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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0237

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— — RA









Balbfährlich



No. 59

— —— ——f











Deutſchland.
** Mannheim, 27. Febr. Morgens 8'/, Uhr. Die franzöſiſche
Poſt, welche ſonſt um dieſe Stunde ausgegeben wird, iſt nicht eingetroffen.
Die Gemuͤther ſind hier außerordentlich ergriffen und geſpannt wegen der Nach-


aus den Händen geriſſen und
verſchlungen. Was wir noch am geſtrigen Abend durch Reiſende und Briefe
aus Straßburg erfuhren, iſt nur geeignet, die allgemeiue Wißbegierde und
freudig ernſte Stimmung zu ſteigern. Man berichtet, ein Miniſterium Molẽ
jei mit Abſcheu von dem Volke zurückgewieſen worden, ebenſo habe das von
Odilou Barrot gebilbete keinen Anklang gefunden; dagegen habe ein größtens
theils aus Republikanern zuſammengeſetztes und mit lautem Jubel begrüße
tis Miniſterium augenblicklich Beftand gewonnen; man nennt alg Mitglieder
deſſelben die Herren:
v. Ledru-Rollin, Garnier-Pagés,
General Subervie, Lamartine.

Eine weitere Nachricht lautet: Die Königs-Familie Orleans ſei aus
Frankreich verbannt, Louis-Philippe ſelbſt aber und das abgeſetzte Miniſterium
zur Berantwortung gezogen. Die naͤchſte Poſt (11 Uhr) wird wohl von

Arago, Marie, Cremicux,


Ausbleiben von Nachrihten dermalen uichts Schlimmes für den Gaug der
Volkeſache in Frankrech.

— Karlisruhe, 24. Febr. Neunundzwanzigſte öffentliche Sitzung der
zweiten Kammer unter dem Präſidium Baaders. (Sortf.) |

Soiron, Die Sache hat auch noch eine andere Seite, Der Abg.
Schagff hat mit Recht in einer früheren Sitzung behauptet, daß wir auf ei-
nem Antrag, der den Hrn. Finanzchef betraf, um ſo feſter behaͤrren vder um
ſo leichter gogehen müſſen, je mehr wir wollen, daß er aͤuf feiner Stelle blei-
be oder daß cr davon eniſetzt werde. Zur Unterftüßung der Befchwerde ge-
nügt mir nun die finanzielle Seite. Aber ich habe auch noch andere Gründe.
Ich frage: wer iſt der Mann, gegen welchen oie Beſchwerde erhoben wird?
iſt er von einer Jolchen Eigenſchaft, daß als Rathgeber der Krone er daͤhin
wirkt, daß die Wünſche des Volkes exhört werden? Ich glaube nuͤn dem


Zaß er ein warmer Vertheidiger ves vorigen Syſtenis iſt, das man verlaffen
haben will, jenes Syſtems der — und des Polizeiſt aats.
; Beifall.)
Er hat ſich eng an iene Richtung angeſchloſſen, welche mit Hülfe confef-
ſioneller Vorartheile einen Damm hat aufrichten wollen gegen die freie Ents
wicklung des Bürgerthums. Wir erinnera uns noch ſehr gut, wie bei dem
berüchtigten Pe titionsſturm zwei freupetrunkene Augen verrathen, und manches
Wort zu erkennen gegeben haben, was der Mann dort im Innern daͤchte. Damaͤls
macte man den Berfuch, mit Hülfe pfäffiſcher Lügen das Syſtem des
Polizeiſtaates und dex Bureaukratie zu ſtützen. Der Mann, der vor uns ſteht,
war verbunden mit jener ſchwarzen Schaar. Der Friede iſt uns nun ange-
kündigt. Aber es frägt ſich, ob wir jetzt ſicher ſein, ob wir feſte Hoffnungen
haben tönnen? Ich muß gefieben . ... ich gehöre nicht zu jenen Peſſuniſten,
die alles verwerfen, wenn ſie nicht das Beſte erreicht haben. Aber wenn
die Hoffnung auf eine Aenderung der Regierung nicht auf Sand gebaut ſein ſoll,
bann dürfen nur ſolche Nänner im Rathe der Krone ſein, die unter allen
Berhäliniſſen dem neuen Syſtem huldigen. Von dem jetzigen Präſidenten des
Finanzminiſteriums kann ich dieß nicht glauben. Er iſt, wie geſagt, ein zu
entſchiebener Anhänger des früheren Syſtems. Und ſcheint er'ſich jetzt auch
einem andern Syſtem zu fügen, auf die Dauer kann ich ihm nicht vertrauen.
Ich habe noch weitere Gründe des Mißtrauens. Wer einen ſo ſchuellen
Umſprung von einem Syſtem zum andern macht, wer ſo ſchnell dieSfaia
binabgleitet, der gehbt aug eben ſoſchnellbei geändertenUmſtänden
die Stala wieder hinauf. Nehmen Sie hinzu das Benehmen des Präſi-
denten des Finanzminiſteriums bei der neulichen Verhandlung üder das Steuer-
ausſchreiben. Er war von der Budgetkommiſſion beſchuldigt, eine Verfaſſungs-
verletzung begangen zu haben. Darauf erklärte er: die Regiexung werde aͤuf
dem Steuerausſchreiben beharren und nicht dulden, daß die Stände an Rechten
„Eroberungen machen.“ Als ſich ſpäter die Umſtände etwas änderten, als die
Budgetkommiſſion eine Beſchwerde zu ſtellen beſchloß, da richtete er an den
Präſidenten derſelben ein zweideutiges Schreiben; weil er die Umſtände noch
nicht für bedenklich genug hielt. Später kam die Sache zur Verhandlung; und
als ein aufrichtiger Herr Kollege ſagte, daß der $. 62 nicht anzuwenden ſei,
da erklärte er, die Anwendung dieſes S. für „zweifelhaft.“ Später gab er die
Antwort: er ſei mit ſeinem Kollegen /gewiffermaßen“ einverſtanden; und alg
das Schlimmſte drohte, ſagte er: „allerdings.“ — Stufenweis, wie ſich die
Ereigniſſe mißlicher geſtalteien, geſtalteten ſich auch die Antworten. Nochmals
ſpreche ich es aus: wer auf ſolche Weiſe ſo ſchnell die Skala heruntergeht, der
geht ſie auch ebenſo ſchnell wieder hinauf. Der huldigt dem alten Syſtem wie-
der in voller Schärfe, ſobald die Gelegenheit da iſt, den Bund wieder zu ſchlieſ-
ſen. In dieſer kritiſchen Zeit bedürfen wir aber tüchtiger, geſinnungsfeſter
Männer. Ich ſtimme für die Beſchwerde.
Eebhaftes Bravo. Der Präſident gebietet mit ſtrengen Worten Ruhe.)
Trefurt. Ich zolle dem Redner, der eben ſprach, alle Anerkennung. Er hat beſ-
ſer als alle anderen Redner ausgedrückt, weiches eigentlich bei diefen Angriffen
gegen meinen verehrten Collegen der geheime Grund iſt. Es iſt ganz klar,
daß man nicht im Entfernteſten einen Rechtsgrund hatte; denn der $ 62 iſt durch-
aus nicht ſo deutlich, daß ein Nichtjuriſt keinem Irrthum darin verfallen könnte.
Den Mann, die Perſon wollte man treffen! Eine Pflichtverletzung ſollte mein

-





von einer Ueberſchreitung Kognition zu nehmen, keine Anzeige niachte. Was
hätte die Anzeige genützt? Die eine Kammer hätte eine Indemnitaͤtsbill geben,
und die andre eine Beſchwerde erheden können. Davon mußten ſich zuletzt
auch die Abgeordneten Mez, Ißfſtein, Kapp überzeugen. Es war daher blo-
ſes Mißfallen an der Perſon, daß auf den Antraͤgen beharrt wurde.


riums mißtraue, daß er von deſſen Anhänglichkeit an das jetzige Syſtem über-
zeugt ſei. Ich muß ſagen: mir iſt Nichts bekannt, daß das Syſtem
der Regierung ſich in Nichts geändert hat.
miſſär wird Ihnen zugeſtehen, daß ſich das Syſtem der Regierung in irgend
etwas geäudert hat. Wenn der Abg. Kapp gegen meinen verehrten Kollegen
geäußert hat, es ſcheine, alg ob derſelbe de Schuld auf ſeinen Vorgaͤnger
wälzen wolle, ſo ſage ich Ihnen: wir ſaͤchen nicht nach Eutſchuldigungen, wir
nehinen Alles auf uns benn wir haben noch ganz das alte Sys
tem.
Eine Zweideutigkeit oder Unfeſtigkeit kann in dem Verhalten meines Kol-
legen nicht gefunden werden. Er trat den Eiklärungen des Praͤſidenten des
Juuern in dem Maße bei, alg er, ein Finanzmann, allmälig von der juriſti-
ſchen Autorität deſſelben überzeugt wurde. \ 7

Regenauer. Ich bin aufgefordert, auf Reden zu antworten, wie ſie
hier noch nie vernommen wurden. Uebrigens danke ich dem Abg Soironz
er iſt ein Mann von Math. Er hat die geheimen Gründe angegeben, welche
eigentlich die Budgetkommiſſion leiteten. Meine Herren! Ich habe von Ju-
gend auf Grundſätze gehabt, die ich mit mir in's Grab zu nehmen hoffe, und


Wenn ich irrte, ſo irrte ich in beſter Abſicht (der Redner wollte zuerſt ſagent
„mit beſtem Wiſſen“ u. ſ. w., korrigirte ſich indeffen.) Man hat gefagt, i
ſei ein Verfechter der Büreaukratie und des Polizeiſtaates. Ich bin ein
Zoͤgling jenes Mannes, der von Jahr 1819 an die Finanzeu geleitet hat, ei-
nes Mannes, der mehr Lob verdient, alg Mancher auf jenen Bänken dort,
der ihn angegriffen bat. Vierzehn Jahre lang habe ich unter der Leitung die-
s Mannes für den Staat gearbeitet, und ich ſah nie, daß er auch nur um
eine Linie von dem Pfade des Rechten abgewichen waͤre. In Folge ſeiner
Empfehlung wurde mir meine jetzige Stelle übertragen; einſt, als ich von die-
ſein Manne wegeing, ſagte er mir, daß er mich auf ſeinem Todbette noch
dem Regenten empfehlen werde. Mit voller Seele hänge ich dem Regenten
an; was ich in ſeinem Dienſte that, kann ich vor ihm verantworten und werde
es verantworten, wenn ich dereinſt vor jenem Rechter ſtehe, der unbefangener iſt,
als Sie. n

ſtuhl der Inquiſition ſtellen wollen, weil ih Vorſtellungen zu jener Zeit einz
reichte, wo ich die Religion des Volkes für gefährdet hielt und weil ich das
Petitionsrecht vertheidigte.
ich. Ich lebe in einer gemiſchten Ehe, meine Kinder ſind an Prottſtanten ver-
heirathet. Deswegen konnten ſie mir aber nicht zumuthen, einzuſtimmen, wenn
Petitionen, welche um Schutz der Religion baten, Pititionen aus meiner Bas
terſtadt wegwerfend behandelt wurden. Sie haben mir mein Benehmen in der
Verhandlung über das Steuerausſchreiben vorgehalten. Aber ſie dürften


begangen habe. * 7
Glaube man nicht, daß mir ſo viel an der Stelle gelegen iſt, die ich
bekleide. Aber ſo lange die Krone mir vertraut, ſo lange werde ich allen
Stürmen entgegentreten; ich hoffe in meinem Lande noch Gerechtigkeit zu fin«
den, wenn auch eine zufaͤllige Majorität meinen Sturz wuͤnſcht. \
(Summen auf der Gallerie.) (Schluß folgt)
Freivurg, 25. Februar. Heute morgen halb 12 Uhr iſt der Studloſus
v. Reck an der durch Lyceumslehrer Dr. Fiſcher vorigen Sonntag im Duelk
haltenen Schußwunde geſtorben. Er hat ſich zuletzt noch einer ſchmerzhaͤften.
Operation unte worfen, Und dieſe wie überhaupt die großen Leiden ſeiner leßz-
ten Lebenstage mit ungemeinem Muthe ertragen.
München, 22. Febr. Der König hat den Redemptoriſten verboten,
noch fer erbin Miſſionen in Baiern halten zu dürfen und ſie, mit dem Ver-


zufgefordert, noch Amerika auszuwandern und dort ihre Wirkfamkeit auszuuͤben.
Bereits iſt ein königl. € mmiffär mit diefer Botſchaft an den fanatiſchen Bi-
ſchef von Paſſau abgegangen und man hofft die Patres bald über den atlan-
tiſchen Ocean ſchwimmen zu ſehen.
len die Benedieliner von hier nach ihrem Klöſter Metten zurückehren, die Be-
nedictiner von Augsburg abex hieher kommen. Ueber den Grund der über die
Redemptoriſten perhängien Maßregel hört man verſchiedene Stimmen; doch
heißt es allgemein, dieſelden ſeien bei den Demonſtrationen der neueſten Tage
mit dem, Graſen Axco-Vallay, der bekanntlich zur Feier der Verweifuͤng


habe in die Stadt maſchiren laſſen wollen, unter einer Decke geſteckt.

Was der König zunächſt beginnen wird, darüber herrſchen noch Zweifel.
Anfangs wollte er die hieſige Gaͤrniſon wechſeln und eine Verſetzung der Offt-
eiere in Maſſe vornehmen. Dazu verweigerte aber der Kriegsminiſter feine
Unterſchrift. Sodann, ſagt man, es würden alsbald alle Baͤuten eingeſtellt

*) In Baiern beträgt der landesherrliche Tiſchtitel, der die Nachweiſung


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