weldker, Jordan, Dahl-


estaqg berufen,, und kaum glaubte er durch dieſe Maßregel wieder
24 ſzſee * in der öffentlichen Meinung gefaßt zu haben, als er
auch ſchon, wie die in der Sonne erwarmende Schlange⸗ wieder anfins Lebenszeichen
von ſich zu geben?). Es erſchien das berüchtigte Lepel'ſche Promemoria.
MRundestaa derläugnete ſeine ganze Natur und wurde thätig 5
wighoͤlſtetnifchẽ Angeregenheit gur Sprade fam, melbete der Bundestagepraͤſt-
dent, Herr v. Schmerling, mit vieler Selbſtgefälligkeit, die Nationalxerſamm-
lung möge ſich nur nicht weiter bemühen, der Bundestag habe ſchon Alles ge-
than, waͤs in der Sache zu thun ſei. So lange war nämlich der Bericht des
Ausſchuſſes hinausgeſchoben worden und wenn wir das nicht gexade für Abſicht
halten wollen, ſo muß man doch geſtehen, daß der Bundestag Glück hatte. In
zerſelben Sitzung hatte Herr v. Schmerling noch weiter die Satisfaction, ſich
mit vielem Eclat feiexlichſt von der früheren Politik des Bundestages losſagen
zu koͤnnen, als nämlich Herr Dahlmann, die „berühmte Feder“, berichtete, daß
der frühere Bundestag ſeine frühere Denkſchrift über Schleswig-Holſtein nicht
nur nicht vertheilt, ſondern ſogar ungeleſen zurückgeſchickt habe, Der Bundes-
tag hat übrigens gröbere Miſſethaten begaygen als die, daß er eine Denk-
ſchrift der „berühmten Feder“ nicht leſen wollte; hätte er eine Rede des weiſen
Hofrathes zu hoͤren ſich geweigert, ſo würden ihn alle Vereine gegen Thier-
quäleret unbedingt in Schuß nehmen. Es, half aber Alles Nichts; die Ent-
ſcheidung in der Majnzer Angelegenheit, das Lexelſche Promemoria wurde durch
den glücklichen Zufall bei der Discuſſion über Schleswig-Holſtein nicht aus dem
Gedaͤchtniß des Volkes erwiſcht. Der- Hofrath Welcker nahm in Folge ſeiner
Ernennung zum Bundestagsgeſandten zwar keinen Anſtand, ſich mehrmals in
öffentlicher Sitzung der Nationalverſammlung zu Gunſten des Bundestages
fehr zu echauffiren und zu blamiren. Er erklärte offen, er achte die Wirkſaͤm—
feit des Bundestages, ſeit er ſie kennen gelernt habe.
Das mag ſein; Herr Welcker, der weiland gefeierte deutſche Mann, hat


genwärtige Achtung nur, daß er entweder früher gegen den Bundestag getobt
ind gewüthet hat, ohne ihn zu fennen, oder, daß er jetzt mit einem Perſonen-
wechfet die Sache für abgethan hält; denn von einem Wechſel in den Hand-
Yungen iſt eben Nichts zu bemerken,

Das Volk theilte nun hier, wie in vielen anderen Dingen cz. B. in ſei-
nem gemeinſchaftlich mit Viycke und Arnim vollfübrten voltern gegen die Volks-
fouveränttät) den Geſchmack des Hrx Hofrath Welcker nicht. *
Dder Buͤndestag, die Vertretung der Fürſten, iſt jeßt eine ſinnloſe Abnormität;


gleich , welche unerſchütterlich ihre Waaren auskramen und ihre, fteveotypen An-
Freiſungen abſchnarren, wenn ihr auch zehnmal aufſteht und ſinabildlich nach
der Thüre ſchaut, ging nicht; er ſchien entſchloſſen, es auf handgreifliche Mei-
nungsaͤußerungen ankommen zu laſſen. Die Natignalverſammlung oder wenig-
ſtens ihr Privritätsausfhng wußte dieſe zähe Beharrlichteit zu fchäben; die
on Voͤgt u. a. geſtellten, Anträge auf augenblickliche Auflöſung des Buͤndes-
tages wuͤrden nicht für ſehr Dringlich erachtet und ſind bis auf den heutigen
Taͤg nicht zur Verhandlung gekoſrmen. Aber auch dieſe zarte Rückſicht konnte
den Bundestag nur kurze Zeit noch ſchützenz fort mußte er, feine Uhr war ab-





*) Auf den einſeitigen Bericht Des Feſtungseommandanten von Mainz billigte er die
emyörenden Kohheiten/ und Nekergriffe Der preußilchen Soldatesta vollkonimen und lobte
den General Huüfer db ſeiner Feſtigkeit und Mäsigung (die Androhung des Bombarde-
ments)!!









gelaufen; ſeinem Schickſal kann Nicmand entgehen, ſelbſt nicht der deutſche

Bundestag. Die Nationalverſammlung entſchied über die proviſoriſche Central-
gewalt, proclamirte den Erzherzog Johann zum Reichsverweſer und decretirte,

daß der Bundestag jetzt nach der Einfetzung der Centralgewalt ſofort aufzuld..
ſen ſei.

Dieſer Beſchluß der von den Regierungen alg die geſetzmäßige, conſtitui-
rende Behörde anerkannten Verſammlung war doch deutlich genug. Wenn der
Bundestag nur noch einen Funken von Anſtandsgefühl befeſfen Hülte, f mußte,
er jetzt mit möglichſtem Anſtaͤnde ſeinen Verdruß verbeißen und würdevolt reſig“
niren; man hätte ihm allenfalls das Vergnügen vergönnt, ſich mit einigem thea-
traliſchen Pathos zurückziehen; die polternden Donnerworte des „herühmten
Redners“ Welcker und das ſäuerliche miſanthropiſche Antlitz dex „berühmten.
Feder“ Dahlmann würden die Seene ſehr effeltreich gemacht haben! Der Bun!
destag daͤchte aber anders. Tags darauf, nachdem er für aufgelöſt erklärt war,
hüpft er wieder mit einem Dokument auf die Bühne, rießmal der beſonderen
Feierlichkeit wegen mit Ritter von Schmerling unterzeichnet. Dieſes Document
iſt ein Glückwuͤnſchſchreiben an Erzherzog Johann, worin er demſelben meldet,
er ſei ſchon vor der Wahl von denRegierungenermächtigtegewe-
fen, fich für ihn zu erklären. — *

Man ſieht, daß jetzt Hofräthe und Profeſſoren im Bundestage ſitzen; die
alten Diplomaten hätten ſich einẽ ſolche taktlofe Unſchicklichkeit nicht zu Schul-
den kommen laſſen! Was! die Nationalverſammlung beſchließt, daß der Reichs
verweſer aus ihrer freien Wahl hervorgehen foll, und daß die Regierungen
Nichts dabei zu ſagen haben. ;

Und der von derſelben Nationalverſammlung aufgelöste Bundestag genirt
ſich nicht, pomphaft zu erklären, die Regierungen hätten ſchon zum yoraus die
freie Wahl der Verſammlung zu genehmigen geruht, falls ſie auf den
Erzherzog Johann fiele. Die Regierungen ufurpiren alſo die Genehmigung
der Wahl, welche die Nationalverſammlung ihnen abgeſprochen hatte! Und
wenn ſie ſich im Voraus für den Erzherzog Johann erklären, ſo geht daraus
hervor, daß ſie bei einem andern Reſultate die Freiheit der Wahl nicht an-
zuerkennen geſonnen waren. Denn das iſt der Sinn jener Phraſe, wenn man
ſie aus der diplomatiſchen Sprache in ehrliches Deutſch überſetzt. 4

Wir hoffen, daß ſich in der Nationalverſammlung noch Männer finden
werden, welche die Regierungen und den Bundestag wegen dieſes ungebührli-
chen Aktenſtückes in ihre Schranken zurückweiſen. Der Bundestag war ſſch
laͤnge durch und durch faul und zeigte alle die Spuren von Berwefung, welche
das alte Deutſchland zeigte. Jetzt iſt er nach dem Dekrete der Nattonalver-
ſammlung ſogar „gefeßlich“ eine Leiche; man eile ihn zu begraben und die Le-
Endigen von einem widerlichen Anblicke zu befreien.

Deutt ſch lan d — ⏑ —




56 Achern, den 3. Juli. Von einer heute verſammelt geweſenen gro
ßen Zahl hieſiger Bürger iſt eine an das deutſche Parlament gerichtete Pıtls_
tion, worin die Amneſtie für die politiſchen Gefangenen und Flüchtlinge ver-
langt wird, unterzeichnet worden. —— —

Zugleich haben die Bürger folgenden Beſchluß gefaßt: . E

Da die 1, Ständekammer aufgehört hat, in dem Geiſt und nach dem
Willen des Volkes zu handeln, folglich deſſen Vertrauen nicht mehr beſttzt, ſo
wünſchen wir die baldige Auflöſung derſelben und ſoll dieſer unſer Wunfch Cf-
fentlich ausgeſprochen werden,

Ex Berlin, 26. Juni. Nach der Abdankung des Miniſteriums Camp-

hauſen und nach dem darauf folgenden ſechstägigen miniſteriellen Interregnum
fand geſtern wieder die erſte Sitzung unſerer Koͤnſtituirenden ſtatt. Auf der
Bank der Miniſter ſaßen die neuen Geſtirne des konſtitutionellen Himmels? Hr..
v. Auerswald (bisher Oberpräſident der Provinz Preußen) als Miniſterpra-
ſident, Hr. Hanfemann als Finanzminiſter, der General v. Schreckenſtein
alg Kriegsminiſter, Hr. Milde für den Handel, Rodbertus für den Kul- -
tus, Märker als Juſtizminiſter, Kühlwetter als interimiſt. Miniſter des
Innern, und endlich Herr Gierke, weilaud Stadt-Syndikus zu Stettin, als
Miniſter des Ackerbaus. Ich behalte mir eine Karakteriſtik dieſer neuen Mini-'
ſter vor, und folge jetzt dem Verlauf dieſer Sitzung. Nachdem Hr. Milde feine
Stelle als Präſident aufgekündigt, erhält Hr. Camphauſen, der Abgeorduete
von Köln, das Wort, um ſich über ſeinen Austritt aus dem Miniſterium zu
erklären. Wix erhalten darüber von ihm folgende Auseinanderſetzung! Vier
Männer des Verein. Landtags ſeien „zur Zeit der großen Kataftrophe“ in das
Miniſterium getreten, „weniger als Träger eines Gedankens?, da fie verfchie?
dener poͤlitiſcher Anſicht waren, ſondern damit möglichſt jede Provinz für ihre
Verwaltung im Miniſterium vertreten geweſen, und Vertrauen der Provinzen
entſtanden ſei. Dieß Miniſterium hätte ſich zum Ziel geſetzt, den Staat „ohne
gefährliche Zuckungen“ aus dem alten Regierungsſyſteme zu dem neuen hinzu?
führen. Wolle man das abgetretene Miniſterium benennen, ſo möge man e8
das Miniſterium der „Vermittlung und des Uebergangs“ heißen. Nach dieſer
Tendenz und Zuſammenſetzung deſſelben hätten die Mitgliever nicht länger den
Beſtand annehmen können. Die Veranlaſſung des Rucktritts ſei aber die Ab-
ſtimmung über den Antrag zur Bildung „einsr- Verfaſſungoͤkonimiſſion gewefen,
bei welcher das Miniſterium nicht “Bie Rajorität der Kammer gehabt habe,
und zum anderen, daß die Maärzereigniffe die verſchiedenartigſte Auffaffung ev-
fahren hätten. Man habe einen verſchiebenen Stun in das Wort „ NRrevolution“ '
gelegt; der Sinn und die Konſequenzen deſſellen Dätten zu der größten Meh
nungsverſchiedenheit Veranlaſſung gegeben. Dieſe Meinungsverfchiedenheit habe
ihn beftimmt zu verſuchen, das Miniftertum aus der Verſammlung neu zu bil-
den und zu ergänzen Es ſei ihm nicht gelungen, weil man an der Dauer










Minifterium der Vermitilung umzuwandeln geweſen in das der Ausführung,
der That. Das ſei der weſentlichſte Grund ſeines Rücktritts geweſen. d


 
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