Dezember, -
vtertellährlich 2 M, 30 im Yuslaud erhoͤht
Deutſchlan d.
Mannheim, 27, Dezbr. Man ſollte glauben, ein Republikaner,
⏑ in bie vorerſt einmal unvermeidliche Herrſchaft einer konft. Regierung
Eduldig fügt/ müſſe zum wenigſten doch die Berechtigung haben, für die Lonftitutionellen
ker gefagt, daß ein Republikaner eigentlich gar nicht das Recht habe, in der
ten Kammer zu ſitzen. Das heißt gerade fo viel als: der republikaniſche Theil
des Volkes hat gar keinen Anſpruch darauf, von der Regierung durch einen
Vertreter gehört und beachtet zu werden! Da kann man ſehen, wie der Herr
Miniſter Bekk die badiſche konſt. Verfaſſung verſteht. Nach derſelben hat jeder
Bürger bei den Wahlen genau ſeiner Ueberzeugung zu folgen, und den Wahl-
männern, die den Abgeordneten wählen, iſt das noch ausdrücklich zur Pflicht
nicht bloß berechtigt, ſondern ſogar verpflichtet, einen republikanifchen Deputirien
3u wählen; ein Konftitutioneller Fann ihnen ja ohnehin nichts helfen. Soͤllten
niſchen Wähler entweder von der Wahl gänzlich ausgeſchloſſen, oder genöthigt
Lein, gerabezu gegen ihte Ueberzeugung zu wählen. Dergleichen Gewaͤltthätig-
keiten ſind nun fretlich nicht ſo leicht auszuführen; dafür kann Hr. Bekk nichts;
ebrigens hat das für Hrn. Bekk auch nicht viel zu bedeuten, denn wenn
ein Abgeordneter nicht in die Kammer hineingehoͤrt, fo wird die Regierung auf
bas, was er im Namen des Volkes voͤrbrinzt, auch kein Gewicht legen und
ſich ruhig darüber hinwegſetzen.
So macht alſo Herr Bekt die Berfaffung zu einer bloßen konſtitutionellen
Lige. Er preßt die gaͤnze Verfaſſung für ſeine conſtitutionellen Geſinnungsfreunde
jatt nagen köunen. Für die Republikaner, das muß deutlich ſein, kennt Herr
DBeff keine Berfaſſung; wer nicht mit dem Glauben an die conſtitutionelle
Monarchie ſelig werden will, Dder ift ein für allemal aug der heiligen Gemein-
fhaft der konſtitutionellen Gläubigen hinausgeſtoßen und braucht fich um ſeine
verfaffungsmäßıgen Nechte nicht weiter umzufehen. — Das iſt alſo die Art
auf conſtitutioneile Weiſe die — — — — 2 —
ganz beſcheiden in verfaſſungsmäßiger Form ſich der conſtitutionellen Staatsge-
Jen, 1nd da wundert ſich Hr. Bekk am Ende noch über die republikaniſchen
Aufſtände!
$$* Mannheim, im Dez.
gefördert und darin die Hoffnungen Derer abermals getäuſcht worden , die eis
nen wirklichen Fortſchritt der römiſchen Kirche erwaͤrtelen.
Drei Schöpfungen find e8, die auf dieſem Wege der Welt vorgeführt
wurden. Die erſte und wohl die wichtigſte iſt eine fogenannte Denkſchrift,
welche den Zweck hat, für die Kirche die vollſte Freiheit dem Staate gegenü-
der, namentlich in Lehre, Schule, Gründung von Vereinen und in der Stel-
ſpruch zu nehmen.
Das zweite Operat iſt ein Schreiben an den Clerus, worin dieſer
aufgefordert wird, gegen den erwachſenden Unglauben mit den zu Gebote ſtel
henben Mitteln des Beichtſtuhls, der Leſevereine der Bruderſchaften, der Heils-
lehren entgegen zu arbeiten. *2*
Das britte Product iſt eine Anſprache an die Glaubigen, worin be-
hanptet wird, daß die Kirche die Wahrheit, wie ſie dieſelbe von ihrem
Stifter überkommen, bewahrt und vererbt habe, daß ſie es ſei, die dem
wahren Fortſchritte huldige, daß ſie es ſei, die mit dem Anfehen der Re-
ligion die von Gott eingeſetzten Gewalten, Fürſten und Obrigkeiten ſchützen
müffe, worin endlich die Gläubigen aufgefordert werden, bei dem mächtigen
Geiſte des Unglaubens, die den bisher ſchon von Gott verhängten Strafen des
Hungers, Kriegsgeſchreies, Kriegs und Aufruhrs nicht zu verſcheuchen vermoch-
ien, im Glauben auszuharren. Man ſieht, es iſt das alte Lied des Vor-
wurfs des Unglaubens, der Irrlehre, ohne daß man es wagt mit einer Wider-
legung hervorzutreten, die bei dem Vorhandeſein ſo vieler entgegenſtehender Do-
kumente, wie namentlich des Gutachtens der drei Biſchöfe von Bologna
vom 20, Oet. 1553 ſchwer fallen dürfte.
Mannheim, 27. Dezbr. Die „Daily News“, ein Blatt, welches
nächſt der „Times“ wohl die groͤßte Verbreitung in England hat, und nament-
lich die radikalexe Bourgeoiſie vertritt, gibt in der Nummer vom 21. Dezbr.
einen ausführlichen Artikel über die deutſchen Zuſtände! Bet den vielen Er-
baͤrmlichkeiten, die ſich die engliſche Preſſe Deutſchland gegenüber zu Schulden
kommen ließ iſt dieſer Axtikel doppelt bemerkenswerth und wir führen daher
nach der / Neuen rhein. Ztg.“ folgende Stellen wörtlich daraus an:
„Die Deutſchen werden jetzt wohl davon überzeugt ſein, daß ſich die Ein-
heit und die Nationalität ihres Landes nicht im Geringſten mit der Exiftenz
eines Schocks von Königen und Fürſten verträgt, die nuͤr für ihre individuellen
als um eine Heerde Schaafe, aus deren Wolle und aus deren Fleiſch ſie nur
den großmöglichlichſten Nutzen zu ziehen ſtreben.
Die Deutſchen ſich in der That ungluͤcklich geweſen. Die erſten Prinzi-
pien morderner Freiheit, die erſten Grundzüge des Repräſentativ⸗Syſtems ge-
hören ihnen. Daͤs Recht der Religionsfreiheit wurde zuerſt durch ſie in An-
— ——— — — — — — — — — —
ſpruch genommen und vertheidigt. Und doch ſind in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts 40 Millionen tapferer und intelligenter Deutſchen der Gewalt eines
halben Dutzends Despoten preisgegeben und einer Soldateska, für deren Bil-
dung und Unterhalt dieſe ſelben armen Deutſchen dezimirt und beſteuert wer-
den. Nie war eine größere Maſſe Intelligenz einer unintelligenteren Bande
brutaler Gewalt und barbariſcher Strenge unterworfen.
Die Deutſchen waren zwar immel bereit, ſich zu erheben, um für ihre
Freiheiten und für ihr Vaterland zu ſtreiten, niemals wußten ſie aber den Ge-
nuß der Freiheit, noch die Unabhängigkeit ihres Landes zu ſichern und per-
manent zu machen. Seit Jahrhunderten verließen ſie ſich auf ihre Fürſten —
und wie weit ſind ſie damit gekommen? Sie wurden getheilt, beſchimpft, zu-
letzt erobert — zu einem Sklavenvolke ſanken ſte herab, ohne Freiheit der
Preſſe, ohne den freien Gebrauch jenes großen Mittels der Aufflärung, das
ſie ſelbſt erfanden; mit einem ſchriftlichen und geheimen Gerichtsverfahren, mit
einem Steuerſyſteme, das rein vun der Willkür der Herrſcher abhing kurz mit
Alen abſcheulichen und tyranniſchen Abſurditäten des Feudaliemuͤs und der
Knechtſchaft.“ — ; ' 2
Dann zu Oeſterreich und Preußen übergehend, als zu den beiden Mäch-
ten, die, ſich abwechſelnd um die letzten Fetzen der deuiſchen Unabhängigkeit
zankten, fahren die Daily News fort: *
„Nur eine Gewalt gab es, welche Deutſchland von dieſen beiden Mäch-
ten befreien konnte; die Gewalt der öffentlichen Meinung, und die Entwicklung
jener Klaſſen der Geſellſchaft welche ſelbſtftändige Meinungen zu bilden und zu
unterhalten im Stande ſind! Wir hofften, daß dieſe Klaſſen ſchon ſtark ge-
nug geworden wären, um ſelbſtſtändig auftreten und durch eine Unterſtützung
der Nationalverſammlungen, wenn auch nur der von Frankfurt, dem Einfluſfe
und der Gewalt der militäriſchen Monarchieen die Waage halten zu können!
Wir haben uns hiexin geirrt. Die öffentliche Meinung in Deutſchland
erſchrack vor den Grundſätzen der demokratiſchen Partei und ſank ohnmächtig
zuſammen, indem ſie ſich auf's Neue der unbedingten Herrſchaft des Militärs
überließ. Wrangel und Windiſchgrätz ſind die Herren von Deutfhland, und
der letzte Funke einer parlamentaxiſchen Debatte, der noch in Frankfurt fort-
glimmt, wird nur darüber zu entſcheiden haben, welchem dieſer beiden ſchnurr-
bärtigen Helden ſich das bürgerliche und geſammte Deutſchland zu ergeben hat.
Wäre noch Begeiſterung in Deutſchlaͤnd, ſo würde man davor erröthen,
irgend einem dieſer Beiden das Knie zu beugen — aber was von Begeiſterung
in Deutſchland war: es erlag den Bajonetten. — — — 2—
S+ wollen mir denn nur wünſchen, daß die Frankfurter Verſammlung,
ihre Infamien drücke, indem ſie Deutſchland den Moͤrdern Blums uͤberliefert.
Nur durch eine Demüthigung und eine Begränzung der Gewalt und der
Prätenſionen ihrer Fürſten können die Deutſchen ihre Staͤrke und ihre Unab-
hängigkeitz ihre Freiheit und ihre Einheit wiedererlangen.“
S} Frankfurt, 28. Dezbr. Das Reichsgeſegblatt vom geſtrigen Tage,
welches heute vertheilt wird, enthaͤlt die Verkündizung der Grundre chte alg
Geſetz durch den Reichsverweſer. So iſt denn wenigſtens eine Frucht des Par-
laments noch in dieſem Jahre zur Reife gekommen, freilich keinẽ naturwüchſtge,
vollſaftige, ſondern eine etwas krüppelhafte und wurmſtichige. Wenn indeſfen
die Grundrechte in Deutſchland wirklich zur Geltung kommen, und nicht als
todter Buchſtabe auf dem Papiere ſtehen bleiben, ſo iſt es doch mindeſtens et-
veränttät, erwachſen auf dem Boden der Revolution getragen hat; daß es durch
ſich ſelbſt und durch ſeine eigene Kraft den Fürſten einen großen Theil der
ſchönen Dinge abgetroßt hat, welche ſie ihm Jahre lang auf ſein unter-
würfiges Bitten, und auf ſein wohlbegründetes und gerechtes Verlangen
unter allerlti nichtigen Vorwänden und meiſtens nicht ohne fhnöden Hoͤhn
vexweigerten. Und iſt ditſe Frucht nicht ganz nach Wunfch ausgefallen, fo
möge bag Volk bedenken, daß es felbſt die Schuld um deßwillen trägt, weil
e8 dem Boden der Revolution am gehörigen Burcharbeiten un d dem nöthigen
Dünger bat fehlen laſſen, für Karff und Spaten waͤre gar viel noch zu thun
gewefen; weil es nicht die rechten Gärtner zur Wartung und Pflege beftellte,
und ſelbſt die vielen unkundigen Pfleger auswählte die an dein Bäumchen rüt-
telten und ſchüttelten, daß es nicht recht Wurzel faſfen konnte; und weil es
die Schulweiſen hinfandte, welche allerlei Experimente mit ihm machten, ſo daß
die erfahrnen praktiſchen Baumzüchter nur zu wehren und ſich dagegen zu ſtem-
men haͤtten, daß es nicht ganz herausgezogen und in andern Grund verpflanzt
wurde, wobei ſie freilich nicht ganz verhüten konnten, daß jene etwas gauz
ausgeſogenen Rechtsboden zu dem Revolutionsboden ſchütteten, eine Mildhung,
die das Wachethum hemmen mußte, und zuletzt gar noch die beſten Tragaugen
abknippen. Du haſts gewollt, Vetter Michel, merke dir’s für ein ander Mal,
und ſei ein ander Mal geſcheiter. Vergiß nicht den Acker zu graben und zu
büngen, wähle erprobte Gärtner, die es ehrlich mit dir meinen , jage die zum
Teufel, die an deinen Baumſchulen rütteln und ſchütteln oder nach Bücherweis-
heit ſie verſchänden wollen, und endlich bewache ſelbſt deine Pflanzungen vor allem Ge-
ſchmeiße, das kriecht oder fliegt, im Hellen einbricht oder im Dunkeln ſchleicht,
vor allen Staubwurzeln mögen ſſie trompetenartig krächzen oder im Orgelton
pfeifen, und laß dir dabei, was das ſchlimmſte waͤr, nicht wieder bange madhen,
knickten.
Thuſt du das/ Vetter Michel, ſo wirds das nächſte Mal ſchon beſſer
Frankfurt 28. Dezbr. Da die Nationalverfammlung, d. h. die in
mache ſie zur Weihnaͤchts- und Neujahröszeit 10 — 12 Tage derie, ſo wuͤrde