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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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No. 164.









Weitere Beſtellungen für das mit dem 1. Juli be-
gonnene Halbjahr der täglich erſcheinenden

Mannheimer Abendzeitung
und ihrer wöchentlich drei Mal erſcheinenden, „Nheiniſchen Blätter,“

bitten wir des vollſtändigen Bezugs wegen möglichſt bald zu machen.
Es iſt ſichere Vorſorge getroffen, daß, ungeachtet der Verleger und Re-




die Redaktion wird fortfahren, unermüdlich und unerſchütterlich dahin zu ſtreben, daß




und hierzu beſonders unbedingte Preßfreiheit und die auf dem Princip der
Volksſouveränetät gegründete freieſte Staatsform errungen werden. Ent-
ſchiedene Volksfreunde und Volks-⸗Vereine werden uns dahei kräftigſt unterſtützen.



gate Street 72 in London.


ſich die Zeitung ihrer ausgedehnten Verbreitung wegen noch beſonders.



Gründlichſte Berathung der Grundrechte.

Die Nationalverſammlung hat jüngſt beſchloſſen, eine zweimalige Berathung
der Grundrechte eintreten zu laſſen.. Einige behaupten aus dem fehr löblichen
Grunde, die einmal berathenen Grundrechte vor ihrer definitiven Annahme
den Regierungen zur Genehmigung vorzulegen.

Wir haben eine gründliche Berechnung angeſtellt über die Zeit, welche die
doppelte Berathung erfordexn wird, wobei wir die bisherige Erfahrung über
die Redewuth, über das Amendementsfieber und über den Antragsausſchlag
der Nationalverſammlung zu Grunde gelegt, den volkswirthſchaftlichen Ausſchuß
alg competent angehört, mit einigen ſtatiſtiſchen Freunden uns berathen und
endlich Adam Rieſſen's Rechenbuch als Norm angenommen haben.

Der Entwurf der Grundrechte enthält nach genauer Zählung 48 Paragraphen.

Hierzu Zuſätze des volkswirthſchaftlichen



— M RF —
Linendements (nach höchſt mäßigem Anſchlage) 350 e
Zr ©anien . 438 .

Nach den bisherigen Erfahrüngen dürfen wir auf jeden Punkt wenigſtens


Wir werden alſo den unbeſchreiblichen Genuß haben, über die Grundrechte
4380 Reden zu hören.

In einer Sitzung können höchſtens 15 Reden gehört werden. Wir ſind
demnaͤch genöthigt über die Grundrechte 292 Sitzungen zu halten.

Da wöchenllich hierüber drei Sitzungen gehalten werden, ſo dauert unſere
Berathung 97 Wochen; — es wird alſo die erſte Berathung im April 1850
geſchloſſen werden. E | :

Da doppelte Berathung beſchloſſen iſt, ſo wird die zweite Debatte im Ja-
nuar 1852 zum Schluſſe und zur Abſtimmung reif ſein.

Die Diäten der Nationalverſammlung betragen, im geringſten Anſchlage,
täglich 3000 Gulpen; mithin werden die Grundrechte dem deutſchen Volke koſten
(1288 Tage zu 3000 Gulden) 3,864,000 Gulden.

Das Veto des unverantwortlichen Reichsvermrderers iſt hierbei nicht in
Anſchlag gebracht!!! Wenn dieſer ſich gründlich über die Gründe der Grund-
rechte wird beſonnen haben, dann deutſches Volk wirſt dudieſe theueren Rechte
erhalten. (Reichstagsztg.)

Deutſchland.

VMannheim, den 9. Juli. Das Frankfurter Journal läßt ſich von

Ettlingen aus berichten:
„So eben hören wir, daß am nächſtfolgenden Sonntag, den 16. d. M. eine große
—zwar bewaffnete Volksverſammlung hier gehalten werden foll, und da nach den be-
vep Verordnungen keine Reiſende, welche bewaffnet ſind (Militär ausgenommep), auf


er Yn den Betheiligten wieder in Empfang genommeu werden. Als weiterer Plan
aulgegebda, daß man dann von hier aus, mit den Waffen in der Hand, nach dem
benaͤchbarten Karlsruhe ziehen wolle, um dort die ſüddeutſche Republik zu proklami-
yen. — Sollte man dieſes Vorhaben wirklich ausführen wollen, ſo wird es an geeigneten
Gegenmaßregeln von Seiten der Regierung nicht fehlen. Unſer Militär iſt ehrenhaft und
brah, und wir Miffen‘, daß Soldaten, an welche die Aufforderung erging, auf Vürger
uicht zu ſchießen, mit Entrüftung dieſe Zumuthung zurückwieſen, und erklärten, ſie ſähen
Zente, welche mit den Waffen aur gewaltſamem Wege die beſtehende Ordnung und Staats-
einrichtung umftürzen wollten, nicht alg Bürger, ſondern alg Rebellen an.

Wir wiſſen wohl, daß die Fabrik, aus welcher derartige Nachrichten in
jüngſter Zeit in Maſſe zu Tage gefoͤrdert werden, dieſelbe iſt, von welcher die
täglich ſich häufenden reaktionären Maßregeln ausgehen. Durch die Erſteren
ſoll den Letztern gum mindeſten ein Schatten von Vorwand gegeben werden.
Das Miniſterium Befk- Mathy weiß es ohne Zweifel ſo gut als'wir, daß die
auf den 16. angedrohte „Volksverfammlung“ weiter nichts iſt, alg eine Zu-
ſammenkunft von Abgeordneten der demokratiſchen Vereine des Kreiſes, eine
Beſprechung ohne alle beunruhigende Zuthaten pezweckend. Aber gleichviel, das freie
Verſammluugsrecht iſt ja nur für die vaterländiſchen NMeaktionsvereine vorhan-
den, man ſchmiedet alſo Artifel wie den obigen, die Carlsruher Bürgerwehr
bleibt einen halben Tag unter Waffen, und eine Abtheilung „vom beften Geiſte
beſeelter“ Saldlinge wird an Ort und Stelle geſchickt, um den Anlaß zu
Brutalitäten und Arreſtationen bei den Haaren herbeizuziehen oder kurzweg a la





Uln zu verfahren; man läßt ſeinem Grimm Luft und die „entſchiedene Hal-
tung“ des Militärs und der „geſinnungsvollen“ Carlsruher Bürgermiliz hat
wieder einmal das Vaterland gerettet. Wer da weiß, daß das Minijterium
Bekk-Mathy auf den Grund von Zeitungsartikeln hier, welche das Fabrik-
zeichen deutlich genug an der Stirn tragen, die Räumung des Obeérlan-
des von den deutſch-fremden Militärmaſſen für unzutäſſig er-
lärt hat, der wird an der Wahrſcheinlichkeit des Geſagten ſo wenig Zweifel
begen, alg daran, daß unſere liebevollen Landesväter den Pelznikel bereits
beſtellt haben, der uns ungehorſame Kinder zur Raiſon bringen ſoll.

Darniſtadt 6. Juli. (N. D. 3.) Man iſt es mit der Zeit gewohnt,
die Philiſter aller Orten aus Angſt gegen die Republik ſchreien und wüthen zu
hören. Nun, das iſt Recht der freien Meinungsäußerung, welches wir am
allerwenigſten irgend Jemanden verkümmern wollen. Aber entſchieden muß man
dagegen auftreten, wenn die antirepublikaniſche Partei, ſtatt mit Gründen und
meinetwegen mit einigem Zetergeſchrei den Republikanern mit ſo unverſchämten
Lügen und Verläumdungen entgegentritt und ſo unserblümt die Regierungen
zur gewaltſamen Unterdrückung derſelben auffordert, als es die „Naſſauer Allg.
Zeitung,, die wir übrigens nicht zu kennen die Ehre haben, in einem Artikel
„Wiesbaden, 4. Juli“ ſich unterfängt. „Hetzereien, Wühlereien“, nun, das
ſind Worte, die ſchon das couſtitutionelle Staatsbürgerrecht erhalten haben;
Cato Welcker hat dem Worte „Wühler“ neulich auf der Tribüne der National-
verſammlung die Weihe gegeben und wird unzweifelhaft über dieſes Wort im
nächſten Nachtrag zum Staatslexikon einen ſehr lichtvollen und erſchöpfenden
Artikel ſchreiben, mit Kraftworten geſpickt. Daß den Bürgern inſinuirt wird,
dieſe ſogenannten Hetzereien und Wühlereien erhielten die gegenwärtige Kriſis,
das iſt zwar nicht wahr; wir ſind aber immer geneigt, das Beſte anzunehinen
und halten es daher eher für Unverſtand, als für Perfidie. Die „Naſſauer
Allg. Ztg.“ fordert aber weiter die Regierungen Namens des „achtbaͤrſten“
Theils der Bevölkerung dringend auf, alle ihnen zu Gebote ſtehende Energie
zur Erhaltung und Wiederherſtellung der „rechtlichen Ordnung“ zu entwickeln.
Nach der vorſtehenden Probe zu ſchließen, iſt weder die „Naſſ. Allg. 3.“ noch
der in ihr ſich expektorirende Theil der Bevölkerung ſehr achtbar. Zu der Jebt
beſtehenden „rechtlichen Ordnung“ gehört unter Anderem Preßfreiheit, welche
die „Naſſ. Allg. Ztg.“ vielleicht nie vermißt hat, Redefreiheit, Aſſoziationsrecht.
Wenn nun die „Naſſ. Allg. Ztg.“ über „Wühlereien“ ſchreit und die Regte-
rungen zum Einſchreiten auffordext, weil ſich auch die Republikaner der eben
errungenen Freiheiten bedienen, ſo können wir das nicht mehr, wie das Frü-
here, bloß der Dummheit zuſchreiben, ſondern ſmüſſen es für einen frechen
Verſuch erklären, einem Theile der Staatsbürgex den Genuß der geſetzlich ga-
rantixten Rechte zu verkümmern. — Ueber die „förmlich organiſirte, valerlands-
verraͤtheriſche Verbindung“ der deutſchen Republikaner mit den franzöſiſchen,
über die kühne Behauptung, daß die blutigen Pariſer Ereigniſſe auch die blö-
deſten Augen über die Abfichten der deutſchen republikaniſchen Partei geöffnet
habe, wollen wir kein Wort verlieren. Wie kann man mit einem Menſchen
rechten, der aus einem durch die ganze materielle Entwickelung der Geſellſchaft
hervorgerufenen Kampfe einer Klaſſe gegen die andern übek die Abſichten
einer Partei Mar geworden zu ſein behauptet? Es iſt dieſen Leuten un-
möglich, die nahe liegende Urſache dieſes Kampfes, die Extftenz des Pro-
letartates, zu erfaſſen.

Friedberg, 30. Juni. Aus dem Odenwalde erhalten wir die briefliche
Nachricht, daß és mit der Republik dort ſehr gut ſtehe und wenn Hecker käme,
würde ihm Alles zulaufen. Die in Waldmichelsbach einquartirte Compagnie
fet ganz repuhlikaniſch geſinnt, eine andere, in Heppenheim liegende, haben beim
Ausruhen auf einem Reiſemarſch Hecker leben laſſen, ſobald ihr mißliebiger
Hauptmann ſich entfernt habe. Von einem Zug Naſſauer, der durch die Berg-
ſtraßt kam, riefen die vorderſten, alſo die den Offizieren am nächſten waren,
der Herzog hoch! die hintexen aber: Hecker komm! Der Pfarrer von Birfen-
au, der gegen die Repudlikanex ſprach, bekam öffentlich in der Kirche von ſei-
nen Gemeindemitglieden einen Verweis. W. Blkoͤbl)

* Berlin, 6. Juli. Alle Welt hat dem neuen Miniſterium ein kurzes
Leben prophezeit. Und ſchon beginnt es auch ſein Geſchick zu erfüllen! Der
Miniſter von Auerswald hat in der legten Sitzung der Konſtituirenden erklaͤrt,
daß der Kultusminiſter Rodbertus in Folge einer Meinungsverſchiedenheit über
die deutſche Angekegenheit ſeine Entlaſſung genommén habe. Roͤdbertus,
dex ſich auf das linke Centrum geſetzt hat, beſteigt die Tribune und beſtätigt es,
mit dem Zuſatz, daß auch durch die gründlichſte Erörterung keine Vereinigung
habe herbeigeführt werden können.

Rodbertus war, als Mitglied des linken Centrums, die Hauptſtütze des
Miniſterium Auerswald. Ohne ihn wird dieſe faule, reactionäre Miniſterbank
in den nächſten Tagen zuſammenkrachen.

Auf der Tagesordnung dieſer, der 25. Sitzung, ſtand die Polenfrage.
Die Abtheilung beantragte, eine Kommiſſion zu ernennen, die nicht aus Be-
wohnern der Provinz Poſen beſtehen dürfe, und welche eine genaue Unterſu-
chung der Vorfälle in dieſer Provinz, ſo wie der Mittel, künftiger Entzweiung
vorzubeugen, zu unternehmen habe. Darüber entſpann ſich ein langer Kampf.
Die Linke verlangte, daß dieſer Kommiſſion volle Macht gegeben werde, Zeu-
gen und Sachverſtaͤndige zu vernehmen und zu vereidigen; ſie verlangte, daß
derſelben die Beamten“der Provinz Poſen zu dieſem Ende zur Dispoſition zu
ſtellen ſeien. Denn ein altes Unrecht der Könige müſſe durch das Volk geſühnt
werden. Geſchehe dieß nicht, ſo treibe man Polen in die Arme des Gaaren,
der ſchon zu Warſchauͤ erwartet werde, um dem. Lande eine Verfaſſung zu ge-
ben. Ob es denn hothwendig ſei, daß Jeder, der eine Scholle deutſchen Vo-
dens habe, in den Bund müffe aufgenommen werden? Warum denn dann
nicht auch die Deutſchen in Nordamerikg. aufgenommen würden?

Dagegen meinten die Redner der Rechten, ſolche Bevollmächtigung der
Kommiffion ſei ein Eingriff in die Exekutivgewalt, ein Verſtoß gegen die Dok-
trin der Trennung der Gewalten.


 
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