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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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Ertra- Beilage zur






Abendzeitung.










— —

3⸗
















Deutſchland.

je, 17. November. Sitzung der 2. Kammer.
en von vielen Stimmen habe ich die Ehre, einen Antrag
bringen, vor dem alle Parteifragen ſchweigen, und mein
renhaͤftigkeit und ſittliche Kraft der Vertreter des badiſchen
ie nahezu einſtimmige Beiſtimmung erwarten. Zwei Rufe
äglich in dieſem Saal ertönen, der Ruf nach Vertrauen,
der Stolz der Nation erwachen möge. Vertrauen iſt be-
hen. Ich werde eine Thatſache zur Sprache bringen, die
itſchland kund ward, eine Tpatſache, ſo laut ſprechend, daß
furter Parlament, nicht nur in ſtändiſchen Verſammlungen,
ch von Seiten vieler Städte Deutſchlands der Schrei des
itrüſtung ihr antwortete. Sie können nicht darüber im Zwei-
ich meine — es iſt die ſogenannte Hinrichtung — ſagen Sie

izmord an Robert Blum. _

„er teihlt hierauf die in den öffentlichrn Blättern enthaltenen Nach-
dieſes Attentat mit, namentlich einen Artikel aus der ſehr vorſich-
beſenders in Bezug auf Oeſterreich oft nur allzubedenklichen Augs-
Algemeinen Zeitung, wonach die Tödtung Blums nicht eininal durch
terreichiſche Standrechtsgeſetz gerechtferrigt iſt, und liest alsdann das von
Mationalverſammlung erlaſſene Geſetz vor/ wornach keines ihrer Mitglieder
gerhaftet oder auch nux zu einer ſtrafrechtlichen Unterſuchung gezogen werden
darf, er ſei denn auf friſcher That ertappt worden, in welchem Falle jedoch


Ein Ergreifen auf friſcher That, fährt hierauf Redner fort, hat hier nicht


Der öſterreichiſche Unterthan fügte ſich nicht den Beſchlüſſen der deutſchen
Reicheverſammlung, und ich ermatte namentlich von denjenigen, welche in die-
ſem Saale immer nur die Einheit, die einheiiliche Kraft und Größe Deutſch-

eytgegentritt; tritt nicht Stärke auch gegen die Stärke auf, ſo iſt die Behörde
gleich. einem Bedienten der gegen Geringere brutal, kriechend gegen Mächtige
iſt. Es iſt alſo eine Frage des Vertraͤuens und des Selbſtbewuͤßtſeins der


2

* handelt ſich dabei nicht um die Perfon, e& haͤndelt ſich lediglich um die


Nerals. Sagern, welchen DHr., v. Seiren als Meuchelmord darzuſtellen ſich be-


ſchen Formen, begangen an einem Bertreter des Volks. Indeſfen haben ſich
auch Stimmen vernehmen laſſen, in Privatkreiſen und Flußſchriften, die über
die That aufiubelten, in der Zuverſicht, daß es nun ſo wetter gehen, daß man
in gleicher Weiſe verfahren werde gegen alle Vertreter des Foͤlté, die ihrer


Eiferſüchtig ſind des Schickſals Maͤchte
* Voreilig Jauchzen greiſt in ihre Rechte.

Dieſe That iſt nur eine kleine Offenbarung des innern Geiſtes, der Deutſch-
land von allen Seiten bedroht.
Deutſchlaud hereinbrechen ſoll, das man nun wie einft mit Huͤlfe der Baſch-
liren ſo jetzt, wie es ſcheint, mit Hülfe der Kroaten au“ ſeinen alten Stand-


Vtrtrauen! wird öffentlich gemordet; unter der Aegide der Monarchie der


herr herzuſtellen vorgibt Plünderung und Gräuel der Kroatenhorden.

in jener That ein Hohn gegen die Einheit und Kraft Deutſchlands, ein Hobn

der Juſtiz ein Hohn gegen alle wahre Politit. ; ‚ .
Die Revolution beginnt von oben herab. Mit dem Mord läßt ſich


Aufſtehen nicht Durch ſolche Eermonien foll ein ſolcher Tod in diefer Zeit ger
feiert werden. Mein Antrag lautet vielmehr wie foigt:


des Gefetzes erfolgte Ermordung des Voltsvertreters Nobert Blum
und die dadurch gerübte offenbare Verlctzung des Reichsgeſetzes über die Un-


er (Präſident) ſonſt im Stande geweſen wäre, wichtige Mittheilungen in die-
Sachs unterſtützt Kapp's Antrag, worauf —
Zittet das Wort ergreift um, die Verweiſung deſſelben an die Abtheilun-
gen vorzuſchlagen. Es freue ihn, bemerkt er dabci, daͤß gerade der Antrag-
ſteller es lei, der jetzt das „Geſetz zum Schutz der Nat. Vetſ.“ gewahrt wiſſen
wollt. Der Fall haͤbe ihn tief erſchüttert, aber nichtsdeſtoweniger halte er für


mache, bevor ſie einen Beſchluß faſſe. Aehnliches ſei auch von einer entgegen-
geſetzten Partei begangen worden; was er auf der einen Seite beklage, beklage
er auch auf der andern. Wenn eine entſetzliche Reaction erfolge, ſo ſei dieß
nur der Gegendruc gegen die Beſirebungen der Anarchiften,


der erweiſung an die Abtheilungen zu faſſen.
Er ſei der Anficht, daß za8 der Nat.Verſ. überlaſſen ſolle, die geeig-














— —

Kuenzer bemerkt, daß er von dem vorigen Sprecher einen Antrag er-
wartet habe.

Präſident bedeutet ihm, der Antrag desſelben gehe auf Uebergang zue
Tagesorduung, was Zell nicht widerſpricht.

Die für dieſen Antrag angeführte Gründe, bemerkt Kuenzer weiter, er-
ſchienen ihm nicht ſtichhaltig. Von den beiden vorhergehenden Rednern wurde
der Gegenſtand von ihrem Parteiſtandpunkt aug betrachtet. Ich will ihn nicht vom
Standtpunkt der Partei aus betrachten, der ich angeböre, ſondern vom einem


Vexletzung der Reichsgeſetze. Ich ſtimme daher für Kapp's Antrag und glaube, daß
Keiner, dem die Einheit Deutſchlands am Herzen liegt, dagegen ſtimuien wird.

Junghannns. Ein gräßlicher Mord iſt vor den Augen von ganz
Deuiſchland begangen worden. Ein Gewalthaber des Abſolutismus zerriß mit
frecher Hand die Geſetze der Nationalperſammlung, und ermordete eines ihrer
Mitglieder. Ich ſetze den Fall, daß ein Fürſt ermordet worden wäre unter
entgegengeſetzten Umſtänden — würden Sie dann wohl den Gegenſtand an die
Abtheilungen verweiſen? Würden Sie darüber zur Tagesordnung übergehen?
Ich glaube es nicht. Vielmehr würden Sie ſich wohl ungeſäumt erheben, um
ihre Entrüſtung auszuſprechen. Eine gleiche Frevelthat wird begangen, wenn
ein Abgeordneter der Nation, wie hier geſchehen, ermordet wird. Ich erwarte
deshalb, daß ſie die Sache nicht auf dem langen Wege durch die Abiheilungen
hinſchleppen, daß Sie vielmehr ſogleich Ihre Entrüſtung ausſprechen werden.

Chriſt beleuchtet die Sache vom rein juriſtiſchen Geſichtspunkt, indem er
das Reichsgeſetz vom 29. Sept. nochmals verliest und nachweist, wie In jedem
Fall gegen die Beſtimmungen deſſelben gehandelt worden iſt. „Alle Parteifra-
gen ſchweigen vor der einen, furchtbaren Tyatſache, daß im Namen eines Gerichls
das Höchſte, was ein Richter kennen ſoll, das Geſetz nicht geachtet worden.“

Brentano. Ich kann kaum meine Empörung darüber unterdrücken, daß
in dieſem Hauſe der Antrag auf Tagesordnung geſtellt werden konnte. Ein





erſt an die Abtheilungen zu verweiſen, um ſo mehr, da wir den Vorgaͤng an-
derer Ständeverſammlungen vor Augen haben. — Auf Tzſchirners Anregung
hatte das ſächſiſche Miniſterium den ſächſiſchen Geſandten in Wien aufgefor-
Die Aufforderung


die öſtreichiſche Regierung ergehen laſſen; dieſelbe blieb unbeantwortet. So tritt





freundeten deutſchen Bundesregierung entgegen., n ‘ .
Die ſächſiſchen Vertreter haben ſofort einftimmitg beſchloſſen, daß der Gra


fordern ſolle.
— Ich bitte Sie, laden Sie nicht durch dieſen Beſchluß den Schein auf uns,
als hälten wir uns geſcheut, heute ſchon unſer Urtheil zu ſprechen. Für den
Fall aber, daß die Verweiſung an die Abtheilungen dennoch beſchloſſen werden
ſollte, beantrage ich, über diſfelbe namentlich abſtimmen zu laſſen, damit das
Volk ſehe, ob noch mehrere Mitglieder in dieſer Berſammlung ſitzen, die auf
Tagesordnung antragen! (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

Schmitt ſpricht ſich gegen Zell und für die Verweiſung an die Abtheilun-
gen aus, worauf Zell ſich bemüht, ſeinen Worten einen etwas geänderten

Zittel hat unterdeffen Kapps Antrag genauer geleſen und bemerkt nun,
es ſei, wie er jetzt ſehe, unnöthig, denſelben erft an die Abtheilungen zu ver-
weiſen. Indem er denſelben nochmals verliest, erheben ſich von 'der rechten
Seite mehrfache Reklamationen gegen den Ausdruck,Ermordung“, wo-
rauf Zittel ſeinen Antrag zurückzieht und ſich mit Kapp einverſtanden erklärt,
falls derſelbe anſtatt „Ermordung“ — „Tödtung“ ſetzen wolle.

Lamey iſt zwar der Anſicht, daß Kapp, indem er ſeinen Antrag ſo uner-
wartet und ohne vorherige Vereinbarung mit den übrigen Mitgliedern des Hau-


gewiſſermaßen moraliſch zu nöthigen geſucht, ihm beizuſtimmen. Uebrigens er-
klärt er ſich für ſofortige Annahme des Kapp'ſchen Antrags ohne weilere Be-


in Wien recht abſichtlich habe zeigen wollen daß ıman Zentralgewalt uuͤd Na-
tionalverſammlung nicht achte. 2

Schgaff hedauert, daß Zittel ſeinen Antrag zurückgezogen.
ihm, als habe ſich derſelbe durch die vorhexgehenden heftihen Reden einfchüch-
tern laſſen. Man ſpreche von Mord und kenne doch nur die That und nidt
ihre Motive. Welche Privilegien wollen denn die Abgeordneten der National-
Vor dem Standrecht
ſchweigen alte Privilegien! Man möge ſich nicht vom augenblicklichen
* hinreißen laſſen und deßhalb den Gegenſtand an die Abthellungen ver-
weiſen.


niß aller Kammerglieder gebracht haben und ſpricht ſich dann über die vorlice
gende Thatſache ganz im Sinn ſeiner bei der Amneſtieverhandlungen gehaltenen
Rede aus. Auch ich, ſagt er unter Anderem, beklage die raſche That, doch
ſehe ich in ihr nur eine raſche, keine freche, keinen Mord. Sie ſchöpfen ihre Kenni-
niß der Thatſachen nur aus ſogenannten liberalen Blättern. Auch die Quellen
der Augsburger Allgemeinen Zeitung ſind neuerdings ſehr gttrübt. Auf Corre-
ſpondenzartikel und einen Kammerbeſchluß hin, der auf tumultuariſche Weiſe zu
Stande kam und deßhalb keinen Anſpruch auf Achtung hat, wollen Sie dieſe
Thatſache beurtheilen und vergeſſen, daß Wien eine revolutisnäre Stadt war,
daß es mit Sturm genommen und das Standrecht daſelbſt verkündigt wurde.
Wir können ſomit nicht ein allgemeines Geſetz, das die deutſche National-
verſammlung für gewöhnliche Zeiten gegeben, bei Beurtheilung dieſes Falles


*


 
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