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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1087

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— 2 — — 4

121 Zwei Miniſterien.

In Frankreich, meint Ihr iſt das Königthum, in Deutſchlaud der Abſolu-
tismus zu Grabe getragen! Wir hoffen das wenigſtens auch, wir hoffen ſogar
noch mehrz aber wir, wiſſen ebenſo wohl, daß wir auch keineswegs über die
Gefahren eines gänzlichen Zurückſinkens in den früheren Zuſtand hinaus ſind.
Das iſt ſo in Deutſchland, und das iſt ſo in Frankreich. Macht nur einmal die

Augen auf und ſehet zu, wie die reaktionären Gelüſte allenthalben der Revolu-
tion den Boden abzugewinnen und nach und nach wieder Alles auf den alten
Fleck zurückzuſchrauben ſuchen. Es iſt nicht genug, daß man ſich bemüht, die
Forderungen des Volkes unerfüllt zu laſſen, den Willensäußerüngen deſfelben
einen Damm entgegenzuſetzen, ein freies Vorwärtsſchreiten unmöglich zu ma-
chen, man geht bereits ganz offenkundig wieder damit um, diejenigen Tenden-
zen zur Geltung zu bringen, die nur in den Zuſtänden der Vergangenheit ihre
Berechtigung ſuchen konnten. Nach den mannigfachen Schickfaltu, welche die
Republik in Frankreich his fetzt durchgemacht haͤt, iſt es endlich dem Einfluſſe
der Reaction gelungen, die republikaniſche Regierung mit royaliſtiſchen Clementen
zu ſättigen. Die nämliche Erſcheinung haben wir in Deutſchland. Von Be-
günſtigung einer weiteren Fortenzwicklung des conſtitutionellen Princips zur De-
mokratie iſt hier ebenſo wenig die Rede als in Frankreich von einer conſequen-
ten Durchbildung der republikaniſchen Staatsform; dagegen kann man wahr-
nehmen, daß ſogar noch die conſtitutionelle Monarchie von der Reaction in
Deutſchland mit den nämlichen Mitteln bekämpft wird, wie in Frankreich die
Republit. Blicken wir nur nach Preußen; wir ſehen wieder abſolutiſtiſche Ele-
mente an der Regierung thätig. In Berlin haben wir ein Miniſterium Pfuel
in Paris ein Miniſterium Dufaure, hier wie dort wird die gleiche Taktit *
obachtej; man giebt die Angelegenheiten des Staates in die Hände von Männern,
die nach ihren Anſichten dem beſtehenden Zuſtand durchaus apgeneigt ſein müſſen.
Es iſt bekannt, daß Pfuel ein treuex Auhänger des Abſolutismus, daß Dufaure
ein warmer Freund des Louis-Philippiſtiſchen Syſtems war. Wie ſollen denn
dieſe Männer ihre Thätigkeit bei der Regierung verwenden, um den beſtehenden
Zuſtand, hier die conſtilutionelle Monarchie, dort die Republik zu erhalten?
Kann man etwas anders glauben, als daß ihnen bloß die Aufgabe zugetheilt
ſei, ‚am Ruder zu ſtehen, und den Augenblick abzupaſſen, der es ihnen möglich
maͤcht, das ganze Staatsſchiff wieder in das alte Fahrwaſſer hineinzutreiben.
Mögen ſie auch zehnmal ihr Einverſtändniß mit dem beſtehenden Syſtem ver-
ſichern, mögen ſie zehnınal den augenblicklichen Zuſtänden Rechnung tragen, es
wird ſie nichts vor dem Mißtrauen ſchützen, es wird ſie auch nichts abhalten,
bei günſtiger Gelegexheit wieder ihren alten Neigungen nachzugeben. Ein Mi-
niſterium Pfuel in Bexlin, ein Miniſterium Dufaure in Paris, iſt dies das
Ende, oder iſt es der Anfang zu einer Nevolulhon Z —

DeutfjijdhlLand

Mannheim 24. Oft, Sämmtliche preußiſche Truppen, welche
hier, in Seckenheim, Heidelberg 2c. lagen, ſind * 4 4 4
ſind noch am Samstag »republikaniſche“ Reichs-Truppen (Frankfurter Linie)
eingerückt; in Heidelberg herzoglich naſſauiſche.
Aus dem Unterlande, 14. Ott.
Kammern darüber waren, daß das Jagdrecht auf fremdem Eigenthum aufzu-
heben ſei, ſo getheilt war doch ihre Meinung darüber, wie die Jagden in der
Folge der Zeit zu behandeln ſeien. Die erſte Kammer beharxte bei der Anficht,
daß jedem Gutsbeſitzer überlaſſen, werde, zu jagen und zu ſchießen, wie er wolle;
die zweite Kammer dagegen befürchtete, daß große Gutsbeſitzer, alſo namentlich
Standes- und Grundherren das Wild aufs Neue, wenn auch in ihrem eige-


mer wieder zu den frühern Beſchwerden nöthigen werden; daher überließ das
bis 1850 zu Stande gekommene Geſetz die Ausübung der Jagben den Gemein-
den, wovon die wenigſten ſie durch aufgeſtellte Gemeindsſchuͤtzen betreiben ließen,
die meiſten verpachteten ſie, zum Theil um ſehr hohe Summen. Nicht nur,
daß es über die Art der Verpachtungen in manchen Gemeinden, z. B. in Knie-
Iingen, Reibungen abſetzte, die Gutsherren klagten nicht ſelten, daͤß die neuen
Gemeinde-Jagdpächter ihnen größern Schaden zufügten, alg die eben abgeſchaff-
ten Jagdherren, und den Wenigſten wollte es einlcuchten, daß man das Recht
zu jagen dem einen nehme, dem andern gebe. Die zweite Kammer verlieh auch
das Jagdrecht den Gemeinden nur auf den Hrund der Gemarkungspolizei,
aber gerade dieſe iſt es, welche die geeigneten Mittel bietet, gegen Gutseigen-
thümer einzuſchreiten, welche zum Nachtheil der Naͤchbatn das Wild
hegen wollen. Die preußiſche Nationalverſammlung, bei weicher derſelbe Ge-
genftand ſorgfältig berathen wurde, faßte am 9. Sktobex folgenden Beſchluͤß:
Das Jagdrecht ſteht dem Eigenthümer auf Grund und Boden zu, der daffelbe
in jeder an ſich erlaubten Art, das Wild zu jagen oder zu fangen, augüben
darf. Benachbarten Eigenthümern bleibt Vereinigung ihrer Jagdbezirke über-
laſſen, zur Verpachtung oder Beſchießung durch einen gemeinſchaftlichen Jäger.
Kein Erundeigenthümen kann aber dazu gezwungen werden.

‚ Die Eigenthümer ſind bei Ausubung der Jagd nur durch die jagdpolizei-
lichen Vorſchriften zum Schutze der Sffentlichen Sicherqeit und nur zur Schon-
ung der Felofrüchte beſchränkt. Auch die deutſche Nationalverſammlung hat die
Jagdrechte auf fremdem Boden aufgehoben und den vollen Gebrauch des Ei-
genthumsrechtes jedem Grunbveſitzer vindicirt. Mit der Publieation des deß-

falligen Keichegeſetes wird aiſo auch in Baden das Fagdrecht Dden
Gemeinden eben erſt erworben, wieder aufhören, und was dieſe an
Einnahmen verlieren, wird reichlich erſetzt werden, wenn bei ge-
höriger Ausübung der Gemarkungspolizei die Güter verſchont blei-

ben von ungeladenen Gäſten, wenn die bei Vielen zur Leidenſchaft ge-
ſteigerte Luſt des Jägdelns keine Nahrung mehr findet, Und vie eben Eigen-
thümern zuſtehende Befugniß den Reiz für Einzelne verwiſcht.

S Heidelberg, 74. Okt. Von hier iſt an die 2. Kammer eine allſeits







No. 2545











unterſtützungswerthe Petition um Ermäßigung der Gebühren für die Geſchäfte
der Rechtspolizei und um freies Wahlrecht in Betreff der Geſchäftsfertiger ein-
gereicht worden. Wir entnehmen derſelben Folgendes:

Die Gebühren, welche ſeit Januar 1841 für die Geſchäfte der Rechtspoli-
zeiverwaltung erhoben worden, ſind zum größten Theil die ungleichſten und un-
billigſten; ſie ſind in Wahrheit bei vielen Geſchäften keine Gebühren, wie ſie
das Geſetz, Regierungsblatt 1840, Nr. 33., bezeichnet, ſondern die ungerechte-
ſten und die drückendſten Steuern und Abgaben. Dies iſt insbeſondere der Fall:
bei Inventuren und Theilungen, bei Kauf, Tauſch-, Fauſt⸗, Nutz-Unterpfands-
oder Cautioos Urkunden, ſo wie bei mehreren anderen Geſchäften.
Nicht die Mühe und der Zeitaufwand, wie es bei Gebührenanrech-
nungen üblich, geben Maß und Ziel, ſondern öfter zufällige Bruttoſummen, die
ſolche unbegreifliche Gebühren, reſp. Steueranſätze nach ſich ziehen, daß nicht
ſelten fl. 50 bis fl. 100 für eine Tagesarbeit die Bürger nicht nur übermäßig
beläſtigt, ſondern manchmal den endlichen Vermögensruin der ſchon mit Schul-
den behafteten Zahlungspflichtigen veranlaßt“.

Die Wichtigkeit dieſer Sache dürfte baldige ähnliche Schritte auch in ande-
ren Orten wünſchenswerth machen, zumal das Geſetz über Aufhebung der Amts-


Raſtatt, 23. Okt. Die beiden Gefangenen Struve und Blind ſind
heute Mittag unter Bedeckung von ſechzig Mann preußiſchen Militärs von Bruch-
ſal wieder hierher gebracht worden, wo ſie in den Caſematten, bis ſie vor das
Geſchwornen-Gericht geſtellt werden, in Gewahrſam bleiben ſollen. Die preuſ-
ſiſchen Truppen ſcheinen zu ihrer Bewachung gleichfalls wenigſtens vor der
Hand, hier bleiben zu müſſen, da der hieſige geritigeé Truppenſtand bei dem
ohnehin angeſtrengten Feſtungsbienſt dazu kaum verwendet werden könnte.

(Frank. J.)

N. Frankfurt a. M., 23. Octbr. Die National-Verſammlung hat
abermals ein ehrenwerthes Mitglied aus den Reihen der entſchiedenen Volks-
vertreter durch den Tod verloren. In der Nacht vom 20. d. M. verſchied Jo-
ſeph Brunk, Gutsbeſitzer aug Fürfeld in Rheinheſſen, ein Mann im vollen
Sinne des Wortes, hochbejahrt, nachdera er ſeit Jaͤhren als unerſchütterlicher
Vorkämpfer der Freiheit in der heſſiſchen Kammer treu und redlich für ſein Volk
gekämpft hatte.

Das Wichtigſte der heutigen, erſt eine halbe Stunde vor Abgang
der Poſt geſchloſſene Sitzung iſt: ein Bericht des Ausſchuſſes für Geſchaͤfts-
ordnung, den Antrag Schaffraͤth's betreffend, die Miniſter von Schmerling und
Mohl wegen des uͤber Frankfurt verhängten Belagerungsſtandes in Anklageſtand


Der Antrag — der nach Verſicherung des Berichtserſtatters Leue einſtim-
mig gefaßt worden, geht, wie nicht anders zu erwarten, auf Tagesordnung.
Dann legte der Reichsminiſter von Beckerrath einen Budgetentwurf auf die
Zeit vom 1. September bis 31. December d. J. vor, auf dieſe Zeit verlangt
er nicht weniger als 104,687,66 Gulden, ſchreibe

Zehn und eine halbe Million Gulden
auf vier Monate, alſo jährhch einunddreißig und eine halbe Mil-
lion Ausgabe mehr, welche die Steuerpflichtigen für das eitle Vergnuͤgen, eine
Nationalverſammlung, einem „frechen“ Präſidenten, einem Erzherzog Reichsver-
weſer, einem Miniſterium Schmerling-Peuckex, und die Unterſtadts-Secretäre Baſ-
ſermann und Mathy (Pfui!) zu“beſitzen, bezahlen müſfen, damit dieſe Alie
nichts von dem geſchehen laſſen, was das arme Volk will. Das nenne ich
mir doch reiche Früchte der Märzerrungenſchaften. —

Im Einzelnen ſollen (mit Hinweglaſſung der Ziffern unter 100) auf dieſe
vier Monate koſten:

Das Cabinet des Reichsverweſers 2800 fl.
Die Wohnung“ 5800 fl.
Die Nationalverſammlung 100,000 fl.
Das Präſidium derſelben und das
Geſammtminiſterium (auch noch?) 11,100 fl
Miniſterium des Auswärtigen 117,000. {l.
D yı Shnern 21,300 .
” O Juſtiz 23,000 fl'
R - 7 Dandels 21600 fl.

27,600 {l
3,071,000 f.
1,750,000 fi.

* „Kriegs
Die Reichsfeſtungen
Die Reichs⸗Armee

Die Marine 5,323,000 fl.
Miniſterium der Finanzen 3,900 fl
Reichscaſſe 22,00 {l

Davon ſind jedoch 1,370,000 fl. durch die bereits vorhandenen Gelder ge-
deckt, ſo daß nur 1,370,000 aufzulegen ſind. Das ſind die gehofften Erleich-
terungen! Wie thöricht hat doch das Volk gehandelt, daß eés im März nicht
hübſch Alles beim Alten ließ! .

Weiter wurde, wie vorausgeſagt, die öſterreichiſche Angelegenheit und die
deshalb geſtellten Anträge wirklich benützt, dem Miniſterium ein Art Bertranens-
Botum darzubringen, indem der bereitg in Nr. 253 diefer Zeitſchrift mitgetheilte
Majorttäts-Antrag mit 250 gegen 166 Stimmen angenommen ward. — Unter
den Vertheidigern deſſelben Somaruga, v. Vincke und Baffermann, geben die
Leßteren ein trauriges Beiſpiel, zu welcher geiſtigen Beſchränktheit die, Sucht füh-
ren kann, Edles zu verdächtigen, Erhabenes in den Staub zu zieben. Nach
Baſſermaͤnn iſt die Bewegung in Wien ein „ Berbredhen‘”, und iſt deßhalb
un deutſch, weil Deutfchland keine Urfache hat, ſich Darüber zu freuen. Dagegen
ſprachen entſchieden Reitter, Berger, Schmidt aus Löwenberg z — Wie-
ner Ereigniffe einer freien Entwicklung überlaſſen will, ohne Einmiſchung der
Centralgewaͤlt, um Belzebub nicht durchden Oberſten der Teufel auszutreiben.
— Vogt und Venedey, während Maifeld und Eiſenmann ſich begnügten, ein-

zelne Abänderungen zu beantragen.


 
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