Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



Fürth, S. Ott Heute hielt der Lentralausſchuß der fraͤnkiſchen Bereine
für Bolksfreiheit eine Zuſammenkunft. Es waren vertretendie, Vereine von
MNürnberg, Fürth, Bamberg, Erlangen, Almoshof, Sündersbühl, Schweinau,
Kaͤlchreulh, Herzogenaurach, Steinbühl, Bruck, Eltersdorf, Schwabach. Es
wurbde befchloſſen,“ Sonntag den 22. Okt. zwiſchen Fürth und Nürnberg eine
Volksverfammlung abzuhallen. Ein weiterer Beſchluß ſtellte den
freten Stiaatshürger/ als Oegan der verbundenen Vereine
auf und beſtimmte daß alle Mittheilungen des Vororts an die einzelnen Vex-
eine künftig durch dieſes Blatt zur Kenntniß derſelben gebracht werden ſoll.

+ Berlin, 8. Okt. Ein „Verein frei conftitutionell geſinntex Bürger-
wehrmänner {n Berlin und Charlottendurg“ hat ſich vorbehalten, auf den 13.,
den Geburtstag des Königs, Anſtalten zur Feier eines großartigen — Ver-
föhnungsfeſtes zu machen. Wir erinnern uns dabei eines ähnlichen Feſtes
aus der franzöſiſchen Revolution, der Feier des 14. Juli 1790, des Jahres-
tags der Erſtürmung der Baſtille. In den Revolutionen zweiex Völker —
ein Verföhnungsfeſt! Aber welcher Unterſchieb! Der Anlaß des Pariſer Ver-
ſoͤhnungofeſtes von 1790 war — eine Volksthat; der Anlaß des Berliner
Verſöhnungofeſtes von 1848 iſt — ein königlicher Geburtstag, Wel-
ches Urtheil enthält dieſe eine Thatſache über unſere Repolution! — Revolu-
tion! — königlicher Geburtstag! — Verſöhnungsfeſt! Wahrlich, das iſt zum
Tollwerden. Alles was wir geſehen, was wir erlebt, was wir gelitten, das
löſt ſich auf — in eine königliche Geburtstagsfeier; das Drama, das ſo ernſt-
lich begonnen, ſchließt mit einer Feſtmahlspoſſe. Wer muß hier nicht über die
Fratzenhaftigkeit urſerer Zuſtände in Verwirrung gerathen! In der That, ein
merkwürdiges Revolutionsfeſt, dieſe königliche Verſöhnungsfeier! In dem Pari-
fer Julifeſte von 1790, da mußte der Koͤnig mit der Revolution ſich verſöhnen,
in dem Octoberfeſte von 1848 das zu Berlin vorbereitet wird, da ſoll umge-
kehrt die Revolution mit dem Könige wieder gut werden und ihm ibre allerun-
terthänigſte Ergebenheit verſichern. Wer ſollte eine ſolche blinde Verläugnung
aller Thatſachen, eine ſolche monſtröſe Verzerrung der Verhältniſſe für möglich
halten? Und doch iſt es ſo. Die „treuen Bürgerwehrmänner“ haben die Rolle
übernommen, das Volk wieder in die Arme des allgeliebten Königs zurückzu-
führen; der köntgliche Geburtstag wird zu einem Volksfeſt empfohlen. D, man
möchte ſich die Erinnerungen an die letzten 7 Monate aus dem Gedvächtniſſe
wünſchen. Wir hatten geglaubt, die Ereigniſſe der jüngſten Vergangenheit hät-
ten den Geiſt der alten Unterwürfigkeit endlich einmal ausgetrieben, und wir
ſehen, daß die widerliche Sucht, den Großen der Erde zu Füßen zu kriechen
und ſchweifwedelnd die Hände zu lecken, wie empfindliche und unvergeßliche
Schläge ſie auch geführt haben mögen, noch immer nicht geheilt iſt. Aber es
gibt Naturen, deren Element eben der Schmutz und die Niedrigkeit iſt; es thut
uns nur leid, daß der Name „Bürgerwehrmänner“ bei einer ſo jämmerlichen
Sache Dienſt leiſten mußte; wir haben Beweiſe, daß ein großer Theil der Bür-
rwehr mit Elel und Entrüſtung dieſem Treiben zuſieht.

Halle, 6. Ott. Unſern Bauern geht die Geduld aus. In der Früh-
jahrsbewegung verſprachen ihnen Viele, die auf einen Sitz in den konſtituiren-
den Verſammlungen ſpeculirten, ſchleunige und unentgeltliche Aufhebung aller
Feudallaſten. Keine der damals erregten Erwartungen iſt bis jetzt erfüllt. Die
Bauern ſuchen ſich nun ſelbſt zu helfen. In der Grafſchaft Mansfeld, dem
Sitze eines wohlhabenden und ſonſt ſehr beſonnenen Bauernſtandes, haben ſich
412 Ortſchaften verbunden, alle Abgaben und Naturallieferungen an die Berech-
tigten ſo lange zu verweigern, bis das Mißverhältniß zwiſchen Grundherrlich-
keit und Grundholden geſetzlich umgeſtaltet ſei. Die Ortſchaften haben ſich mit-
einander dahin verbunden, daß ſie gegen den Einzelnen, der dem Beſchluſſe der
Geſammtheit zuwider handelt, Gewalt anwenden. In viel gefährlicherer Weiſe
droht die bäuerliche Bevölkerung im Fürſtenthum Querfurt ſich zu erheben.

* In Zwickau fand am Abend des 6, Okt. eine Militäremente ſtatt. Ein
Haufen Boldaten, verſtärkt durch Civiliſten, erſtürmte das Gefängniß der
Frohnveſte, befreite einen in Verhaft genommenen Kameraden und führte ihn
fubilirend von dannen. Das durch Allarmblafen zuſammengerufene Militär ſah
dem Tumult ruhig zu, und ſtimmte ſogar mit in das Freudengeſchrei der Tu-
multuanten ein.

— YWien, 6. Qkt., 4 Uhr Nachmittags. Die nach Ungarn beſtimmten ita-
lieniſchen Grenadiere (3 Regimenter) haben den Abmarſch verweigert und ſich
mit den Nationalgarden und der akaͤdemiſchen Legion vereinigt. Seit heute
Morgen früh kämpfen dieſe gegen Cavallerie und Artillerie. Die Pioniere ſind
zu den Bürgern übergangen. Bürger und Militär ſind bis jetzt in ziemlich
zleicher Zahl gefallen, unter den Letzteren 4 Stabsoffiziere. Barrikaden ſtehen
allenthalben. Das Militär iſt ſeit 3 Uhr Nachmittags an den meiſten Punkten
geſchlaͤgen. Gekämpft wird gegenwärtig nur nach auf dem Graben. Die Ei-
ſenbahnen und ſämmtliche Telegraphen ſind zerſtört.“

Kaifer Fervinand reiste von Schönbrunn nach Linz ab,
um ſich von da wieder nach Innsbruck zu begeben. Bei ihm be-
finden ſich die Miniſter Weſſenberg und Do belhoff.

Wien, 6, Olt. 1 Uhr Nachmitlags. Jellachich in ſeinem aufgefan-
genen Briefe an Kulmer haͤt richtig proßhezeit, der Riß durch die Armee fängt
an zu klaffen. Heute früh ſollten deutſche Grenadiere nach Ungarn marſchiren.
Als ſie zur Eiſenbahnbrücke kamen, fingen die Arbeiter der Eiſenbahn, einige
Nationalgarden und Volkshaufen an, dieſelbe abzutragen, um die Grenadiere
nicht weßfahren zu laßen. Die große Mehrheit des Volkes ift hier für die
Magyaren, oder veſſer? gegen die Eroaten. Die Grenadiere machten durchaus
keinẽ Anſtalt, ihren Abmaͤrſch zu erzwingen, ſondexn weigerten ſich endlich ſelbſt
und wendeten ſich zulcht wicder der Städt zu. Dex Lärm drang in die Stadt
Haͤufen Volts, Nationalgarde, Studenten zogen hinaus, ſich auf die Seite
der Grenaviere zu ſchlagen, eine Abtheilung des rutheniſchen Regiments
Naſſau mit 3 Kanonen follte die widerſpenſtigen Grenadiere mit Gewalt der
Waffen zum Gehorſam bringen.

Kaum war das Regiment Naſſau eingerückt, als Volk und Eiſenbahnar-
heiter ſich wuthſchäumend auf die Kanonen warf— ſie wegnahm und ſammt dem





Munitionswagen auf den Eiſenbahndamm hinaufſchleppte. Der General, der
das Regiment Naſſau führte, kommandirte nun Feuer, aber er hatte kaum das
Wort ausgeſprochen, als ein Grenadier ihn vom Pferde ſchoß.

In der Stadt wird Sturm geläutet, man fängt an Barrikaden zu bauen,
das Volk rennt wild aufgeregt herum, ſchreit: „ins Zeughaus“ und „zu den
Waffen“, Nationalgarde, die nicht auf den Kainpfplatz ziehen will, ſondern {n
der Stadt ſich poſtirte, wird verhöhnt und ausgepfiffen. Die Aufregung iſt un-
geheuer, und das Feuern Dauert fort. Was das Ende ſein wird, weiß Nie-
maͤnd, ba es wahrſcheinlich iſt, daß das, Militär ſich in zwei Lager theilen
wird, auf deſſen deutſcher Seite das Volk ſteht. Jellachich ſoll in Schönbrunn
beim Hofe ſein, der Vortrab ſeiner von allen Seiten gedrängten Armee in Bruck
an der Leytha.



Mannheim, II. Oft. Veue Nachrichten aus Wien über Frankfurt
melden, daß das Volk auf allen Punkten geſiegt und das Militär hinausge-
drängt habe; ein hier eingetroffener Bankiexs-Brief verſichert, die Nationaͤl—
garde und das Militär hätten die Ruhe und Oxdnung hergeſtellt. Das Nähere
erwartend, theilen wir hier mehrere Aktenſtücke mit, welche einen Sieg der
Volksſache documentiren:

Proklamation. — Der Reichstag, von den, verhängnißvollen Ereig-
niſſen benachrichtiget, die dieſe Hauptſtadt erſchüttert haben, hat ſich verſammelt,
und wendet' ſich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wiens, damit ſie ihn unz
terſtütze in der Erfüllung ſeiner ſchweren Aufgabe. Indem der Reichstag ſein
tiefſtes Bedauern ausſpricht über einen Akt ſchrecklicher Selbſthülfe, durch wel-
chen der bisherige Kriegsminiſter ſeinen gewaltſamen Tod gefunden, ſpricht er
ſeine feſte Hoffnung, ſeinen entſchiedenen Entſchluß aus, daß von dieſem Au-
genblicke an das Geſetz und die Achtung vor demſelhen wiedex Allein herrſche.
Der Reichstag hat ſich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen,
die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbüxger fordern, er wird
dafür ſorgen, daͤß ſeinen Beſchlüſſen unbedingte Vollſtreckung werde. Er wird
ſich zugleich an den Monarchen wenden, und demſelben die Oringlichkeit vor-
ſtellen, diejenigen Miniſter ſeines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht
beſitzen, zu enifernen, und das bisherige Winiſterium durch ein volkethümliches
zu erſetzen. Er ſtellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverletzlichkeit des
Reichstages und des Thrones und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter
den Schuͤtz der Wiener Nationalgarde.

Wien, am 6, Oktober 1848.

Im Namen des Reichstages.
Der erſte Vice-Präſident:
Franz Smolka.

Kundmachung. Der Reichstag beſchließt, der Direktion der Nordbabn
zu befehlen, daß dafür zu ſorgen ſei, daß kein Militär auf der Nordbahn hier-
her geführt werde.

Die betreffende Weiſung iſt nach Ollmütz und Brünn zu geben.

Wien, am 6, Oktober 1848.

Vom erſten Vicepräſidenten des Reichstages:
Franz Smolka.

Proklamation. — Der Reichstag bringt hiemit zur öffentlichen Kunde,
daß er eben in Bexathung über Maßregeln ſei, das Militär aus dem Bezirke
der Stadt zu entfernen, und eine allgemeine Amneſtie für das heute Vorge-
fallene, und zwar für alle Civil- und Militärperſonen zu erwirken.

Wien, am 6, Oktober 1848.

Vom konſtitutionellen Reichstage.
Vom erſten Vice-Präſidenten:
Franz Smolka.

Kundmachung. — Der Reichstag hat beſchloſſen, Seiner Majeſtät die
Bildung eines volksthümlichen, das BVertrauen dex Bepoͤlkerung genießenden
Miniſtekiums, an welchem die bisherigen Miniſter Dablhoff und Hornbo-
ſtel Theil zu nehmen hätten, als ein unerläßliches Bedürfniß zur Herſtellung
der Ordnung zu bezeichnen.

Der Reichstag hat zugleich ſeinen Wunſch vor den Thron gebracht, daß
das Allerhöchſte Manifeſt vom 3. d. M. in Betreff der Ernennung des Baron
Jellacie zum königl. Kommiſſär von Ungarn zurückgezogen, und für alle bei
den heutigen Vorfällen betheiligten Civil- und Militärperſonen eine allgemeine
Amneſtie ausgeſprochen werde.

Hierüber hatte Seine Majeſtät dem Reichstage die Bildung eines neuen
volksthümlichen Miniſteriums, dem die Miniſter Doblhoff und Hornboſtel bei-
gezogen werden, mit dem Beiſatze zugeſichert, daß Seine Majeſtät mit dem neu
zu bildenden Miniſterium die zum Woͤhle der Geſammtmonarchie nöthigen Maß-
regeln unverzüglich berathen werden, und Sich der Hoffnung hingeben, daß
die Bevölkerung von Wien zur Wiederherſtellung eines geordneten geſetzlichen
Zuſtandes kräftigſt mitwirken wird.

Welches zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird.
Wien, den 6, Oktober 1848.
Vom conſtituirenden Reichstage.
Vom erſten Vicepräſidenten: Franz Smolka m, p.
Carl Wiſer m, p., Schriftführer.



Bof- und National-Theater zu Mannheim.

Freitag, 13. Okt. „Götz von Berlichingen mit der eiſernen Hand.“
Hiſtoriſches Schauſpiel in 5 Aken von Göthe.
Abends 10 Uhr geht der letzte Eiſenbahnzug von hier nach Heidelberg.





 
Annotationen