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Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 155 - No. 181 (1. Juli - 30. Juli)
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durch erkaufte Parlamentsglieder und Vertrauensmänner auf friedlichem Wege
die Sache fertig zu machen, als durch Streit und Hader.
Köln 7. Juli. Der wie ein Phönir aus der Aſche des alten ſich
neu entwicdelnde Polizeiſtaat (auf demokratiſcher, kürgerwehrlicher Grundlage)
ergeht ſich in tölpelhaͤften Verſuchen das Mißvergnügen unter der verhaßten
überdrüfſigen Arbeiterklaſſe zu einem Ausbruch zu bringen, Dder als, Vorwand
zu einer Beruhiaungsfeene a la Cavaignac dienen könnte, alleın immer un
fonſt, immer ſcheitern dieſe menſchenfreundlichen. Verſuche an der ſo jungen und
doch ſo fernſehenden politiſchen Bildung der Arbeiter. Wenn in den Pfingſt-
tagen die Patronen in den Taſchen, die Kartätſchen In den Progen waren, wenn
"sie Reaction auch noch ſo heftig die Klingel der Provokgtion zog, der Vorhang
flog nicht auf, die Acteurs zeigten ſich nicht auf der Bühne und das Kartät-
ſchenfinaͤle mußte ausgeſetzt werden. Toch aufgeſchoben iſt nicht aufgehoben.
In der Nachbaͤr⸗Republik hat dem verrätbexiſchen Celyſack, zuerſt dex Hahn des
Petrus gekraͤht; die Freiheit, die Gleichheit, die Brüderlichkeit verbluteten un-
ter den Acclamationen der Bourgediſie. Das Beifpiel war gut, warum ſoll-
tem wir uns nicht auch der Canaille tntledigen? Erhittert iſt ſie ſchon, e he-
darf nur einer wohlangebrachten Kränkung und der Arbeitex geht in die Falle.
So denfend, that man einen kühnen Griff — und machte abermals Fiasto.
Die Vorſteher des Arbeitervereins, Gott chalk und Annek— wurden mit aller
nur erdeuͤklichen Brutalität in das penſilvaniſche Gefängniß geworfen! Trun-
kene Gensdarmen, ohne Beiſein eines Polizeibeamten, ſtürmten die Schlafge-
mache der beiden Herren, zwangen dieſe, ſich eiligſt in die Kleider zu werſen und
führten ſie nicht ohne Mißhandlungen ab. Die Hrau_des letzteren iſt ihrer
Niederkunft nahe, doch was ſchiert das die Knechte der Polizei wußten ſie doch,
daß es hier auf eine Hand voll Noten nicht ankäme, ſonſt würden ja ibre Vor-
gefetzten es nicht gewagt haben, dieſe Verhaftung ohne die geſetzliche Form
ausführen zu laͤffen; ſte'beirugen ſich alſo auf eine wahrhaft empöreude Weiſe.


Manuskripte wurden von den Herren Schandarmen (in Zukunft nennt man ſie
Conſtabler) durchſtöbert und drei von dieſen fuſelduftenden Grünröcken blieben bei
Frau Anneke mehrere Stunden lang, bis die hohen Herrn von der Polizei ka-
- men, die Dame von der läſtigen Geſellſchaft zu befreien und die Papiere des
Verhafteten mit fortzunehmen, Frau Anneke beſchwerte ſich über dee ungeſetz-

Geusdarmen ſeien von der Polizei commandirt geweſen, zu Brutalitäten aber
haͤlten ſie keinen Auftrag gehabt! Dieſe Antwort, in Gegenwart der Schwie-
zermutter Auneke's gegeben, hat der Jaſtructionsrichter die Frechheit öffentlich zu
läugnen.

In der penſylvaniſchen Zelle wird den Gefangenen weder Schreibmaterial
Cnur kärgliches Papier zur Correſpoadenz mit ihren Frauen wird ihnen vergönnt)
noch Zeitungs Lectüre geſtattet, mit Ausnahme der Cölniſchen Zeitung.
Was war nun der Zweck dieſes nichtswürdigen Eingriffs in die Freiheit des
Bürgers? Man wollte die gefährlichen Gegner der hohen Bourgeoiſie kränken,
und ſo einen Krawall herbeiführen, um Gelegenheit zur eigenen Kräftigung
durch Verwendung der ſo zweckmäßigen Artillerieſchießwaffen zu erhalten. Man
hat ſich geirrt, die Arbeiter blieben ruͤhig, und jetzt muß man nur darauf ſich be-
ſchränken, hinterher einen geſetzlichen Grund für die Einſperrung der bei-
den Männer zu ſuchen. Da das Schwierigkeiten machte, ſo wird wohl die
Behörde das Eingeſtehen ihres Unrechtes duͤrch alle polizeilichen Kniffe ſich zu
erſparen ſuchen; Scheingründe und Verdächtigungen thun ja auch gute Dienſte,
ſichexlich aber wird ſie, um ſich für die fehlgeſchlagene Hoffnung zu rächen,
die Arreſtanten ſo lange als möglich in ihrer Gewalt zu behalten ſreben, und
das Leben ihnen ſo viel als möglich verbittern.)

Von dem Arbeiterverein in Cöln und dem Volksklubb in Düſſeldorf iſt cin

Proteſt gegen die vorgefallenen Ungeſetzlichkeiten und gegen die Ueberſchreitungs-
friſt für die Polizeihaft dem Staatsprokurator eingereicht. ;
. DBerlin. 4, Juli. Deutſche Allg. 3.) Die Entwürfe, welche unter
der Leitung des Juſtizuiiniſters Bornemann zur Reorganiſation der Juſtiz-
‚ pflege verfaßt waren, ſollen Abänderungen unterworfen werden, die, wie
man hört, mehr einer Rückkehr zu überwundenen Priucipien, als einem Fort-
ſchritte gleichen. Es ſind zu dieſem Zweck auf Veranlaſſung des Unterſtaats-
ſeeretärs Müller rheiniſche Juriſten berufen, namentlich der Generaladvokat
Heimſoet und die HH. Grimm und Simons vom Appellhofe zu Köln. Vom
Erſteren fürchtet man, daß das öffentliche Miniſterium ein die Freiheit der
Richter, die Ueberzeugung der Geſchwornen und den Schutz des Angeklagten
beeinträchtigendes Uebergewicht erlangen werde. — Für Eriminalſachen ſoll ſchon
innerhalb acht Tagen durch proviſoriſches Geſetz die Aufhebung des eximir-
ten Gerichtsſtaͤndes verfügt werden. © 35 —

4* Berlin, 7, Juli! Die Reaktion, welche im ſüdlichen Deutſchland
ihr Spiel nach der unglücklichen Erhebung der badiſchen Republikaner begann,
fährt in Preußen ſeit Erſtürmung des hieſigen Zeughauſes mit vollen Segeln
daher! Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß der Sturm auf das Zeughaus
von der Reaktion felbſt angeregt und das Gelingen deſſelben von derſelben of-
fenbar begünftigt wurde. Die Führer der repuͤblikaniſchen Partet waren an
dieſem Unternehmen nicht betheiligt, die meiſten erfuhren erſt davon, als es be-
reits im vollen Gange war. Es waren die Führer der republikaniſchen Partei,
die ſeit nehreren Woͤchen ſchon, wo der Plan des Zeughausſturmes zu wieder-
holten Malen war angeregt worden, auf das entſchiedenſte ſich dagegen erklärt
und dagegen gearbeitet hatten. Das Unternehmen konnte gelingen und das
Signal zum Kampfe werden, zu einem Kampfe, deſſen Mißtingen voraus zu
ſehen war, da ihm eine allgemeine, leitende Idee fehlen würde. Oder das Un-
ternehmen ſelbſt konnte mißtingen, wie es geſchehen iſt, und ſo der Reaktion
den Spielraum eröffnen. Die Reaktion hat richtig gerechnet. Die Bürgerwehr
leiſtete vor dem Zeughauſe nur geringen Widerſtand. Der Kommandeur derſel-
ben, Hr. Beſſon, Yatte außerdem dafür geſorgt, daß das Gebäude nur ſchwach
beſetzt war! Die große Maſſe der Bürgerwehr ſtand mehrere Stunden, ohnue
Befehl zu erhalten, auf ihren Sammelplätzen in vder Stadt zerſtreut. Sie er-
hieit erſt Befehl zum Heranrücken, als das Volk, bereits in die Zeughaus-
kaͤume eingebrochen war und dieſelben theilweiſe geleert hatte. In den oberen
Raͤumen des Gebäudes waren 250 Mann Linienmilitäx. Der Hauptmannv.
Natzmer zog ab, angeblich weil er ohne Verhaltungzbefehle wax. Allein der
Vertreter des Kriegsminifteriums , v. Grieshem felbft, wurde im Zeughaus-

hofe gefehen. Aus allem dein geht hervor, daß e8 darauf angelegt n;;srzfläte
Leerung des Zeughauſes nicht zu verhindern. Und vas * 7 *
in dieſem Falle für Chancen? Sie mochte erwarten, 4 * —*4 *
fen verſehen, den Kampf gegen Bürgerwehr und Ailitäx, beginnen 4
Ber Sieg wäre ihr in diefem Falle ſicher geweſen. Man hätte der Demdkra-
ti Thoren ſtand eine Armee und wartete
ie das Haupt zertreten. Denn vor den Ty }
zuf das Zeichen zum Angriff. Das Volk ohne und gegen die Bürgerwehr




aris

wäre vernichtet worden, mit viel größerer Gewißheit als dieß jeßt *
eſchehen iſt. 2 4 —
* 4 4 begautz Feinen Kampf. Allein 08 hatte dag „Cigenthum

letzt“ und die zweite Möglichkeit eines Erfolgs durch die Leexung des **4
haͤuſes war für die Reaktion gegeben., Dieſe Moͤglichkeit hat ſich erfüllt, *

Bürgerwehr, die bewaffnete Bourgeoiſte, die ſich in den vorhergehenden M
zum Entſetzen der Reaktion maſſenweiſe offen zur demokratifchen Sache *
hatte, wurde ſtutzig. Das „Eigenthum war verletzt᷑- — die —
Bourgeois berührt. Wer ſtand ihm dafür, daß das Volk jetzt auch in 8
Kramladen brach und ihm ſein Eigenthum angriff? Die Neaftlon hatte
gerechnet. Sie hatte die Bürgerwehr auf ihre Seite gezogen. 2—
beſetzte die Straßen, das Militär die Brücken, den Arbeitern wurden die *
fen noch in derſelben Nacht zum größten Theile auf den Straßen Wwieder « 5
men, da ſie einzeln und ohne Munition mit der Beute nach 4
affen zurück.

Die Hausſuchungen der folgenden Tage brachten den Reſt der M
Nur eine ganz kleine Anzahl iſt dieſem Schickſale entgangen.

Geſtützt auf den moraliſchen Effekt, den dieſer Cihenthumsangrif⸗ auf
die Bürgerwehr gemacht hatte, begann die Reaktion alsbald ihre Thätigteit
mit der Verhaftung mehrerer Volksführer. Die Vorſtände des Volksvereins
unter den Zelten, Korn und Löxiſohn, wurden verhaftet. Der Student
Monecke, der den „Volksfreund“ Schlöffel's fortſetzte, ward der Majeſtätsbe-

leidigung angeklagt und zu 2', Jahr Feſtungsarxeſt verurtheilt. Der Student
Fernbach ward eingezogen, und iſt „wegen Verbreitung hochverrätherticher

chen



wegungsmännex“ redet, „die ſich exkühnten, in vollſter Unbefangenheit die Orund-
geſetze unferes ſtaatlichen Rechtszuſtandes anzutaſten, und die Untwandlung der het


Diejenigen, die ſolchen Beſtrebungen feindlich ſeien, zur Unterſchrift und Ge-
Sein Zwillings-Bruder, der „patriotiſche Berein“ oder „De-
nunciantenkluhb“ arbeitet unermüdlich. Der Magiſtrat hat angekündigt, daß er
den demokratiſchen Clubh wegen des in einem Plakate deffelben enthaktenen


2

und Unzufriedenheit gegen die Stadtobrigkeit, nach S. ſo und ſo viel des Land-
rechts,“ bei der Staatsanwaltſchaft denuncirt habe. Und die Stadtverordneten
endlich verlangen vom Magiſtrat, daß er der Bürgerwehr eine Wehrordnung
diktire, weil dieſelbe „eine ſchwache Macht ohne gehörigẽ Einheit und Leitung
ſei“, weil in ihr „Unordnung und ein Parteiweſen“ hervorgetreten, und weil ſie
in dem irrigen Glauben ſei, das Bürgerwehrſtatut müſſe aus dem Willen der
Mehrzahl der Wehrmänner hervorgehen.
ner vom Magiſtrate die Auflöſung der fliegenden Corvs der Studenten, Hand-
werker, Künſtler u. ſ. w., weil ihr Fortbeſtehen „aus politiſchen Gründen“ nicht






Auf die Reaction folgt die Aktion, wie die Fluth auf die Ebbe, wie der
Gegenſtoß auf den Stoß, wie die Kraft auf den gereizten Muskel. Die Ae-
action wird noch Hinige Zeit ſteigen, aber ehe ſie ſich's verſteht, wird ihr Ther-
mometer wieder fallen, tief fallen — vielleicht unter den Nullpunkt.

Hamtburg / 5. Juli. Die /Börſenhalle“, berichtet heute: Aus 3 uver-
läſſiger Quelle können wir heute die Beſtätigung der, Nachricht mittheilen,
daß am 2. d. M in Kopenhagen ein Waffenſtillſtand auf 3 Monate zwiſchen
Deutſchkand und Dänemark abheſchloſſen worden iſt, dex, wie wir heute, erfah-
ren, unter die Garantie Englands und Rußlands geſtellt und einer dreimoygt⸗,
lichen Kündigung unterworfen iſt. mittet
ſchluſſe naͤch Berlin zur Ratification geſandt! Was die Bedingungen des Waf-
fenſtillſtandes betrifft, ſo ſoll dem Bernehmen nach nicht nur das Herzoglhum
Schleswig, ſondern auch Holſtein bis auf die Zurücklaſſung einer Feinen Gar-
niſön in Altona geräumt werden, während auf der Inſel Alſen eine kleine dä-
niſche Beſatzung zum Schutze der Hoſpitäler zuxückbleiben würde Außer den
Schiffen werden au die Gefangenen zurückgegeben; auch ſind Beſtimmungen
üver die Zufammenſctzung einer Frov. Regierung n Schleswig getroffen, welche
nach der Räumung diefes Herzogthums eingefekt werden ſoll— Die Summe,


140,000 Species an. — In Betreff des zu vermittelnden Definitiven Friedens
in der ſchleswig-holſteiniſchen Frage ſoll feſtgeſetzt worden fein, daß ſowohl von
deutſcher als daͤniſcher Seite je zwei Schledétichter gewählt werden ſollen— welche,
weun ſie ſich über ſtreitige Fragen nicht einigen koͤnnten, einen
wählen haben würden, Deffen Entſcheidung alg definitiv anzuſehen WATE ımd
feine Berufung geftattete, — Wir müffen übrigens bemerken, daß vie näheren
Bedingungen des Waffenſtillſtandes noch nicht mit hinreichender Sicherheit ins
Publikum gedrungen find, ſo daß wir auf völlige Genauigkeit der ——
Angaben einen Anſpruch nicht erheben können. 5 3 .
Prag, 2. Iuli. Mit der durh den Belagerungszuftand in Yrag I
zwungenen Nuhe fleht es gar eigen aus, viel Unheimliches laucrt unD drohe
dahinter, um, ſobald ſich nur eine Gelegenheit darbietet, der verhaltenen Bc5
bie Ziegel fchießen zu laſſen und Loszubrechen. Die Czechen haben e$ ganz be-
fonders auf die Deutfchen abgefehen und ihnen jetzt im Stillen Rache gffd{m"“’“{
weil ſie dieſelben als Verräther anſehen. In der Nacht vom 28 ⏑
iſt von dem Kai aus hinüber auf die Soldaten, die auf der Kleinſeite liegen,
geſchoſſen worden. Demzufolge iſt das Standrecht wieder mit großer *4
verkündet worden. Wer es nur kann, zieht weg von hier, denn jeder 5*
ſich vor dem was folgt, wenn der Belagerungszuſtand aufgehoben wir zu 2
die ärmere Claſſe jetzt faſt gar keinen Verdienſt hat, und vor der Hand nur
noch von dem Militär von Exrceffen zurücgefchreckt wird. — Die Unterfuchung
wegen der Verſchwörung wird auf dem Hradichin von einein Präftdenten, 5
Juſtizräthen und acht Auditoren geführt; ſobald ſie beendet, wird ſie
licht. Sowie es aber eigenthümlich war, daß manche Hausſuchungen bei Ver-
dächtigen und Verhafteten ſo gar ſpät vorgenommen wuͤrden, ſo iſt es auch zu
verwundexn, wie manche, die als Leiter und Führer des Aufſtandes angeſehen
werden, ſich auf freiem Fuße befinden. —
YWien, 3. Iuli. (Fr. I.) Taͤglich gelangt man immer mehr zur Neber-
zeugung, daß die ganze Wahlverhandlung für ven oͤſtekrelchifchen Reichstag eben
ſo gegen den Wunfh und Willen des Volkes, alg überhaupt der Uebereilung
halber fehr unzulänglich ausgefallen iſt. Man erwartet auch von der conſti-
tuirenden Reichsverſammlung, daß ſie nach Vollendung des Velfaſſungswerles
ſich auflöſe und jede weitere Wirtſamkeit einem neuen einzuberufenden Parla-
mente überlaſſe. Das oͤſterxeichiſche Volk begreift übrigens die Wichtigkeit die-
ſes erſten Reichstages in ſeinem ganzen Umfange, und nicht nur im Innern
der Stadt, fondern auch in allen Vorſtädten und Bezirken Wiens verſammeln










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