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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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Fall gebracht. Wird der „vaſſive Widerſtand! der preußiſchen Nationalvexr-
fammlung am Ende für Berlin die nämlichen Folgen haben? Schon ſeit meh-
reren Tagen befinden ſich hier die Ereigniſſe in der Schwebe, und es iſt noch


lung leiſtet „paſſiven Widerſtand“ und um die Mauexn Bexlin's ſammeln ſich
die Truppen des Königs; es laͤßt ſich eben ſo an, wie zu Wien. Der Wiener
Reichstag mußte mit dem „paſſiven Widerſtand“ ein Ende machen, als die ver-
derblıchen Maͤßregeln des Karfers offenkundig waren; er hat 0S icht gethan;
der Fehler hat fih furchtbar gerächt. In Berlin wiederholt ſich daſſelbe Ber-





und ihrer Würde verloren.

konnte ſie ſich damit begnügen, die getroffenen Maßregeln für ungeſetzlich zu
erklären. Sobald aber dieſe Ungeſetzlichkeit in eine wirkliche Verfolgung über-
ging, da mußte auch die Stellung der Nationglverſammlung eine andere wer-
den, da mußte der „paſſive Widerſtand, aufhören,

die Verlegung proteſtirte; ſie ließ ſich trotz der Vertreibung aus dem Schau-
ſpielhauſe nich: zum Aufgeben ihrer rechtlichen Stellung bewegen und iſt dadurch
‚einen Schritt weiter gegangen. Da aber hält ſie ſtill; ſie läßt ſich gedul-
dig von einemOrte zum andern herumjagen. Sie proteſtirt hier, ſie proteſtirt
dort; ſie erklärt die Miniſter als Hochverräther, ſie klagt ſte ein bei dem
Staatsanwalt.

Aber was will das heißen? Wenn ſich die Staatsgewalt durch fortwäh-
rende Ungeſetzlichkeiten ſelbſt außerhalb des Geſetzes geſtellt hatte, ſo war es
die nächſte Pflicht der Nationalverſammlung, ihr die Staatsmittel zu entziehen,
durch deren Anwendung ſie ihre Ungeſetzlichkeiten möglich machte, nöthigenfalls


ihres Gehorſams zu entbinden, ſie hat es nicht gewagt, die Steuern zu ver-
weigern, ſie hat es nicht gewagt, das Volk zu ihrem Schutze aufzurufen; ſte
verläßt ſich einzig und allein auf die freiwillige Unterſtützung der Provinzen.
Die Ereigniſſe ſtehen nun auf dem Punkte, wo es ſich entſcheidet ob wirk-
lich ein Kampf in Berlin ſtattfinden wird! Friedrich Wilhelm iſt auf denſelben
gefaßt, wir ſehen es aus den bisher getroffenen Maßregeln innerhalb der Stadt,
aus den Truppenzuſammenziehungen vor den Mauern; er iſt alſo wenigſtens
entſchloſſen, nicht nachzugeben.

Was werden die Berliner thun? Werden ſie den Kampf annehmen? Nach
der jetzigen Lage der Dinge können ſie es kaum mehr, ohne ſich in das Un-


Lereits die Möglichkeit eines günſtigen Exfolges abgeſchnitten. Wolltk die
Hauptſtadt unter den obwaltenden Verhältniſſen den Kampf verfuten, die Pro-
vinzen würden ſich mehr oder weniger zu einem paſſiven Verhalten beſtimmen
laſſen; ſie wurden entweder erwartungsvoll zuſchauen oder durch gewaltſame
Maßregeln von nachdrücklicher Unterſtützung der Hauptſtadt gehindert, jedenfalls
aber ſo lange geyörig in Schach gehalten werden, bis die Operationen gegen
die Hauptſtadt ein Ergebniß geliefert hätten. Berlin wäre rein auf ſich felbft
beſchraͤnkt; in den Provinzen bliebe es bei der bloßen Aufregung; Berlin würde
erdrückt werden, Das Beiſpiel Wien's beweist es. Laſſe man ſich nicht durch
die Demonſtrationen einzelner Provinzialſtädte, nicht durch die Gehorſamsver-
weigerungen einzelner Truppenabtheilungen täuſchen. _ Das Nämliche haben wir
in Wien geſehen; die Sache Berlins ſteht im gegenwärtigen Augenblicke keines-
wegs günſtiger als diejenige Wien's. So weit iſt es durch den fortwährenden
zpaſſiven Widerſtand“ der Nationalverſammlung gekommen. Die Bewohner


ſer dringen und ſie ihnen abnehmen.
Es bleibt ihnen nichts Anderes übrig, ſie müſſen ſich auf den „paſſiven


der König wird den Verſuch machen, nach ſeiner Art weiter zu regiercn. Die
Nationalverſammlung wird ſich, wenn es ihr noch gelingt, der Verhaftung zu
entkommen, in die Provinzen flüchten. Die Provinzen müſſen dann die
Rolle der Hauptſtadt ubernehmen; der Hauptſchauplatz der Bewegung iſt in die Pro-
vinzen verlegts Hier muß der paſſive Widerſtand ein Ende nehmen und in den be-
waffneten übergehen. } . '

Die Lage Berlins iſt demnach der Art, daß in dieſem Augenblicke bei dem Aus-
bruch eines Kampfes auf die unmittelbare Minwirkung dek Provinzen nicht zu
rechnen iſt, Berlin kann nur gerettet werden, wenn eg gelingt, die Provinzen
in die Waffen zu bringen. Und dies iſt nur in einem Fall möglich: Berlin
muß für den Augendlick die Folgen des „pafſiven Widerſtandes! der Na-
nonglverſgmmlung über ſich ergehen, und die leßtere in den Yıovinzen thälig
werden laſſen.



DOeutechtand.

T, Karlstuhe, 17. Novbr.

2 In der heutigen Sitzung der 2. Kammer
ſtellte per Abg. Kapxp den Antrag:







Die Kammer ſpricht ihre tiefe Entrüſtung aus über die unter dem Schein
des Geſetzes erfolgte Tödtung des deutſchen Volksvertreters Robert Blum, und
de dadurch vexübte offenbare Verletzung des Reichsgeſetzes über die Unverletz-
lichkeit der Reichstags-Abgeordneten. ;

Dieſer Antrag wurde angenommen, nachdem derjenige auf Verweiſung in


erhob, verworfen worden war.

LCarlsruhe, 16. November. Sitzung der 2. Kammer. ESchluß.)

Beff und v. Duſch ſuchen, was Kuenzer zuletzt ſagte, durch Anführung
von Thatfachen zu widerlegen. Es ſeien ſehr energifche Voͤrſtellungen an Frank⸗—
reich ergangen. (Wie kommt es, daß man davon feßt erſt hört? Dergleichen
pflegt doch ſonſt kein Geheimniß zu bleiben, und es lag nicht in der Gewohn-
hett des jetzigen Miniſteriums, Thatſachen zu verſchweigen die ihm einigermaßen
zum Ruhm gereichen konnten.) Frankreich ſei auch, bemerft Bekk weiter, ſei-
nen völkerrechtlichen Pflichten nachgekommen, es habe nicht wie die Schweiz
geduldet, daß an ſeinen Gränzen Wegelagerer auf die Gelegenheit lauerten,
einen Raubeinfallnin das dieſſeitige Gebiet zu unternehmen! Daß auch
Baden unter der Gränzſperre leiden werde, glaube er wohl. (Aber dennoch?)
Man dürfe deßhalb nicht mit Kleinigkeiten anfangen; man müſſe gleich ſo

n

vorfahren, daß der Zuſtand beiden Bölkern unerträglich werde. (Das

Auch die ſchärfſten Maßnahmen dürfe man darum nicht zurückweiſen!
Auch Junghans ſpricht ſich gegen Helmreich aus. Der Stolz des
Mannes beruhe auf der Selbſterkenntniß ſeiner Kraft und ſeines Werthes, und
müſſe ſich beſonders dadurch äußern, daß man auch ſeinerſeits kein Unrecht be-
gehe. Früher habe Deutſchland gegen Dänemark den Krieg beſchloſſen, und
mit Recht, denn Dänemark habe Deutſchland Unrecht zugefügt, und allgemeine
Trauer habe die Kunde von dem abgeſchloſſenen Waffenſtillſtand hervorgerufen.
Das Unrecht aber, das man von der einen Seite abwenden wollte, folle man
nicht auf der andern Seite ſelbſt begehen. — Wenn Einzelne heimlich die
Graͤnzen überſchritten und im verſchloſſenen Wagen hinübergebrachtworden, ſo habe
die Schweiz das nicht hindern können; ſie ſei ein Freiſtagt, kein Polizeiſtaat,
ſie habe keine Spione, wie monarchiſche Staaten. Wenn ſie dann Deutſchland
gegenüber eine ſtolze Sprache geführt, wer dürfe es ihr übel nehmen? Eine
freiheitsſtolze Natioy ſei in ihrein Recht, wenn ſie falſche Beſchuldigungen ener-
giſch zurückweiſe: Die Zurüſtungen aber, die man deſthalb gegen ſie mache,
feien ein Unrecht, das um ſo größer werbe, wenn es, wie hier, mit andern
Uebeln verknüpft ſei. Habe die Centralgewalt kein Geld, um aus eignen Mit-
teln die Koſten ihrer kriegeriſchen Maßregeln beſtreiten zu können, ſo ſolle ſie
dieſelben nicht auf Koſten eines Landes unternehmen, das dadurch ausgeſaugt
werde. Das ſei ein doppeltes Unrecht.
Bekk appellirt entrüſtet an die öffentliche Meinung alg ob die Zeiten für
Deutſchland ſchon gekommen wären, wo dieſe miniſteriell ſein könnte, und Schaaff


der Schweiz rechtfertigen will. Auf dieſe Art werde die deutſche /Freiheit“
nicht gekräftigt. (3wiſchenruf: Waffenſtillſtand! Windifh-Orag!l) ;
DBlanfenhorn hat wiederum das Vergnügen, einige Petitionen gegen
die Kammerauflöſung anzeigen zu können.
Belte mahnt nochmals zum baldizſten Vollzug des Amneſtiebeſchluſſes, von


täglich von neuen Verhaftungen höre. Dem Argwohn, der bereits hier und
dort wach werde, als wolle die Negierung in der früher beliebten Weiſe ſich an
die Beſchlüſſe der Kammer nicht kehren, möge man durch ſchleunigen Vollzug
begegnen, Er verlangt ſofortige Auskunft über die Abſichten der Regierung in
dieſer Sache. *
Bekt entgegnet, dieſe würde alsbald erfolgen können, wenn der Chef des
Juſtizdepartements zugegen wäre. Dieſer erſcheint zwar ſpäter, die Ausfunft


Die Kammer geht nunmehr zur Berathung des Geſetzes über die Beſol-
dung und Penſionirung der Staatsdiener über. Da dieſeibe jedoch auf Ver-
langen mehrerer Mitglieder noch vor Beendigung der allgemeinen Distkuſſion
unterbrochen und auf die nächſte Sitzung vertagt wurde, werde ich Ihnen
morgen über das Ganze berichten.

Offenbach, 15. Nov.

zu Wien mit allgemeiner und tiefſter Entrüſtung aufgenommen. BLum war
einer jener Männer, deren die ganze Geſchichte wenige aufzuweiſen vermag, ein
Vorfechter religiöſer und politiſcher Freiheit und ein waͤhrer Freund des ge-
drückten, unglücklichen Volkes. Mit ihm verlor ſeine trauernde Familie den
Bater, ihre Stütze, ihren einzigen Reichthum. Ein als Reichsgeſetz veröffent-
lichter Beſchluß des Reichstags geſtattet eine Gefangennahme ſeiner Mitglieder
nur bei Ergreifen auf friſcher That, oder nach ſeiner Zuſtimmung. Nach ihm
war Blum unantaſtbar, wie ein gekröntes Haupt. Aber man holte ihn aus
ſeinem Gaſthof und führte ihn zum Tode. Seine Richter, ſowie der Befehloͤ—
haber, der ſein Todesurtheil unterſchrieb und vollſtrecken ließ, ſind Hochber-
räther! In Erwägung deſſen beſchloß der vaterländiſche Verein einſtimmig:
1) &s ſolle eine des Gemordeten würdige Todten-Feier an hieſigem Orte ver-
anlaßt werden, und überweißt man die Vorbereitungen dazu ſofort einem Aus-
ſchuſſe aus dem Berein. 2) Es wird eine Kreuzerſammlung zur Unterſtützung
von Blum's vexwaiſter Familie eröffnet, und zwar in der Weiſe, daß an al-
len öffentlichen Orten Büchſen aufgeſtellt werden, die das Volk zugleich daran
erinnern ſollen, daß es einen Blum verloren hat, und ſeinem Opfer nur mit


eine Volksverſammlung berufen und darin eine Zuſchrift an den Reichstag vor-
gelegt werden, in welcher dieſer aufzufordern fet dazu, daß er gegen die Rich-
ter Blum's und gegen den Unterzeichner ſeines Todesurtheils ſofort eine An



 
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