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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 126 - No. 153 (1. Juni - 30. Juni)
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— — —








1848.




No. 145.











— —






Redakteur J. B Grohe noch immer ſeiner Freiheit be-
weitere Störung in dem Erſcheinen dieſer Blätter eintrete;

.


aber ſind beſonders aufgefordert, uns dabei kräftigſt zu unterſtüßen.



Ermäßigung des Abonnementspreiſes eingetreten.



noch beſonders.





Ueber Centraliſation und Föderation.

Es war eine Zeit, da galt das Geſetz der Unterordnung. Man nannte
daſſelbe gewöhnlich Centraliſation. Dieſem Geſetze zufolge mußte ſich ein gan-
zes Volk dem Willen eines einzigen Menſchen, ein ganzes Land den Intereſſen
Liner einzigen Stadt, der Haupt- und Reſidenz-⸗Stadt fügen. Kein Bürgermei-
ſter des kleinſten Dorfes, kein Lehrer, kein Geiſtlicher konnten ernannt werden
ohne Zuſtimmung des in dem Centralpunkte des Landes wohnenden Centralbe-


Landes, alle Kunſtſammlungen, alle Schätze der Wiſſenſchaft verlegt. Den Be-
wohnern dieſer Hauptſtädte wurden alle möglichen Begünſtigungen zu Theil,
natürlich nut unter der Bedingung, daß ſie fich zu blinden Stützen des herr-
ſchenden Syſtemes gebrauchen ließen. In Frankreich folgten 3. B. die Provin-
zen blind dem Beiſpiele der Hauptſtadt in den Jahren 1830 und 1848, und
bei der erſten franz. Revolution gab Paris gleichfalls den entſcheidenden Ton
an. Die nothwendige Folge der Eentraliſation iſt Ueberhebung, Eigennutz und
Herrſchſucht auf der einen, Unterdrückung, Armuth und Demüthigung auf der
aͤnderen Seite. In den Centralpunkten der Völker ſammelten ſich große Schaͤtze
nicht blos an geiſtigen, ſondern auch an materiellen Kräften zuſammen, wäh-


iellen Kraͤften der Hauptſtaͤdt geſellten ſich alle dieſenigen Laſter, welche mit
übermäßigen und künſtlich zuſammengetriebenen Reichthümern immer verbunden
ſind, während die Provinzen eine gewiſſe Beſchränktheit der Gedanken und Be-
ſtrebungen ſelten abzuſtreifen vermochten. Die Centraliſation, die ungleiche Ord-
nung, der Despotismus der Einzelnen, welcher die Maſſen erdrückt, hat ſich
überiebt, an ſeine Stelle tritt das Geſetz der Föderation, der gleichen Ordnung,
der freien Aſſociation. In Frankreich, woſelbſt die Centraliſation am Weiteſten
getrieben wurde, empfindet man allgemein den Druck derſelben am Schwerſten,
und wir glauben mit Sicherheit vorherſagen zu konnen, daß die Provinzen nicht
mehr lange das Joch der Central-Hauptſtadt Paris tragen werden. In Deutſch-
land laftet die Centraliſation gleichfalls ſchwer auf dem Lande. Allerdings
gibt es in unſerm Vaterlande nicht einen großen Centralpunkt, von welchem die
Zanze Leitung der Landes-Angelegenheiten ausgeht, ſondern 39 große und kleine
Lentralpunkté, welche ſich in dieſe Leitung theilen. Was in Frankreich und
England unter dem Einfluſfe von Paris und London einen großaxtigen Cha-
racler annimmt, geſtaltet ſich in einem Ländchen wie Naſſau, wie Heſſen-Hom-
burg und anderen unter dem Einfluß von Hauptſtädten, wie Wiesbaden und
Homburg, ganz erbärmlich und niederträchtig. Eine ſociale Reform, eine Beorz
beſſerung in unſeren geſellſchaftlichen Zuſtänden iſt nicht möglich, bevor nicht
das jetzk herrſchende Syſtem der Centraliſation abgeſchafft ſein wird. Die Cen-
traliſation berückſichtigt nicht die beſonderen Bedürfniſſe der Propinzen, der
Gemeinden und der Individuen. Die Aſſociation, die freie, die gleiche Verbin-
dung beruht weſentlich auf dieſer Berückſichtigung. Daher warxen Griechen-
land, Deutſchland, Gallien und alle anderen Länder zur Zeit ihrer Freiheit
Föderativ⸗Staaten, d. h. Staaten, welche durch einen gleichen Bund zu einem
großen Ganzen vereinigt wurden. Daſſelbe Geſetz der Freiheit und Gleichheit,
welches das gegenſeitige Verhältniß der Staaten ordnete, beſtimmte auch das
Wechſelverhältniß der Gemeinden und der Individuen. In Frankreich fängt


alten Eintheilung in Provinzen und Rückgabe einer gewiſſen Selbftſtändigkeit
an dieſelben den Zuſtänden Dauerhaftigkeit gegeben werden kann. Allein die
Schwierigkeiten, welche einer Rückkehr zu der naturgemäßen Provinzial-Einthei-
lung, zu der Föderation entgegenſtehen, ſind dort weit größer als in Deutſch-
land! Fur Deutſchland iſt, wie in allen übrigen Beziehüngen, ſo auch in der-
jenigen der ſacialen Reform der entſcheidende Augenblick gekommen. Die des-
potiſchen Staaten, welche durch ihre Eentraliſation den Despotismus am Mei-



ſten ausbildeten, müſſen in ihre Grundbeſtandtheile zerſchlagen werden: Preu-
ßen in die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schleſien, Thüringen,
Oberſachſen, Weſtphalen, Oberrhein und Mittelrhein; Oeſterreich in die Pro-
vinzen: Oeſterreich, Boͤhmen, Steiermark, Mähren, Illyrien und Tyrolz
Baicen in die Provinzen Baiern, Franken und Oberrheit! Auf der anderen
Seite müſſen die kleinen Staaten, welche durch ihre Erbärmlichkeit, ſowohl den
Befehlen der Großmächte, als den Privat-Intereſſen ihrer Fürſten gegenüber
ſich auszeichneten, zu größeren Maſſen vereinigt werden. Was ſollen Reuß-
Greitz, Schleitz und Loͤbenſtein, was Lichtenſtein, was ſelbſt Naſſau Braun-
ſchweig und Luxemburg als ſelbſtſtändige Theile Deutſchlands bedeuten? Frank-
furt a. M., Lübeck, Hamburg und Bremen ſind Hauptſtädte ohne Laud, die
drei Heſſen, die beiden Mecklenburg, Schleswig-Holſtein, Hannover und Olden-
burg ſind Länder ohne Hauptſtädte. Alles dieſes iſt gefehlt. Das Geſetz der
Föderation, der gleichen Ordnung und der freien Aſſociation führt uns zu fol-
gender Eintheilung Deutſchlands: * }

Preußen mit der Hauptſtadt Königsberg,

Brandenburg * u Berlin

Pommern —4— Stettin,

Mecklenburg 2 * Lübeck,
Schleswig-Holſtein„, Hamburg,

Niederſachſen * Bremen,

Schleſien —*— Breslau,

Böhmen \ 2 2 Prag,

Mähren W v D,

Oberſachſen 2 y Leipzig/

— — — — Erfurt,

Franken 4 Würzburg,

Die3 „ Frankfurt a. M.

Weſtphalen K N Münſter,

Niederrhein — Köln,

Oeſterreich — Wien,

Steiermark 2 Grätz,

Illyrien / Trieſt/ 2

Torol Ün 7 Innsbruck,

Baiern 2 * München,

Schwaben 2⸗ Stuttgart,

Oberrhein * Mannheim,

Mittelrhein 4 Mainz. — e

Dieſes iſt die natürliche Eintheilung Deutſchlands. Nur bei dieſer kann unſer Va-
terland ſich naturgemäß entwickeln, im Innern frei, nach Außen kraft vollwerden.
Jetzt haben wir zu gleicher Zeit die Mängel der Lentraliſation und diejenigen

des Partikularismus. Wir haben keine ganz Deutſchland umfaffende kräftige CEinz
heit und keine alle Theile Deutſchlands gleichfalls umfaſſende Berückſichtigung
der Local-Intereſſen. Ein organiſches Ganzes, d. h. ein Ganzes, welches in
allen Theilen ein geordnetes Leben beſitzt, kann Deutſchland nicht werden, ohne
eine natürliche Eintheilung in Provinzen.

Deutſchland.

Aſe Aus dem bad. Odenwald, 14. Juni. Waͤhrend in Frankfurt
am Main der Reichstag verſammelt iſt, um über das Wohl und Weh Deutſch-
lands zu berathen, um diejenigen Schritte zu thun, welche geeignet ſein wer-
den, die verzweifelte Lage des Mittelſtandes der armen Gegenden Deutfehlands
zu verbeſſern, und die Bewohner der Letzteren vor dem ganz nahe bevorſtehen-
den Untergange zu erretten; während ſchon oft in öffentlichen Blättern beſonders,
darauf aufmerkſam gemacht worden, in welchem Grade namentlich der babdifhr
Odenwald hülfsbeduͤrftig iſt, und wie vielleicht ihm, ohne Opfer für die Staats“


 
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