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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 287 - No. 313 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Rechtebefriebtgung des Volkes einen dauernden den Erforderniffen der Nenzeit
entfprechenden Zujiand herbeizuführen. Mit allem dieſem fei das abfolute Beto
underträglih. Bogt {prady wie immer brillant, ſarkaſtiich und Überzeugend;
Mittermaier mit faſt an Sentimentalität ſtreifender Milde aber mit eben ſo
großer Tiefe alg Wärme gegen das abſolute und für das Suſpenſiv Vele, wel-
ches auch Schmidt von Berlin recht wacker, aher mit etwas Katheder⸗Manier
vertheidigte. Von den Gegnern war Philippe ſehr unhedeutend, Welter wie ſo
oft, hochkomiſch in der Heftigkeit, zu der er ſich fortreißen ließ, und wobei es
ihm auf etwas Unſinn mehr oder weniger nicht ankommt; Herr Vincke aber
lieferte ein Meiſterſtück Vincke'ſcher Berediſamkeit. Mit der Geſchwindigkeit einer
Dampfmühle klaͤpperten ihm die Worte vom Munde, doch nicht ohne hie und
ba ig Stottern zu gerathen. Dabei Angriff auf den Ausſchuß, auf den Prä-
ſidenten, auf die Linke, und endlich der Vorwurf gegen die Berliner Majorität,
_ Dderen Motive nichis alg niedrer Ehrgeiz geweſen. Freilich zu exhabenen Mor-
tiven, zur Begeiſterung für eine Idee, zur Aufopfexung für das Volk kann ſich
der Heer Vincke nicht auͤſſchwingen, dazu reicht ſeine moraliſche Anlage ſchwer-
lich aus. Auf die Borwürfe, die ihm darauf zugerufen wurden, hatte er keine
andere Antwort, alg die blaffe Renommage, er werde ſeine Worte in ritterlicher
Weife — in adeliger kann er es nicht mehr, das „von“ iſt ja weg — ver-
treten, was ihm einen Ordnungsruf zuzog. Dann gings über eine Stunde
weiter klipp kiapp, klapp klipp! Halbe Wahrheiten und ganze Lügen, Verdre-
hungen, Verdächtigungen, Republik, abſolute und conſtitutionelle Monarchie, ein-
zelne auf ſpezielter Gefetzgebung beruhende Einrichtungen und allgemeine Prinzi-
pfen, vermengt mit den Einbilbungen des Redners wurden bunt durch einander
_ geworfen und mit einander verwechſelt, geſchichtliche Thatſachen entſtellt oder
Pügen geſtraft, die augenfälligſten Widerſprüche und die ärgſten Verſtöße gegen
alle Lohik in einem eben ſo herausfordernden als ſiegesbewußten Tone hergus-
deſprudelt um zu beweiſen, daß Deutſchland gerade dem Abgrund des Ver-
derbens zu walle, wenn der zukuͤnftige Kaiſer (denn auf nichts weniger Fommts
doch heraͤus) nicht das abfolute Veto habe. In ſeiner Weiſe bat Herr Vincke
noch nie ſo viel geleiſtet als heute.

Nach Mittermaiers Rede ward die Verhandlung abgebrochen. Noch inter-
— pellirte Schoder den Biedermann'ſchen Ausſchuß wegen des Berichts über ”
Oktroyirung der preuſſiſchen Verfaſſung. Jordan aug Marbura erzöbt“

der Ausſchuͤß habe ſchon — eine Sitzung gehalten und

ernannt, der aber ſei krank geworden Gur rechten

Berichterſtatter einen geſunden uun zu wählen, *-

den ein Jordan nicht fommt! — mi

— Gambur
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otefultat in eint

geht die Wahl heute
‚„ yat in ſeiner Sigung am /

gen befannt fein wir

Geinzen aus Rheinpr as Candidaten vorgeſchlagen und im Fo
verhindert werden ſollte anzunehmen, ſich für „Theodor Ohlspauſen'
Ehre dem Bürgerverein für ſeine entſchiedene Haltung! Hamburg ne
Demoeraten, deren es ſchwer in dem Augenblicke entbehren kann, on-

ſtituante zuſammen tritt, behalten können. Mehreren unſerer Re ; die
Caͤndidatur angetragen, aber von Ihnen mit Entſchiedenheit ab— orden-
in der Ueberzeugung daß ſie hier mehr als auf dem deutſchen wirken
können. Sie felbft empfehlen den Wählern einen politiſchen n, ohne
auf ſeine politiſche Richtung großes Gewicht zu Tegen , um allgemeir
nen Schiffbruch zu retten, was zu Tetten iſt. Zur Zeit v Candidatur

inden. Das
nan ſich ſei-
ahrung zeigt
ar „Heinzen“
ein Kaufmann,

eines raͤdikalen Candidaten ſelbſt die Unterſtützung der A
klingt fabelhaft, iſt aber wahr, und zwar aus dem Orı
ner hier zu entledigen hoffte, während er in Frankfurt
unſchädlich gemacht würde. Indeſſen iſt es gewiß, do
noͤch „Ohlshauſen“ die Chancen groß ſind und dahs.
— etwa G. Govdeffroi aus der Urne hervorgehen wird. Er ſou vem linken Cen-

trum angehören. Möge Hamburg die Schmach einmal lilgen, können, die es
duͤrch feine Frühjahrswahl auf ſich gehäuft hat! Am 11. wird unſere conſti-
tuirende Berfammlung beftehend aus 180 Mitgliedern eröffnet,

Die Wahlen ſind in ihrer großen Mehrzahl im demokratiſchen Sinne aus-
defallen, wenigſtens haben über Zpeidrittel der Repräſentanten das Programm
ünterzeichneit, welches man das Liberale nannte, aber nicht mit dem liberalen





demoͤkratiſchen Partei ſind ſämmtlich durchgeſetzt, während diejenigen der Ari-
ſtokratie durchfielen, obgleich dieſe Partei dennoch pertreten iſt. Ob man nun
allen Repräſentauten Geſinnungstreue zutrauen darf, wird die nächſte Zukunft
lehren. Hoffen wir, daß Hamburg der Stügpunkt der Demokraten im deutſchen
Norden werde.

Die neueſten Vorgänge in Preußen haben hier ſelbſt in den ſogenannten
gemäßigten Kreiſen, die natürlich keine Geldariſtokratie einſchließen, die größte
Entrüſtung hervorgerufen, und alles iſt darauf gefaßt, daß die Frankfurter
Nationalverſamminng bald in ſich ſelbſt zerfallen und Deutſchland für diesmal

als ein Opfer doctrinairer Ränke und einer burſchenſchaftlicher Romantik fallen
werde. Wir erwarten eine zweite Erhebung, hoffen wir, daß ſie nicht fern,


werde und daß alsdann dem Volke Gerechtigkeit werde.

M Wiesbaden, 12 Dezbr. Drei Monate ſind nun ſeit der Bera-
. Abung der freien Gemeindeverfaſſung durch unſere Volksvertreter verfloſſen, ohne


‚am erſten Januar in Kraft treten ſoll; — ja wir müſſen beinahe glauben, daß
wir im erſten Jahr der Revolution mit dieſer wahren Errungenſchaft von einer
hohen Landes Mutter nicht mehr beglückt werden! — denn ehe die Sonne noch
20 mal ihre Bahn vollendet ſind wir übergetreten in das Jahr Zwei der


Regierung und der Volkes-Erniedrigung“!! denn der gute Michel hatte vergeſ-
ſen ſeiner neuen Zeitrechnung feſten Boden zu verſchaffen, und nun ſetzt wohl
oder übel der alte Kalendermacher ſein 34jähriges Gewohnheits-Syſtem wieder
fort ohne daß er ſich das Recht zu dieſer, uns ſeit dem 1, März nicht mehr
paſſend erſchicnenen Zeitrechnung ſtreitig machen läßt. Wir kehren alſo wieder
in das alte Geleiſe — zu der Regierung — und dem von der Volkskammer
berathenen Gemeindegeſetz zurück! —

Wenn nun gleich Tauſende der Bewohner Naſſaus die endliche Publikation
dieſer freien Gemeindeperfaſſung ſehnſüchtig erwarten, und Viele ſchon unge-
ſtümm wurden, daß dieſer Haupt-Grundpfeiler des Staatslebens von ſeinen Be-
amten ſo lange in Reviſion genommen wird, bis das alte morſche Gebäude
vollends darüber zuſammenſtürzt und vielleicht in der gewaltig raſchen Ueber-
ſtürzung manches Menſchenleben mit erdruͤcken könnte, ſo ſind doch gewiß
perartige Beſorgniſſe ſind nicht gegründet,



Dies Alles ſind nar Bilder der Ungedudtigen, deren aufgeregte Phantaſt
ſie gar nicht mehr daran deuken läßt, daß die 2 einer 22—4 —
Kammer berathene freie Gemeindeverfaſſung doch immer nur ein Geſchent des
ſouveränen“ Fürſten iſt, und ſie durchaus kein Recht haben, darauf gleich den
9 Forderungen der Naſſauer ſo anmaßend zu dringen, denn was duͤrch eines
Fürſten Gnade zugeſichert wurde, kann man doch nicht von deſſen Regierung

ſtitutionelle Bürger auf breiteſter Grundlage“ die hoͤhe Q ** *
digſt bitten, die verheißene Gemeindeverfaſſung — 4
es noch möglich wird, daß mit dem neuen Jahre ein neuer ſelbſtſtändiger Ge-
meindezuſtand ins Leben tritt, ſouſt könnten wir ja gar noch genöthigt fein, in
den letzten S Tagen des alten revolutionären Jahres die Wahl der neuen ‚Cäje-
meindenbeamten bei Nacht und NRebel in aller Haſt zu vollsiehen, und fo die
Schuld eines unerfrtulichen Ergebniſſes und einer trüben Aiift am Ende
auf uns ſelber laden.

@& Berlin, 10. Dezember. Es ſteht ziemlich feſt, daß Bai
Einſpruch gegen die Verleihung der deutſchen Kaiſerkrone —
zollern erhoben hat. Wem die halbofficiellen Artikel des Nürnberger Cor-
reſpondenten über dieſe baieriſche Oppoſition gegen Preußen noch nicht völlige
Gewißheit gegeben haben, der kann dieſelbe aus dem biſſigen Artikel ſchöpfen
welchen heute Morgen das, mit Gagern in ziemlich engen arieizufoicn
hang ſtehende Organ unſeres xechten Centrums, die „Deuffche Reform“, gegen
das erwähnte baieriſche Blatt bringt. Andererſeits wird uns aus ſehr achtbarer
Quelle berichtet, die Anweſenheit des Prinzen Carl von Baiern habe auch den
Zweck gehadt, den preußiſchen Hof zu bewegen, daß er ſeine Einwilligung da-
rein gebe, bei der nächſtens eintretenden Abdankung des Reichsverweſers, Erz-
berzog Johann, den genannten baieriſchen Prinzen an deſſen Stelle treten zu
laſſen. Preußiſcher Seits iſt dies entſchieden abgelehnt worden. Man verfolgt
vielmehr von Seiten unſeres Hofes den Plan, den Prinzen Carl von Preußen

gegen das preußiſch deuſſche Kaiſexthum vorher beſeitigt werden kann. —
krinnern, daß der Major v. Sommerfeld, welcher an der
ig des 12. Inf Regiments die Austreibung eines Theiles
Verſ. aus dem Saal des Schützenhauſes am 13. Novbr.
yarauf erſt zur Dispoſition geſtellt ward und dann ſeinen



Atlben war auch ein junger Second-Lieutenant von Wiedburg ver-

worden. Dieſer, ein entſchiedener Demokrat, hatte ſeinen politiſchen
ſerzeugungen Gewalt angethan, ſo lange er in amtlicher Thätigkeit geſtanden.
Als er aber am Abend deſſelben Tages ſeine dienſtliche Pſlichten erfuͤllt hatte,
glaubte er auch ſeinen politiſchen Ueberzeugungen Genüge thun zu müſſen. Er
ſchrieb daher, zwei Briefe; den einen an den Major v. Sommerfeld, den andern
an den Präſidenten der NaB. v. Unruh. In beiden ſetzte er auseinander,
daß nach ſeiner Ueberzeugung die N.-V, vollkommen im Rechte ſei und diejente
gen, die Gewalt gegen ſie befehlen und anwendeten nicht beſſer als Hochver-
räther. Er ſelbſt yabe nur mit groͤßtem Bedauern ſeine Pflicht des paſſiven
Gehorſams gegen die Befehle des Obern erfüllt. Unvorſichtigerweiſe ließ der
junge Offizier beide Briefe von dem Bataillonsſchreiber mundiren und diefer
letztere beging die Indiscretion von dem Inhalte beider Briefe einem ihm be-
freundeten Lehrer an einer hieſigen Elementarſchule Mittheilung zu maden.

Die natürliche Folge war, daß der Lieutenant v. Wiedburg ſofort aggre-
girt und nach Spandau geſchickt wurde, wo in dieſem Augenblick eine Unters
fuchung gegen ihn ſchwebt, da er beſchuldigt iſt, über die Operationspläne des
General Wrangel, von denen er als Bataillonsadjudant Kunde hatte an Clubb-
präſidenten verrathen (2) zu haben. Die Aggregation findet ſich im amtl. Mili-
täir⸗Wochenblatt No. 49 unter dem Datum des 16. Nov. Major v. Sommer-
feld aber, verfiel den obenerwähnten Strafen, weil er den Brief ſeines Adjudanten
nicht von ſelbſt den höheren Militärbehörden denuncirt hat.

Arnold Ruge, Eigenthümer und Hauptredakteur der Reform iſt geſtern
wieder hier angekommen und hat bereits bei General Wrangel durch ſeinen
Rechtsanwalt die nöthigen Schritte thun laſſen um das Wiedererſcheinen der Re-
form möglich zu machen. Alle Mitarbeiter der Reform ſind ausgewieſen und
noch nicht wieder hier zurückgekehrt. —

Die Abgg. Reichenbach, Jacoby, und A. werden dieſer Tage abreiſen. —

** Münſter, 10. Dezember. Geſtern Abend wurden plötzlich von
den Hauptführern der hieſigen Volksverſammlungen der Juſtiz-Commiſſar beim
hieſigen Ober-Landes-Gexicht, Gierſe (bekannt alg ſog. Bauernadvokat), die
Stadiverordnete Hartmann und der Lieutenant a. d. Stücker verhaftet.
Verhaftungs-Geſchichten grenzen nicht nur an die der ſpaniſchen Inquiſition,
nein, ſie übertreffen ſie complett. —

Die Ober-Land-Gerichts-Referendarien Bauſt, Jacobi und Stierlin ſind
entflohen. Jacobi hat den Münſterſchen Criminels ganz naiv geſagt: „Ich
ſtelie mich, aber unter der Bedingung freien Geleits aus dem Verſteck und Be-
freiung von der Unterſuchungshaft. Schlauer Jacobi! Das iſt's ja eben, das
Du Dir ſchmecken ſollſt. Das Nachgericht — nun das können ſie Dir nicht
verbittern, das wiſſen die edlen Münſterſchen Criminels.

Der Ober-Landes-Gerichts-Referendar Hammachex ſitzt bereits ſeit 14 Ta-



gen. Die Anklage gegen ihn lautet: eine Proklamgtioͤn an das Voll Weſtfa-
lens in einer Verſammlung vorgeleſen zu haben. Nun bedenken Sie nur, wie
viele Mitſchuldige dieſer eine Märtyrer hat.
Beſagte Protlamation iſt in einer Vollsverſammlung von 3000 Menſchen
berathen uͤnd zur Verbreitung durch den Druck beftimmt. 2999 ſind alle Mit-
ſchulkige — warum leitet man gegen die Alle nicht Unterſuchung ein. An ſol-
chen Münſter Prozeß könnten die Herren Criminels ihren Muth denn einmal

ſattſam kühlen! —
Der Drucker der Proklamation, Wundermann, der unſchuldigſte Menſch
von der Welt, an einer politiſchen Schandthat — dieſer arme Wundermann,

der den verantwortlichen Verfaſſer genannt hat, wird demohngeachtet ſeit vielen
Tagen feſtgehalten. So etwas lebt unter der Sonne nicht mehr!! —

In einem kleinen Nachbarſtädtchen, Horſtmar, wurde vor einigen Tagtn,
ſpät Äbends, der Kaſſen-Kontrolleur Wiedenbrück verhaftet, und nach Münſter
zum Inquiſttoriat geſchleppt; warum? — weil er dem in Horſtmax gebildeten
Volksberein den Beſchluß der National-Verſammlung, die Verweigerung der
Steuern vorgeleſen und demſelben nachzukommen empfohlen hat! —

So gehls in Weſtfalen herl! —

Bresiau, 9. Dez. Der Verein für geſetzliche Ordnung und der konſi-

tutionèlle Klubb alle braven Preußen forderte zu einer Illuminatien
zur Feierder Oktroyirung der Verfaſſung auf. Klirrende Fenſterſcheiben belehr-

' tem aͤber bie wenigen „braven Preußen, welche dem Aufruf gefolgt waren,
bald von der Anſicht des Volkes, Die Lichter verſchwanden,


















 
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