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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 2 – No. 31 (2. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0086

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Einige Philiſter bemerken achſelzucend, „die Geſchichte ſei allerdin zs un-


tage hübſch daheim bleiben können, wie andere ordeutliche Leute auch,
und überhanpt brauche ſich ein ſo junger Gelbſchnabel nicht über ältere Leute
in Zeitungen luſtig zu machen“ u ſ. w. ;

Wie man hört, ſind bereits ſowohl von Seiten Fendts, als von der des
Lauterbacher Hemeinderaths entſchicdene Reflamationen an den Großh. Pro-
vinzial: Commiffär abgegangen, welche nöthigenfalls bis zur letzten Inftanz'vor
das Forum der Kammer gebracht werden ſollen, und Stud. Fendt ſelbſt hat
auberdem noch eine zum Theil in dramatiſcher Form entworfene ausführliche
Daxſtellung des ganzen, an ergötzlichen Intermezzos reichen Verlaufs angefün-
digt, welche wahrſcheinlich nächſter Tage erſcheinen wirk.

XXV Wien, 14. Januar. Es iſt bei uns nicht genug, daß die
ganze deutſche Preſſe, durch Polizei und Cenſur in enge Schranken gefeſſelt
ift, daß der Terrorismus der Poſtdebits-Entziehung faſt alle Selbfte
ſtaͤndigkeit der Journale vernichtet, es exiſtirt noch ein viel gewaltigeres Mit-
tel die öffentliche Meinung ganz und gar konfus zu machen, jeden feldſtſtaͤn i—
gen Schriftſteller zu verläumden, zu diskreditiren, verächtlich zu machen und
die wohldienenden literariſchen Agenten berühmt zu maͤchen: die heilige all-
wiſſende und unendlich weiſe Wiener Correſpondenzfabrik. Als Chef
dieſer ſchönen Anſtalt iſt ein Mann bekannt, der fünf Jahre in einer öffenili-
chen Beſſerungsanſtalt für die politiſche Laufbahr gebildet worden iſt,
ein blindes gehorſames, an unzerreißbarer Kette liegendes Werkzeug eines hier
ſigen vorgehmen Ränkeſchmiedes, welcher mit allen deutſchen Blättern für ein
Billiges Verbindungen ſchließt, und ſie mit Neuigkeiten aus Wien verſortzt. Die
Außgsburger Abendzeitung ſcheint aus derſelben Quelle bedient zu werden, au-
ßerdem ſchoͤpfen aus ihr faſt alle offiziellen Staatszeitungen, viele liberale
Journale, beſonders — doch wozu Alles ſagen. Ich behalte mir dies vor,
wenn Jemand e& wagen ſollte, mich Lügen zu ſtrafen. Dieſe Correſpondenz-
, fqb{;;t_ unterhält auch mit dem ganzen Inneren eine regelmäßige Correſpondenz.

e Regimenter der Armee, alie diſpenſirte Beamten befommen von ihl Neuig-
keiten, denn da ſie in gewiſſen Beziehungen ſteht, iſt ſie ſehr gut unterrichtet,
und ba man ibr, trotz einiger gegen ſie eingeleiteten komödianter Polizeiver-

folgungen ohne Reſultal, geſtattet, zuweilen Skandale und Auͤsfälle
auf hohe Verſenen zu machen, ſo genießt ſie einiges Vertrauen, ohne
welches ſie nicht den edlen Zwecken ihres Protektors und Schö-

pſers dienen und nützen könnte. Aus dieſer Ouelle fließt auch die welterſchüt-
terude Cüge, daß der Beſitz eines Exeinplars der Grenzboten mit 350 fl.
(vor 3 Wochen hieß i& blos 100 fl.) beſtraft wird; während hier alle Unter-
richteten wiſſen, daß die Grenzboten ſofort aufbören müßten zu erſcheinen, wenn
ein wahres Wort an der Sache wäre. Nach öſterreichiſchen Geſetzen iſt kein
Staatsbürger für den Beſitz eines verbotenen Buches vexantwortlich, und wenn
die Cenſur zuweilen grauſame Edikte gegen gewiſſe Journale und Bücher
ſchleudert, ſo wiſſen die Cenſurbeamten, welche unter der Hand gewiſſe Winke
erhalten, ſchon im Voraus, bei welchen Artikeln ſolche Edikte ernſthaft ge-
meint, und bei welchen ſie bloß darauf berechnet ſind, einem Artikel Kre-
dit zu verſchaffen Die Buchhändler wiſſen ebenfalls ſehr gut, welche
— Sournale und Bücher ſie ohne Gefahr auf dem Cenſurmaggzin wegſtibizen kön-
nen, (wobei gewiſſe Argusaugen mit Banknoten verklebt ſind) und welche Ar-
tikel ſie liegen laſſen müſſen, wenn ſie auch nicht ſehr ſtreng verboten ſind!
Seitdem die Augsb. Allg. Ztg. im Begriff ſteht, ſo in ihrem Kredit zu ſinken,
daß man ſie in den Wiener Kaffeehäufern unwillig oft unter den Tiſch wirft
und ausſpuckt, ſucht man ibr durch die Beſchränkung aufzuhelfen, daß künftig
nur halbjaͤhriges Abonnement angenommen werden darf; das macht Lärm, der
gute bſterreichiſche Hanſel wird ſtutzig und greift wieder begierig nach dem
Zournal/ welches ſo frei iſt, mit hober Bewilligung gew ſſe große Lügen unter
sauve garde kleiner Wahrheiten zu eskortixen. Zußleich aber ſieht man ſich
nach neuen Werkzeugen um, welche noch nicht ſo allgemein verrufen ſind; die
Q, A. 3, und die Grenzboten haben in dem von blauem Dunſt erfuͤllten
Geſichtekreis der Oeſterreicher noch eine Art von liberalem Heiligenſchein, da-
ver wendet man ſich zuweilen an dieſe Induſtrieanſtalten, um der öffentlichen
Meinung einen Bären aufzubinden. Daß ſich um dieſen Preis der humoriſti-
ſche Praͤſident unſerer Polizei zuweilen einen ehrerbietigen Witz über ſeine
Strenge, über das Syſtem gefallen läßt, und ſich höchlich amüſirt, wenn
die großen Herren, die manchmal einen Koup abkriegen, gelaufen kommen, und
Verbote gegen dies rebelliſche Blatt requiriren, iſt ſehr begreiflich und ſehr po-
lizeilich Was aber der oͤſterreichiſche Staat dabei gewinnen ſoll, daß man
dies Lug⸗ und Trugſpiel ſo unverholen betreibt, daß man durch ſtillſchweigend
conceſſionirte Ausfalle die einzigen Staatsmänner hier, welche noch einige
Selbſtſtändigkeit des Charakters baben, gegen einander hetzt und es dahin bringt,
daß Niemand mehr weiß, woran er iſt, daß Männet wie Kübek, wie der
treffliche, gerechte und unermüdliche Prinz Ludwig, wie Kolowrat und An-


Kampf in dunkler Nacht gewinnen ſoll, außer dem Deus in waebina, welcher
bloß ſeine perſönliche Luſt und Freude im Auge hat, das iſt hier Keinem
begreiflich Oeſterreich hat ſeiner geographiſchen Lage, ſeinem Kulturzuſtand
und ſeinen Handelsverhaͤltniſſen nach die Beſtimmung, die europäiſche Civili-
ſation gegen die öſtliche und nördliche Barbarei zu ſchuͤtzen. Die Freunde die-
ſer Civiliſation können daher ihren Untergang nicht wünſchen. — —

—— —— Italien.

Genua, 11. Jan. Am 4. Januar bildeten ſich auf dem Theaterplatz-
in Genug immer zaͤhlreichere Gruppen, die zuletzt zu den dichteſten Maſſen
ſich anbaͤuften. Ais die Nacht einbrach, ward eine Binſchrift an den König
eutworfen, welche zwei Wünſche enthielt: Ausweiſung dex Jeſuiten und Er-
richtung einer Bürgergarde. Alles ſei — ſo verſichert die . Lega Doganale
—friedlich hergegaugen, ohne Tumult, ohne Drohung.. Die erwähnte Bitt-
ſchrift habe in Zeit von vierundzwanzig Stunden fünfzehntauſend unterſerit
len erlangt, zum Beweis daß ſie nicht die Gefinnung einer Partei, jondern
der gaͤnzen Bevoͤlkerung ausdrücke. Eine Deputation von Genueſen brachte
die Bltlichrift nach‘ Turin. Der König aber verweigerte die Annahme, da ſie







{chaffen. Aın 9. Sanuar erfolgte dann eine Verkünbigung des @ouverneurs
von Genua, worin di Zufaminenläufe vom _3 und 4 mit
ten getadelt, und erklärt ward, daß ſolche
walt wuͤrden niedergeſchlagen werden. Die
Glelchmulh geleſen.

gen 3 Stimmen eine Bittſchrift an den König. befdhloffen, daß ihnen geſtattet
werde, aus dem Jeſuitencollegium die daxin auf Koſten






lichen Unterricht ſich beſchaͤftigenden religiöſen Orden zu übergeben. Dieß der
weſentliche Inhalt eines Artikels, der in dem gedachien Genueſer Blatte vier
große Spalten füllt. — Eben erhalten wir noch Genuͤeſer Blaͤtter vom 12. Jan.
Der Cerriere mercantile ſagt: „Die Jeſuiten haͤben ſich aus yr Stadt
eutfernt, man weiß nicht, ob freiwillig oder auf weſſen Geheiß odie Anlaß.
Nur einige wenige noch befinden ſich in dem Collegium, aus dem zwii Drittel
ſeiner Zöglinge geſchieden ſind. * der Stadt herrſcht die vollkommenſe Ruhe.“
Schweiz. ;
Beru, 15, Jan. (Tagfagungsverhandlungen.) Freitag deu 14, 9.Ubhr,
iſt die Tagſatzung wieder verfammelt. An der Tagesorduung iſt die Note des

«


nercommiſſion über dieſelbe Bericht ab. Derfelbe bemerkt, daß die Koſatzung
dieſe Zuſchrift benutzen könnte, um die Uebertreibungen zu berichtigen, Me über
die Ereigniſſe in der Schweiz nach Rom gemeldet worden ſind 2c, fndeffen
habe die Eommiſſion es nicht für angemeſſen von Seite der Taſatzuͤng
gehalten, überhaupt auf die Zuſchrift zu erwidern. Die dote ſei

vom Nuntius nicht als Vertreter einer weltlichen Macht in Bezug aif inter-


ſatzung ſei nun aber nicht im Falle, in dieſer Beziehung einterten zu kinnen.
Zuͤrich unterſtützt den Antrag der Commiſſion, und geht gleichfalls von dem
Grundſatz aus, daß die Tagfatzung nur von politiſcher zu politiſcher Behörde
unterhandeln und ſich nicht in Beſchwerden des Papſtes als kirchliches Eber-
haupt einlaſſen könne. Was habe zunächſt die Zuſchrift unter religiöſen Cor-
porationen und frommen Inſtituten gemeint? Die Jeſuiten und ihre Affilitrte?
Man dürfe dem Nuntius doch die Klugheit zutrauen, daß er nicht verlangen
werde, man ſolle jetzt die Jeſuiten wieder herſtellen. Andere geiſtliche Corpora-
tionen ſind aber noch nicht aufgehoben geweſen, auch heiße es in der Zuſchrift
blos: „on a voulu supprimer.“ Man müſſe doch erſt beſtimmte Thatfachen
behaupten, ehe man proteſtire. Wenn ferner von Pfarrern die Rede ſei, die
von ihren Pfaxrpfründen vertrieben worden, ſo ſei es unerhört, der Tagſatzung
zuzumuthen, ſich in Händel zu miſchen, in die Pfarrer mit Cantonalregierun:


ten werde, die ſich Wühlereieu, ſelbſt Betruͤgereien zu Schulden kommen ließtu, und
Zürich erwartet, daß, wo ſolche Wühlercien vorkommen, die Regierungen auch
ferner energiſch dagegen auftreten. Endlich ſei es ebenſo unerhoͤrt, Vergehen
einzelner Perſonen, die übrigens unterſucht und beſtraft werden, zum Gegen-
ſtand einer diplomatiſchen Note zu machen und gegenüber der Buͤndesbehörde
zu proteſtiren, als wenn dieſe dafür hafte. Was wuͤrde man ſagen, wenn etwa
Frankreich, im Falle, daß ein frauzöſiſcher Bürger in der Schweiz beraudt würde,
eine Note an die Tagſatzung ſchicken und gegen den Raub proteſtiren wollte?
Zürich dringt daher auf Tagesordnung. Luzern (Pl. Meier ſtimmt gleichfalls
für Tagesordnung, und berührt dabei eine andere Frage, ob es nicht am Ort
ſei, auf Abberufung des Nunttus zu dringen. Er faßt zu dem Ende
die Stellung etwas näher ins Auge, die der gegenwärtige ſchon durch Gregor
XVI. in die Schweiz geſchickte Nuntius eingenommen. Derfelbe ſei die Seele
der Jeſuitenpartei geweſen; er habe nicht eher geruht und geraſtet, bis die
Jeſuiten in Luzern eingezogen. Er ſtellte ſich ſpater an die Spitze der Son-
derbundspartei, die er bis auf den Punkt trieb, wo die Tagſatzung mit den
Waffen einſchreiten mußte. Auch in dieſem Augenblick habe er noch nicht zum
Frieden ermahnt. Nachdem der Nuntius den Krieg heraufbeſchworen und die-
ſer gegen den Sonderbund ausgefallen, ſei er erſchrocken davon geeilt. Jadeß
habe das Militärcommando ihm allen möglichen Schutz gewährt; als er nach
Luzern zurückgekehrt, habe man ihm einen Ordonnanzofftzier gegeben, Dder ihn
überall begleiteie. Zum Dank dafuͤr trete er jetzt mit einer ſolchen Note auf,
Der Lärm uͤber Religionsgefahr ſoll wieder angefangen und das Volk, das
man ins Elend ſtürzte, wieder geängſtigt werden. In der weiteren Diseuſſion


Zuſchrift irgead eine, wenn auch nichteinläßliche Aniwort gegeben werde Frei-
burg ſtimmt zur Tagekorduung, indem es mit beredien Worten auch die Zu-
muthungen zurückweiſt, die der Biſchof von Freiburg gegen die Regierung ge-
macht. Erſt habe man Ruin über den Canton gebracht und jetzt proteſtire man
gegen die Maßtegeln, die zur Abhülfe der Uebel ergriffen werden. Der Red-
ner erwähnt das durch Zeugen bekräftigte Factum, daß der Biſchof Marilleſ
in Waadi von der Kauzel herab ſeine Zuhörer damit zu fanatifiren ſuchte, daß
er ihnen vorlog, im Cauton Bern ſei das Bild der beilisen Jungfrau
auf einem Schwein herumgeführt worden. Schaffhauſen traͤgt dar-
auf an, daß die von Luzern auͤgeregte Frage in Bezug auf den Nuntius der
Commiffion zur Begutachtung uͤberwieſen werde. Graubünden, verſpricht
ſich wenig Erfprießlihes von einer Abberufung des Nuntius; man fönnte leicht
vom Regen in dic Traufe kommen. In kirchlicher Beziehung ſei von
Piugs IX, nihts Outes zu erwarten. Befanutlih hatte das Corpus
catholicum das Geſuch an den Papſt gerichtet, zur Verhinderung des Krieges
in der Schweiz, die Jeſuiten abzuberufen.

— * nicht entſprochen,, fomdern erft na Bollendung des
Kriegs auf das Geſuch geantwortet. Die Antwort ſelbſt ſei das wahre Mu-
ſter eines Hofbeſcheides. Man müßte daher wirkſamexe Maßregeln ergreſfet
Aargau haͤli es aug verſchiedenen Rückſichten für unſchicklich und unzwedmäs
ßig die Zuſchrift einfach ad acta zu legen und die Beultgunsen, rich zu-
rüczuweijen; das Stiliſchweigen könnte, leicht — werden. In Bezug
auf die von Luzern angeregte Frage iſt Agrgau der Anſicht, daß nicht der
Ruͤntius, ſonderu die Nuntiatur gefährlich iſt; die vorgehenden Nuntien ſeien
nicht im mindeſten beſſer geweſen, als der gegenwaͤrtige. Thurgau dringt
darauf, daß ſich die Tagſatzung nicht durch die Convenienzen des Augenblitto
Jeiten Jafle, fondern grundfäglidh die Stellung behaupte, die fie immer in Bes
zug auf ſolche Eingaben des Papſtes In Rückſicht auf kirchliche Fragen einge-
nommen habe. Bern faßt das Treiben nicht blos des Nuntius, ſondern auch
der Gefandten der andern auswärtigen Mächte ins Auge, die den
Unfrieden in der Schweiz ſchüren, und glaubt, dab es an der Zeit ſei, 8
Interſuchen, ob nicht auch dieſe fammt dem Nuntius zu entfernen
find. In der 2. Umfrage ſcheiden ſich die Meinungen ſcharfer in Bezug auf
den von Schaffhauſen näher erörterten Antrag, die Commiſſion mif der nähe-
ren Unterſuchung der Verhältniſſe in Bezug auf den Nuatius zu —
Bei der Abftimmnung wird der Antrag der Commiſſion, in di— 3 * des
RNuntius nicht einzutreten, mit 15%, Simmen angenommen. Der Antrag von

i miffion die Berhältniffe in Bezug auf den Nuntius
Schaffhauſen, daß die Commiſſi ſ Minderheit. Es ſtimmten

Aargaͤu/ Genf, Waadt, Appenzell A. Rh., Baſelland,

Heute wurde der Verfaſſungsentwurf durch eine Bolkse
44 * Es kommen hierbei nach

Scha

hauſen,
Luzern, Bern.

Zug, 16. Jan.
abfiiminung 1206 gegen 663 Stimmen angenommen.




 
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