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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 2 – No. 31 (2. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0085

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— —

















halbjährli

Inſerate die geſpaltene Zeüe in Pe





Deutſchland. ;

Hrlsruhe, 18. Jan. (Dtſch. 3.) Die Kommiffion zur Vorberathung
der Difabriffrage hat geſtern einftimmig heſchloſſen, daß der Gegenſtand öf-
fentlich verhandelt werden ſoll. Die Regierung hatte zuvor ſchon den Vor-


vom 15. übergeben hatte, zum Druck befördert, und geſtern hatte der Präfts


diefen Aktenſtlick kommen noch die Berichte dex aus Mitgliedern der Miniſte-
rien des Innern und der Finanzen und Sachverſtändigen aus der Kaminer


die Dazwiſchenkunft des Staates zu deren Erhaltung; endlich noch eine Denk-
ſchtift über die Verhältniſſe der Spinnerei uno Weberei in Ettlingen, Noti-
zen über die Betriebsverhältniſſe der Zuckerſiederei in Waghaͤuſel u. fı w. — Die
Mitglieder der Kammer und ihrer Kommiſſion benützen den heutigen Tag,
theils um ſich mit dieſen Vorlagen vertraut zu machen, theils um die Ge-
werbsanſtalten einzuſchen; morgen früh wird dann die Commiſſion ihre Be-
rathungen fortſetzen. Die auf morgen anberaumte Kammerſitzung und alle
uͤbrigen Geſchäfte ſind zurückgeſtellt. Die Frage, auf welche es hauptſächlich
ankömmt / wird die ſein: ob die Anſtalten die Bedingungen ihrer Lebensfähig-
keit in ſich tragen, ſo daß ihre Erhaltung und ihre Zukunft aller Waͤhrſchein-
lichkeit nach geſichert erſcheinen, wenn es gelingt, ſie üder die augenblickliche
Todesgefahr hinaus zu bringen. Hierauf wird es ſowohl denen ankommen,
welche glauben, daß die am Beſten ſtehende Anſtalt die Staatshülfe am
Meiſten verdiene; als denen, welche glasben, daß ſie derſelben am Wenig-
ſten bedürfe; die Lebensfaͤhigkeit der Anſtalten wird ſowoyl die Meinung be-
ſtimmen, daß Staatshülfe unbedenklich, d. h. ohne Opfer für die Geſammtheit


ternehmungen im Intereſſe der Gläubiger liege. — Nach den vorliegenden
Mittheilungen ſteht in dieſer Bezichung die Maſchinenfabrik von C. Keßler
bei Karlsruhe am Günſtigſten. Sie hat die reiuſte Vergangenheit und die
ſicherſte Zukunft. Auf ihr laſtet kein als Lehrgeld aufgezehrtes Aklienkapital,
rein Pfandrecht; ihr Vermögen iſt auf 1,636,985 fl. angeſchlagen, ihr Schul-
denſtand betraͤgt 1,478,246 fl., worunter 926,647 fl. Wechſelſchuld. Jn vo-
rigen Jahre warf die Anſtalt einen Reingewinn von 167,300 fl. ab; ſie hat
Beſtellungea auf zwei Jahre hinaus und arbeitet in unmittelbarer Mitbewer-
bung mit öſterreichiſchen, ſchweizeriſchen, baieriſchen und engliſchen Maſchi-


die Schweiz. Man vernimmt, daß zur Uebernahme dieſer Auſtalt Anerbies
täugen von Außen gekommen ſeien. Die Spinnerei und Weberei in Etltlin-
gen hat nach dem Anſchlag der Kommſſſion ein Vermögen von 2,339,243 fl.,
einen Schuldenſtand von 1,900,963 fl., worunter 1,739,473 fl. Wechſel- und
Kontolurrentſchulden. Das urſprüngliche Aktienkapital v. 1,200,000 fl. iſt
hierbei nicht gerechnet; den Aktionären gebört das Aktivum von 438,280 fl.


Um dieſe zu tilgen und weitere Betriebsmittel zu erhalten, ſollte 1845 ein
hypothekariſches Anlehen von 1,200,000 fl. gegen Partialobligationen, ſog.
Prioritatsſcheine, gemacht werden. Allein nur der kleinſte Theil (153 000 fl.);
fand Abnehmer; eın größerer Theil wurde an Bankhaͤuſer als Fauſtpfand für
eröffneten Credit gegeben; über ein Drittheil dieſer Scheine (489,250 fl ) liegt
Ungeachtet der Opfer und Schwierigkeiten für Herbeiſchaf-
fung der Betriebsmittel hatte ſich die Anſtalt bis zum Jahre 1843 auf einen
Staͤndpunkt emporgearbeitet, welcher Hoffnung gab, alle Hinderniſſe aus frühe-
rer Zeit zu überwinden; hauptſachlich ſprach dafür die Sammetwederei, welche
Die Anſtalt hat 27,840 Spindeln für die me-

42 Haͤndwebſtühle ın der Fabrik und 973 in den Orten Langenſteinbach, It-
tersbach und Dietlingen fuͤr Sammetweberei; ſie beſchäftigt 1893 Arbeiter.
Der Reingewinn im letzten Jahre iſt auf 191,027 fl. engeſchlagen. — Die
Zuckerei in Waghäuſel hatte Ende 1847 einen Schuldenſtand von 2,728,423
ſi., ein Vermögen von 2,168,723 fl., alſo eine Ueberſchulduug von 560 552
fl., ungerechnet das Aktienkapital von einer Million, welches Längft aufzezehrt
iſi. Die Wechſel- und Kontokurrenteyſchuld betragen 2,081 529 fl Der Reuns
ertrag fur 1846 —47 iſt auf 65,780 fl. angeſchlagen, wird aber im nächften


hat alle mogliche Ungunſt der Verhaͤltniſſe überwunden und ſteht gegenwärtig
auf einer von Kennern bewunderten Stufe der Vollkommeyheit, ſodaß ſie,
nach dem Urtheil Sachverſtändiger, ohne den plötzlichen Schlag, der ſie mit
den übrigen traf, ſich allmahlich erholt haben würde, *

Nachdem die von der Regierung ernannte Kommiſſion ſich möglichſt mit
den Verhältniſſon bekannt gemacht hatte, exkläxte ſie einſtimmig, daß die drei
Gewerboͤanſtalten in volkswirthfchaftlicher Beziehung ſo bedeutend ſeien, daß
ihr Foribeſiand alg wünſchenswerth im öffentlichen Intereſſe erſcheine.


ſie es für ſehr unwaͤhrſcheinlich hielt, daß der Fortbeſtand auf anderem Wege,


wo der Staat angegangen ſei und feine Weigerung als ein Ausſpruch ange-
ſehen würde, daß die Verhäitniffe der Anftalten durchaus ungünſtig feien. Die
Bedingungen, unter denen die Zinsgarantie geboten werde (wir haben ſie ge-


rielle Opfer bereiten werden; die Gläubiger aber dürfen damit zufrieden fein,
weil ihr Verluſt im andern Falle weit größer wäre.
mögenſtandes der Anſtalten, ſelbſt nach den Minderungen, welche die Commiſ ·
fion der Regierung vornahm, wird felbſt für die Zeit der Thätigleit der Zar
briken hoch erſcheiuen, ſollten ſie aber eingehen, ſo würde der Erlös aus den
vorhandenen Vermögenstheilen in gar keinem Verhältniß zu dem Werthan-

ſchlage ſtehen.












Dies iſt in Kürze die gegenwärti,e Lage der Akten, auf welche ſich die
bevorſtehenden Verhandlungen gründen werden.

Vom Rhein, 19. Jan. Nach den Mittheilungen, welche der Präs
ſident des Miniſterium des Innern bei Vorlage des Geſetzes über die den
drei Fabriken in Karlsruhe, Ettlingen und Waghäuſel zu leiſtenden Hülfe an
die zweite Kammer gemacht hat, iſt der Stand der Fabriken, folgender:

1.) Die Zuckerfabrik in Waghäuſel hat ihr Aktienkapital von 1,000,000 ff
ganz eingebüßt, und weiſt außerdem eine Ueberſchuldung von. 560,000 fl
au. Dieſe Uererſchuldung vermehrt ſich aber bedeutend, 2
wenn man berückſichtigt, daß unter den Aktiven die Fabrik-

Gebaͤude und Maſchienen zu L,200,000 figuriren, die wohl

kaum die Hälfte werth ſind, alſo reducirt werden müſſen um 600,000 fl
In 12 Jahren betrug der Geſammt-Verluſt . . .2,160, 000 {l
alſo per Jahr 180,000. ; *

2.) Die Spinnerei in Ettlingen hat von ihrem urſprünglichen
Aktien-Capital von 1,200,000 fl. nur noch 438,000 fl .
übrig. Sie hat demnach ein gebüßt. . . . . ... + 762,000 fl

Unter den Aktien figuriren hier Fabrik-Gebäude mit

800,000 Maſchinen mit 1,200,000 Gulden zuſammen mit

2,000,000 fl., das iſt mit dem urſprünglich koſtenden Preis, 2

ohne daß ſeit ihrem Beſtehen für Abnutzung Etwas abges

ſchrieben wurde. Fabriken müſſen aber jährlich dem Bau-

und Maſchinen-Conto 5°, abſchreiben, macht in zehn Jah-

Yn 1000000 {&
Der Geſammtverluſt beträgt daher in zehn Jahren . 1,762,000 ff

oder jährlich 176,200 fl

Läßt man für beide Fabriken die Gebäude und Maſchinen in ihrem
urſprünglichen Anſchlag ohne Herabſetzung wegen Abnutzung, ſo bleibt der
iaͤhrliche Verluſt für die Waghäusler Fabrik noch immer 130,000, ſt. für die
Ettlinger 76,200 0 Ob unter ſolchen Berhältniſſen es nicht eine gerechte Sache
in, die Garantie für richtige Zinszahlung der Schulden dieſer Faͤbriken in den
nächſten 15 Jahren zu übernehmen, darüber mögen Unbefangene urtheilen.

Wena die vorſtehenden Zahlen richtig ſind, und wir haben keinen Grund,
bieran zu zweifeln, da ſie aus einem offiziellen Aktenſtück entnommen ſind, ſo
Aeibt es unbegreiflich, wie man die Kühnheit haben kann, der Regierung, &ın
Kammern, dem Publikum weiß machen zu wollen, dieſe Fabriken ſeien im Stande,
ug ihren € trägniffen nicht allein die Zinſen ihrer Schulden, für welche der




res, in welchem die Zuckerfabrik 224 000 fl. die Spinnerei 191,000 {l. Rein-
gewinn abgeworfen haben ſoll. Nehmen wir auch dies als richtig an, ſo kann
doch dieſes Eine Jahr keinen Maßſtab für die Zukunft abgeben, wenn in den
zehn vorhergehenden Jahren ſo enorme Verluſte erlitten wurden. Daß ſich die
Regierung, und die zur Begutachtung ernannten Sachverſtaͤndigen auf eine ſo
grobe Weiſe täuſchen ließen, können wir nicht vorausſetzen. —
Außerdem ſehen wir nicht ein, wie man, auch bei viel beſſeren Verhält-
niſſen jener Fabriken ſich hinreißen laſſen kann, einen Vorgang aufzuſtellen,
der nach dem Princip der Gleichheit aller Staatsbürger (S. 7 der Verf. Ur-
kunde) jedem andern Fabrikanten des Landes, der in die gleihe Lage kommt,
einen gegründeten Anſpruch auf Staats Unterſtützung giebt. In Mannheim
beſteht eine Maſchinen-Fabrik, welcher mit dem hundertſten Theil der dei den
Karlsruher Fabriken in Frage ſtehenden Staatsunterſtützung geholfen werden
könnte. Dergleichen werden wohl noch andere im Lande zu finden ſein. Will
man alle dieſe abweiſen, und nur Jene unterſtützen, ſo verletzt man ein Grund-
Princip unſerer Verfaſſung. Dieſe Verletzung tritt für das Volk um ſo grel-
ler hervor, als in Karlsruhe gegenwärtig zwei Haͤndlungshäuſer ihre Zah-
lungen eingeſtellt haben; die Gläubiger des Einen, meiſtens große Kaufteute,
ſollen nach der Vorlage der Regierung Obligationen mit vom Staate garans -
tirten Zinſen, die Gläubiger des Andern, worunter viele ſonſt unbemittelte .
Perſonen z. B. Dienftboten gar Nichts erhalten. Iſt das Gerechtigkeit?
Wir fürchten, man iſt im Begriff, einen ſehr undeſonnenen Schritt zu thun,
der kaum gethan, bitter bereut werden wird. Wir wollen daher, wenn es
nicht ſchon zu ſpaͤt iſt, vor Uebereilung hiermit gewarnt haben.

Aus der Provinz Sachſen, 11. Jan. Briefe aus dem Anhaltiſchen,
beſtätigen die Nachricht, daß die geſammte Ritterſchaft daſelbſt die Verleihung
einer landſtändiſchen Verfaſſung beantragt hat. Die Vorſtellung der Köthener
ſoll beſonders energiſch abgefaßt ſein.

— W Aus Oberheſſen, 13. Jan. (Schl.) Indeſſen war der ganze Skandal

ſchon in der benachbarten Vaterſtadt des unerklärlichen Arreſtanten ruchbar ge-
worden und erregte daſelbſt unbeſchreiblichen Allarm? Schon beabſichtigte ein

zahlreiches Aufgebot der jüageren Bürgerſchaft in pleno nach Nidda aufzus
brechen, um ihren dort allgemein verehrten Landsmann aus dem vermutheten
Seitziſchen Gefängniſſe zu „befreien“, als derſelbe unter der freundſchaftlichen
Eokorte ſeiner polizellichen Reiſegenoſſen und in Begleltung zweier Chaiſen,
ſowie einer indeſſen von Schotten ſchon abgegangenen Deputation, zu Hauſe
angelangt, wo er denn von ſeinen in Maſſe verſammelten Mitbürgern mit
donnerndem Jubel begrüßt wurde, — — *

Welches traurige Aufſehen dieſe Volzeigeſchichte gerade jeBt,
— — in unſrer ganzen Provinz und weiterhin erregt, koͤn—
Sie bildet eben noch das Thema der Converſation in



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