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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1044

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Wie der Moslim ſich gläubig nach Mekka wendet, ſo richteten ſich Aller Augen,
Aller Herzen nach Frankfurt, und harrten in Geduld des Wortes, das Freiheit,
Glück und Macht dem deutſchen Volke bringen ſollte.

So Manches geſchah, was den heißen Wünſchen zu langſam, ſo Manches
was dem Baterlandsfreunde beſorgnißerregend war. Doch man beſchied ſich,
man trug des ſchwierigen Werkes Rechnuͤng, der Glaube, das Vertrauen des
Volkes war unerſchütterlich.


erhoben, um fremdes Joch von ſich zu ſchütteln. Ganz Deutſchland jauchzte ihm
zu, und ſchickte ſeine beſten Männer zum Kampfe.

frei von Feinden, und ſiegreich ſtanden deutſche Krieger an Dänemarks Grenzen.



ten, deutſchen Bundes einen Waffenſtillſtand mit Dänemark, der Beſiegten nicht
ſchmaͤhlicher hätte aufgebürdet werden können.

Mit Bangen blickte Deutſchland nach Frankfurt, und fand ſich dies mal
nicht getäuſcht! Der Beſchluß vom 5. Septembex ſiſtirte den Waffenſtillſtand
und ſtürzte ein volksverrätheriſches Miniſterium. Ein Sturm der Freude brauſte
durch das ganze Vaterland, Zuſchriften des Beifalls und der Ermunterung er-
folgten von allen Seiten. Da nahte der 16. September, es ſollte ſich entſcheiden,
ob deutſche Ehre, deutſche Freiheit dem Auslande gegenüber nach Fürſtenlaune
verſchachert, vder vom Volke ſelbſt nach deſſen Willen gewahrt werden ſollte.

Die Mehrheit der Abgeordneten des deutſchen Volkes entſchied ſich für das
Erſte; das Dräuen und die Huld der Fürſten galt ihr mehr als das Wohl
des Vaterlandes. Dieſe Mehrheit hat Deutſchlands Ehre mit Füßen getreten,
dieſe Mehrheit hat die koſtbare Gelegenheit, wodurch ſich Deutſchland dem Aus-
lande gegenüber als einiges ſtarkes Volk zeigen konnte, volksverrätheriſch ver-
ſchleudert, dieſe Mehrheit hat es dahin gebracht, daß der deutſche Mann vor
Scham nicht mehr das Auge erheben darf, daß 45 Millionen eines ſiegreichen
Volkes das beſiegte kleine Dänemark einen ſchmählichen Waffenſtillſtand dikti-
ren konnte; Männer, die das zu thun die Stirne hatten, ſind zu Allem faͤhig,
auch dazu im Namen des ſouveränen Volkes dem Ezar die Knute zu küſſen.

Deutſche, glaubt es! bei ſolchen Volksvertretern hat ſich mit dem Beſchluß
vom 16. September das Maß der Schmach noch nicht gefüllt, ſie werden den
Namen der Volkspertretung noch zu Dingen mißbrauchen, Angeſichts derer
uns die einſt von Fürſten auferlegten Sklavenketten wie Roſenbande erſcheinen
werden.

Deutſches Volk, öffne die Augen, blick' um dich, haſt du darum deine Ab-
geordneten zu Hütern deines Freiheitsbaumes gemacht, daß ſie ihm die Wur-
zeln untergraben? Haſt du deine Volksvertreter in der Art gewählt, daß du
ihnen deine Rechte ohne Rückbehalt veräußerſt? Bei wem ſteht die Machi un-




verringerbar als beim Volke? Können die noch dein Vertrauen haben, die
dein Vertrauen mißbrauchten?

Deutſches Volk! denk an deine Pflicht um deiner Kinder willen, verküm-
— mMere ihnen nicht eine freie glückliche Zukunft, indem du dein Recht ſchlafen läſ-

feft. Führe dir die Schmach der Vergangenheit vor Augen, daß dich nicht die
Zakunft durch die Verwünſchung deiner Kinder richte. Deutſches Volk thue,
wozu du das Recht haſt, was deine Pflicht iſt!

Wir fordern daher alle Wählerſchaften Deutſchlands auf:

1) Bon jenen Abgeordneten, welche für die Nichtſiſtirung des Schleswig-
däniſchen Waffenſtillſtandes vom 5. September, und für die Nichtver-
werfung deſſelben am 16. September geſtimmt haben, alg des Ver-
4 ihrer Wähler verluſtig, die Niederlegung ihrer Mandate zu
ordern;

2) Den Antheil der Deputirten bei wichtigen Beſchlüſſen genau zu über-
waͤchen, um iederzeit im Klaren zu ſein, in wie weit ſich dieſelben
des gegebenen Vertrauens würdig erzeigen.

Nur ſo läßt ſich eine Wiederholung ähnlicher Beſchlüſſe verhindern und
der Untergang Deutſchlands vielleicht noch aufhalten.

— 2 Dlr 1818
Deut ſch Land.

** Mannheim, 13. Okt. Die „Neue Rheiniſche Ztg., Organ der
Demokratie iſt endlich wieber erſchienen. Ihre Redakteure waren uͤnd ſind
großentheils verhaftet oder flüchtig, das Säbelregiment in Köln hatte ihr
Erſcheinen verboten, die zaghaften Geldmänner, die dabei betheiligit waren,
ihren Beiſtand gekündigt, die „Kölniſche Zig“ gejubelt über den glimpflichen
Belagerungsſtand, der alle demokratiſchen Blätter erdrückt und ihr, der feigen
Achſelträgeriu, ein flottes Daſein gerettet hatte. Dennoch iſt die „Neue Rheini-
e zur Freude des Volkes wiedererſtanden. Der Belaͤgerungszuſtand und
mit ihm das Verbot mußte aufhören, und durch die Theilnahmé, die das de-
nokratiſche Organ namentlich in Köln gefunden, iſt es gelungen, die von dem
Belagerungsſtande herbeigeführten finanziellen Schwierigkeiten zu überwin-
benz noch mehr: Ferdinand Freiligrath, der eben von dem Aſſiſenhofe in Düſ-
ſeldorf freigeſprochen war, iſt in das Redaktionseomite eingetreten, alſo eine
neue Kraft dem Blatte gewonnen.
zeitung ſeine Theilnahme in weiterem Maße zuwende; die Unterdrückung durch
den Belagerungsſtand hat dieſelbe um das Abonnement für den 1. Okt. betrogen
aber noch täglich kann neu abonnirt, der Verfolgten ein Erſatz für den Ver-
Eſt gewährt und ein dauernder Beſtand namentlich auch durch Zuweiſuug von

Juͤſekaten'geſichert werden.
. * Dannheim, 13, Oktoher. So eben kommt die „Mannheimer
Abendzeitung“ in ihrer Nummer 151 von gerichtlicher
Hofgerichte zurück! Dieſe Nra war wegen eines Artikels „vom Rhein“, der
bie Republik als das in dieſer Zeitperiode zu erreichende

Beſchlag belegt worden und der Zr. Staatsaͤnwalis Ammann hatte ſowohl ge-








*Ueber den Stand der Dinge in Wien ſchreibt die A. 3. Man ı.
zweiexlei gefaßt ſein: Ausrufung der Republik oder Umſchließung der Sın
und Belagerungs-Erklärung. (2) *

Während ſo die Bevoͤlkexung Wiens ſich zerfleiſcht, beſtätigt ſich durch
Briefe die uns heute aus Jaſſy und Buchareſt zugehen, unfere Mele


dem Schwert die Gegenrevolution bewirkt, und ein ruffiſches Armeekorps unter
Lüders den Pruth überſchritten hat. Rußland hat alſo, was es ſo lange er-
ſtrebt: in, dem Augenplick, wo Frankreich und Oeſterreich gelähmt find und
England in der Verwirrungspolitik Lord Palmerſtons verſttickt ift, fendet es an
die Donau ſeine Heere, welche die Geſchicke der Länder vom eiſernen Thor bis
Bosnien und Dalmatien in ſeine Fauſt legen, zu gleicher Zeit zentſteht, wie von
einer Hand aus den Wolken herbeigeführt, ein Bauernaufftand in Dalmatien,
dem die längſt des ruſſiſchen Schutzes ſich erfreuenden Montenegriner ſich an-
ſchliehen, die auch 10,000 Mann gegen die Magyaren anbieten, Endlich kann
die italieniſche Frage (zu deren Beſprechung Frankreich und England jetzt Rom
vorſchlagen) keine kriegeriſche Wendung erhalten, ohne daß Rußland fein Schwert
mit in die Wage legte.

* Die Proklamation des Reichstags an die „Völker Oeſterreichs“ ſagt: Ver-
Angnißvolle Ereigniſſe drohen den kaum begonnenen Grundbau deg neuen
Staatsgebäudes zu erſchüttern. Der Kaiſer ſei zu dem „tief beklagenswerthen“
Entſchuß bewogen worden, ſich aus dex Laͤhe der Hauptſtadt zu entfernen.
An den Völkern Oeſterreichs ſei es, mit Beſonnenheit an dem großen Werke
dem „brüderlichen Völkerſtaat“, auf der gleichen Freiheit aller gegruͤndet! ſeſi.
zuhalten. Folgt dann die Aufforderung, den Reichstag in ſeinem ſchweren Be-
rufe zu unterſtützen. Dem Gebote der Nothwendigkeit und „dem Geſetze der
konſtitutionellen Monarchie folgend“ habe der Reichstag zunächſt beſchloſſen:
1) Die Uebertragung aller Miniſterial-Geſchäfte an die Miniſter Doblhoff,
Hornboſtl und Kraus und deren Beauftragung zu ſofortiger Vorſchlagung eines
neuen Miniſteriums; 2) den Erlaß einer Denkſchrift an den Kaiſer in Bezug
auf ſein Manifeſt, worin derſelbe „über den wahren Stand der Dinge aufges
klärt und ihm aus ehrlichem Herzen die Verſicherung gegeben werden foll, daß
die aufrichtige Liebe der Völker unerſchütterlich für ihn iſt.“ Der Gemeinde-
ausſchuß hat beſchloſſen, die Stadt zu verproviantiren und ſie in Vertheidi-
gungsſtand zu ſetzen.

Eine Vertheidigungskommiſſion iſt ernannt, an deren Spitze Offiziere ſtehen,
namentlich Oberſt Catinelli und Oberſt Slobnizki, ein aus dem polniſchen In-
ſurrektionskriege bekannter Name. Vermöge eines neuen Beſchluſſes der perma-
nenten Reichstagskommiſſion werden die neu bewaffneten Arbeiter zu mobilen
Korps organiſirt. — Zwei Linienoffiziere kamen Vormittags auf die Uni-
verſität und boten ſich an, mit ihren Kompagnien zum Volk überzugehen. Das
ganze Militär hat auf dem Belvedere und vor dem Schwarzenbergſchen
Mehrere von ihm aufgefangene Natio-

Wieden von ihm geplündert.

Wien, 8. Oktober. Seit geſtern ruhen unſere Waffen. Die Barrikaden
ſind vom Volke ſtark beſetzt, die Thore verrammeit; Alles wartet der entſchei-
denden Dinge. Der kommandirende General Graf Auersperg hat ſeine Trup-
pen auf dem Belvedere des Schwarzenbergiſchen Gartens in der Vorſtadt Nennz
weg zuſammengezogen. Graf Auersperg, vom Reichstag aufgefordert, über die
Urſachen ſeines Militärsmanövers auf dem Belvedere Mittheilung zu machen,


war, um einen allenfalls zwiſchen den Studenten und Garden entſtehenden


die Kaſernen einrücken. Geſtern ſoll der Graf eine Konferenz mit allen Stabs-
offizieren abgehalten und erklärt haben, ſich den Beſchlüſſen des Miniſteriums
zu unterwerfen. Mehrere Generale erklärten, daß ſie, wenn dieſes geſchehe
und die gekränkte Waffenehre nicht gerichtet werde, keinen Degen mehr ziehen
wollen. — Unter den Gefallenen iſt der Dichter Kaiſer und ein Bruder des
Fürſten Lichnowsky, unter den ſchwer Verwundeten Schriftſteller Lud. Ad. Frankl.
Nachſchrift. Eine Kundgebung des Generals Auersperg erklärt ſo eben, daß
von Seiten des Militärs alle Feindſeligkeiten eingeſtellt ſeien. nverbürgte
Gerüchte aus Wien von neuerem Datum, die in München umlaufen, ſagen,
daß ſich viele Truppen um Wien zuſammengezogen und Fürſt Windiſch-Grätz
das Oberkommando über dieſelben übernommen. Nach vorhergegangenen frucht-
loſen Unterhandlungen ſei hierauf Wien beſchoſſen worden. 3 . 6, 39
+* Die reaktionäre „Deutſche Zeitung“ bringt folgenden Bericht aus Wien
vom 7, Okt., der trefflich die Schandthat der kaiſerlichen Reaction und den
Edelmuth des kämpfenden Volkes andeutet:
„Man beſetzte alle Zugänge zum großen kaiſerlichen Zeughauſe,, worin ſich
etwas Militär und 1200 Schwarzgelben zurückgezogẽn hatten und fing ſogleich
an, mit ſchwerem Geſchütze die Thore zu beſchießen. Der Reichstag ſandte den
Abgeordneten Preſtel mit einer weißen Fahne, um dem General den Befehl zu
bringen, das Arſenal den Studenten zu überliefern. Die Schwarzgelben ſchoſ-
ſen den Parlamentär des Reichstags nieder; ob er noch lebt und ſehr ſchwer
verwundet iſt, habe ich noch nicht in Erfahrung gebracht. — Einem zweiten De-
putirten ſoll dasſelbe geſchehen ſein (Gerücht); ſo ging es lang fort, die Stu-
denten drangen öfters in die erſten Säle, und brachten jeder einen ſchönen Bruſt-
harniſch zurück, womit ſie nun bekleidet ſind. Bis dieſen Morgen um 5 kämpfte
man. In ter Joſephſtadt, Roſſau, in der Stadt tönten die ganze Nacht bei-
nahe ununterbrochen die Sturmglocken. Gegen 1 Uhr in der Nacht hatten die



von der „ſchwarzgelben Brut“ keinen entrinnen zu laſſen, doch alg dieſen Mor-



verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je“ eine ſechsmonatliche Arbeitshaus-
keaf beantragt. Die Vertheidigung führten OGAdv. Brentano und OGAdv. Eller,
die «;;lngeflagt'en wirkten perſoͤnlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine kreff-
liche Bertpeidigungsrede. Das Ergebniß der Verhandlung iſt, daß der Gerichts-
hof die AUngeflagten frei ſprach und die Staatskaffe in die Koſten verurtheilte.
„Die „Neue deutſche Ztg. berichtet üder die Plane der deurſchen' Cen-
_ fral-Belagerungsgewalt Fölgendes! Das Reichsminiſterium wird, wie ich aus
&uDerläffiger Quelle erfahre, feine äußerſten Kräfte aufbieten um die Demokrarte
in Wien zu vernichten! Das Reichsminiſterium wird 60,000 Mann Preußen,
die an der böhmifchen Gränze ſtehen, durch Mähren nach Wien ſchicken. Bayern
hat bie Drore erhalten, 20,000 Mann mobil zu machen. Rabetzty ſoll ſich
auf Maitand, Verona und Mantua beſchränken und den Reſt ſeiner Truppen
8u Selacic ſtoßen laſſen. So wird es in kurzer Friſt zum ungeheuerſten Kampf
zwiſchen Demokratie und Reſtauration kommen.



gezogen waren, entſchloß man ſich zur Schonung und ſandte die Garden ein-
zeln nach Hauſe. Alles, was eine Waffe tragen kann, holt ſie nun im Zeug-
hauſe. Der Reichstag hat ſich für allgemeine Amneſtie für Militär und Civil
ausgeſprochen, zugleich ſind die ſtrengſten Befehle an die Eiſenbahnen ergan-,
gen, kein Militär, untex was immer für einem Vorwande, gegen Wien zu
befördern, nnd die bereits auf den Zügen, ſogleich zurückzufuͤhren. — War
dieß ein Stückchen Realtion, an welche die guten Leute nicht glauben wollen?
Der Reichstag ſchlägt ferner dem Kaiſer vor, ein volksthümliches Miniſterium
zu bilden, in welchem Doblhof und Hornboſtel verbleiben. Der Kaiſer gewaͤhrt





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