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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 261 - No. 286 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1228

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Deutſchland.

Mannheim, 27. November. So hätten wir alſo in Heſſen-
darmſtadt das Beiſpiel eines neuen Wahlgeſetzes; unſere Conſtitutionellen jubeln
ind nennen das die „bretefte demokratiſche Baftıds.v Sieht man dem Ding aber
twas genauer auf den Grund, ſo erweiſt ſich, daß dieſe „breiteſte Baſis“ einen
iußerordentlich ſchmalen Raum einnimmt. Demokratiſches iſt weiter nichts an
zem ganzen Geſetz, als die direkte Wahl und das allgemeine Stimmrecht; da-
zegen iſt durch eine Menge Beſchraͤnkungen darauf hingearheitet, dieſe beiden
Voͤrtheile ſo viel als möglich unwixkſam zu machen. Untex einer conftitutionellen
Monarchie auf breiteſter demotratiſcher Baſis, ſo unſinnig das Ding auch iſt,
hahen wir uns bis jetzt noch nichts Anderes denken können, als eine Verfaſſung, in
velcher durch die Perfon des Fürſten an der Zpitze des Stagtes dem monar-
hiſchen Prinzip Genüge geleiſtet werden, im Nebrigen aber jeder volljährige
Staatsbürger ohne 45 Unterſchied zur gleichen Theilnahme au der Mit-
egierung berechtigt ſein ſolle.

* 8 * * aber die Gleichbeit der Bürgex beſchraͤnkt: 1) durch die
Errichtung einer erſten und zweiten Kammer, 2) durch Feſtſetzung eines beſtimm-
ten Alters für das Stimmrecht, 25 Jabr; 3) durch Feſtſetzung eines beſtimm-
ten Alters von 30 Jahren für die Wahlfähigkeit in die zweite, 4) duͤrch Feſt-
ſetzung einer noch höheren Altersſtufe, 40 Jahr, für Wahlfähigkeit in die erfte
Kammer. Der Grundſatz für die Trennung In erſte und zweite Kammer iſt —
das Vorrecht des Capitals; zwei Kammern müſſen es alſo ſein, wenn keine
Adelskammer, doch dafür eine Geldkammer. Wer 100 Guͤlden Steuer, oder
wenn er Staatsdiener, Advocat oder Arzt iſt, 50 Gulden bezahlt, nur der hat
das Recht in dex erſten Kammer zu ſitzen, die 40 Jahre nicht zu vergeſſen.
Die großh. heſſiſche Regierung hat wohlweislich dafür geſorgt, daß ſich kein
„jugendlicher Einfluß“ in die Staatsangelegenheiten miſcht! ſie hat die erſte
Kammer zur zweiten recht hubſch in ein vormundſchaftliches Verhältniß geſtelit,
ganz abgeſehen von dem zum Eintritt in die letzteren erforderlichen Alter. Mö-
gen alſo immerhin die 50 jugendlichen Naturen der zweiten Kammer ihrem Frei-
heiteſinn einen gehörigen Lauf laſſen, die 25 geld- und ſtellenbedürftigen Vor-
münder der erſten Kammer werden ſchon jede Ausſchweifung zu verhindern und
dem etwa zu hoch ſtrebenden Schwung des Geiſies die Flügel zu ſtutzen wiſ-
ſen. — Es camotirung des Volkswillens durch Alters- und Geldherrſchaft, das
iſt der Grundgedanke des conſtitutionellen Wahlgeſetzes auf breiteſter democrati-
ſcher Baſis.
— #)) Maunuheim, 27 Nov. Es klärt ſich jetzt nach und nach auf, wie
Friedrich Daniel das Bild von den Zuſtänden Berlin's, das er der ſogenann-
ten Nationalverſammlung zu Frankfurt vorzulegen beliebte, ſich zuſammengeſetzt
hat. Er wußte ſich als Privatperſon bei einzelnen Abgeordneten einzufchleichen,
hat in Privatunterhaltungen die perſönlichen Anſichten dieſer Abgeordneten aus-
gekundſchaftet und iſt mit dem in ſolcher Weiſe geſammelten Schatze von Erfah-


Nationalverſammlung in offiztellem Berichte durch die übertriebenſten Erdich-
tungen zu verdächtigen. Die verſchiedenen Erklärungen, die jetzt von Berlin in


außer allen 3weifel. Die Abgeordneten Berg und Rodbertus bringen folgende
von 200 Mitgliedern der preußiſchen Nationalverſammlung unterzeichnete Adreſſe
nach Frankfurt:
Hohe Verſammlung!

Der Herr Unterſtagtsſecxetär Baſſermann hat in der 118. Sitzung der deutſchen
Reichsverſammlung über ſeine Sendung nach Berlin Bericht erſtattet. Wir
verſchmähen es, mit Hrn Baſſermann darüber zu rechten, wie und wo er ſeine
Anſchauungen von der Phyſtognomie der Stadt, von der Haltung der Bevöl-
krung, gegenüber den Gewaltſtreichen der Regierung, gewonnen hat. Der 9.
Nov. iſt fchon der Geſchichte anheimgefallen! Der Preſſe mag es überlaſſen
ſein, nachzuweiſen, daß Hrn. Baſſermann's Schilderung bis in die kteinſten
Züge falſch iſt. Wenn aber ein Beamter des Reichs übek ſeine amtliche Thä-
tigkeit die hohe Verſammlung mit ſo folgenſchweren Unwahrheiten zu hinterge-
hen ſucht, ſo wäre Schweigen ein Verrath an der heiligen Sache, für die wir
im ehrlichen Kampfe ſtehen und fallen, die wir aber nicht meuchlings wollen
morden laſſen. Wir Unterſchriebene erklären daher: „daß Hr. Baſſerniaun, als
Abgeſandter der deutſchen Centralgewalt, mit der preüßiſchen Nationalverfamm-
Iung, oder mit den zurückgebliebenen Deputirten, wie er ſich auszudrücken be-
liebt, gar nicht unter handelt, zu unter handeln nicht einmal ver-
Seine ganze Thätigkeit in dieſer Richtung hat ſich, ſo viel wir.
durch die ſorgfältigſte Nachforſchung haben ermitteln können, darauf beſchränkt,
daß er unter der ausdrücklichen Erklärung, er komme alg Privatmann, dem


. Unruh unausführbaren Vorſchlag geäußert, und daß er bei Gelegenheit e—


über. die Bedingungen einer Transaction hat ausſprechen hören, ohne dieſelben
richtig erfaßt zu haben. Daß die preuß. Nationalverſammlung nur auf die
von Hın. Baſſerniann angegebenen Bediagungen mit der Krone unterhandeln
wolle iſt eine Unwahrheit. Berlin den 22. Nov. 1848.u

Der bekanntlich eonſervative Abg. Uhlich macht in der „Magdeburger


ammlung über uns bexichtet, enthält abſcheuliche Unwaͤhrheiten, z. B.: „Mit-
4 der Rechten verdankten meiſt dem Zufall ihr Leben, wenn ſie durch die
Menge am Schauſpielhauſe fchritten, und die unwürdigſten Verdrehungen,


beabfichtigten. Wenn Jemand ſo etwas in einer Geſellſchaft erzählt, fo iſt er
ſehr leichiſinnig; wenn er es * * einer Nationalverſammlung ſagt, ſo —
i (S. 3.)

Eine Erklärung ähnlichen Inhalts giebt Arntz, Abgeordneter des Kreiſes
Olern. In der neuen Rh. Ztg. ſteht eine weitere von wenigftens SO Namen
Unterzeichnete Erklärung. Es heißt hier:





„Der Unterſtaatsſekretaͤr und Reichskommiſſär Baſſermann hat in der Siz-
zung der Frankfurter verfaſſunggebenden Verſammlung vom 18. d, über feine
Miſſion in Berlin einen Bericht erſtattet, welcher eher an einen leich fe tigen
Pamphletſchreiber oder- bezahlten Wrteiſchriftſteller erinnert, als der deutſchen
Gründlichkeit und Würde eines „Reichskommiſſärs“ entſprechen möchte! Wir
finden in dieſem Bericht ein Gewebe theils rein erdichteter, theils entſtellter
Thaͤtfachen woran ſich perfide Inſinugtionen und haltloſe Schlußfoͤlgen knüpfen.“

Die Erklärung ſchließt mit den Worten: - 2

„Aber ein Hohn freilich iſt es, wenn der Herr Reichskommiffär eine Ver-
ſammlung, die entſchloſſen, aber voll Mäßigung, ihr gutes Recht mit feltener
Einmüthigleit verfocht, durch elende Phraſen von Convent, von Republik, von


ſich herausninmt. Wer einer würdigen Erf einung gegenuͤber ſo klein, fo unz
deutſch iſt, das Gift der Verdächtigung auszuſpritzen, der hätte das in denjeni-
gen Zeitungen thun ſollen, wohin e8 gehört, er durfie aber nicht den Saal der
dentſchen Vertreter mit ſo boshaften Scichtigkeilen entweihen. Schlecht beftellt ı.
wäre es um ein kräftiges Volk von 16 Millionen, könnie die Slimine eines
ſolchen Schwaͤtzers irgend ein Gewicht in die Wagſchaale ſeines Geſchicks le-
gen, das mit Hülfe der Vorſehung über den Geſichkskreis aller dieſer Pygmäen
hinausreichen wird.“ }
*Aus Württemberg. Wer ſich über die Früchte der Märzerrun-
genſchaften recht verwundern wil, der darf nur in das gefegnete liebe Würt-
temberg kommen und es wird ihm an Anlaß hiezu nicht fehlen. War unfer
Gerichtsweſen ſchon lange ein Landesverderben, ſo ſehnt man ſich beſonders we-
gen der in Haft ſitzenden vielen „politiſchen Verbrecher, nach endlicher Einführung
von Geſchwornengerichten. Allein, obwohl Staatsrath Römer ſchon vor eiwa
einem Vierteljahre erklärte, er werde alsbald einen Entwurf zu dieſem Behufe
auf den Tiſch in der Kammer der Abgeordneten niederlegen, ſo ſehen wir dies
Verſprechen doch bis jetzt noch unerfüllt, und je nachdem die obſchwebenden Ta-
gesfragen in Berlin, Frankfurt ꝛc. zu Gunſten der Reaktion erledigt werden,
dürfte wohl das Inſtitut der Geſchwornengerichte in Wuͤrttemberg noch in die
blaue Ferne gerückt und den politiſchen Unterſuchungsgefangenen das bedauerns-
würdige Loos zu Theil werden, ſich noch dem mit Blut geſchriebenen Strafge-
ſetze des alten Prieſerſyſtems, gegen das Juſtizminiſter Roͤmer, ſo lange er in
der Kammer als Abgeordneter ſaß, beſtändig ſich ereiferte, abgeurtheilt zu ſehen.
Auch in Betreff einer konſtituixenden Verſammlung haben wir nicht dit giän-
zendften Ausſichten. Zwar iſt unſere derzeitige Ständeverſammlung {n der
Mehrzahl nicht ſo reaktionär, allein einmal werden deren Beſchlüſſe in der ſtets
noch beſtehenden Kammer der Standesherren von dem „demokratiſchen Fanaͤtis-
mus, ſo ziemlich abgekühlt und gereinigt und zum andern liegt inimer der Um-
ſtand vor, daß unſere Abgeordnelenkammer bei irgend einem mißliebigen Be-
ſchluſſe von der Krone aufgelöſt werden kann. Wir glaubten daher ſchon im-
mer, es werde der jetzt verfammelte Landtag vor Allem und mit Ernſti darauf
dringen, daß ein Wahlgeſetz zur Wahl einer conſtituirenden Verſammlung ver-
abſchiedet werde, ehe es zu ſpät iſt. Jedoch es ſcheint ‚daß die Wirkungen des
Zutrauensvotums, das ſich unſere Ständeverſammlung in einem überraſchenden
Augenblicke vem Miniſterium ablocken ließ, ſich auch dahin ausdehnen, dem
Stagtsrath Römer auf ſein gegebenes Wort hin es zu glauben, daß unſer
Volksminiſterium von ſelbſt, wenn auch nicht von dem Zeitbewußtſein, ſo doch
aus Selbſtbewußtſein bewogen, Alles zur Zuſriedenheit des Voͤlkes abmachen


mit der Krone, die bei unſerm Staat-rath Römer troͤtz feiner, wie es ſcheint
vergeſſenen, Bürgerkrone eine große Rolle ſpielt, unumgaͤnglich nöthig ſei.

Ein wahrhaft kläglicher Zuſtand iſt es aber mit unferm Preßbrozeßver-
fahren. Es ſind in dieſer Hinſicht die Klagen auf Schichten aufgehäuft und


angenehm ſein. Aber für die Verhafteten iſt es eine wahre Pein, ſo laͤnge im
Zuwartungsarreſt zu ſitzen. Wir wiſſen zwar nicht ob derzeit Einige wegen
Preßvergehen in Haft ſind, indeſſen ſaß der ehemalige Redaͤkteur Schifterling
. Jahr im Arreſt, ohne weiter, als in den erſten Tagen ſeiner Verhaftung,
verhört worden zu ſein und noch würde er ſitzen, wenn er nicht gegen Caution
in Freiheit gekommen wäre, vielleicht in der Annahme, daß ſeine etwaige Strafe
ein Vierteljahr nicht weit überſteigen dürfte.

etwas Eigenthümliches Schifterling war ſchon vorher in einer andern Ange-


Nummern pflichtgemäß von der Polizeibehoͤrde zugeſchickt, vor, und der Richter
erklärte, keinen Grund zu einer Anklage wegen Preßvergehen in denſelben zu
finden. Dann fiel die bekannte Schiffgeſchichte in Ulm vor, bei der Schifterling
alg der Anordner und Leiter betheiligt war und nun kam vielleicht neben andern -
ein angeblicher Bericht von Meisximmel, welchem geſagt war, daß, ſo lange
dem (demokratiſchen) Treiben des Schifterling kein Einhaͤlt gethan werde, für
die Rube und Sicherheit der Stadt und Feſtung Ulm Alles zu fürchten ſei.
Gleich darauf wurde Schifterling vor Gericht geladen und, obwohl er nicht
freier geſchrieben hatte als andere Blätter, in Haft behalten und aus denſelben
Nummern, in denen der Richter früher keinen Grund zu einer Anklage finden
konnte, in der Weiſe angeklagt, daß der Unterſuchungsrichter vorerſt während
der Verhandlung die Blätter durchſuchte, um einige ſcharfe Sätze zu finden,
Alles ſo, daß es den Anſchein hatte, wie wenn man nur was finden wollte, um
ſo einen Grund zur Aufbewahrung eines ſo gefährlichen Menſchen zu haben.
Noch iſt ſeine Sache nicht öffentlich abgeurtheilt. Es wurde ſtets vorge-
ſchwätzt, daß nach dem neuen Preßprozeßgeſitze von den Gerichtshöfen fein Fall
abgeurtheilt werden wolle, weil das Geſetz nicht durch Mitwirkung der Staͤnde
zuſammengekommen ſei. Indeſſen wurde inzwiſchen der Redakteur der Seeblaͤt⸗
ter, Schabet, öffentlich abgeurtheilt und man ſieht einer öffentlichen Berhand-
lung in Sachen des Schifterlings um ſo mehr mit Spannung entgegen, da
dieſer Mann wegen ſeiner Ueberzeugung ſchon unendlich viel gelitten haben ſoll.
Berlin, 23. November. Eine kläglichere Rolle hat noch nie ein
politiſcher Mann geſpielt, als Herr Baſſermann in ſeiner Eigenſchaft als


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