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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 209 - No. 234 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0913

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2











1848,




















— —

* Der Verrath der deutſchen Sache in Schleswig-Holſtein.

So ift dem drutſchen Volte wieder einmal die Binde gewa tfam von den
Augen geriſſen worden; ſo mußte es durch eine neue, ſchreiende aſo4 wie-
dereinmal aus dem Vertrauenstaumel aufgejagt werden, in welchen es nach
ſo vielfachen herben Erfahrungen, nach ſo zablloſen Treubrüchen, nach ſo 4
deutigen Beweiſen der unvertilgbar erbſeindlichen Geſinnung ſeiner atgſtemmten
Dränger immer wieder und wieder verfiel! Brauchte 8 noch den — des
Waffenſtillſtands“ in Schleswig-Holſtein, um ſich darüber klar zu werden, daß

bisher ei Weg nimmermehr zu einem andern Ziel ge-
eg auf dem bisher eingeſchlagenen Weg „einem an {
langen wird, als fort und fort g fucchtet und zerfreten im Innern, geſchändet
nach Außen, immer und immer die Züye, das der Kinderſpott
aller freinden Nationen zu bleiben? Wahrlich, wem dieſer Ausgang unerwar-
tet Fam, über deſſen Augen mußte der Bertrauensnebel ſich ſchwer gelagert ha-
ben., Oder war e8 bereits pergeſſen, wie, man die Blüthe der Schleswig⸗Hol-
ſteiniſchen Jugend im Angeſicht des unthätigen preußiſchen, Heexes voͤm überle-
genen Feinde hinſchlachten ließ? Hatie man die berüchtigte Wildenbruch'ſche
Note vergeſſen worin die eigentliche Juͤtention, welche die größte deutſche Macht
Lei dieſem deulſchen Nationalfrieg hegte, mit ſo ſchamloſer Offenheit ausgefpro-
chen war? Was Iag der deutſchen Großmacht an Deutſchlauds Ehre und In-
tegrität, was an dem Schutz Lines deutſchen Landes gegen den Uebergriff einer
fremden Gewalt? Die republikaniſchen Beſtrebungen waren e6, gegen welche
man eigentlich zu Zelde 30g, und debhalb mußte die dem republikanifchen Geiſt
am meiſten zugängliche, Jugend verrathen und niedergemetzelt werden! Und
mußte denn die jämmerliche Art, wie der Krieg betrieben wurde, der einer Flucht
ähnliche Kückzug, des ſiegreichen preußiſchen Heeres, die Preisgebung der
Perſon und des Eigenthums deutſcher Privaten und daͤbel der Verzicht auf jede
gerechte Entſchadigung?) nicht auch dem blödeſten Auge den Berrath enthüllen ?
Vas ftaunt Ihr nun, da die königlich preußiſche Politik doch nur die Larve
wegwarf, hinter welcha fie oft genug hervorgeblickt, um ihre wahren Züge von


des Unwilens %” Iſt doch die preußiſche Labinets politit fonfequent! Wer
die Geſchichte der deutfh-franzöfifhen Kriege in den Neunziger und in den erſten
zehn Jahren dieſes Jahrhunderts kennt, der weiß, daß dieß nicht der erſte Ver-


gierung, war von jeher bereit, die Yntereffen des Geſammtvaterlandes Preis zır
geben um ſich ſelbſt zu ſichern oder zu vergrößern!

Aber es iſt nicht Preußens Handlungsſweife allein, die wir hier im Auge
vorgegangen, worüber man etwas
mehr ſtaunen darf, als über einen von der Krone Preußen begangenen Landes-
verrath an Deutſchland. Dahin gehört das abfolute Unterfangender noch ſo
jungen Centralgewalt, die ohne Gegenzeichnung eines verantwortlichen Mini-
ſters eine Vollmacht an den König von Preußen ausſtellt, in ihrein Auftrag!
den Waffenſtillſtand mit Dänemart abzuſchließen. Zur Vergeltung wird ſie
von ihrem Bevollmächtigten beim Abſchluß voͤllig ignorirt; Letzterer verhandelt
im Namen eines gewiſſen „deutſchen Bundes“, und tie Centralgewalt erhält
den Bericht von dem Vollzug ihres Auftrags bruchſtückweiſe — durch gütige
Privatmittheilungen! Ihr Beauftragter hat die ihm ertheilte Vollinacht
überſchritten, und das verantwortliche Minifterium der ſo ſchnöde gekränkten
Centralbiederkeit vexlangt unter Androhung feines Nücktrittg — das Gutheißen
jener frechen Ueberſchreitungen!“ 2
Und die Nationalverſammlung? Uneingedenk, daß ſie in der Art, wie ſie
jetzt beſteht, ihre einzige Stütze in der ftark national gefärbten liberalen
geoiſie hat, ſchlägt dem Naltonalgefühl fo ſtark ins Geſicht, daß ſte einen
VWaisſſchen Antrag annimmt und die Siſtirung des Zurückzugs der Truppen
mühſam mit einer winzigen Mafoͤritaͤt noch durchgebracht wird. Und nun wollt
Ihr ſchon wieder in Jubel ausbrechen, darüber daß ein Reſt von Schamge-
fühl der Sache der „deutſchen Eyre“ eine Majorität von 17 Stimmen zu
Wege brachte! Habt Acht!
gern, ſendet Eilboten aus nach allen Richtungen der Windroſe,
ten zuſammenzutrommeln, ihre Zahl iſt ſtart genug, um jene Majorität zu
überbieten.

Und Hr. Baſſermann, der große Staatskünſtler? Er durfte der ſouve-
ränen deutſchen Volksvertretung Furcht predigen; wo es galt, „Deutſchlands
Ehre zu wahren‘, Furcht vor einem übermüthigen, verraͤtheriſchen Vaſallen!
Dieſer Baſſermann, der ſo gerne den Röinet ſpielte und ſich mit Brutus
Lerglich, wie ſo ganz und gar erbärmlich iſt er gegenüber jenen römiſchen
Bolfgvertretern, die ihre Berathungen nicht unterbrachen auf die Nachricht,
daß Hannibal den Thoren ſich nahe; die auf ihren kuruliſchen Stühlen ſitzend
den Toxesſtreich von den Schaaren des Brennus erwarteten! Er getraut ſich
nicht, Preußens Benehmen zu befhönigen ; er bemüht ſich nicht einmal, irgend
einen larmſeligen ſophiſtiſchen Grund aufzutreiben, um der Verſammlung die Bil-
ligung des Geſchehenen cinigermaßen plauſidel zu machen; nein, er ſagt gera-
dezu: Preußen hat nun einmal ſo zu handeln beliebt — wie könnten wir es
wagen, nicht gutheißen zu wollen, was Preußen thut? Er proklamirt
die Feigheit inmitten der deuͤtfchen Nationalverſammlung. Und dieſe, ſtieß
ſie ihn etwa mit Schimpf und Schande aug ihrer Mitte? — Nein! Es hätte
Eg —4 den Sieg davongetragen. Und ſie,
die ſeiner Zeit in ihrem wohlfeilen Wortheldenthum“ ſich ſo behaglich brüſteten,





Naiſchlächtereien in ihrem Eigenthum
zu wahren! -



















ron — ſie haben abermals geſtimmt mit der Feigheit, mit dem Landesver rath!
Sollte Preußens Krone aus eigener Machtvollfommenbeit - für Deutſchland
handeln, wie etwa ein Bormünder einen Rechtsſtreit ſühri für ein unmündiges
Kind — um diele Einheit zu erzielen, hätten wir waͤhrhaftig keine Nevolu-
tion gebraucht. Sollte die Ehre und Wohlfahrt des Gefammtbaterlandes nach
wie vor vor dynaſtiſchen Sonderintereſſen zurücftehen, fo bedüurfte e& nicht
des großen nationalen Aufſchwunges, nicht der Einheitsbegeiſterung, welche
man gegen republikaniſche Sonderbeſtrebungen ſo geſchickt zu hetzen wußie.


der Einheitsgedanke lebt in ihm, ſein Nationalgefühl iſt erſtarkt — und fo fann
es nur erſprießlich ſein, daß dieſe Beleidigung deſſelben der faſt bis zur Stag-
nation erlahmlen Bewegung einen neuen, kräftigen Anſtoß giebt, der denjenigen

( \ die ſo tolldreiſt ihn verantaßten! Sie haben
ſich ibre Grube ſelbſt gegraben. Zwei Fälle ſind nun möglich; entweder bleibt
die Majorität auf Seiten derjenigen, welche die Siſtirung der Truppenzurück-
ziehung beſchloſſen, dann darf die Nationalverſammlung nur den betretenen Weg
mit Conſequenz verfolgen, um immerdar auf die thatkräftige Sympathie der
unendlichen Majorität der Nation rechnen zu können; oder aber die preußen-
fürchtige Partei verſtärkt ſich und maͤcht den gefaßten Beſchluß rückgaͤngig
dann mögen die 238 — aus einex Berfammlung ſcheiden, welche die Ehre wie
die Freiheit des Vaterlandes mit Füßen tritt, ſie mögen an das VB olk aypel-
liren und das Volk wird mit ihnen fein. —

Das Volk von Schleswig-Holſtein aber, das zunächſt von dem Verrath


bei der Wurzel ausreißen — e8. ruft nach Nepublik. Wohlauf denn, du Bolf -
von Schleswig-Holſtein, ſchreite keck voran auf dem betretenen We>, und Deutſch-
lands Jugend wird zu Hunderttauſenden Dir zuſtrömen „zu fechten für Deine
heilige Saͤche; denn jetzt iſt dieſe Eins geworden mit der Sache der Freiß it,
jetzt iſt es eine Freude, in den Kampf zuͤ ziehen für Schleswig-Holſtein und





AA. Sitzung der konſt. Nationalverfammlungg.
Freitag, den S. September 1848 — e
Nach Verlefung „und Genehmigung des geſtrigen Protokolls verkündigt Praͤ⸗




auf Compes, Rießer,
Flotte ſind Gelder eingegangen, ein Miniſtexium iſt noch nicht ernaunt! ;

v. Kappa D theilt über die ſchleswig holſteiniſchen Verhältniſfe Folgendes
mit: Der befannte Antrag des Landvogts Jeuſen fet einſtimmig angenommen
und ferner beſchloſſen worden, der Nationalverſammlung und der Centralgewalt
dieſen Beſchluß ſowohl, als die Urſachen mitzutheilen warum der Waffenſtilt-
ſtand unannehinbar ſei. Weiter haͤbe man ſich vereinigt, keiner Regierung zu -
gehorchen oder Steuern zu zahlen, aͤls der proviſoriſchen. Die Milglieder der
heuernannten Regierung hätten ſich geweigert, mit dem Grafen Moltke in einem
Kollegium zu ſitzen. Diefer habe die Hülfe der proviſoriſchen Regierung nach-
ſuchen müſſen, ſein Gut ſei vom Volkẽ umzingelt und gleichfam belagert; das
holſteiniſche Militär habe zum Theil den preußiſchen Offizieren den Gehorſam
gefündigt (Hört!) Das Volk habe beſchloſſen, den Krieg auf eigene Hand ohne
A Der Geiſt der Aufregung fange
an, den Bundestruppen ſich mitzutheilen (Sravoy, für den Handel drohe die
größte Gefahr, deßhalb ſtelle er mit einigen Genoſſen die Fraae an die vereinig-
ten Ausſchüſſe, ob ſie nicht bis morgen Bericht erſtatten könnten. A

Zachariä. Noch immer fehle es an den verſprochenen Aktenſtuͤcken, der Aus-
ſchuß werde ſein möglichſtes thun,

Heckſcher wiederholt die Verſicherung,
beſchleunigt werden ſolle. Spricht wieder
chlüſſen u. f. w.

Schoder ſchlägt
Bericht zu erſtaten. .

Wurm: Bis geſtern Nachmittag 4 Uhr habe er keine Zeile weiter erhal-
ten, als was vor einigen Tagen veltheilt worden. Auf beſondere Bemühung
habe er endlich noch drei gedruͤckte Boͤgen, weiter
(Hört! Hört!) - ‚ . ; *

Wigard beantragt, das Bureau zu beauftragen, zu unterſuchen, worin die
Säumniß in der Druckeret liege (Alfeitige Zuſtimmung.)

Präſident macht Schwierigkeiten. Ra

Wigard's Antrag wird zahlreich unterſtützt und mit großer Majorität an-
genommen. — —

Dian geht zur Tagesordnung über und Löwe caus Kalbe) erhält das Wort
über $ 14 der Grundrechte. Er hebt hervor, wie die Zeit des religiöſen Fa-
natismus jetzt, und hoffentlich für immer vorüber ſei. Der Ausſchuß habe ſich
die Kirche möglichſt zu befeitigen, {o
lange aber die Kirche unter dem Schutze des Staaͤts ſtehe, ſo lange ſtehe fie
guch unter deſſen Geſetzen. Unter den vielen zu beſeitigenden Uebelſtänden be-
finde ſich auch das Patronafrecht, das aufzuheben ſei, wenn die Kirche ſelbſt-
ſtändig werden ſolle; dies könne man Niemand anderen zutheilen, als den Ge-
meinden ſelbſt. Widerlegt die Behauptung, dies ſtehe mit den Vorſchriften der
latholiſchen Kirche im Widerſpruch. Uebrigens fei das Maß der eigenen Er-
kenntniß das Maß der Freiheit, und eine Gemeinde, welche von dem Recht der
Vaͤhl ihrer Geiſtlichkeit keinen Gebrauch machen wolle, ſet ja ungehindert, ihre
Geiſtlichen vom Biſchof ernennen zu laſſen. — Wenn er alſo keine ſtaatliche
Einmiſchung in die kirchlichen und religioͤſen Verhältniſſe wolle, ſo verlange
er aber dagegen, daß auch die Kixche nicht verlange in den Staat einzugreifen,
ſich das nicht anmaße, was ihr nicht zugehöre, — Die Schule, Diefe fet Sache

daß der Druck der Papiere möglichſt
von ſchleunigen und voreiligen Be-




 
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