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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 126 - No. 153 (1. Juni - 30. Juni)
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1848.













— —

_ Friedrich Hecker
befindet ſich in exwünſchtem Wohlſein zur Zeit noch in Muttenz
und hat ein republikaniſches Blatt, „der Volksfreund,“ gegründet,




O Deutſche Nationalverſammlung
Achte Sitzung vom 27. Mai.

Ich beeile mich, Ihnen den Bericht über dieſe Sitzung zu erſtatten, in
welcher der wichtige Antrag Raveaur's, das Verhältniß der Ständeverſaum-
lungen in den einzelnen deutſchen Ländern zu der konſtituirenden National⸗Ver-
fammlung betreffend, verhandelt wurde. Ich werde Ihnen kein trockenes Pro-
tofoll liefern, ſondern ich werde mich bemühen, die Hauptpunkte der Debatte




leuchten. } .
* Anfang der Sitzung darf nicht übergangen werden. Ich ſchrieb Ihnen
ſchon! wie ſchmählich bei der Mainzeß Angelegenheit die Majorität ihre Macht
benußt hatte, um die Minoritaͤt zu thrannifiken, indem ſie dem Antragſteller
und dem Berichterſtatter vor dem Schluß der Debatte das Wort verweigerte;
ich ſchrieb Ihnen, wie unpaſſend — um nicht zu fagen zweideutig — bei der
Fragſtellung das Verfahren des Präſidenten Gagern war. Die Minorität hatte
ihre Namen zu Protokol gegeben; der Name Mittermaiers, der ſich zu den
Proteſtirenden geſellt hat und eine entſchiedene Haltung annehmen zit wollen
ſcheint! wurde mit Beifall begrüßt. Nun verlangte Dr. Freudentheil von
Grde, daß jene Wortverweigerüng, die gegen allen parlamentariſchen Brauch,
gegen alles poſitive und natürliche Recht liefe, zu Protokoll vermerkt werde.
Der Rechten war etwas unheimlich zu Muthe über den Mißbrauch der Ge-
walt, den ſie getrieben. Nur Hr. v. Vincke hatte die Stirne zu verlangen,
der Abg Freudentheil ſolle zur Ordnung gerufen werden, weil er gegen alle
warlamentariſche Schicklichkeit einen Beſchluß der Verſammlung getadelt hätte.
Dieſe parlamentariſche Schicklichkeit“, welche nur ein Deckmantel iſt, um den
Mangel an Ideen durch einige angelernte Floskeln zu verſtecken, welche mit
Tallehrand glaubt, die Sprache ſei nur dazu erfunden, um die Gedanken zu


* 8


nnng das unerhörte Verfahren der Majorität zu rechtfertigen, Der Präſtdent
Qagern mochte wohl auch ſeinen Theil an den Sünden det Majorität fühlen.
Er fagte Daher: „Wir ſtehen am Anfang einer großen Laufbahn und haben
alle noͤch eine Schule durchzumachen; wir wollen uns der Kritik durch die Preſſe
nicht entziehen; wir wollen dieſelbe, ſo fern ſie nicht beleidigend iſt, auch unfe-
ren Mitgliedern geſtatten. Ich trage darauf an, daß dieſe Verhandlung als
eine Belehrung in's Protokoll aufgenommen wird.“ Das geſchah. Nun,
es iſt gut, wenn Jemand ſeine Fehler eingeſteht; es iſt aber doch beſſer, wenn


ſie dem Präfiventen zientt, leicht vermeiden kann.


märkiſchen Granden, verleſen war: „Die Verſammlung begrüßt freudig die
preußiſchen Vertreter und geht zur Tagesordnung über.“ Aber ſchaudernd
hörte die Verſammlung, daß ſich über 90, ſchreibẽ neunzig Redner eingeſchrie-
ben hatten. Leider iſt die gute Sitte, nur die Parteifuͤhrer reden zu laſſen,
hier noch nicht aufgekommen, jeder will ſich felbſt reden hören, jeder brennt
vor Begierde ſeine Jungferrede zu halten. Das iſt eine gefährliche Leidenſchaft
für die Zuhörer; Hr. Fallmerayer ſoll ſchon einmal dadurch in eruſtliche Lebens-
gefahr gerathen ſein.

Der Ueberſichtlichkeit wegen ſtelle ich die 4 Anſichten, um welche ſich die
Hauptgruppen der Verſammlung ſchaarten, voran. Die Linke ſagt: die National-
Verſammlung iſt ſouverän aus der Souveränität des Volkes hervorgegangen;

*

ſie iſt die einzige konſtituirende Verſammlung in Deutſchland; neben ihr darf


Das linke Centrum berührt die Souverainetät des Volkes und der Ver-
{ amlung‘ .

was vorſichtiger; es ſagt: die aus dem Willen und den
— vᷣben

$ Volkes hervorgegangene Nationalverſammlung
rktärt er künftigen deutſchen Verfaſſung zuwiderlaufenden Beſtimmungen
der einzelnen ſchon beſtehenden oder noch einzuführenden Verfaſſungen für uͤn—
gültig. Das iſt der Antrag Werners.

Das rechte Centrum uingeht die Souverainetät ganz und erktärt nur,






Berfaffung in Uebereinftimmung gebraͤcht werden. So Römer und Herr von
Beckerath


* 5 DBerssguenspohum zur Tagesordnung über. So Herr . Vincke,
* preußifche. Mirabeau !! Ich möchte nur wiffen, wer auf vieſen albernen
ergleich gefömmen iſt. Freilih, Hr. von Binde ift adlich, und der große


diOtete, was Hrr von Vinde ſchwerüch je freiwillig thun wird. Das iſt die
ganze Achnlichteit! — Ob das Volk fouverain fet, ob die yon dem fouverat-


æ und feſtzuſetzen, das war der gern der Debalte. Faſt alle Redner
Erten, daß die Nationalverfammlung nach ihrer Anficht fouverain und einzig
itirend fet, wenn auch Biele es - für klüger, für politiſcher hielten, das
nicht ausdrücklich auszuſprechen. Man Fennt ja Die Vorſicht, die Behutſam-














































kei der beſonnenen, gründlichen Deutſchen. Nur drei Redner ſprachen ent-
ſcheden dagegen, daß einzig die Verſanmlung das Recht zu konſtituiren haͤbe,
un behaußteten, die Verfaſſung werde erſt durch die Zuͤſtimmung oder Ge-
nehmigung der einzelnen Regierungen rechtlich gültig. Dieſe drei vorfuͤndfluth-
lichen Leviathane heißen: Herr ı, Bikde, Graf Arnım AD — Har
Hefrath und Bundestagsgeſandter Welder! Herr Welder, der
„gefeierte deutſche Mann,“ der offizielle großherzoglich badiſche Revolutionär
von anno 1i her, im ſchönen Bunde mit dem Grafen Arnim, der als Miniſter
di berüchtigte Ausweiſung Itzſteins und Heckers verfügte! Nun ſage noch
Einer, es gäbe keinen Humor, keine Ironie in der Geſchichte!
Nachdem Hr. Raveaur ſich aus löblicher Vorſicht, welche Diefer Majo-
ritit gegenüber allerdings ſehr gerechtfertigt war, vorab das Woͤrt vor den
Shluß der Debatte hatte zuſicherh laſſen, eutwickelte er ſeinen Autrag nodmals.
Er ſagte, wie ſchon das Vorparlament und der Fuͤnfzigerausſchuß anerkannt
haͤlten, daß neben der konſtituirenden Nationalverfammluͤng keine * fon- _
ſtüuirende Verſammlung beſtehen dürfe Er wolle aber darauf verztchiön, Da
Das Prinzip der Souverainetät ſo ſchroff, wie in dem Sondergutachten Schaff»
rahs ausgeſprochen wurde, weil es ein Unglück fet, wenn dieſes Brinzip mit
Mijorität verworfen würde. Er erklärt ſich für Werners Antrag, der die
Alweichungen der einzelnen Verfaſſungen für ungültig erklärt, waͤhrend Der
MNatrag Beckeraths ſte nur abaͤnderſ laſſen wolle, was nach SS 76 und 79
de neuen preußiſchen Verfaſſung ſehr ſchwierig, wo nicht uümöglich ſei. Er
thie das um ſo inehr, weil nun einmal konſtituirende Berfammlungen. neben
de Nationalperſammlung heſtehen und dieſe nicht die Macht habe, ihre Bera-
thingen zu hindern, da ſie nicht einmal die beleidigenden Worte des hanno-
vchen Miniſters Stüve ahnden könne. Er wolle die Indixidualität der cin«
jeluen Stämme nicht hindern; aber wenn die abweichenden Beflimmungen der
Berfaffungen nicht für ungültig erklärt würden, ſo ſei die Einheit Deutſchlands
znl Fefährdet. Es zieme ſich nicht, dieſe wichtige Frage durch Tagesord-
ugen zu beſeitigen; wie er den Muth gehabt habe, den Antrag zu ſtellen,
fü möge man auch den Muth haben, ihn zu bekämpfen. 2— 4 —
Ihym folgt der Berichterſtatter Römer, auch eine Größe des alten Libe-
aismus. Wie klein dieſe Leute mie ihrem ſteifen Doktrinarismus plötzlich
den gewaltigen Wogen der Zeit gegenüber ſtehen und ſie mit ihrem zerlumpten
Laßt ab ven
beraͤthen! Die
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dier lindiſchen Thorheit oder geht weg, wo ernſthafte Maͤnner
Voͤgen der Revoluͤtion eignen ſich nicht zum Spielzeug für-KinD
A sn i QMumengärten, Der NMomanttk
des Philiſters, noch die dürren Wuͤſten des hıftorijchen I
Yalt ihnen befruchten. Römer ſagt, die preußiſche Regierung habe
Beſchluß der National-Verſammlung das Recht zu konſtituiren, da
parlament und der Fünfzigerausſchuß nur Wün ſche hätten ausſprechen di
Er ſucht ſeinen Antrag auf Abändexung der abweichenden Beſtimmung
zu rechtfertigen und meint, dieſe Abänderungen könnten nur die einzelnen N
gierungen und Kammern vornehmen, da die Nationalverſammlung kein
tionshof ſei. Die angezogenen S8. des neuen preußiſchen Verfaſſungsent
neint er, gälten nur für rein preußiſche Beſtimmungen. Das iſt Feineswegs
o Ear, wie Herr Römer glaubt. Es ſind ſchon ärgere Geſetzauslegungen
vorgekommen. *

(Schluß folgt.)





















































deutſchtand.

V Durlach, 29. Mai. In frühern Nummern dieſer Zeitung haben wir
das Getreibe der hieſigen conſervativen Partei geſchildert, wir haben dort die
Erbärmlichkeit der politiſchen Anſichten derer geſchildert, die durch ihr Vermö-
gen und ihre Aemtchen ſich berufen glauben, als politiſche Führer auftreten
zu können, die da wähnten durch den Einfluß ihres Vermögens ihres Amtes
und Familie die volitiſche Meinung ihrer Mitbürger beherrſchen zu können.
Sie wagten es damals, als Preßfreiheit noch keine Phrafe geworden war, nicht
entgegenzutreten, ſie fühlten die Wahrheit der in unſeren Nachrichten angegebe-
ben Thaͤtſachen. — Seit dem man aber durch Berhaftung der Redaͤkteure
der Zeitungen, die unſerer Farbe entſprechen, und durch aͤndere foyhiftifche
Gründe, das Erſcheinen dieſer Zeitung für eine Zeitlang wenigſtens unter-
drückt hatte — da wagten ſich die Menſchen des Stillſtands und Rückſchritts
wieder hervor, ſie haben zu ihrem Organ die Karlsruher Hofzeitung, und ein
hier erſcheinendes Wochenblättchen benützt, um darin durch gemeine Denunzia?
tionen und Verdächtigungen der entſchiedenen Fortſchrittsparthei zu ſchaͤden!
„Legt eure Fahne nieder, Republikaner“, war der hochweiſe Rath, den
ein Artikel der Karlsruherin aus Durlach, den Entſchiedenen gab. Emancipirt
Euch, ihr Durlacher, von den jungen Wortführern des hieſigen Bürgervereins,
und den jugendlichen Schwärmern für eine deutſche odex gar europaͤiſche Uni-
Lerſalrepublik, riefen ſie ihren Mitbürgern zu — allein ſie predigten tauben
44 die Republikaner haben ihre Fahne nicht niedergelegt, und Durlachs
Bürger achten heute noch, wie früher jene jungen Männer, die ihre neberzeu?

dene Wahrheit zu ihrem Panier erkoren haben — und deren Streben „AWohl- .
ſtand, Bilbung und Freiheit für Alle zum Ziele hat.
Jene Artitel in der Karlzruher Zeitung ertegten nur Entruſtung und mit-
leidiges Lächeln unter den Bürgern der Verfaſſer jener Artikel und jene
Parthet, in deren Intereſſe dieſelben geſchrieben waren, nicht Aug gemadht durch
Fie öffentliche Stimme, die ſich durch die deutliche Kundgabe von Mitleid und
Entrüſtung gegen ſolche Machwerke eines finſtern Kopfes ausfprechen, verfuchte.
inen andern Weg, ihre Verdächtigungen und Verläumdungen an Mannn zu
hringen. Wir werden rückſichtslos und der Wahrheit getreu die Anſtrengungen
jener Parthei ſchildern. Wir haben in einem frühern Artikel behauptet, der
 
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