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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Ubonnement in Vannheim viertelſaͤhrli
vierteltährlich 2 M, 30 im Audlaud erböbht








[2!] Das Keichsminiſterium Gagern und die öſter-
reichiſche und preuſtiſche Kamarilla.
Dr große Staatsmann, Heinrich v. Gagern! Mit dem einen Arme

reicht er naͤch Potsdam, mit dem andern nach Olmütz, und ganz Deutſchland
niuimt er unter ſeine ſchützenken Fittige. Ex hat durch einen kühnen Griff


er die Pläne des Potsdamex, die Pläne des Olmützer Hofes und erlöſt noch
dazu Deutſchland aus der Verlegenheit, ob es ſich in Qſtexreich oder in Preuſ-
ſen ſein neues Oberhaupt holen ſoll. Das ift freilich Vieles auf einmal, aber
fein großer Geiſt hat das Alles zugleich und mit einander vollbracht durch das
ine entfcheidende Wort: Trennung Oeſterreichs von Deutſchland! Hert von








zwar in einem unauflöslichen Bunde ſteht, in den Bundesſtaat aͤber nicht ein-
tritt.“ Das iſt nichts weiter als die reine Auelegung der Politik des Olmützer
Hofes. Oeſterreich erkennt, daß es alg rein deutſche Macht in dem deutſchen
Bundesſtaate nicht leicht gleichen Rang mit Preußen halten könne, indem es
ſeine Hauptſtäxke in den nichtdeutſchen Elementen beſitzt, die unter ſeinem Seep-
ter vereinigt ſind; es ſieht ſeine Neigungen und Intereſſen weit vortheilhafter
gewäͤhrleiſtet, wenn es in dem Umfange ſeiner Staaten das deutſche Element
den nicht deutſchen Beſtandtheilen unterordnet, die letzteren zur Grundlage der
Geſamintmonarchie und ihrer ganzen politiſchen Stellung innerhalb des europät-
ſchen Staatenſyſtems macht, und ſich damit begnügt mit Deutſchland blos duͤrch
den Einfluß, den es auf die Geſtaltung der deutſchen Zuſtände ausübt, d. h.
nach Herrn v. Gagern, durch ſeinen „unauflöslichen Bunde zuſannnenzuhängen.
Beides iſt in dem Programm des öſterreichiſchen Miniſteriums ausgedrückt, das
Eine in dem Satze von der Gleichberechtigung der Nationalitäten, das Andere
in der Zuſage, daß Oeſterreich ſeine „Bundespflichten“ erfüllen werde. Die
Verjüngung Oeſterreichs“ läuft alſo hinaus 1) auf die Herſtellung eines durch-
aus ſelſtſtändigen, gon Deutſchland geſonderten nicht deutſchen Reiches, 2)
auf die dem Intexeſſe dieſes neuen öſterreichiſchen Reiches entſprechende Benutzung
Deutſchlands. Oeſtreich überläßt hiexdurch freilich Deutſchlaͤnd an Preu!
ßen; nun iſt auf beiden Seiten gehoifen; Friedrich Wilhelm von Preußen iſt
As deuiſches Oberhaupt vor einem Eonfliete mit Oeſterreich geſichert und
2 iſt für Oeſterreich, wie wir gleich ſehen werden, in den beſten
Zanden.

Friedrich Wilheim hat zwar die ihm von Herrn v. Gagern zu Potsdam
bargebotene deutſche Kaiferkrone mit der Entſchuldigung zurückgewieſen, daß es
ihm ſein Gewiſſen verbiete, dieſelbe ohne das ausdrückliche Cinverſtändniß der
anderen deutſchen Fürſten anzunehmen, allein man kennt das. Man braucht
ſich nur an den berühmten theatraliſchen Aufzug in den Straßen Berlin's zu
exinnern, um zu wiſſen, wie weit es mit diefer-Gewiſſenhaftigleit und Reſigna-
tion her iſt. Friedrich Wilhelm kannte die Plane des Oimützer Hofes; Fried-
rich Wilhelm wird ſich nicht lange nöthigen laſſen „an die Spitze von Deutſch-
land- zu treten; mit Hinweiſung auf das Geboͤt der Umſtände wird er die ete
waigen Widerſprüche kleinerer deutſchen Fürſten leicht beſeitigen; Oeſtreich wird
ihn unterſtützen. Es lautet dies dem erfien Anſcheine nach Etwas fonderbaͤr und
unglaublich, wenn man dabei an die alte Eiferfuͤcht zwiſchen Oeſtreich und Preu-
ßen denkt; man darf aber nicht vergeſſen, daß gerade die im Wert begriffene
„Verjüngung! der öſtreichiſchen Geſammtmonarchie die politiſche Stellung Oeſt-
reichs weſentlich verändert und jede ſcheinbare Inconſequenz in Befolgung der
hergebrachten politiſchen Principien auf Rechnuͤng der beſonderen Zeitverhält-
niſſe zu ſetzen iſt. Ohnehin werden ja die Fürſten immer einig, wenn es ſich
um die Unterdrückung der Völker handelt. Der Grundſatz der öſtreichiſchen
Politik war von jeher: Knechtung und Ausſaugung der deutſchen wie nicht
deutſchen Völker für die Jutereſſen der habsburgiſchen Dynaſtie. Dieſem Grund-
ſatze bleibt auch jetzt Oeſtreich treu; es braucht aber, um ihn nach ſeinem gan-
zen Umfang, in und außerhalb Deutſchland durchführen zu können einen Bun-
desgenoſſen in Deutſchland ſelbſt. Unter den Völkerſchaften Deutſchlands wie
Oeſtrelchs herrſcht die gleiche Gährung, der gleiche Drang nach Selbſtſtändig-
keit in ver Regierung und Berwaͤltung. Diefes Streben muß niedergekämpft
werden, ſoll Oeſtreichs Herrſchaft gereitet fein. Gegen beide Seiten hin mit
Erfolg zugleich aufzutreien, iſt nichk möglich; Oeſtreich hat ſo viel mit ſich ſelbſt
zu thun, daß es ſeine Kräfte nicht theilen kann. Wollte es ſich gegen die
deutſche Bewegung wenden, ſo waͤre ihm der Verluſt ſeiner nicht deuͤtſchen? Staa-
ten unyermeidlich, und es häue noch zudem an Preußen einen gefährlichen Ne-
benbuhler, dem es möglicher Weiſe unterliegen könnte; es muͤßte alſo feinen
vollſtändigen Ruin riskiren. Oeſtreich konnte vaher keinen anderen Gedanken
haben , als den, ſich vor allen Dingen ſelbſt als unabhaͤngigen Geſammtſtaat
feftauftellen, um auf einem anderen Wege daͤrauf hinzuwirken, daß ihi ſein Ein-
fluß auf Deutſchland geſichert bleibt, Es findet ſich varüber mit Preußen ab;
e$ räumt Preußen das Principat über Deutfchland ein und erhält als Gegen-
* die Anerkennung ſeiner Einwirkung auf die Geſtaltung der deutſchen Zu-

ände.

Bedenkt man, daß bereits in den letzten Jahren der Metternich'ſchen Herr-
ſchaft Deutſchland durch den gemeinfamen Einfluß von Preußen und Deftreich
vollſtändig beberrſcht wurde, ſo ſieht man darin wenig mebr als eine Erneuͤer-
ung des alten Verhältniſſes unter andern Formen. Eine Ueberlaſſung Deutſch-
lands an Preußen iſt gar nichts Weiteres alg eine Convention zwifden Preuf-
ſen und Oeſtreich wegen Deutſchland. Das Haus Hohenzollern putzt ſich heraus
mit dem Glanz der Deutſchen Krone und unterwirft dafür Deutſchland dem
öſterreichiſchen Intereſſe, Oeſtreich dagegen erfüllt „ſeine Bundespflichten“, d. h.
8 uuterhält eine beſtäntige Agentur in Deutſchland, wie {n dieſem Augenblick
durch die ſchwarzgelbe Yartet in der Rationalverſammlung“. Das Ende der
Reorganiſation Beulſchlands und Oeſtreichs wäre dann dies: die deutſchen





Völkerſchaften werden von der Dynaſtie Hohenzollern, die öſtreichiſchen von
der Dynaſtie Habsburg geknechtet und die habsburgiſche Politit behält das
Vorrecht, für beide Völker-Verbindungen den Ton anzugeben. Erwägt man
noch die freundlichen Peziehungen Preußens und Oeſtreichs zu Rußland, ſo
muß man erkennen, wie dies Syſtem in das ganze Geflecht der Völkerverknech-
tung bineinpaßt; es iſt gar nichts anderes als der Sieg des Metternich ſchen
Geiſtes über die Revolutibn, es iſt die vollſtändige Reſtauration des alten Zu-
ſtandes. — Und zu dieſem Zwecke bietet das Reichsminiſterium Gagern die
Hand. So weit mußte es kommen Die „Nationalverſammlung“ zu Frank«
furt hat ſich von dem Volke, aus dem ſie hervorgegangen/ abgeweuͤdet und mit
den Fürſten gebuhlt. Sie ſteht nun am Ende des Weges, den fie von Anfang
an eingeſchlagen hat; was jetzt hervorgetreten, das iſt allein der Fluch der boͤ⸗
ſen That, der die Spuren ihrer ganzen bisherigen Wirkſamkeit begleitet hat. Der
Koryphäe der Nationalverſammlung ift daͤs aͤuserleſene Werkzeuͤg der Fürſten
geworden zur Wiederherſtellung der Völkerknechtſchaft. In dieſer einen, großen
erſchütternden Thatſache. iſt der Spruch der Geſchichte uͤber die „deutſche Nar
tionalverſammlung“ gefällt. — 8*





Deut ſch Land.

M Franfkfurt, 21. Dezbr. Beim Beginn der heutigen Sitzung ver
Nationalverſammlung interpellirte Roßmäßler aus Tharand daͤs Reichoͤminiſte-
rium des Innern unter Hinweiſung auf mehrere Verietzungen des Briefgeheim-
niſſes, und unter Ueberxeichung des Couveris eines von ihin abgeſandten Briefs
welches erbrochen und ſehr gelungen wieder verſiegelt in die Hände des Adreſſa-
ten gekommen war, was daſſelbe zur Wahrung des Briefgeheimniſſes zu thun
gedenke. Würth aus Sigmaringen fragt nach dem Grund der dauernden Ueber-
füllung Sigmaringens mit Reichstruppen, für welche eine Bepölkerung, die ſich
ſelbſt zu erhalten kaum im Stande ſti, nicht einmal Eniſchädigung erhalte.

Auf der Tagesordnung ſtand die Berathung des Einführungsgeſetzes für
die Grundrechte. Gombart ſtellte den Antrag, daß die Grundrechte nicht ſofort
publicirt, vielmehr den Regierungen der Einzelnſtaaten zur Erklärung darüber
vorgelegt, und erſt im Fall der Annahme publicirt werden ſollten. Bieſen An-
trag vertheidigt er in einer langen oft unterbrochenen Rede, in welcher er ſich
bemühte, die Nationalverſammlung auf den Standpunkt einer vereinbarenden
Berfammilung herabzuziehen/ und unterſtuͤtzte ſeine Behauptung mit Gründen,
die vielfach ans Burleske ſtreiften. Nach kurzem Wiederſpruch Schoders und
einer Schlußrede Zells wurde dieſer Antrag mit Namensaufruf durch 334ge-
gen 69 Stimmen verworfen, und die Verhaͤndlung des Gefegentwurfs begann.

Die 7 erſten Artikel, welche die ſofort einzuͤführenden Ariitel bezeichnen,
wurden ohne Diskuſſion in der von der Majoritaͤt vorgeſchlagenen Faſſung an-
genommen. ; *

Ueber Art. VIll. dagegen, lautend: — *

Abänderungen der Grundverfaſſung einzelner deutſcher Staaten, welche
durch die Abſchaffung der Standesvorrechie nothwendig werden, ſollen innerhaͤlb
ſechs Monaten durch die gegenwärtigen Organe der Landesgeſetzgebung nach
folgenden Beſtimmungen herbeigeführt werden: ——

1) die durch die Verfaſſungsurkunden für den Fall der Verfaſſungsänderun-
gen vorgeſchriebenen Erſchwerungen der Beſchlußnahme finden keine Au-
wendung, vielmehr iſt in den Formen der gewoͤhnlichen Geſetzgebung zu
verfahren; ;

wenn in Siaaten, wo zwei Kammern beſtehen, dieſer Weg keine Verei-
nigung herbeiführen ſollte, ſo treten dieſe zufammen, um in einer Bers

;a%tm'lung durch einfache Stimmenmehrheit die erforderlichen Beſchluͤffe zu

aſſen. *

Sind in der bezeichneten Friſt die betreffenden Geſetze nicht erlaſſen, ſo
hat die Reichegewalt nach Lage der Sache die Maßregeln zu treffen, welche
die Ausführung ſichern. 2 *
fand eine Furze Diskuſſton zwiſchen Schoder und Buß ceine merkwürdige Buͤn⸗
desgenoſſenſchaft) und Mittermgier anderer Seits ſtatt; nach deren Schluß
Deiters im Profeſſorenton das Schlußwort für die Majoritaͤt ableierte.

Der Art. 8 ward nach Verwerfung eines Antrags von Tafel: Zum Zwecke
derjenigen Abänderung der Grundverfaſfung einzelner deutſcher Staaten , welche
nach vorſtehenden Beſtimmungen der Grundrechte vorzunehmen ſind, ſollen Lau-
des verſammlungen nach den Wahlvorſchriften des Vorparlamenis gewählt und
einberufen werden und iſt ſofort die Vollziehung jener Abänderung binnen-der
naͤchſten 3 Monate anzuordnen, — in den 3 erſten Sätzen des Entwurfs an-
genommen, dann auf Schoders Antrag eingeſchaltet: übrigens bleibt dem ge-
genwaͤrtigen Organe der Landesgeſetzgebung unbenommen ſich darüber, daß die
gedachten Abänderungen durch eine neugewählte Landesverſammlung vorgenom-
men werden, zu vereinbaren; für welche Vereinbarung die Beſtimmungen über
1 und 2 ebenfall®s maßgebend ſind; — und der Schlußſatz endlich naͤch Vor-
ſchlag der Minsrität gebildet, welche zu dem von ihm vorgebrachten Antrag in
der Sitzung ſelbſt noch die Einſchaltung vor dem Worte „zu herufen,“ beaxtragt
hatte: Zur Repiſion der Landesverfaſſung und übrigen Geſetzgebung in Ueber-
einſtimmung mit dem Beſchluſſe der Nationalverſammlung 4

Noch beſchloß die Verſammlung morgen und übermoͤrgen Sitzung zu hal:
ten, und ſich dann bis zum 29, d. M. zu vertagen.

Frankfurt. Der vaterländiſche Vertin in Stuttgart, größtentheils aus
Hoflakaien, Hoftüchenmeiſtern Hefraͤthen, und Hof⸗Geſindel überhaupt beſtehend,
hat auf die Einladung zum Beitritt zum Märzverein mit einem Pamphlet geants
wortet, in welchem er, wie nach ſeinem Beiſpiele der konſtitutionelle Verein in
Nürnberg, in dem März-Verein Klubtyrannei und ein Gegenparlament wittert,
das zum Buͤrgerkrieg u. ſ. w. führe. Man kennt ja die befannten, abgeſtandenen
Phraſen, mit denen die Fanatiker der Ruhe ihre Gleichgültigkeit gegen die Wie-
dereinführung der Gklaverei zu beſchönigen ſuchen. Der Mätzvexrein hat ſich


 
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