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E2!] Die Bourgeoiſie bei der Spaaltung zwiſchen
Volt und König in Preußen.
Die letzten Ereigniſſe in Preußen find einmal wieder ein Probeſtein geweſen,
an welchem ſich die Ausdauer des Bourgeoisliberalismug der Welt offenbar
gewacht hat. „Paſſiver Widerſtand⸗! Dlefes Zauberwort umfaßt den Anfang
und das Ende des ganzen politiſchen Horizonts eines liberalen Bourgeois; was
meer, aus xeſſen Gewirre die Schreckgeſpenſter der „Anarchie“ drohend hervor-
tauchen. Welcher Jubel, als die Nationalverſammlung zu Berlin den „paſſiven
Widexſtand ankündigte! Die conſtitulionellen Bouͤrgeoisblätter waͤren voll
Entzücken über dieſes großartige Zeugniß eonſtitutioneller Geſinnung und die
Ubexalen Herren giengen in ihred freiheitsmuthigen Anfopferung fo weit, daß
ſie ſogar der Nationalverſammlung zur Fortfegung dieſes thatenreichen Weges
unhedingten Credit anboten. Iſt das nicht alles Mögliche? Der Bourgebis
giebt Geld her, Geld aus purer Begeiſterung! Wo ſind mir meine fünf
Sinne bingekommen? Doch, gelnaͤch das Blätilein wendet ſich; die National-
verſammlung geräth auf den Einfall,den paſſiven Widerſtand zu brechen; da
hat der Rauſch ein Ende; die ganze conftitutionelle Herrlichkeit brauſt mit wah-
rem Sturmgeheul über die Frevelhaftigkeit der Abgeordneten her.
Die liberalen Herren wenden ſich mit Entſetzen von der Nationalver-
ſammlung ab; ſie haͤt einen Auflug von Muth gezeigt, ſie nimmt den Anſchein,
die erbärmliche Rolle des paſſiven Widerſtandes abwerfen und für das Volt
handeln zu wollen. Die nämlichen Menſchen, welche erſt noch der National-
verſammlung den duftendſten Weihrauch gefpendet hatten, ſchleichen ſich wieder
an den Toͤron hin und erſterben' für den Allerhöchſten und Allergnädigſten in
unterthänigfter treugehorſamſter Ergebenheit. Pfui über ſolche Gemeinheit; ein
Treiben waͤhrhaft zum Anfpeien! Kein Wuyder, daß ſich dieſen Creaturen ge-
genübex die Könige für Weſen höberer Art halten; aus dem Knechtſinn, der
Feigheit, der Erbärmlichkeit der Völker hat der Hochmuth der Könige immer
und allein ſeine Nahrung gezogen; das Bourgeoisthum mit ſeiner Niederträchtig-
keit iſt darum die beſte Stütze der Gottesgnabenhetrſchaft. —
„Paſſiver Widerſtand!“ Das Wort will mir nicht mehr aus dem Kopfe-
Paſſiver Widerſtand, das war das ungeheuere Feld der freiſinnigen Ideen, auf
dem ſich der Liberalismus unſerer vormärzlichen Kammerhelden herumgetrieben
hat, die nachher ſo kläglich zu Schande gewoͤrden ſind. Ihr mögt toben, ihr
mögt ſchreien ihr mögt in Worlen und Schriften die Willkühr der Fürſten ver-
fluchen, an Eurer herzhaften „Geſinnung“ begeiſtert ſich der Gedanke der libe-
ralen Bourgeois, aber, um Gottes Willen, wenn ihr „honnette“ Leute bleiben
wollt, überſchreitet nicht die Grenzen des paſſiven Widerſtandes. Denn, dann
gibt es ein Durcheinander und — die Papiere ſinken. —
In den „paſſiven Widerſtand“ ſchrumpft die ganze Thatkraft des liberalen
Bourgeois zufammen. Dulden und — ſchwätzen, das iſt die Tugend dieſer
Menſchenklaſſe. Laßt den Abſolutismus ihnen zu Leibe rücken, wie mächtig
ſchwillt ihnen da der Kamm; ſie nehmen den Mund voll, ſie ſtellen ſich auf
die Hinterfüße, ſie proteſtiren, ſte drohen, es hat abex Alles nichts zu bedeuten,
ſie leiſten „paſſiven Widerſtand;“ ſie ſtehen kampfgerüſtet mit den Waffen in
der Hand den „Unterdrückern der Freiheir“ gegenüber, und — ſie leiſten „paſſi-
ven Widerſtand;“ ſie laſſen ſich ausziehen und plündern, und — leiſten „paffiven
Widerſtand;“ ſie laſſen fich wohl auch noch in Stücke zerreißen, und — leiſten
u nerſchöpfliche Langmuth, dieſe eingefleiſchte Feigheit? Und was für Mnſchen
bas, die in ein ſolches Treiben ihre ganzee bügerlich eGröße ſetzen? Paffiben
Widerſtand, den leiſtet auch noch der Hund, wenn ihm der Herr einen Tritt giebt.
Gewiß dieſer „paſſive Widerſtauͤd“ gewährt unſeren Fürſten höchſt tröftliche
Ausſichten; die Männer des paſſiven Widerſtandes, das ſind ungefährliche
Menſchen; ſie ſind ſtark, ſo lang ſie nicht angegriffen werden; ſie ſind nur zu
fürchten, wenn das Volk hinter ihnen ſteht und DMiene macht, dreinzuſchlagen,
ehe die Schwätzer noch zur Beſinnung kommen können. Gelingt es den Hoͤhen
und Allexhöchſten, ihnen noch bet Zeiten den Mund zu ſtopfen, dann dürfen
ſie ungeſchoren in der Ausſaugung des Volkes fortfahren, und es fehlt ihnen
zugleich nicht mehr an einer tleuen und wirſamen Bundesgenoſſenſchaft.
Deutſchland.
Frankfurt, 29. Nov. (Reichs.-Ztg.) 125. Sitzung. Der Ausſchuß
des hier verſammelt geweſenen Handelsvereing bat den Entwurf zu einem Zoll-
tarif zu geeigneter Bexrückſichtigung eingegeben.
Bauer aus Hechingen fraͤgt den Kriegsminiſter, aus welchem Grunde die
militäriſche Beſatzung don Sigmaringen auf ſo lange Zeit und mit einer fo
großen Truppenzaͤhl nothwendig ſei, und ob nicht in Bälde eine Zurückziehung
derſelben zu exwarten ſtehe.
An der⸗ Tagesordnung iſt die Diskufſion des Berichts über die öſterreichi-
ſchen Angelegenheiten. Giekraͤ heginnt mit dem Ausſpruche ſeines tiefen Schmer-
zes über das Schickſal, das Wieuͤ detroffen, und behauptet, daß es in der Macht
diefes Hauſes und der Centralgewalt gelegen habe, dieſes Schickſal von der un
glücklichen Stadt abzuwenden.“ An das Schickſal Wiens knüpft ſich die Be-
urtheilung der Thätigkeit der Reichskommiſſäre, welche einen Theil der Wirk-
famfeit des Miniſteriums enthält. Schon einmal habe er heftigen Tadel über
dieſelben ausgeſprochen und dasfelbe fönne er heute nur mit mehr Ruhe und
Mit neuen Gründen unterſtützt wiederholen. Warum gingen ſie nicht ſchnell und
direkt nach Wien? Um den Schein zu vermeiden, als ob ſie für die Volks-
ſouveränitä Partei nähmen, die Volksſouveränität, auf welcher das Beſtehen
der Centralgewalt und diefes Hauſes beruht! Sie gingen nichi nach Wien, weil
ſie den dort herrſchenden Terrorismus fürchteten! Und woher hatten ſie ihre Hunde
vom Terrorismus? Aus einer ſehr unlauͤtern Quelle. Sie gingen nach Olmü-
um den conſtitutionellen Miniſter dort zu finden, aber Kraug, der canſtitutionelle
Winiſter, war ja in Wien! War Windiſchgrätz conſtitutioneller Miniſter? —
Sie gingen nach Almütz, weil es der Reichsverweſer wünſchte, nicht auf In-
ſtruktion des Reicheminiſtertums. — Windiſchgrätz wies fie, wie ſie ſelbſt zu-
geben, mit Schroffheit zurück; er habe unumfchränkte Vollmacht, darüber hin-
aus gehe keine Macht, ſelbſt der Kaiſer habe nichts mehr zu ſagen; {a noch
mehr: als ſie dieſer brüsken Weiſe gegenüber die Macht der Centralgewalt ver-
wahren wollten und er auch das zuͤrückwies, erklärien ſie, das fei nur eine
diplomatiſche Form ohne tiefere Bedeutung.
Mit Schwaͤrzenberg und andern Perfonen des Hofes verkehrten ſie. Wer
iſt Schwarzenberg, wer dieſe Perſonen? Mit dem verantworklichen Miniſtex
hatten ſie zu verkehren, und wenn conſtitutionswidrig andere Perſonen Einfluß
hatten, hätten ſie diefem Einflutz entgegentreten, ſich nicht in der Huld der
hohen Perſonen ſonnen ſollen. (Beifall.) ‘
Wären ſie nach Wien gegangen, der Gemeinderath, der Sicherheitsausthuß
und die ganze deutſche Bevölferung wären für ſie geweſen und der Kaiſer hätte
nachgegeben, die blutige Kataſtrophe wäre vermieden und die Verwicklungen
der Verhältniſſe Oeſterreichs zu Deutſchland anders gelöst worden, als ſie jetzt
noch gelöst werden können,
Er beruft ſich auf das Urtheil Jelachich's, der erklärt habe, daß die
Reichecommiſſäre weit mehr zur Beglückwünſchnng der Slaven, aͤls zur Entferz _
nung der Slaven von Wien in das Hnuptquärtier gekommen. —
Und dieſe Schritten der Commiſſion habe die Genehmigung der Reichsmi-
niſter erhalten, und ich behaupte, daß dieſelben {im genaueſten Zuſammenhange
mit der gaͤnzen Politik des öſterreichiſchen Minifteriums ſtehen. — Der Redner
gibt einen Ueverblick uber das Verfaͤhren des letztern ſeit April d. J. Bis zum
Oktobex war kein etnziges Reichsgeſctz — was die Reichsminiſter zugeſtanden —
in Oeſterreich proklamirt worden. Die Beſchlüſſe der Nationaͤlvexſammlung
über die Wahlen, über das Geldausfuhrverbot, über das Verhaͤltniß Oeſterreichs
zu Deutfchland u, ſ. w. haben keine Beachtuͤng in Oeſterreich gefunden. Die
oſterreichiſchen Soldaten hätten nicht etwa bloß Exzeſſe geübt, nein, ſie wären
burd) bivecte Aufforderungen, durch Anfeuerung mit geiſtigem Getränke zu allen
Gräueln geradezu angeſtaͤchelt worden. Das Standrecht uud ſeine Vollziehung
gegen Itobert Blum und andere ſei geſetzwidrig. —
Am 17. beſchloſſen wir, daß daͤs Miniſterium unmittelbar und energiſch
eyſchreiten foll — ein öſterreichiſches Blatt druct den Beſchluß ab — und
wird Ddeßhalb konfiszirt. Einex der'edelften Jünglinge wird 22 Tage nach dem
Einrücken der Truppen erſchoſſen, weil — er ſich früher einmal in einem Zei-
tungsarıtfel gegen die Dynaͤſtie vergangen! — Beiſpiele gibt der Redner noch
eine große Anzahl und zeigt u. A. eine Note auf fünf Kreuzer vor, zum
Beweis, wie das Geldausfuhrverbot befolgt welde. **
Und was hat das Reichsminiſterium gethan? Nichts, gar nichts!
Das Neichominifterium hat den Sieg der Croaten über Wien vorqusge-
4 * hat ihn gewünſcht, es hat die Folgen auf ſeinem Gewiſfen! (Lauter
Die Neihscommiffäre kamen zurit, was thut das Miniſterium weiter? -
* ſchreibt für den ſpesiellen Fall von Blums Ermordung an das öſterreichiſche
inifterium, es fchidt für den ſpzielen Fall eine Commiffion hin ; wegen des
augemg‚;nen‚ wegen Einhaltung der Errungenſchaften des März geſchieht nichts.
iſt von dieſer Lommiſſton zu erwarten, die nicht einmal den gewichtigen
Namen eines Welcker für ſich habe? Man hat zwei Männer hingeſchickt, die
nicht$ bewirften, die nichts bewirfen follten! (Murren von der Rechien) Un-
ſer Viheniniſterium will, daß in Oeſterreich die alte Wirthſchaft fortgehe,
daß nichts für Deutſchland gewirkt werden ſoll (Rauſchender Beifall), und das
ift der Charafter der allgemeinen Hoiit unferes Miniſteriums. Da nichts zu
hun, wy ertwas geſchehen mußte, darum konnte es ja auch kein Programm
aufſtellen! Crinuern Sie ſich der Waffenſtillſtandsfrage, es erkannte den voll-
kommenſten Wiederſpruch deſſelben mit der Ehre Deutſchlands an, und räth
doch der Verſammlung, ihn angunehmen cunterhrechung von der Rechten), So
vird uyſete Centralgewalt zum Schatten herabgezgogen. — Ueberall Aulehen
an die Kronen, überall Verläugnung des Grundſatzes der Volksſouveränität,
der uns hierhergebracht Beifall).
— find die deutſchen Fahnen, die deutſchen Bänder, die deutſchen Lieder
in Oeſterreich? Schwarzgelb ift Alles, und die ſchwarzgelbe Fahne muß vom.
Ztep! Vergleicher Sie das mit der Zeit, wo Ihre Deputa-
tion in Wien erſchien, den Reichsverweſer abzuholen. Die Mädchen, die daz
mals der Deputation und dem Reichsverweſer Blumen ſtreuten, weinen jetzt
um ihre Väter, um ihre Mütter, die die deutſche Centralgewalt von den Eroa!
ten binwürgen lieh! Dahin iſt es gefommen, und durch wen? Durch das
Miniſterium! Man ſpottẽt des Parlaments, man ſpottet der Centralgewalt,
weil fie für die deutſche Sache in Oeſterreich nichts gethan!
Die Linke im öſterreichifchen Landtag felbft geht jetzt darauf ein, die öſter-
reichiſchen Abgeordneten von Frankfurt abzuberufen und warum geht ſie darauf
ein? Weil ſie in der Centralgewalt und dem Parlament den Todtengräber für
die Freiheit in Deutſchland eroͤlickt. (Donnernder lang anhaltender Beifall vom
Lauſe und von den Gallerien; Vicepräſident läßt einen jungen Mann, der
Beifall klaͤtſchte, von der Gallerie entfernen.) Gioͤkra fährt ſort, die Schwäche
und das geſunkene Anſehen der Centralgewaͤlt zu ſchildern. Das Miniſterium
thut nichts als was ihm die Verſaminlung nicht aufträgt, die Verſammlung
thut nichts, weil ſie ein Miniſterium hat; ſo haben wir einen Convent, einen
Convent der nichts thut (Beifall) und ſo wird die deuͤlſche Bewegung bedeu-
tungslos in den Sand verinnen — wenn es ſo fort geht! So lange Deutſch-