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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 61 - No. 90 (1. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0361

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1848.



Die Volksverſammlung zu Freiburg
am 26. März 1848.

Die Beſchlüſſe der Offenburger Vollsverſammlung vom 19. März 1848
haben den kraͤftigſten Widerhall gefunden, nicht bloß im ganzen badiſchen, ſon-
dern auch im gefammten deutſchen Vaterlande. Diefelben baben den Grund
gelegt zu einer freiheitlichen Organiſation des deutſchen Volfes. Die klutigen
Ereihuiſſe, welche an dem Tage ſelbſt, da das badiſche Volk in Offenburg die
Augelegenbeiten Deutſchlands berieth, und welche daher von demſelben damals
uicht in Erwaͤgung gezogen werden konnten, ſtattfanden, bilden einen neuen
Beweis von der blutdürftigen Unterdrückungswutb deutſcher Tyrannen, und
der erſchöpften Geduld des deutſchen Volkes. Auch die Wiener Ereigniſſe wa-
ren am 19. Maͤrz poch nicht in dem Maße bekannt, wie am heutinen Tag..
Dieſe großartigen Ereigniſſe, welchen gegenüber die Unthaͤtiskeit und beilweiſe
ſogar die verkebrte Thätigkeit unſerer badiſchen Regierung ın einem ſehr trü-
ben Lichte erſcheint, machen es dem Volke zur ernſten Aufforderung, auf der
zu Offenburg betreienen Vahn rüſtig vorwäris zu ſchreiten.

Das Volk verlangt Bürgſchaften, daß ahnliche Schlaͤctereien, wie ſie zu
Wien und in noch wit ſchrecklicherem Maße zu Berlin ſtattfanden „ſich nicht
wiederholen können. Dieſe Bürgſchaften werden ihm nur zu Theil werden,
wenn das zu erwartende deutſche Parlament die Zuſtaͤnde Deutſchlands von
Grund aus verbeſſert. ;
Das deuiſche Volt beguügt ſic nicht mit einem neuen Flecke auf dem al-
den Kleide deutſcher Einherrſchaft. Es will nicht, daß der neue Wein des
deuiſchen Volkes in ſeinen alten Schlaͤuchen verbleibe, dieſe zerſprenge, aus-
Bieße und zu Grunde gehe, es verlangt eine Vexbeſſerung an Haupt und
Gliedern, eine vollſtandige Reinigung des deutſchen Augias· Stalls.

Das deutſche Voll verlangi daͤher vor allen Dingen, daß das deutſche
Parlament — : ‘ . — auı
“ 41, Die von demſelben zu entwerfende neue Verfaſfung Deutſchlaͤnds auf
den Grundlagen der föderativen Republik (des republikaniſchen Buͤndesſtaatsj
feſtſtelle, und dutch eine Reihe von Geſetzen, welche ganz Deutſchland gemeins
ſam umfaſſen/ allen gerechten Forderungen des Voltes Genuͤge leiſien.
Das Veoik verlangt von dem zu erwartenden deutfchen varlament

1, Daß daſſelbe unter den vielen Gegenſtaͤnden, welche neu zu geßäl«

ten ſein werden, vor allen Dingen — —

1) Die Berfhmelzung der Buͤrgerweyr und des ſtehenden Heeres

— zum Behufe der Bildung einer wahren, allt waffenfaͤhigen

_ WMänner umfaffenden Bolloweyrr,,

3) vas Schwurgericht, S .

4) gleide DBerechtigung aller Bürger ohne Unterſchied des Glaubeus,
anordnt / überwache und leite, O * — —
_ Ml 3u den mannigfältigen Forderungen, welche das deutſche Volt aller
Orten aufftellt, fügt daffelbe ſolgende hinzu: { *

Das Volt verlangt 2

Sicherſtell ing der perſoͤnlichen Freiheit des Bürgers durch ein

beſonderes Geſes ( Habeascorpus- Acte) und

- 2) vollftändige Trennung der Lirche vom Staate und insbefondere

Lebertrazung und Fuͤhrung der buͤrgerlichen Staudesbücgher an

u 8 ©
3) Sreigebung der Wahl der Geiſtlichen und Buͤrgermeiſter.

3) augenblidlide Auffebung allet auf der Benugung von Fluͤffen,

Straßen und Bruͤcken ruhenden Abgabefi, ..

ſowie Aufhebung ſammtlicher, die verſchiedenen Theite Dtuiſch-
lands trennender Zollſchranken. — — —


und des Mittelſtandes, und vorzuͤglig Hebüng des Handele,
des Gewerbſtandes und der Landwirthfehaft. *
Die biohtrigen ungeheuern Civiliſten, Apanagen die unverdienten und


jeßt brach liegenden Beſitzungen vieler Körperſch
daudes bieten dazu reiche Mitelllll
— JV. Das Bolf erfennt in dex Bexwirklichung der zu Offenburg beſchlof-
ſenen Organiſation vaterländiſcher Vereine die kräftigſte Bürgſchaft für die Be-
eründung eines dauerhaften Zuſtandes der Freiheit ünd erwartet von der Va-


wiſklig 2 * *
„ Diefe Vorſchlaͤge wurden ven der Verſammlunz mit Jubel begruͤßt und
a lhe faſt einftimmig zum Bo lke beſchluſſe erboͤtzen. *

Von der Volksverfammlung in Freiburg wurden kerner die in Offenburg
gewaͤhlten Maͤnnet als Mitglieder des Central-Auoſchuſſes für den allgemeinen
—— C E

@ ſind dies: — 2
*— in Emmendingen; Motte in Freiburg; Torreut in
Waldehut; Weißbaar in kottſtett. —


Dung / Burgermeiſter in Nippenheim; Wenner, Buͤrgermeiſter
' * {n Loͤrrach; Fackler, Bierbrauer in Simonswald; Viez, Abge-
dueter in Freiburg.
— — die Forderung zu Beſſerſtelung der deut-
ſcheu Beltsfdhuliehrer auf das Kraͤftigſte und beſchloß, die allgemeine Volks-
aͤfnt das Schuellſte überall in’s Leben zu rafen,.
“Allle Beamten; welche in den Tagen der Gefaht feigerweife ihre Stelle
; befli@fi‘éäi ;@gv’w‘e@- ihres Amtes, ohne Penſien, zu entheben,













No. 88,





** Die Voltsverſammilung in Heidelberg
(Von einem heitelberger Freunde.) —

Die Idee der Republik, wenn auch Gelehrte zweifeln moͤgen⸗ ob ſie die
beſte Form fuͤr das Weſen der Freiheit ſei, die Jdee der Republit iſt durch-
zedrungen bis in die ticfften Schichten des Bolfs, und gerade in den tiefften
hat ſie ihre geſundeſten Wurzelu geſchlagen. Sie iſt ein Eigenthum des Volls-
bewußtſeins geworden. * 7 2

Die Offenburger Verſammlung vom 19. März hat dieſem Bewußtſein eis
neu Ausdruck geliehen, der um jo größer, um ſo wahrhaftiger war als ibm
das alte blutige Scheuſal des Mordes, das bisher noch ſtets die Pforten der
Sefchäfte Öffnete, nichi zur Seite ſtand. Rubig, ernft, beſonnen trat der
Geſt der Freihlit voraͤn Er lehrte nicht lange; er war da. Er vertheidigte
ſich nicht; er lebte in jeder Meberzeugung. —

Wer dieſe Menge aus allen Theilen des Landes , aus allen Regionen
der Geſellſchaft, ſo ſicher, ruhig und bewußt ſah, der mußte fayen, wie es die
Offenburger Berfammlung that: „Das Volt iſt reifl? Er mußte zu dem
Glauben zurückk hren, daß Deutſchlands Zukunft eine große, ruhmvolle ſeiz
daf d einer poliliſchen und fozialen N:form eut ſejen gehe, die an Vollendung
und Dauerbarkeit keiner andern Staatoform der Erde nachſtehe. Das kannn
nicht mehr beſtritten, das kann noch weniger gehindert werden!

Die konſtitutionelle Monarchie war überdies nur ein Uebergangsmoment
aus der Monarchie {n die Repuͤblik. Sie war die geſetzliche Arena, auf wel-
cher beide Prineipien um den Vorrang kämpften. Und ihr Kampf war ein
/ reiner Affinitätsprozeß, dab das alıc liberale Kammerelement die Monarchie. in
ſich auflöste und eine junge Oppofitionsfraft frıi wurde, die nur den Kampf
mit dım konſtitut onellen Liberaiismuo aufnimmt und ihn uberwindet als Nes
publlaniomus. Und dieſer Kampf iſt nun vollendet. Der Druck der Alleiu-
herrichaft, die Herrſchaft des Hofes, des Beirugs, der Lüge, der Laſier hal die
Frucht früher reifen laſſen, als es die Sonnenwärme der Gerechtigkeit erwarten
ließ. Und als wir eben am Abgrunde der Verzweiflung ſtanden, als wir von
der Zyrannei der Maitreſſen und der Kamarılla, des Soldatenregiments$ und
eines feingeſponnenen Polizeiſyſtems erdruͤckt fchienen, als wir ausgeſogen von
Wudher und Steuern zu bieichen, dürren Sclaven einer nicderträchtigen, Fi
nanzwirt)fdhaft tetabocfunten waren, els ſelbſt die Goͤiter zur Parle rer
Draͤnger traten und die Quellen der ſiltlichen und igtelleetuellen Dildung ver-
giftet in die Adern unferer, Kinder floß um den Geift in ſeiner erſten Negung
zu mörden, Da rüftelte Die-Wergeftung, und das Haus der Lüge und. die Holzen,
/ fefte“ Jauftionirten Verbrechen ſturzten zuſammenn..
| . @8 iß wunderbar, wie jener Geiſt mit Rleſenſchritten wandelt und waͤchſt.
Er, der vor wenigen Tagen nur noch ein lalleuͤdes Kind war, trat in der
Heidelberger Verſammlung ſchon ale ein ausgewaͤchfenet Mann auf, obwohl
er hier auf der Hochſchile der S ſinnungsloſi teit und Halbheit nicht eben
die traftigſte Nahrung fend. War fein Oan fühn, ſo klang doch noch maͤchti-
ger ſein ciſerner Schritt unter den Sıhlofrutne n von Heidelberg, wo aus den
Sden Fenfterhöhl'n die dunkten Augen der Erinnerung einer verbrecherifchen
Verggngenheit ſchauten, und Königsbilder den Fluch der Völker hörien und
vor ihm erbebten. — — *

Die Berfämmlung war reicher als die Offenburger; von allen Euͤden
‚ 30gen die Haufen herbei mit flingendem Spiel und fowaͤrz rot hH-goldenen Fah«

‚ nen. Sogar die Schwaben famen, das Land, das fo lange vo Metternich-





Ieit, Die Fluth der Geſchichte an ſich vorldereilen ließ und wie ein längſt
x vergeffenes Eiland auf der See des Äberglaubens ſchwamm; das Land der
Saͤnger, einſt die Schule großer Männer, doch nun verſchloſſen, ſtumm/ voll
innern Grams, in femeigender Merzweifiung: auch das Schwabenland
— anbte feine Männer zu dem Feſie der Rreibeit. Die wadern DHeilbrons
; Her, Weinsberger und Nedarsulmer, geführt von Dntgie, Schuſter und
bafb Serner ſchwammen auf den Wellen des Nedar beradb, und ibnein q
rie Ebre, dem großen dcutſchen Volkerbunde zuerfi die Bruderhand a ;
Haben, IInd die Pe zwollen Reden des Bierbrauer Hentges Habent einen era
föpncaten moblibuenden Ehdrud hinterlaffen, und das Freundfhaftsdand der
‚ Nachdarvöller, otmals zerriffen durch diplomatiſche Partifularintereffen, ik wie-

2






Bater Winter, der edle, freigeits dürſiende Nepublilaner, eröffnete {w
; lakoniſcher Weiſe die Verſammlung. Ihm dem — — —
der Bunttetagogeſandie Seh.»Rath Welck er, und Örh, - Rath Mittermater:
Beider Reden fhienen, odbwohl ‚gehoden vom Geilt der Zeit, Daruuf berechnetz
die glühenden Gemuͤther abzufühlen und einzuſchlaͤfern! "ap—p—ee—ßoff‚t?tafifrw&ie;
intereffanter, AÄber das Voit verlangte nadh derber, einfacher ‚ gefunder Koft,
und rief nach Hecer, der leider nicht anweſend waͤr. Darauf feffelte del
fühne Hoff mit ſinem durchgreifenden Orgen die Aufmertfamnlei. Er irus
die Offenburger Beſchlüſſe vor. Sie wurden einſtimmig angenommen und zwar

mit bedeutenden Zuſaͤtzen, wovon die wichiigſten waren: Die Forderung ei-

ner deutfden Verfaſſung auf den freieſten Grundlagen, odne:
Ztecfictigung der beſteyenden Verbattniſſe, nach Art der
Lordam erita nifchen Föderativrepublitz Abſchaffung des Adelsz
Allgemeines deutfhes Staatsbürgerredt. Durdh einige Spreder :
und Schreier, die indeß bald zur Ruhe gebracht wurden, ſollte bei der Bera-
thung der Repu lit tine Spaitung in die Verſammlung gebracht merden. E&
handelte ſich aber lediglich um das Wort , Republik“ , an weiches dus Voll/

ungeachtet der Keiſpieie von Amerifi, der Schweiz und des neuen Franfreich,

noch immer die Be riffe eines bluͤtdürſtenden Terrorismus knüpft⸗ welcher —

ude auch von Seiten der Reaktion eifrig genährt wird. kan neß das
Dort weg und nahm das Wefen in feinem ganzen Umfange. Das.
Weſen iſt geWonnen und die Frage über den Zeitpunkt der Eiafuͤhkung ‚ die
ſonſt o beunrubipte, iſt ebenfalls befeitigt, denn felbfit die Alten —
haften wiffen ihre Apologien der geftürzten Spfteme nicht mehr u






en träumen noch




 
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