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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1063

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No. 250.







Deutſchland.,

Mannheim, 18. Okt. Die Einquartierungslaſt wird in der That
für den Bürger immer drückender und es ſcheint im Raͤthe der großh. bad.
Vorſehung noch keine Aufhebung oder mindeſtens Erleichterung derſelben beſchloſ-
ſen zu ſein, da Herr Miniſter Bekk alle deßfallſigen Interpellationen mit Auf-
führung ſeiner ſtereotyp gewordenen „militäriſchen Rückſichten“ abzuſpeiſen ge-
rubt. Nach Allem zu urtheilen, werden wir den ganzen Winter über den
„Schutz“ unſerer Gäſte zu genießen haben und lange Zenug ſind ſie auch ſchon
neben den heeren Kaſernen einquaxtirt, ſo daß es wohl andere als „militä-
riſche“ Rückſichten, reſp. Abſichten ſind, die wir in dieſer Maßregel zu ſuchen
haben. — Eine Garniſon iſt uns ſchon recht — aber in den Kaͤſernen! Iſt
aber die Einquartierung, beſondexrs im Winter und bei den diesjährigen
ſchlechten Geſchäften, an und für ſich ſchon eine empfindliche Laſt, ſo wird'ſie
dies noch mehr durch die ungleiche Vertheilung, die auf Grund des in
der Steuer liegenden Häuſer-Kapitals vorgenommen wird.

Die meiſten Häuſer ſind bekanntlich mit Hypotheken bald mehr bald we-
niger behaftet, ſoweit alſo dieſe reichen, kein eigentliches Eigenthum des „Haus-
beſitzers? der jedoch außer ſeinen Hypothekzinſen, Staats- und Gemeindeſteuern
ehen nach Maßgabe viefes ſchon ſo verſchiedentlich ausgequetſchten relativen Be-
fiethums eine neue Steuer durch die Einquartirung zu ieiden hat, während fein
Hypothekar - Släubiger, der Kapitatiſt, bedeutend gnädiger wegkommt. Zu-
dem {tebeit eine Menge Wohnungen leer! —

Nach Recht und Billigkeit ſollte aber die Einquaxtirung dem Ein kommmen
gemäß vertheilt werden, und wir glauben, daß es ſehr an der Zeit wäre, wenn
unfer IöbI.@ememberatb ſeine fernere Eintheilung danad treffen würde. Von
einigen Seiten mußten wir auch ſchon hören, daͤß gewiſſt reiche Leute unver-
hältnißmäßig wenig Einguartierung zugetheilt erhielten, wollen dies indeſſen
noch dahingeſtellt ſein laſſen; bis uns eiwa Gewißheit über foͤlche kaum glaub-
licht Ungerechtigkeit werden ſollte.

8+ Mannheim, 8 Okt. Einem unbefangenen Beobachter kann es
vicht entgehen, wie die Löſung dex wichtigſten Lebeuͤsfragen der gegenwärtigen
Gefellſchaft nur durch ein engeres Aneinanderſchließen der verſchiedenen Klaſſen
der ſocialen Stände allmählig erreicht werden kann. Wir beklagen es daher,


einige Theile des Arbeiterſtandes ſo ſchwach vertreten ſind und halten es fur
ebeuſo wünſchenswerth, daß diejenigen Maͤnner, welche ſich die theilweiſe Löſung
der ſocialen Zeitfragen zur Aufgabe gemacht, mit mehr Aufmerkſamkeit ſich an
dieſen Verſammlungen betheiligen. Von beſonderem Intereſſe war die kürzlich,
am 15. D, abgehaltene Zuſammenkunft, in welcher gerade die ſociale Frage
näher beſprochen wurde. Von dem Ernſt und dem Eifer, mit welchem der
Verein ſeinen Zweck ergriffen hat, zeugen die Beſchlüſſe, nach denen der Arbeiter-
bildungsverein beauftragt iſt, einzelne zur Behandlung gekommene Punkte ge-
nauer auszuarbeiten und ſeine Anſichten darüber der Offentlichkeit zu übergeben.


tigen Sache ſich bemächtigen, oder eine gemeinſame Berathung beiber Vereine
üder die ſociale Zeitfrage einleiten möchte. —

3 Schwegingen, 16. Oktober. Wir hatten geſtern ein eigenes Schau-
ſpiel am großherzoglichen Amthaufe. Auf dem Ballone ein Transparent mit
den Worten: „Auf Deutſchlands Einheit Ihrem Könige!“ Unter dem Trans-
parent die deutſche Fahne, auf deren einer Seite die preußiſche auf der andern
die badiſche Fahne. Vox dem Amthauſe die preußiſche Militärmuſik, in den
Räumen des großherzoglichen Amthauſes den Herrn Amtmann Dilges — Nach-
folger des bekaͤnnten Dr. Fauth — mit ſeiner Dienerin beſchäftigk, den preuſ-
ſiſchen Soldaten Wein aufzuwarten.

Was ſoll eine ſolche Demonſtration? Iſt ſie der Trieb der Gefühle des
Herrn Amtmanns, oder auf höhern Befehl angeordnet? Das Letztere glauben
wir nicht und das Erſtere taͤdelt man bitter; jeden Falls iſt Mißtrauen aller
Art entſtanden. —

Wir rathen und hoffen, daß der Herr Amtmann ſich Fahnen ſämmtlicher
Bundesfürſten anſchaffe, damit er, wenn je andere Truppen ein ähnliches Feſt
hier feiern, mit den reſpectiven Hausfarben aufwarten könne und er jeden Schein
der Einſeitigkeit vermeide; von unſeren Ständen erwarten wir beruhigende Auf-
ſchlüſſe deßhalb. —*—

(9 Vom Rhein, 18. Okt. Der alte Jahn konnte es xicht über’s
Herz bringen, daß die Demokraten ſo ganz ungeſtört einen Congreß in Berlin
halten und am Ende noch ein Gegenparlament aufſtellen ſollten. Das wäre
ja ein entſetzliches Beginnen; kein Wunder alſo, daß dem alten Mann, dem ja
ohnehin die Demokralen ſo viele Sorge verurſachen, darob die Furcht in alle
Glieber ſchoß. Wer mag's ihm verdenken, daß er einen Augenblick an der ge-
yoͤrigen Wachſamkeit des Reichsminiſteriums einen leiſen Zweifel hegte und ſich
gedrungen fühlte, in Geſtalt einer Interpellation ſeine Angſt in der Reichsver-
fammlung vön ſich zu ſchütteln. Guter Jahn, Du biſt zu (pät gefommen ;
die Fürſoͤrge des Reichsminiſteriums für die Einheit und die Freiheit Deutſch-
lands hatte ſchon das Ihrige gethan, es war Alles in der beften Ordnung;
die preuͤßiſche Regierung iſt bereits aufgefordert, Die beabſichtigte Verſammlung


ten, ſtreng zu beſtrafen. Ja, wahrhaͤftig, die Centralgewalt führt eine klägliche
Exiſtenz; geſchäftig iſt ſie nach allen Seiten hin, aber man weiß manchmal nicht
recht, vb man ſie wegen ihrer eigenthümlichen Geſchäftigkeit verlachen odex be-
dauern ſoll. Die Centralgewalt befindet ſich aber auch in einer fatalen Lage,
das muß man zugeſtehen; man kann und wird doch vor Allem von ihr verlan-
gen, daß fie wenigſtens Beweiſe ihres Daſeins ablegt. Allein worin ſollen
diefe beſtehen? Das iſt die große Frage. Sie iſt zu ſchwach, den einzelnen
Regierungen gegenüber eine ſelbſtſtändigẽ Stellung einzunehmen; ſie könnte ſtark
ſein, wenn ffe, ſich vom Anfang an entſchieden dem Volke zuͤgewendet lund







— — — — — — — — — — 2
— — — — ——

ſich das Vertrauen deſſelben geſichert hätte. Einen Halt im Volke beſitzt ſie
aber nicht; das fühlt ſie wohl. Was bleibt ihr anders übrig, als ſich an die
einzelnen Regierungen anzulehnen? Mit dieſen darf ſie bei Leibe nicht in einen
Widerſpruch gerathen; ſie kann alſo nur ihre Thätigkeit ganz allein nach der
einen Richtung hin entfallen, in welcher ſie die Regierungen durchaus frei ge-
währen laſſen! Und ſo ſehen wir denn, daß die Centralgewalt die Rolle über-
nommen hat, das alte Lieblingsgeſchäft unſerer Regierungen, das eine geit
lang in's Stocken gerathen war, unter einer neuen Firma wieder in Schwung
zu dringen. Das alte Bewachungs-, das alte Mißtrauensſyſtem dominirt aufs
Neue; nur ſo fortgemacht, wir werden bald eine recht anſtändige Sammlung
neuer Polizeiſtückchen herausgeben können; die Centralgewalt liefert mit jedem
Tage friſchen Stoff dazu.

x Bom Mittelrhein. (Reichs-Polizei-Wirthſchaft) Bevor das
freie Vereinsrecht proklamirt iſt, wird es durch das Schutzgeſetz ſchon beſchraͤnkt
und ſonſt polizeilich verfolgt. — Angeblich auf Veranlaſſung der Reichsminiſte-
rien der Juſtiz und des Innern haben die Aemter den ſtrengen Auftrag, ſchleu-
nigſt aller Orten darnach zu fahnden, 1) welche Vereine an einem Orte be-
ſtehen; 2) welche Statuten ſie haben; 3) welche Tendenz ſie hefolgenz
H welchen Einfluß ſie auf das Volksleben äußern; 5) wie viele Mite
glieder ſie zählen; 6) welche auffallenden Rrſchlüſſe ſie ſchon faßten und
7) in welcher Verbindung ſie mit andern Veretnen ſtehen? — Es iſt wahr-
lich mehr alg betrübend, anſtatt der ſchleunigen Gewährung, der vollen Siche-
rung der zur ruhigen Entwicklung unbedingt nöthigen Volksrechte, — das waͤhr-
nehmen zu müſſen, was vom vermeintlichen Heerd deutſcher Freiheit uns un-
vermeidlich (beim rühmlichſt bekannten Eifer der niedern Beamten u. f. w.) ein
großartiges Spionir- und Denunciationsſyſtem gründen wird, wie es unter
dem unvergeßlichen, wenn auch nicht mehr unvergleichlichen Bundestag nicht
beſtanden hat. — Wir hoffen, die getreuen Wächter unſrer Rechte werden auch
hier Verwahrung einzulegen wiſſen.

4 VBon der Grenze, 18. Oktbr. Wenn die Volksfeinde nicht zur Ein-
ſicht kommen, ſo trägt waͤhrhaftig die Geſchichte nicht die Schuld. Sie hält
euch Spiegel vor, in denen ihr das Bild der Zukunft getreu und wahr erken-
nen könnt, wenn ihr nur wollt. Manr hat geſpottet über den Vergleich unſerer
Zeit mit dem Frankreich des Jahrs 1789, und nirgends findet ihr eine mah-
nendere Aehnlichkeit als zwiſchen dem Deutſchland von 1848 und dem Frank -
reich von 1789. Ein mutatis mutandis wird natürlich einiger Maßen vor-
ausgeſetzt, die Hauptzüge der Bilder ſtimmen aber ſchon jetzt überein. Wenn '
die Geſchichte auch nicht zwei gleiche Erſcheinungen wiederholt, ihr Geſetz bleibt
beſtehen und ihre Konfequenzen gibt ſie nicht auf. Wenn ihr an die Foͤulons,
die Berthier's, die Fleſſelles u. f. w. denkt, welche ſchon 1789 in Paris der
Volksrache fielen, ſo braucht ihr beim Anblick der Leichen von Lichnowsky, Auers-
wald, Lamberg, Zichy, Latour — auffallenderweiſe ſämmtlich Grafen und Füre
ſten — nicht zu glauben, ſie ſeien bloß Opfer einer momentanen Wuth, welche
ohne geſchichtliche Begründung und Folgen ſei. Iſt nicht jede Mahnung bei
euch verloren, ſo erkennt das Jahr 1789 der deutſchen Revolution
und helft dafür ſorgen, daß es nicht eben ſo fortgeſetzt werde wie
in Frankreich. Entwickelt ihr — und die Anzeichen ſind da — dieſelbe
verrätheriſche Verſtocktheit wie die Royaliſten und Ariſtokraten der franzöſiſchen
Revolution, ſo werdet ihr auch dieſelben Früchte ernten. Davor wird euch
keine Macht der Erde bewahren, kein Militär und kein Centralminiſter, kein
Verrath und keine Gewalt, keine Profeſſorenweisheit und keine Reichsverweſerei.
Die deutſche Revolution bringt ihr nicht mehr zum Stillſtand.
Es heißt, entweder ihr jedes Vorrecht opfern und jedes Recht zugeſtehn,
odex in ihr untergehn. Ihr, die ihr jetzt mit ſo empörendem Hohn auf De-
mokraten und Republikaner ſchimpft und ſie wie Büttel und Henker verfolgt,
laßt euch mahnen an eine Zukunft, die ſchrecklich werden kann! Der Volkslöwe
hat Blut gelecket; wollt ihr ihn reizen, bis er euch verſchlingt? — Das Ver-
fahren und die Energieloſigkeit der Linken in Frankfurt ſind wirklich zum Er-
ſtaunen. Das Schlimmſte mag ſich um ſie her zutragen, ſie laſſen Alles (we-
nige Männer ausgenommen) uͤber ſich ergehen, aͤls ſeien ſie gar nicht vorhan-
den! So z. B. fällt es noch immer Keinem ein, an die Entfernung der Hrn.
Mathy ꝛc. zu denken, denen ihre Wähler das Mandat gekündigt haben. Warum
ſtellt Niemand den Antrag, daß kein Glied der Verſaͤmmlung mehr geduldet
werde, welchem die Majorität der Wähler gekuͤndigt hat? Es wäre doch
erbaulich zu ſehen, ob die Verſammlung, welche ſich auf die „Souverainetät“
des Volkes ſtützen will, ſo weit ginge, daß ſie einen vom Volke verſtoßenen
Menſchen noch duldete und Volksvertreter ohne Volk ſchuͤfe?

mM Frankfurt. Forſetzung und Schluß von er letzten Beilage)

Ferner Antrag: von Weſendonk die Weigerung des Miniſters, auf die Vogt'ſchen
und Schmidt'ſchen Interpellationen zu antworten, einem Ausſchuß zur Berichter-
ſtattung zu überweiſen; von Schmidt, geeignete Maßregeln zum Schutz vor Miß-
brauch des Reichsſiegels zu ergreifen, von Schaffraͤth, das Miniſterium aufzu-
fordern, auf die Schmidt'ſche Anfrage zu antworten, da in dem Mißbrauch des
Amtsgeheimniſſes und des Siegels, ſo wie in der Verbreitung des ſtrafbare
Injuxien enthaltenden Flugblattes eine ſtrafbare Handlung liege — umſonſt,
ſie theilen das Schickſal aller andern von der Linken ausgehenden dringlichen
Anträge. — Dann antwortet Mohl, der Juſtizminiſter, auf Detmolds Fragen,
er habe ſchon bei dem Wiener Miniſterium angefragt, was es für eine Be-
wandtniß mit Latour's Ermordung habe, aber noch keine Antwort. Herr Ro-
bert Mohl muß denken, er habe als Reichsjuſtizminiſter das Recht, ſeine Naſe
in jeden Eriminalfall zu ſtecken, davon ſteht nichts im Geſetz über die Central-
gewalt. Nun ging man auf Schneer's Vorſchlag zur Tagesordnung. Der
freche Präſident maͤchte einen ſchwachen Verſuch ſelbſtſtändig aufzutreten, indem
er einmal ganz richtig und vernünftig erklärte, der Antrag auf Tagesordnung,
zu dem die Geſchäftoordnung jedes Mitglied eine Stunde nach Eröffnung der
Sitzung berechtigt, ſei hier nicht anwendbar, wo die Antwort auf frühere In-




 
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