Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI chapter:
No. 187 - No. 208 (6. August - 31. August)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0853

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
































Deutſchland.

TMannheim, 25. Auguſt. Geſtern Abend wurde die zweite Verſamm-

lung unſeres Boilsvereins in großen Saale des Badner Höfes abgehalten.
Sie erfreute ſich eines zahheichen Beſuchs. Die rege Theilnahme, die der
Berein ſo kurz nach ſeinem Entſtehen von Seiten unſerer Mitbürger erfährt, iſt
ein tröſtliches Zeichen ihres ungebeugten Sinnes, der ſie auch durch die ungün-
ſtigſten politiſchen Conjunkturen nimmermehr in ihrem rüſtigen
durchareifender Verbeſſerung unſerer Zuſtände wankend werden läßt. Es ſcheinit
in der That, daß durch die Unterdrückung der demokratiſchen Vereine nur ein
um ſo wirkſameres Umſichgreifen des demokratiſchen Geiſtes unter den Einzel-
uen erzielt worden iſt. Mag man die Form aber- und abermals in Stückẽ ſchla-
gen, der Geiſt läßt ſich nimmer. bannen.
Der Mäſident des Vereins, Floxian Mördes, eröffnete die Verſammlung
mit einem Vortrag, worin er den Hauptgegenſtand der bevorſtehenden Bera-
thung, nämlich die enblihe Auflöſung dex badiſchen Ständeverfammlung und
Berufung einer volksthümlichen, konſtituirenden Kammer erörterte.

Sofort wurde nach kurzer Diskuſſion beſchloſſen, eine Adreſſe an die zweite
Lammer, zu erlaſſen, wedurch dieſelbe aufgeforvert wird, dem vielfach ausge-
ſprochenen Willen des Volkes endlich nachzugeben und fich ſofort aufzulöfen.
Einſtimmig, ſo viel wir bemerken konnten, wurde der Beſchluß gefaßt, diefe
Adreſſe durch Brentano, der jetzt die meiſten Sympathien im Volkẽ fuͤr ſich
hat, an die Kammer gelangen zu laſſen und ihn um kräftige Unterſtützung der-
ſelben zu erfuchen.

Dieſe Adreſſe der Bewohner Mannheims wird mit zahlreichen Unterſchrif-
ten bedeckt ſein. Der beſſexe Theil unſerer Mitbürger iſt tief von der Noth-
wendigkeit durchdrungen, eine Volksvertretung zu beſeitigen, welche dieſen Na-
men längſt vicht mehr verdient, welche längſt das Vertrauen des Volkes ver-
ſcherzt hat und anmaßlicher Weiſe gegen ſeinen mehrfach ausdrücklich ausge-
ſprochenen Willen, im Einverſtändniß mit einer verhaßten Regierung, der ſſte





Wabrlich, der geſunde Sinn des einfachen Mannes aus dem Volk vermag es
nicht zu faſſen, wie es dieſe Herren mit ihrer Mannesehre zu vereinbaren Wiſ-


auftragte des Volkes nicht weichen noch wanken zu wollen, nachdem ihnen ihre
Auftraggeber zu wiederholten Malen verſtändlich genug zugerufen: fort mit
Luch, wir trauen Euch nicht mehr! Wenn aͤber das Land wie Ein
Mann ſich exhebt und einſtimmig jenen Ruf ihnen zudonnert, dann werden
ſie doch exdlich gehorchen müſſen. Darum erwarten wir von Euch,
Bürger Badens, daß Ihr, ſobald dieſeKammer wieder zufam men-
tritt, unſere Adreſſe mit den Eurigen unterſtützt, daß am glei-
chen Zag aus allen Wahlbezirken des Landes gleiche Forderung
unbedingt und mit Entſchiedenheit geſtellt werde

‚ o München, 22. Auguſt. Abends 5 Uhr. In der verwichenen Nacht
iſt wirklich Blut gefloſſen; wir zählen einen Todten — einen ganz ſchuldlofen


viele Verwundete. Bis zum Eintritte der Nacht war Alles ſo ziemlich ruhig
geblieben; das Volk wogte wohl durch die Straßen und über die Plätze, bhe-
ging aber nicht den geringſten Exzeß. Die Soldaten, größtentheils entweder
müde des langen Stehens oder betrunken, fielen einzeln, aus dem Gliede
beraustretend, vie ruhigen Zuſchauer an, und mißhandelten ſie durch Kolben-
ſchläge und Bajonettſtiche. Es würde zu weitläufig'ſein, woilte ich alle die
verſchiedenen Vorfälle einzeln anführen; daher bemerke ich im Allgemeinen, daß
ſich das Militär, namentlich die Infanterie, größtentheiis ſehr brutal benahm,
und ohne Kommando, nach Belieben der Einzelren, von der Waffe Gebrauch
machte, und hiedurch veranlaßte, daß es an verſchiedenen Orten mit Steinz
würfen begrüßt wurde.

Der Miniſter Thon Dittmer hatte geſtern Mittags und Abends die De-


gegeben, daß man „ehrfurchtvollſt an Se. Majeſtät“ berichlen werde, daß man
den Hausſchatz wieder dem Publikum zeigen dürfe. Dieſe gegen 11 Uhr auf


aufgenommen; Thon Dittmers Bild wurde in Verächtlicher Weiſe behandett.


gen, die abermals die Integrität des Hausſchatzes verſichert.

Daß die Erbitterung durch dieſe Vorfälle nicht gemindert, ſondern ver-
mehrt wird, iſt außer Zweifel. Geſtern Nachts ertönte unzählige Male der
Ruf! „Es lebe die Republik! Hecker hoch! und eine große Menge Volks ſprach
ſich laut für die Einführung der Republik aus. Heute wüthete die Gährung
die Nationalgarde und die Landwehr?
freicorps ſtehen theilweiſe unter den Waffen. Nachmittags wurde es ruhiger
und leerer in den Straßen und auf den Plätzen; doch wird nicht daran ge-
zweifelt, daß in der Nacht die unruhigen Auftritte ſich erneuern werden.


lung ausging. Die Einen ſagen von den Ultramontanen, die Andern behaup-
ten, er ſei durch die Behörden ſelbſt veranlaßtz um Gelegenheit zu erhalten,
die /Kanaille“ zu vernichten. Thon Dittmer rüſtet ſich zu einem entſchiedenen
Schlage; es ſind die Chevauxlegers von Augsburg, daͤs Infanteriebataillon


Möglichkeit daran gearbeitet, ſie bei ihrer „guter Geſinnung“ zu erhalten. In-
deſſen zeigten ſich geſtern Nachts ſchon vei einem großen Theile der Infanterie
Spuren von übler Stimmung. Die Bürger wollen dieſen Abend noch eine


direktors Pechmann beantragen.




Indem ich meinen Brief ſchließe, herrſcht ziemliche Stille und Ruhe in


Heute Abend wird der König zurückerwartet; die Miniſter haben ihn um
ſeine Rückkehr gebeten. Seit einiger Zeit beſteht übrigens ein geheimes Kabinet
des Königs, wenn auch nicht dem Namen, doch der That nach. Mitglieder
deſſelben ſind Ludwig Wallerſtein und Doeniges. Die Miniſtex erhalten ihre
Befehle von dieſem Kabinete und vollziehen ſie! So ſpielt Wallerſtein den Pre-
mier, hat keine Verautwortlichkeit und bezieht ſeinen großen Gehalt als Ge-
ſandier in Paris. Kein Wunder, daß unter ſolchen Auſpizien die Reaction in
vollem Gang iſt; der liberal ſchwatzende Wallerſtein wird es wo möglich weiter
zu treiben fuchen, als er es im Jahre 1832 u f w. getrieben Dat, —

Berlin, 20. Auguſt. (R. D. 3.) Das Kriegsminiſterium hat den Be-
ſchluß der Vereinbarerverſammlung, daß den Offizieren, welchen das neue Sys
ſtem nicht zuſagt, der Austritt aus dem Dienſte zur Pflicht gemaͤcht wird/ noch
immer nicht ausgeführt und ſcheint auch gar nicht geſonnen zu ſein, das üher-
haupt zu thun. Und doch ſchreiben demokratiſch geſinnte Offiziere aus den Pro-
vinzen an Mitglieder der Linken, ſie möchten vor Allem auf der Ausführung
des Beſchluſſes beſtehen, denn der Uebermuth der Junker in der Armee Übers
ſtiege alle Gränzen. Das geht auch aus den Aeußerungen der „N. Preuß. Ztg.“ -
über die Vorfälle in Schweidnitz hervor. Natürlich werden wir dieſerhalb wie-
der ſtürmiſche Interpellationen hören; wenn ſie nur Erfolg hätten, was dießmal
zwar wahrſcheinlich iſt.

Die gerühmte preußiſche Disziplin ſcheint aber ſtellenweiſe bedeutende De-
fekte erlitten zu haben. Nach Nachrichten aug Poſen marodirt das neu von
Danzig her eingerückte 5. Regiment förmlich in der Stadt, ißt und trinkt ſehr
reichlich in den Wirthshäuſern, verſorgt ſich in den Läden mit Cigarren, ohne
zu bezahlen, prügelt die Leute auf den Straßen, ſo daß ſelbſt die hieſigen „Deutz
ſchen Patrioten“ gegen die wackeren „deutſchen Brüder“ ſehr erbittert ſind. Das
ſend kleine Schwachheiten der deutſchen Brüder, welche die deutſchen Patrioten
in Polen nachſichtig beurtheilen müſſen; wird doch ihre Nationalität gerettet!
Und jetzt können ſie ſich eine kleine Vorſtellung davon machen, wie dieſe deut-
ſchen Brüder bei den Polen hauſen mögen!

Die Nachricht von der Revolution in Petersburg und Moskau kurſirt auch
in Berlin; ſie iſt bis jetzt weder beſtätigt, noch widekrufen.

Berlin 21. Auguſt. Geſtern iſt Charlottenburg abermals der Schau-
platz der abſcheulichſten Gräuelthaten geworden. Vormittags nach 10 Uhr
ſollte eine Verſammlung des vor Kurzem geſtifteten demokratifchen Klubs ſtaͤtt?
finden, als die Mitgliedex de ſſelben ſich jedoch nach ihrem Lokal begaben, fan-
den ſie es von Leuten beſetzt, die ſie nicht einließen, ſie höhnten und ſchmähten
und hald darauf hörten ſie, daß zwei Beamte Eharlottenburgs es ſich zum
Geſchäft gemacht hatten, jene Leute für Geld zu gewinnen, um den Klub zu
ſprengen. Der Buchhändler Egbert Bauer, der zum Comité des Klubs ge-
hört, ließ es ſich hiexauf angelegen ſein, die Ausſagen hierüber feſtzuſtellen
und ein Protokoll darüber aufzunehmen. Dieß mußte aber wohl ruchbar ge-
worden ſein, denn bald darauf ſtürzt eine Rötte zu Egbert Bauer in den La-
den, bedrängt ihn unter Drohungen und Mißhandlungen, ſo daß er genöthigt
iſt, in das nächſte Haus zu flüchten. Brund Bauer ſtand in dem zweiten
Zimmer mit jenem Protokoll in der Hand. Sobald die Rotte ſeiner anfichtig
wurde, ſtürzte ſie ſich auch auf ihn, ergriff ihn und zerrte ihn auf die Siraße,
wo ein Haufe von vielen hundert Charlottenburger „Bürgern“ verſammelt waͤr,
die ſämmtlich über ihn herzufallen und ihn zulmißhandein ſuchten. Nur mit
der groͤßten Anſtrengung gelang es ihm, durch den wüthenden Haufen in feine
gegenüberliegende Wohnung zu gelangen. Uebler ging es Egbert Bauer. Er
wurde aus dem Hauſe, in das er ſich geflüchtet, geriſſen, auf die Straße ge-
ſchleppt und hier auf das Niederträchtigſte mißhandelt, ſo daß er ohnmächtig
zuſammenfank und nur durch neue Stöße wieder zum Bewußtfein gelangte,

Und alles dieß geſchah im Angeſicht der Bürgerwehr, der Polizeikommif-
ſarius, des Polizeidirectors Dunker! der neben Epbert Bauer wohnt, und der
zur Parade aufgeſtellten Soldaten! Keiner von ihnen regte ſich für die Miß-
yandelten ja die Offiziere ließen e& ruhig geſchehen, daß Egbert Bauer wieder
aus den Reihen der Soldaten geriſſen wurde, alg er ſich in dieſe geflüchtet-
Es war ganz erſichtlich, daß es ein vorbereiteter und verabredeter Scandal
war, der die würdige Fortſetzung der Mißhandlung der Studenten bildet. —
So wie Egbert Bauer wurden auch noch ſacht Mitglieder des demokratiſchen
Klubbs aus ihren Häuſern in das Schulhaus geſchleppt, wo ſie halb todt an-
kamen. Einem Arbeiter war der Fuß zerquetſcht. Die meiſten waren in ihren
Häuſern überfallen worden. Mit aufgeſtreiften Hemdsärmeln ſtürzten die Rot-
tenführer auf ſie los und mißhandelten ſie mit kannibaliſcher Wolluſt. Der
Kaufmann Jacoby, welcher neben E. Bauer wohnt, wurde ſo zugerichtet, daß
man für ſein Leben beſorgt iſt.

Als die Nachricht dieſer Unruhen in Berlin bekannt wurde, gab ſich foz
gleich der tiefſte Unwille über die Niederträchtigkeit jenes Charlottenburger Ge-
findels kund, und man beſchloß ſofort die geeigneten Schritte zum Schutze der
Verfolgten zu thun. Der in der Leipziger Straße verſammelte Kreiskongreß
der demokratiſchen Vereine Brandenburgs, dem der Profeſſor Benary präſi⸗!
dirte, beſchloß ſogleich eine Deputation, beſtehend aus den Herren Aſſeſſoren
Schramm und Herzfeld und Herrn Kirchner aus Frankfurt a. d. D, zu dim
Miniſter Kühlwetter zu ſenden, um dieſen aufzufordern! ſofort die geeigneten
Schritte in Charlottenburg zu thun und' die läfſigen Behörden an ihre Pflicht
mahnen zu laſſen. Dieß wurde auch, nachdem jene Herren den Miniſter auf
Mittelweile waren Egbert und
Bruno Bauer von den zu ihnen geeilten Freunden nach Berlin geleitet worben,
und der Kreiskongreß vernahm darauf aus ihrem eigenen Munde, wie es ihnen!
ergangen war.

Daß ſich die Entrüſtung über die Charlottenburger noch ſteigerte, kann man
ſich denken. Es wurde von allen Seiten eine eremplariſche Strafe für diefelden
gefordert. Um nichts zu verſäumen, ernannte der Kongreß eine zweite Depus _


 
Annotationen