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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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No. 262.









Deutſchland.

(+ Manuheim, 31, Dit. VBor ein aar Tagen haben wir ein
„Flugblatt” gezeichnet, das die Vaterlandsretter zu Frankfurt alg eine „Ant-
woͤrt deutſcher Bürger! in die Welt hinausgeheuit haben. Jetzt machen wir
auf einmal die Enideckung, daß jene Fraukfurter Stoßfeufzer Und Herzenser-
güffe ein getreues Echo gefunden haben, in welchem die ganze Symphonie mit
ihren verſchiedenen Parthieen wieder vernehmlich wird, nur daß aus ganz na-
türlichen Gründen die einzelnen Töne etwas von ihrem urſpruͤnglichen Klange
eingebüßt haben und hierdurch der kräftige Schwung des Geheuls zu einem
jämmerlichen Geflenne herabgeſunken iſt. Doch wozu dieſe VBorrede? Auch in
Mannheim hat ſic ein Häuflein „deutfher Bürger“ aufgethan, das ganz
in dem nämlichen Sinne, in welchem die Herren Jund Meiſter zu Frankfurt
dem deutſchen Volke das Verlangen nach einer neuen Nationalverfammlung
auszureden ſuchten, ſeine Kräfte in Bewegung ſetzt, um eine Petition auf die
Beine zu bringen, in welchher ſich die Bürger? gegen die von allen Seiten her
geforderte Auflöſung der I, Kammer und fofortige Berufung einer konft! BVer-
fammlung verwahrın und zum Ueberfluſſe noch die „hohe Kammer“ mit ihrem
Bertrauen übexſchütten ſollen. Natürlicher Weiſe iſt es auch bier nur die zarte
Sorgfalt für das „Volk“, welche die guten und wohlgefinnten ,, Bürger“ in
die Schranfen treibt. Sie find darübel mit ſich ganz im Neinen, daf das
„Volk“ in ſeiner Mehrheit ein ebenſo großes Gefallen (!) an ſeinex zweiten
Kammer hat, wie ſie. Die unvergleichliche, untadelhafte, fleckenlohe zweite Kam-


daß ſie es nicht ſind, welche regieren“!
unſchuldig geſprochen, wird darum auch gern verziehen; man muß Gewiſſe
Gedanken dem Verſtande eines ehrſamen Spießbürgers zurechtmachen. Ein
ehrſamer Fpießbürger ſieht natürlich in einer Kammerauflöſung gleich ein ent-
ſetzliches Unglück“, eine „neue Brandfackel,, die in das Land geſchleudert wird.
Das iſt wohl begreiflich; denn ein ehrſamer Spießbürger liebt die Ruhe
und Ordnung und fühlt ſich ſelig, wenn er ſich ſein Eiopopeiolied anſtimmen
und ganz gemächlich die gemüthliche Schlafkappe über die Shren ziehen Fann.
Für was denn quch eine Kammerauflöfung ? „Die Störung des Verkehrs, die
Stockung aller Geſchäfte, der Mangel an Geld“ wird durch eine andere Kame
mer für jetzt ebenſowenig gehoben werden, wie durch die jetzige? Nun, da ha-
ben wir doch wenigſtens das offenherzige Geſtändniß, daß die febige „Kammer“
in dieſen Verhältniſſen noch nichts zu beſſern verſucht hat und mit einem folchen
Geſtändniſſe kann man ſchoͤn einiger Maͤßen zufrieden ſein. Der jetzigen Kam-
mer iſt es allerdings noch nicht eingefallen, daß man bei derartigen Zuſtänden
mehr wie je darauf bedacht ſein müſfe, auf eine Erleichterung des Volkes zu
dringen, ſonſt würde ſie ſtatt neue Anlehen zu genehmigen weit eher dafür ſor-
gen, durch Beſchränkung der Civilliſte, durch Abſchaffung der Appanagen, durch
Verminderung des ſtehenden Heeres, 2c. dem Staatshaushalte Erfparniffe zu ge-
winnen und dem Volke ein Theil der Laſten, durch die es zu Boden gedrückt'wird,
abzunehmenz und zu allem dem ſind noch nicht die mindeſten Anſtaͤlten gemacht,
das Volk wartet umfonſt auf die Erfüllung ſeiner angelegentlichſten Wünſche.
Da ſieht man doch wahrhaftig ganz deutlich, wie ſchlecht jener Vorwand an-
gebracht iſt, daß „durch eine Kammerauflöſung das Zuſtandekommen der wichti-
tigen Geſetze, auf welche das Volk ſchon ſo lange gewartet hat, abermals anf
längere Zeit verſchoben,“ dem Lande hierdurch eine Wohlthat entzogen würde!
Nein, damit iſt's nichts. Gerade weil ſo wichtige Geſetze zu Stande kommen
ſollen, brauchen wir eine Kammer, die ſich mit Kraft und Energie des Volkes
annimmt; die jetzige Kammer aber würde dieſe Geſetze geradezu verpfuſchen,
und mit der ganzen Wohlthat wär's vorbei. Eben aber, weil wir in den Ge-
nuß dieſer wichtigen Geſetze recht bald eintreten möchten, ſo müſſen wir auch
mit allen Kräften darnach ſtreben, daß die Kammerauflöſung ſchleunigſt von
Statten gehe und die Einberufung einer konſtituirenden Verſammlung möglichſt
ſchnell erfolge. Dieß iſt das einzige Mittel, wodurch die neuen Geſetze auch
wirklich eine volle Wohlthat werden können. Sonderbar! Gerade dieſelben
Herren, die ſich ſo ſehr um das ſchnelle Zuſtandekommen jener „ wichtigen Ge-
ſetze“ Mühe geben wollen, ſchieben die Hauptſache auf die lange Bank hinaus.

Wenn einmal die Nationalverſammlung in Frankfurt, ſagen ſie, die Reichs-
verfaſſung feſtgeſtellt hat, dann, ja dann ſoll endlich auch die badiſche Kammer

Das iſt doch gewiß recht kindlich und


ſung Geltung verſchaffen? — nein, — in Gemeinſchaft mit der Revie-
rung, daß Gott erbarm! — „den richtigen Weg finden, die Reviſion
zu Stande zu bringen“. Nun, das iſt gewiß eine hübſche Anſicht. Die Re-

iſt ſchon gut, wenn es ihnen gelingt, nach Jahr und Tag endlich auch mit ei-
nander — ven richtigen Wegzu finden; das Voͤlk mag ſo lauge zu-
ſehen. In der That ſaubere Zumuthungen! Man mag daraus erkennen, welche
hoffnungsvolle Wanderung uns durch die Petition jener „Bürger“ zugedacht
iſt. Vollends trefflich klingt da noch der Aufruf zum „Vertrauen“ hinein und
die rührende Verſicherung, daß „die gegen die Kammer erhobenen Beſchuldi-
gungen⸗ — durch ihr ganzes Wirken bereits „hinreichend widerlegt“ ſeien.
Die Herren machen ſich's in der That bequem, ſie greifen uns an der ſchwachen
Seite an, dem „Vertrauen“ und beräuchern mit kecken Phraſen das Wirken der
Kammer, ſie hüten ſich aber wohl genauer auf dieſes „Wirken“ einzugehen und
einmal die unſchätzbaren Güter, die ſeit den Märztagen erwirkt worden ſind,
herzuzählen. Gewiß, ſie haben ohne Zweifel wohl gethan, jenes „Wirken“ mit
dem Mantel ſittſamen Stillſchweigens zuzudecken, ſie kommen dadurch nicht in
Gefahr, von den Herren Mathy, Soiron und Baſſermann ſprechen zu müſſen,
die ſeit Wiedereröffnung der Kammer bis jetzt, wahrſcheinlich aus Schaam vor
ihrer eigenen Vergangenheit, nicht wieder ın dem Ständeſaal erſchienen ſind und


ihres Vertrauens? Miene machen, das Land von der drückenden Einquartirungs-














laſt zu befreien, den willkürlichſten Eingriffen der Polizei in die perfönliche Frei-
heit entgegenzutreten und den uͤnausſtehlichen Quälereien, die fort und fort ge-
gen gefangen geſetzten Bürgex verübt werden, Einhalt zu thun! Und das find
doch lauter Dinge, deren Erledigung ohne alle Rückſicht auͤf Parteiſachen rein
im Intereſſe der Menſchlichkeit gewuͤnſcht und verlangt werden muß. Man ſollte
allerdings an dem „ſchwankenden Zuſtande, in dem wir uns befinden“ eher genug
haben, als daß man obendrein auch noch die Kammer mit herumſchwanken!
ließe. Soll einmal in unſere Zuſtände wieder Feſtigkeit hineinkommen, fo
müſſen wir allererſt unſere Kammer wieder auf gerade Füße ſtellen! Die Kam-
mer iſt für das Volk die einzige Stütze, die es der Regierung gegenüber hat;
iſt die Kammer ſchwach und nachgiebig, dann iſt die Negierung gewiß um fo
rüſtiger bei der Hand, dem Volke ihre Wohlthätigkeit fühlbar zu machen. So
lange daher da oben in Karlsruhe noch ſo herumgefchwankt wird, ſo lange
wird auch das ganze Land unter dieſen Schwankungen zu leiden haben! Daͤ—
rum den petitionirenden Vertrauensbürgern zum Troͤtz, — M uflöſung der
jetzigen Kammer, Einberufung einer conſtitutrenden Ber-
ſammlung.

LCarlsruhe, 31. Okt. In der heutigen Sitzung der 2ten Kammer
erwartete man endlich die Amneſtiefrage erledigt zu fehen, fah ſich jedoch aber-
mals getäuſcht. Der Vorſtand der Petitionskoͤmmiſſion machtẽ die Anzeige, daß
der Bericht über die Amneſtiepetitionen vollendet fei, aber deshaͤlb heute noch
nicht zur Diskuſſion kommen könne, weil er zuvor der Geſchäftsoroͤnung ge-
mäß drei Tage im Sekretariat aufzuliegen habe. Der Berichierſtatter Zittel
Lerlas vorläufig den Commiſſionsantrag, der auf empfehlende Ueberweiſung der
Petitionen an das Staatsminiſterium in Bezug auf diejenigen Theilnehmer am
Heckerſchen Aufſtand lautet, welche nicht Leiter und Hauptanführer und nicht
vorher bereits amneſtirt geweſen.

Mez veantragt den Druck des Berichts und baldmöglichſte Berathung,
die der Präſident auf Junghanns und Kiefers ernſtliches Anbringen in kürzeſter
Friſt auf die Tagesordnung zu ſetzen verſpricht. Nach dieſem wird die Bera-
thung über Eintheilung der Verwaltungsbezirke fortgeſetzt, worauf Berichte der
Petitionskommiſſion erſtattet und diskutirt werden, darunter eine Bitte der Bür-
ſtenbinder im Schwarzwalde, die Bürſtenfabrikation nicht zu ihrem Schaden in
den Strafanſtalten betreiben zu laſſen. Der Commiſſionsantrag geht auf emp-
fehlende Ueberweiſung an das Staatsminiſterium und wird beſonders lebhaft
von Metz unterſtüßt! der überhaupt das Verdienſt hat, jederzeit mit dem wärm-
ſten Eifer auf die materiellen Fragen einzugehen. E

Er will allerdings mit Ehriſt den Strafgefangenen eine Beſchäftigung
angewieſen wiſſen, welche ihnen auch nach erfolgter Entlaſſung den Lebensun
terhalt gewährt; aber die Strafanſtalten ſollen nicht konkurriren mit den inlän-
diſchen Bürgern, man ſoll ſie nicht zum Ruin derſelben im Inland, ſondern
auf den Märkten des Auslandes ſabfetzen. Nach kurzer Diskuſſion wird der
Antrag der Kommiſſion angenommen. — Gelegenheitlich der Petition einer Ge-
meinde um Regelung des Einkommens der Staats- und Kirchendiener ftellt
Lehlbach den Antrag, den Wunſch auszuſprechen, daß die Regierung die Stol-
gebühren der Geiſtlichen abſchaffen möchte; derſelbe wird von Welte unterſtützt,
vom Präſidenten aber unrichtigerweiſe ſo formulirt, als ginge er auf ſofortige
Dekretirung der Abſchaffung durch die Kainmex, und der Uebergang zur Tages-
ordnung beſchloſſen. Das Gleiche erfolgt in Betreff mehrerer weileren Petitio:
nen verſchiedenen Inhalts, über welche Zittel, Stößer u. A. berichten.« Nächſte
Sitzung Freitag den 3, November. ;

Carlsruhe, 31. Ott. So eben werden die ihrer demokratiſchen Ge-
ſinnung wegen laͤngſt mißliebigen Bürger Lanzano und Goll, Letzterer Vorſtand
des hieſigen Volksvereins/ verhaftet und ihre Papiere durchſucht. Als Grund ihrer
Verhaftung ſind „aufreizende? Reden angegeben, die ſie bereits vor mehreren Mo-
naten in dem benachbarten Orte Hagsfelden Lehaͤlten haben ſollen. — Wenn es
nichts Aufreizenderes gäbe als Reden, daͤnn könnten die Gewalthaber ruhig ſchlafen;
wir haben jedoch gute Gründe, zu behaupten, daß es nicht ſowohl Reden, als


den Demokraten ausgehen. — Uebrigens verhaftet man gegenwärtig bekannter-
maßen da und dort die als eifrige Volksmänner bekannten Buͤrger, um aus ihren
apieren und Ausſagen möglicher Weiſe hintennach den Grund dazu aufzuſtöbern.
Man ſpürt nach Verbrechen, um die Geſinnung zu ſſtrafen-

*Mosbach / 1. Nov. So eben leſe ich folgende an den Straßenecken
angeheftete und im ganzen Wahlbezirk verbreitete Einladung: Mitbürger des
Wahlbezirks Eberbach-Mosbach! Obgleich die zwei bedeuͤtendſten Stäbhte des
Wahlbezirks nebſt mehreren kleineren Gemeinden ſchon im April d. I, den Abg.
Schaaff, weil er ihr Vertrauen nicht mehr beſitzt, aufgefordert haben, ſein Man-
dat niederzulegen, und obgleich ihm wiederholt in öffentlichen Blättern bedeu-
tet wurde, daß er nicht mehr berufen ſei, unſern Bezirk zu vertreten, indem
er ſeinen Sitz in der Kammer nur einem langjährigen Druck ſerviler Beamten-
herrſchaft und dem Einfluß des grundherrlichen Adels, aber keiner freien Wahl
der Bürger verdankt, ſo ſitzt er doch heute noch in den Reihen der Abgeord-
neten und rühmt ſich des Vertrauens der Bewohner des Odenwaldes, das er
mit einigen Petitionen, die nichts weniger als der gegenwärtige Ausdruck un-
ſeres Bezirkes ſein können, zu beweiſen ſuchte. 8

Mitbürger! Wir müßten zweifeln an Eurem Willen, die Früchte der we
nigen Errungenſchaften der Revolution zu pflücken, welche jetzt durch ihr or-
ganiſche Ausbildung in den einzelnen Staaten reifen ſollen, wenn thre länger
fäumen würdet, in Maſſe und auf das Unzweideutigſte auszuſprechen, daß der
Abg. Schaaff nicht mehr Euer Vertreter ſein kann. 4

Wir laden deßhalb alle Gemeindevorſtände des Wahlbezirfs ein, ciNe Ge-
meindeverſammlung in ihrem Orte abzuhalten und eine nit Vollmacht verfehene
Deputation von wenigſtens 3 Mitgliedern zu ernennen, die ſich zur Bexathung
einex geeigneten Adreffe an den Deputirten Shaaff am Sonntag den 5 Nov.
3 Ubr auf dem Rathhaus dahier einfinden wollen. Wo die Bürgermeiſter oder
Gemeinderäthe zu einer ſolchen Verſammlung nicht die Hand bieten, wollen die


 
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