Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Abendzeitung — 1848

DOI Kapitel:
No. 235 - No. 260 (1. Oktober - 31. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44565#1037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext














No. 245.

— —











Die weiteren Beſtellungen für das mit dem tten Dftober begonnene
Lierteljahr der täglich mit Ausnahme des Montags erſcheinenden

Mannheimer Abendzeitung,
und ihres wöchentlich drei Mal erſcheinenden Unterhaltungsblattes, der
„Nheiniſchen Blätter“

bitten wir des vollſtändigen Bezuges wegen möglichſt bald zu machen. Die
Blättex vom 1, Oktober an werden nachgeliefert.

Man abonnirt in Mannheim bei der Expedition Lit. H 6 Nro. 3, aus-
wäxts bei allen verehrlichen Poſtanſtalten; für Frankreich bei Hrn. Alexandre
in Straßburg.

S> Zlu amtlichen und nichtamtlichen Anzeigen aller Art empſtehlt ſich die
Zeitung ihrer ausgedehnten Verbreitung wegen noch beſonders.

Für die Verhandlungen der conſtituirende National-Verſammlung“
in Frankfurt und des babiſchen Landtages haͤben wir aufs Neue eigene
Berichterſtatter beſtellt. c









— — — - *

LCarlsruhe, 11. Okt. @;.‘fßam@m@éfäerimü%hmgm.} Sitzuns
der 11. Kammer, unter dem Vorfig des Bicepräftventen Weller, Auf der Re?
gierungsbank: Die Staatsräthe Bekt und v. Stengel, Miniſtexialrath Brauex.
Im Eingang der Sitzung wird der Abgeordnete Kuenzer beeidigt und das Prä-
ſibium eröffnet der Kammer, daß Abg. Braun eine Motton augezeigt babe,
die Vorlagee ines Wahlgeſetzes zur Bildungeiner Verfaffüng-
gebenden Verſammlung für Baden beireffend.

Brentand übergibt eine mit zahlreichen Unterſchriften verſehene Petition
aus Bruchſal wegen Auflöſung der Kammer, und ſtellt den Antrag, eine Ne-
viſion der Unterſuchung gegen Peter anzuordnen, da neue Aufklärungen über
dieſe Sache vorhanden und in einer Druckſchrift, welche er an bie Mitglieder
der Kammer vextheilen laſſen werde, enthalten ſeien. Zugleich richtet er an die
Regierung die Frage, ob ſie die Verhaftung Peters, falls er ſeinen Sitz in die-
ſer Kammer wieder einnehmen würde, zu voliziehen beabſichtige; er ſpricht die
Hoffnung aus, daß dieſes nicht geſchehen werde, ſo lang die Nationalverſamm-
lung nicht ihre Zuſtimmung dazu ertheilt Habe; er ſchlägt vor, den Abgeordne-
ten Peter vielmehr einzuberufen, damit derſelbe bei der Berathung über ſeinen
vorhin geſtellten Antrag zugegen ſei und in den Stand geſetzt werde, ſelbſt die
geeigneten Erläuterungen zu Feben.

Bett behält ſich die Antwort auf dieſe Frage noch vor.

Böhme behauptet, es liege nicht in der Competenz der Regierung, die
Verhaftung Peters vorzunehmen oder zu unterlaſſen;
gung derſelben liege vor, deren Vollzug von der Zuſtimmung der Kammer ab-
hänge; dieſe ſei erfolgt, ſomit ſei dieſe Verhaftung lediglich Sache des Gerichts

Brentano, verweist den Sprecher auf die Unſtalthaftigkeit, eine Diskuſ-
ſion über dieſen Gegenſtand jetzt ſchon zu beginnen.

Iſſtein übergiebt 12 Petitionen um Auflöſung theils der 2., theils bei-
der Kammern und Berufung einer vexfaſſunggebenden Verſammlung, und 24
um Amneſtie für die Theilnehmer am Apritauͤfſtand, worauf die Kammer zur
Berathung des S, 4 des Geſchwornengeſetzes übergeht. Der S, lautet: zu dem
Ehrenamte eines Geſchwornen ſind alle badiſchel Staatsbürger, welche das
30. Lebensjahr erreicht haben und unter keine der Ausnahmen der S. 8, 5 UnD
6 fallen, berechtigt und verpflichtet, wofern ſie entweder das Amt eines
Abgeordneten der Ständekammern, eines Bürgermeiſters oder Gemeinderaths
bekleiden oder bekleidet haben, ſofern ſie nicht aus Gründen der Unwürdigkeit
von ihrer Stelle entlaſſen waren; 2) obder In einer der 4. Fakultäten eine
Staats- oder Doktorprüfung als Notaͤre, Architekten, Ingenieure, Poſtprakti-
kanten, Forſtkandidaten oder Apotheker mit Erfolg beſtanden haben; 3) oder
Offizierſtellen hetleiden oder bekleidet haben; oder ohne dieſe Vorausſetzungen
4) einen jährlichen Beitrag der dixekten Staatsſteuern hezahlen, welcher für die
Staͤdte Mannheim, Carlsruhe, Freiburg und Heidelberg auf 45 , ür Die
übrigen Städte von mehr als 3000 Einwohner auf 30 fl., für Staͤdte mit weni-
ger Einwohnern oder Landgemeinden auf 15 fl. feſtgeſetzt iſt.

Mittermaier beleuchtet in einer ausführlichen Erörterung die Inkon-
venienzen des Cenſus und des Prinzips der Capazitäten. Er ſchlägt eine Faſ-




nicht den Beſtimmungen der beiden folgenden 88 über die Unfähigkeit zuͤr Eigen-
ſchaft eines Geſchwornen unterliegt, zu dieſem Ehrenamte zugelaffen werden
ſoll.

v. Stengel bekämpft die Ausführung Mittermaiers; der Cenſus, bemerkt
er, ſei gegründet auf das Prinzip der größtmöglichen Unabhängigkeit des Ge-
ſchwornen; die größte Abhängigkeit aber ſei die der Armuth.“ Die Stellung
eines Geſchwornen ſei kein Privilegium für den Reichthumz ſie ſei vielmehr eine Laſt.
Er erſucht die Kammer, ſich der Majorität der Koͤmmiſſton anzuſchließen und
den S in obiger Faſſung anzunehmen.

Kiefer verwaͤhrt ſich gegen die Auffaſſung der Geſchwornenſchaft als
Laſt; dieſelbe ſei ein Ehrenamt, zu welchem fomit jeder Ehrenmann zuzulaffen
fei. Schlecht würde es um den Staat ſtehen, wären allein die Begüterten


Szu ſtreichen, welche, ſo lang für ſie ein privilegirter Gerichtsſtand beſtehe,
rechtmäßiger Weiſe nicht Geſchworne ſein könnten.

Brauer bemerkt, der 8. 4 enthalte nicht den Schwerpunkt des ganzen Ge-
ſetzes, ſondern vielmehr der S, 9; die Frage, welche Männer die Urliſte redu-
girfen und ſo die Geſchwornen wählten, fet noch von weit höherein Belang,
als die nach den für jene Funktion erforderlichen Qualitäten, Letztere ſei übri-
gens nicht ſowohl aus theoretiſchen Gründen, als vielmehr aus den Ergebniſſen




der Erfahrung zu beantworten. In Amerika, wo kein Cenfus maßgebend fei,
genößen die Ausſprüche der Geſchwornen nicht das gleiche Anfehen, wie die
in England, wo derſelbe eingeführt ſei. }

Auf eine frühere Acußerung Mittermaiers, der es rügte daß Lünſtler
nicht mit in die Kategorien der Capazitäten mit aufgenommen , macht der He
Rehierungskommifſär die denkwürdige Bemerkung , ein Künfiler, der nicht vas
nach obigen Anfätzen erforderliche Steuerfapital beſitze, können wohl nicht un-
ſterblich, müſſe vielmehr entweder ein Stümper odex ein Defraudaut * Schlich-
lich ſpricht er die Anſicht aus, wenn die Alternative geſtellt ſei, entweder eintge
Fähige guszuſchließen oder unfähige Geſchworne zu erhalten, ſo werde man ſich
wohl beſſer füe das Erſtere entſcheiden.

Ehriſt iſt mit dem Regierungskommiſſär darin einverſtanden, daß der
Schwerpunkt des Geſetzes in S. 9 liege; daß es hauptſächlich auf die Brhörde
ankomme, welche die Geſchwornen aus der Urliſte auswähle; aber welchen Werth-
welche praktiſche Bedeutung behalte dann nodh die praktiſche Claſſiftkation Des
$, 42 Gerabe daraus exhelle, wie unnütz dieſelbe fer, und außerdem enthalte
ſie etwas Berleßendbes, Das in England noch herrſchende Syſtem des Cenfus
ſtamme aus einer Zeit, die für die unſrige nicht mehyr maßgebend ſein könne Er
weist die Inconſenzen und die Haltloſigkeit des Prinzips des Cenſus und der ſoge-
naunten Capazitäten durch Beiſpiele nach und erinnert Hrn. Brauer an die großen
Künſtler, auf welche die Nation ſtolz iſt, die ſie aber ſeiner Zeit verhungern ließ.

Brauer entgegnet, Ehriſt's Gründe hätten allerdings einigen Schein für
ſich; er habe jedoch ſeine Vorderſätze nicht nachgewieſen. Es ſei ſehr ſchwierig,
eine Reduktionsbehörde zu finden, welche die nöthigen Garantieen für genügende
Erfüllung ihrer Aufgabe büte ; man habe deßhalb das Geſchäft durch Auͤfftel-
lung der Kategorien des S, 4 erleichtern wollen.

Preſtinarti ſtellt den Antrag, die Diskuſſion über den mehrmals ange-
zogenen S. 9 mit derjenigen über den 5. 4 zu verbinden, welcher vielfache Un-
terſtützung findet und fofort angenommen wird.

Metz ergreift das Wort für die Armen und Beſitzloſen, bei welchen zum
mindeſten ebenſo häufig Unabhängigkeit des Charakters zu finden ſei, alg bet
den Begüterten. Juſt bei den Vermögenden ſeien oft weit mehr Gründe der
Abhängigkeit vorhanden und ſie zeigten ſich in der Regel Einwirkungen von
einer oder der andern Seite zugänglicher, als Jene. Er bedauert, daß das
Ehrenamt eines Geſchwornen von der Regierungsbank als eine Laſt bezeichnet
worden, und weist auf den Unſinn hin, der darin liegt, daß man die Vor-
ausſetzung der zur Befähigung erforderlichen Intelligenz an 15 Gulden Steuer -
knüpfe, als ob Jemand, der nur 14 Gulden bezahlt, deßhalb minder intelti-
gent und befähigt wäre. Ferner äußert er ſeine Mißbilligung darüber, daß
man den überhaupt ſo ſehr gedrückten und zurückgeſetzten Stand der Bolks-
ullehrex ausgeſchloffen habe, und unterſtützt ſchließlich in erſter Reihe den
dAntrag Mittermaiers, {n zweiter Reihe denjenigen Kiefers auf Ausſchluß der
Offiziere, bis ihr gefreiter Gerichtsftand aufgehoben fet,

%. Stengel verwahrt ſich gegen die Deutung, die man feinen Woͤrten
unterlege. Das Amt der Geſchwörnen fer alferdings ein Ehrenamt, aber es
erfordere große Opfer. Daß unter den ärmern Klaſſen nicht auch Rechtlichkeit
zu finden ſei, habe er nicht fagen wollen; gewiß aber fei, daͤß Nahrungsſor-
gen den Dürftigen, mancherlet Einwirkungen zuͤgänglich mache, wovor der
Wohlhabende bewahrt bleibe. (Schluß folgt.)

Maunheim, 11. Oti. Wir haben neue Verhaftungen zu berich-
ten; geſtern um die Mittagsſtunde wurden die Bürger Dr. Welkek, Barth und
Wimmex plötzlich in ihrenWohnungen durch Polizeidiener, Gengvdarmerie und
Gerichtsperſonen überraſcht, unb ſofört über Hals und Kopf nach Weinheim
escortirt. Die Scharfſinnigkeit der Polizei haͤt die Entdeckung gemacht, daß
jene Mängexr bei der Eifenbahndemolirung zwiſchen Weinheim und Großſachſen
betheiligt ſein müßten, indem ſte Tags voͤrher in Privat⸗Angelegenheiten ſich in
Weinheim befanden. Die Unterfuchung wird herausſtellen, wie viel an der
ganzen Sache ift; wir greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gern das
Räthſel geloͤst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu hun hat,
daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geſchleppt wurden, während man
die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren ſucht. Geſchieht das
vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beftändige Bewegung vor mög-
licher Erſchlaffung zu fchüßen, oder iſt es bloß auf eine rechte Hetzjagd der
perhafteten freigefinnten Bürger abgeſchen? Wer weiß es; die Wege der Po-
lizei ſind unerforſchlich und was fie zuſagt, das hält fle gewiß. Aber was
ſoll man von den Gerichten ſagen, die einen‘ ſolchen Unfug treiben oder von
oben her geduldig mit anſehen und geſchehen laſſen, während doch kein badiz
ſcher Staatsbürger verfaſſungsmäßig feinem ordentlichen Gerichte entzogen wer-
den kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Ge-
richts{prengel aber nichts weiter als eine willkührliche Entziehung oder Befchraͤu—
kung des rechtlich zugeſicherten Schuzes iſt? Wir protefticen auch hier gegen
eine derartige Behaͤnoͤlung unſerer Mitbürger und wollen von den obern Ge-
richten erwarten, daß ſie ſofort dieſer Willkürherrſchaft Einhalt thun.

Oã Mannheim, 11. Okt. Einen ehrenvöllen Geßeyſatz zu den zahl-
reichen Verurcheilungen, die in den letzten Monaten bei uns in Hochverraͤths-
anklagen vorgekommen ſind, bilden die Entſcheidungen, welche in den kürzlich
zu Düſſeldorf und zu Berlin verhandelten Prozeſſen von den dortigen Gerich-
ten gefällt wurden. — Am 3, Oktober ſprachen die Aſſiſen zu Duͤſſeldorf den
Dichter Freiligrath frei, am 4. den vormaligen Präſidenten Julius Wulff, der
zum Umſturz der Vefaſſung aufgereizt haben ſollte. An dem nämlichen Tage
ſtanden vor dem Criminalgericht zu Berlin die Verbreiter und Drucker eines
republikaniſchen Katechismus, ſie wurden ebenfalls freigeſprochen. Der Grrichts-
hof ſprach es in ſeinen Entſcheidungsgründen ausdrücklich aus, daß er bei der
Veränderung, die durch die Ereigniffe der neueſten Zeit in den ſtaatlichen Ver-
hältniſſen eingetreten ſei, das Verbrechen des Hochverrathes ſo lange für un-
möglich halten müffe, als der jetzige prov. Verfaſſungszuſtand, noch fortdaure,
Wit würden uns freuen, wenn wir auch auf ein ähnliches Erkenntniß unſerer



(


 
Annotationen