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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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’/184@. ’











4& An die rothe Monarchie!

Das Maß iſt voll! *
Robert Blum iſt gemordet nicht im Sturm entfeſſelter Leidenfchaf-
ten, nicht im Kampfgewühl, wie Lichnowsky, Auerswald, Lamberg⸗ Latvur,
nein, nach beendigtem hartem und ehrlichem Kampfe wurde der Beſiegte mit
taltem Entſchluß auf dem Sand hingeſtreckt durch den Befehl eines Muſter-
Monarchiſten, der dem deutſchen Volke kühn ins Geſicht ſchlägt, der das Par-
lament und deſſen Beſchlüſſe kriegsrechtlich mit Füßen tritt, der mit ſtolzem
Hohne dem Parlament den blutigen Fehdehandſchuh zuwirft, und ihm den To-
desſtoß der niebrigſten Verachtung gibt, wofür das Parlament ſich Satisfaction
verſchaffen mag, wenn es den Muth hat, andern Mächten, als geſchlägenen,
gehetzten und geknebelten Freiſchärlern entgegenzutreten.


waltigen Schlafe Eingelullte muß aufſchrecken, jeder Ehrliche muß ſich mit Ab-
ſcheu wenden, von dem Banner einer ſolchen Partei, jeder Muͤthige ſchreit:
Rache! Rache!

So groß unſer Schmerz, wir trauern nicht! Denn Blum ſtarb als Mär-

tyrer für Deutſchlands Freibeit! Wir begrüßen ſeinen Tod, als den Gebuͤrto-

tag eines neuen Volkslebens! Wir trauern nicht, denn wir begreifen die grauſ-
ſige Lehre; wir trauern nicht, denn ſo unerwartet die Märztage einbrachen, fo
unverhofft kommen gleiche Zeiten, ſchnell wird die Abrechnung folgen!

Ja, wir freuen uns, da die Monarchie ihre Pfade blutig wandelt, da
die Monarchie vom Blute triefend ſchweigen muß gegen die rothẽ Republit, da
die rothe Monarchie ſelbſt das thut, was ſie der Republik andichtete! Die
Völker ſehen ihre Mörder!

Wit Blum verblutet das Volk nicht! aber zum Himmel ſteigt der Dampf
vom Diute des Gemordeten und gibt den Völkern das Recht, waͤlches ſich alle
unterdrückten Völker aus den Sternen holen! Blum's Blut erweckt die Volks-
Macht und erfüllt die leidenden Völker miı unausſprechlichem grimmem Haſſe.
Das Volk wird ſich an Blum's Mord nichts wegdiplomatiſiren, nichts weg-
ſchwätzen, nichts abängſtigen laſſen!

Es ſieht das Blut ſeines Freundes auf jeder Spanne Erde, das nicht ab-
gewaſchen wird durch Beſchlüſſe und Verdrehuͤngen. Schweigt, Ihr monarchi-

ſchen Heuler! Schämt Euch vor der rothen Republik! die
Schandthaten aufweiſen kann, die ein Stümper iſt gegen die rothe Mouarchie!
belt, Ibr Republikanex! wir haben wieder etwas gelernt;

Si ſcdeꝛwmaãxts. Aus den Graͤbern kommt die Freiheit!



Deutſchland.

(+) Mannbheim, 20. Nov. Wir haben geſtern ein ernſtes, ein ergrei-
fendes Feſt gefeiert, eine Todtenfeier für Robert Blum. Der Bürgerverein
hatte die Veranſtaltung übernommen und die übrigen Vereine zur Theilnahme
aufgefordert; die ganze Stadt feierte mit; im Hafen hatten den Tag über die
Schiffer zur Trauer geflaggt. Dem Programme zufolge verſammelten ſich die
einzelnen Vereine gegen drei Uhr vor dem Local des Bürgervereins; der Ar-
beiterverein, der Voltsverein, der Singverein, der geſammte Turnverein erſchie-
nen mit ihren Fahnen; zahlreiche Mengen einzelnex Bürger ſchloſſen ſich ihnen
an. Eine Trauerfahne an dex Spitze, in der Mitte hie und da die umflorten
Fahnen der verſchiedenen Vereine, bewegte ſich der unabſehbare Zug feierlich ge-
meſſenen Schrittes unter den düſteren Klängen einer Trauermuſik durch die
Straßen am Rathhauſe vorüber, wo ſich die Gemeindebehörde anſchloß, nach der
Trinitatiskircht. Es fand hier unter Mitwirkung des Singvereins die kirchliche
Feier ſtatt. Eine ungemeine Menſchenmenge hatte die Kirchẽ beſetzt; alle Räume
waren überfüllt. Pfarrer Schellenberg gedachte der Veranlaſſung der gegen-
wärtigen traurigen Feier, erinnerte an das Streben des hingeſchiedenen Voͤlke-
mannes und hob hervor, wie auch die Kirche die Obrigkeit verdamme, die das
Geſetz mit Füßen trete, wie auch ſie an dem Schmerze des Vaͤterlandes Theil
nehme. Nach Beendigung der Kirchenfeier begab ſich der Zug nach der Auͤla.
Hier bekam das Feſt ſeine politiſche Weihe; politiſchen Inhalls waren die Lie-


Heidelberg, feierte Blum als den Mann, der von ſeinen Knabenjahren an durch
ſein ganzes Leben hindurch alg ein Kämpfer für die Wahrheit und für die Frei-
heit ſich bewährt habe. Nach ihm entwarf Florian Mördes mit begeiſterter
Sprache ein Bild von dem Leben des gewaltſam dem Volke entriſſenen Man-
nes; er ſchilderte die Wirkſamkeit Blum's zu Leipzig noch vor dem Ausbruche
dex Reyolution; er ſchilderte deſſen Streben zu Frankfurtz er wies hin auf
deſſen Ausſpruch, daß das Volk nicht eher ſouberän ſei, alg bis es keine Ge-
walt mehr an ſeiner Selbſtherrſchaft zu hindern im Stande wäre, _
Uebergehend auf das unglückliche Ende Blum's bemerkte er, daß deſſen
Leichenſtein ein Markſtein werde für die Geſchichte unſeres Vaterlandes; was
auf dieſem Leichenſtein geſchrieben ſtehe, das möge ſich jeder Deutſche tief in
das Herz einprägen, es ſtehe auf ihm geſchrieben die Mahnung an Jeden,
mit dem männlichen Muthe, mit der männlichen Aufopferung, wie Robert Blum-
in den Kampf für die Freiheit zu gehen. Brentand als perſönlicher Freund
Blums der mit ihm zu Frankfuͤrt unter der nämlichen Fahne gefochten, beſteigt
nach Mördes die Rednerbuhne. Neben dem Gefühl des Schmerzes um den
verlorenen Freund und Mitkämpfer bewegt ihn das Gefühl der lebendigen Ent-
rüſtung über die getäuſchten Hoffnungen des Vaterlandes, über den Betrug,
den Meineid, den die Fürſten an der Sache des Volkes begehen. Angeſichts
des an Blum geübten Mordes exinnert er an die Gefahren, denen die Freiheit
. Aausgefeßt iſt; er ermahnt, daß ſich über dem rauchenden Rumpfe Blum’s die
Parteien jm Volke die Hände reichen und einig ſein ſollen gegen die gemein-



ſchaftlichen Unterdrücker. Nach Breentano brachte Einer der Anweſenden dem
Andenken Blums ein feierliches Hoch, in welches die Verſammlung einſtimmte.
Mit dem Schlußgeſang des Singvereius löſte ſich ſofort die Feier auf. Ohne
Zweifel hat ſie in den Herzen aller Theilnehmer einen lebendigen Nachhall zu-
rückgelaſſen, an dem ſich die Geſinnung kräftigen und der Wille aufs neue
beleben wird. Iim?
Weinheim, im Nov. Es freut uns, nachſtehende „offene Adreffe“
an unſern Abgeordneten, Herrn Pfarrer Lehlbach, von Seiten der „freien
Bürger“ Weinheims als Antwort auf das ſog. Mißtrauensvotum unferer Ca-
marilla, das dieſe der II. Kammer überreichen ließ, Ihnen hiermit uͤberſenden
zu können.
Die Adreſſe lautet folgendermaßen: 2
„Offene Apreſſe der „freien Bürger Weinheims“ an ihren Abges
„ordneten der Il Kammer der Stände, Herrn Pfarrer Lehldach.“
Mitbürger! Deutfever Mann! „
„Deine Wahl als Volksabgeordneter war der volksfeindlichen Parteit ſammt
„ihrem Schweife, einer, wie Schiller ſagt, — „vornehmen Nartenart? —
„ein Dorn im Auge; denn Du warſt gekannt als ein Mann des Bolfes.“
„Wir wuͤßten es, daß Du nicht fehlen würdeſt in den Reihen Derer, de-
„ren Waffe die Wahrhett, deren Endziel die Freibeit Aller — ß
„Du haſt unſerer Hoffnung entſprochen; haſt treulich, als würdigex Nach?
folger unſeres verehrten Hecker, in deſſen Sinne und ſomit im Sinne des
„Volkes gehandelt und gewirkt!“ *
Nicht nach den mit Balſam und allerlei woblriechenden? Waſſern begoſ-
„ſenen Böden vornehmer Salon's; nicht dorthin, wo die Bücklinge dreſſirten
„Menſchen-Affen — deutſcher Treue, deutſcher Einfachheit, deutſcher Wahrhaf«
„tigkeit in's Angeſicht ſchlagen; nicht dahin, wo man in Genüſſen aller Art
ſchwelgt, wo man den Cuxus ſyſtematiſch nährt und pflegt; nicht dahin ſehnet
„ſich Dein Herz: Du kennſt nur ein zwar edles, aber unterjochtes, leidendes,
„ausgeſogenes Volk!“
„Deutſcher Mann! Ein großes, ein würdiges Ziel haſt Du Dir geſetzt!
„haſt eingeſchlagen eine Bahn, die nur Edle wandeln !!
„So zu wirken, iſt des wahren Volksdeputirten, des ächten Verkündigers
„des Epangeliums würdig, ſeiner genehm! — 4
„Eine ſolche Wirkſamkeit mußte aber auch naturgemaͤß die Partei des Nüd-
„kerkerung der edelſten Bürger unferer Stadt und Gegend — haͤt ſie, Diefe giftge-
„ſchwollene Natter, die Reaction, e& gewagt, mit einem, mittelft geheimer



umtriebe zu Stande gebrachien ſog. Nißtrauensvetu

„gegen Dich aufzutreten! Calumniae morsui remedium nullum !n
„Solche Handlungen richten fich von felbſtl Der Geiſt der

„Zeit bricht darüber der Stab!

„Du aber, deutſcher Mann, nicht im Zweifel über die w ahren Geſin-









„nungen det Bürger Deines Wahlbezirkes, ſetze ſolchen Machinationen, aus«
gehend vom gelbknöpfigen und bekutteten Subfecten, ein „Lächeln“,
„ein mitleidiges entgegen; fahre muthig auf dem betretenen Wege fort; ges


und Trug's, um ſiegen zu machen die Wahrheit!“

Dein Kampfſchild trage ſtets die Deviſe: „Furchtlos und Wahrla

Dann werden mit Dir ſtehen und fallen — die

' ‘ „freien Bürger Weinheims“.

Kaſſel, 15. Nov. Geſtern Abend wurde in einer überaus zahlreichen
Volksverſammlung im Reithaufe nach lebhaften Anſprachen mehrerer Reduer,
der 55 Heife, Kellner 20,, eine Zujiimmungsadreffe an das preußiſche Volt
beſchloſſen, ferner dem Volkscomite aufzugeben, für vollſtändige Voͤlkẽbewaff-
nung wirlſam zu ſein, die Regierung zu bitten, ſoͤfort die Ständeverfammlung
zu berufen, die Vorſtände fämmtkicher hieſigen politiſchen VBereine zu gemein-
ſamer Berathung einzuladen, und bei der Centralregierung dahin zu wirken,
daß der Furſt Vindiſch Grät als Mörder eines Netchs--
tags- Deputirtken und IUl-berireter des Geſetzes zum Schutze der Natio-
nalverfammlung zur Strafe gezogen werde, endlich alle f warz roth « goldenen
Fahnen mit Trauerflor zu umbängen, ;

Hildesheim, 14. Nob. Geſtern wurde in einer außerordentlichen
Volksverſammlung eine Zuſtimmungsadreſſe an die preußiſche Nationalverfamm-
ung berathen, angenommen und mit nahe an 1000 Unterſchriften bedeckt. Die

Dresden, t5. Rov. Sämmtliche hier beſtehenden politiſchen Vereine ha-
ben geftern Berfammlungen gehabt. Ueberall ſtand Rob. Blum’s Hinrihtung
auf der Tagesordnung. ; 2

*] Von der Elbe, 15 Nov. Der bekannte Baſſermann, derma-
fen Unterftaatsfelretär der Reichsverweſung, hat nach dem H. E, auf feiner
Reiſe nach Berlin geäußert, die um und in Berlin zu verfammelnvden Truppen
würden demnächſt als „Neichstruppen” erklärt und unter den Befehl der Cens
trafgewalt geſtellt; SGene:al Wrangel habe für dieſen Faͤll das Patent alg
Reichsbefehlshaber ſchon in der Tafhe, Man wird dafür forgen, daß das
Bischen Volksfreiheit in Preußen Namens der „proviſoriſchen Ceniralge-
walt“ unterdrückt werde. —

Xx Berlin, 16. Nov. So groß die Aufregung auch war, welche in Folge des
Attentals gegen den Bieepräfidenten der Nationalverfammlung entſtand, ſo hielt das
Volk ſich ruhig, weil es erſt den letzten und äußerſten Schritt gegen die Vertreter des
Volkes abwarten wolle. Vorgeſtern zögerte man noch damit. Man ließ die Ver-
ſammlung, welche in dem Koͤlniſchen Rathhauſe zuſammengetreten war, ruhig
berathen. In der Sitzung wurden alle jüngſt gefaßten Beſchlüſſe der Geſchäfts?
ordnung gemäß noch einmal angenommen und die Denkſchrift verleſen, weiche
das Verfahren des Miniſteriums Brandenburg für ein hochverrätheriſches erkrält.
Die Verſammlung beſchloß, dieſelbe dem Staatsanwalt zu uͤberſenden, auf
daß er ſeine Pflicht thue. Dies iſt geſchehen, der Präſident hat ſie dem Staats-

N




 
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