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Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

DOI Kapitel:
Nr. 101-125 (1. Mai 1870 - 31. Mai 1870)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0411

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&eMtaer fSitil

JS 102.

J.liüonnnttllfprclä fl. t. 3 1. in fieibeficrc.
■; 'turtö 6lt ?°0 3‘ t* 16 fc*. vierteljährig.

iDtenftaß, 3. SO^ai.

5tn3ßi{ien 3 fr. bie 'petitjcile, tei Äutf fünfte*
ertbiilung 4 fr.

1870.

@{» beutf*er Mahnruf.

der fübbcutf*cn ©reffe entnehmen wir folgen^
beit Slrtifel, ber pr (tue* 33aben ^uging:

„(Sei pibt au* bet uns Stufe, bie in einer in-
niflen nationalen SSerbinbung jwifdien ben füb-
beutf*ni Staaten uttb bent norbbeutj*en StttibcS*
floate, mit $mtßen als Präger ber ©mutioge-
malt, bie ©efahv crbliden, baß bie felbftänbige
©ntmidelung ber Sübßaaten babur* gehemmt unb
jte,_ ftirj gefagf, bem @*i*fale ber »erbauten unb
gefür*teten „Rtrpreußung" »erfaßen mürben. (Segen
bte »on biefer ftrett 3bee ©epiagten mit ©rünben
p fireiiett iß f*mer. ©üßteit fte bie ernßcn
Warnungen ber ®ef*i*te p beuten unb p bc-
berjigen, fo mürben fte ben berechtigten Partien-
InriSmuS üon bem unberechtigten p unterf*eiben
wißen; ße müßten erfennen, baß jener ein Segen
mar uttb iß für bie ©uUurentmfdclitng, btefer aber
ein glu* für bie politif*c ©eßaltuitg deutßß*
lanbs, ber £>attptgrunb beS Untergangs beS alten
beutf*en Ret*S unb bet polttif*en Unfru*tbar*
feit beS deut|*en SSunbeS. ©erabc biefer ttnbe*
reditigte IßarticularfSmuS genoß aber ber befonbern
protection jener ®roßma*te, bie bei pm il)te Repnuttg
fanben — auf Unfoften SDeutfdsIanb^. ©in großer
Sbeil jener ©eneratton, bie ttod) an ber Wil* beS
ßthfinbunbeä aufgefäugt mürbe unb bereu oßer-
reiebifebe ©pmpapten hauptfä*!!* barin murjeln,
baß Deßerrei* au* ein (ßrotectcr jenes uttbereib-
tigten Particuiaribmu« mar unb ne* iß, bat für
bte Sehren ber ©ef*i*te feinen Sinn unb iß eben»1
fo roettig gemißt unb befähigt, bie Ropwenbigfeit
einer politißhen Reugeßaltung deutf*lanbS auf ber
im 3al)te 1866 gelegten ©runblage einpfehen.

der benfenbe 2*eü b'cö SJoIfS aber, ber ohne
£>aß unb Rorlfebe urpeilt, fte^t ein, baß biefe
©runblage gerabe beßrcrgen bie einjig gute unb
Jfj*c ifty meil ße immerbtn nicht einer abßracten
Atpeorte cntfprpgt, foitberu an gef*i*tli* ®ege*
beneS anfnüpft. der baitf*c Süunfccöftaat »er*
neint nicht aße unb jebe partteuiaren ©igenpüm*
If*feiten, er miß nicht ein ceutraUftrter ©tnheitS*
ßaat fein, in bem afle ©injelßaatcn i)erf*rotaben;
fonbern nut barum bnnbelt cS ftcb, baS richtige
Serhaltniß jmifchen ©inbeft unb Sefonberbeit feß*
gußeßen, bannt bie ©inbeit ein Schuß ber 33efon*
berbeit fei unb biefe aufhere, baS abfolnte $inber-
niß ber erßern p fein, ©in 33lid auf bie norb*-
fceutf*e SSunbeSoerfaffung geigt, baß ein fru*t-
tareS gelb für bit innere Sbätigfeit ber ©ingel*
ßaaten übrigbleibt in $epg auf innere Scrmal*

tung uttb namentlich jene culturgef*i*tH*en 2tuf-
gaben, bie in ber berechtigten Seite beS particu-
lariSmttS mit fooiel ©lücf unb ©hre für bie ®e-
fatnmtheit ber Rationalität gelöß morben ßnb.

die fe*Smotiatli*efru*lbare 31h>ätigfcit ttnfercS
jungßen SanbtagS iß ber beße 23eWetS, baß bie gc-
fürchtete „Rerpmtßung" nur ein popans iß, momit
man politifpc Äinbcr febveeft- ®ie gvüchte biefeö
Sanbtagä mevben ttnoerloren bleiben, au* mettn
Sabctt in bte Sage fatne, fofovt in ben Diovbbeutßhen
Sttttb eintreten ju fötttten. SoI*c Slrbeiten ütev-
nimmt man nicht, menn bte älueftcßt broßte, baß
fte umttiß merben tonnten in naher ober ferner
3eit* diejenigen haben eine fehr falf*c ißorftel-
lung oon Preußettö Sluffaßuttg feinet beutf*ett Se-
rufe, bte ihm bte 2lbft*t jutrauett, gattj 3>entf*-
lattb bie @igetitt)ümltchfeit prettßtf*er Drgani|‘a-
ttottett aufjubrängett. ©^ tß nicht fo »erblenbet,
baß eö nt*t einfahe, mit folehern ^toeflirttttgö*
prittjip ft* felbß baö größte ^)inberniß für bie
fefte unb banernbe ©inigung deutßblanbS, bie eä
al§ einen Seruf anerfennt, in ben S8eg jtt merfen.

3* erlaube mir fchlfeßli* eine hierher gehörenbe
Sfcfle auS bem trefßt*en SBerEe eines ehemaligen
babißhen SRittißetS beS Sleußertt, beS grhrn. »on
dürttjeim: „®etrachtungen über SerfajfungS= unb
©taatenpolitif", ju citlren. Sie ßnbet ß* am
@*luffe beS jmeiten Sanbeö unb tautet:

3)a6 glücflt*ße SooS für bfe beutf*e Station
Wirb eS fein, menn ße, bttr* bte ©rfaljrung oon
ber ©infeitigfeit einer fatfdßen 9ii*tmig jttrücfge*
braeßt, na* miebergemonnenem @elbßgefü()l bie jur
©rhaltung ihrer Unabhängtgfeft nothmenbige SSer*
biitbnng als ©atijeS mit ben SBortbeilen einer
So.tberung tn felbßänbfger @igcnthümli*fcit feiner
©liebet-, unb fo ©inheit mit 3Ramii*faltigfeit ju
oereittbaren bermag, um an* für füttftige ßeiten
gegen eine bur* materiefle.f)hpercnltiir ttttbmoralif*e
Sittßbfuttg in aße focialen 3'tßänbe einbringenbe
ißerberbniß einen gefttnben Äertt menf*U*er Sil-
fcnng ju bemahren unb barin ein Piußeroolf für
anbere, bas toabre ^>erj »on ©ttroßa JU bleiben j
aßein auf ber fünßlicben ^bße, auf mel*e biefe
ßußänbe in unferer ßeit getrieben morben ßnb, unb
auf welcher fn aßen Sesiehungen nur bie über«
legenen SRaßeu bereinter menf*li*er Kräfte ent*
Rethen, iß bieS nicht mehr ohne ßolitif*e (große
mogii* uttb foflte bie beutßhe ßlation nicht mehr
mit biefer mt* ben aßen freien Spielraum für bie
Äraft ihreS ParticulartSmttS gu hemal)ren im Stanbe
fein, fo mag ße, mettn nur bte jmlf*ett bem
einen ober bem anbern übrigbliehe, fortan eher mit

ihren bur* ein ßaljrtaufenb innerer ßeriffenhei^
entmtcfelten uttb ttefgemnrjelten 2lttlagctt gur boßs
fotttittenett ©inheit öerf*moI§en, bie Steflung einer
herrf*enbett 3)?a*t etmiel)men, als ß* na* »er*
lorenev Scibßättbigfett picht unter bie fpuvloS
untergcatigntnt SSblfcr einreihen laßen.

SKbgen biefe entßen 2Sorte eines geißooßen unb
ebenfo bettffch gefaulten 'WatuteS ihres ©inbruifS
nicht »erfehlett ttt einem meUgefd)i*tltdH’n DJioment,
mo ©otteS gührung uttb ©nabe ber bcutflen Nation
eS in bte >f)anb gelegt, beS „glücfüchßen SoofeS"
theilhaftig gtt merben, ©ittheit unb SRanntdjfaltig*
feit hatmontfd) ju »erbiuben. dtefe golbene grn*t
mit’b it)r freunblt* geboten. Sßibge ße ß* gmet*
mal beftniien, ehe fte, ber Stimme U)reS bbfen
©cniuS folgcnb, fte auSf*lägt. der »erfäiimte
SRoment fehrt fo ni*t mieber; mohl aber fbnnte eS
fommen, baß ber abgcmfefetie SSuttbeSßaat jum ©tn*
hcitSßaat führte."

Karlsruhe, 30. SlpM- Sitte ü)itnißergerü*te mer*
bett felbß fn benjetttgen Äreifen, in melden fottß ein
frühes äöort über fol*e dinge p »erlauten pßegt,
als gänjli* unbegrünbetprüefgemiefen. daSgattje
©erebe fcheint baljer p ßammen, baß man eine
Petißeniritng na* bem ßii*tergefeh ttn hä*ßm
tttichterftaube für mogltd) hält unb baran fnüpft
man bann pnt IBorauS afle anbern 3Wögli*feften.
Unter ben unmahrf*einli*en ®erü*ten iß bte »out
@erü*t beliebte Pefelpng beS ^anbelSttttttißeriumS
no* baS unmahrf*etitli*ße.

— 2Sie man hört, fofl bie Drganti'aiion ber
babtf*en 93anf na* erfolgter SBaßl beS SlufßdjtS*
ratheS »ott 12 SWitgliebern fofort unb 5t»ar f*ort
in ber erßen Hälfte beS 3Rai erfolgen, der Stuf*
ft*tSrath mirb auf 6 3aßre gemählt, aße p>et
ßahre f*eibet ein drittel ber Sltitglieber auS.

Slus ©abeit, 29. 3lpri(. daS ©efc§ über bte
Slvbeit ber Äinber in ben gabrtfen fennt jwei
©ategorien: 1) Äinber unter 12 3<thren, biefe bür*
fett gar nicht mehr ittgabrifen bef*aftigt merben,
ein ißerbot, baS für einzelne ®ef*äftSämefge, mie
für einjtlne arme gamtlien mohl S*mierig-
feiten enthalten mag; 2) Hinber unb jugenbli*e
Arbeiter jmif*en 11 unb 16 3ahren; biefe bürfe«
nicht in SlrbeitSrautnen no* fn einer Sef*äftigung
»ermenbet merben, bie ber ©ntmicflung bet 3ußcnb
alS gefahrli* ober f*äbl(* erf*efnt; ebenfomenfg
bürfett fte pr 5Ra*tj»it (»ott SlhenbS 8 bis 3Äor*
genS 5 Uhr) in Arbeit ßehen. gut bie f*ul*
pfli*tigen Ätnber gilt no* bie befonbercSor*

<%rüfi und kiuithii

SRooeUe »on Oßtib SPlplmS.

1.

Siegen Unb S*neegeßöber eines depmber=3lbenb§
büßten bie ganje fteunbli*e ©egenb in bunfie S*at-
ten; ber SBinb ber aus ben ©ngthälern ber Perge
herabfam, pfiff in Stößen um bie Odfett unb da*;
fanten beS retjenb gelegenen SanbßßeS SBeittan unb
rüttelte an ben »erf*loßenen Sctben unb galoußeen
beS hüf'fhen moberitcn .öaufeS- da mar e8 benn
hoppelt behagli* in bem mohl bnr*wätmten, efe-
gant möblitten gBohnjiinmer ttn ©rbgefcßoß, roo auf
bem runben d.f* »or betn Sopßa bie llbenblampe
brannte unb ihren gebämpften 2i*tf*ein über bte
glänjenben SRöboin, bte heßen daptiten, bie bi*t'
bet»a*fene (Sp6cll^au^e an bem einen genfter, bie
breiten ©olbrahmen um Spiegel unb Silber an ben
üöanben marf. dir Seroohnerinnen biefcS hübf*en
gimmerS mären pei grauenpnmer; ba€ eine ba*
»on, eine grau I)o* in ben SStergigern, elegant unb
tnobif* gefleitet in einem bunflen Seibengemanb
lag auf bem Sopha unb laS etftßg in einem Öu*c;
bas jüngere, ein blaßeg 2Jiäb*en »on mittlerem
28u*g, etroa 18 biä“l« tgahrre alt, faß auf ber
anbern Seite beS dif*eS unb nähte eifrig an einer
-Robe aus roei*em rei*em Sßoßßoff. SlßeS mar

ftiff in bem 3’mmert ^iä auf bas Sprühen unb
Äntßem ber ©tu* in bem jierli*en gapettce=Dfen
unb ben eintönigen lßenbelf*tag ber Uhr.

„2BaS fyaft du, fßtetanie?" fragte bie ältere
dame plö^lt* aufhlicfenb, benn e§ mar ihr ni*t
entgangen, baß ihr ©egenitber einen Slugenblid' ißre
Slrbeit unterbro*en hatte, um p hor*en. „ßBarurn
lauf*eß du?"

— »Rtir mar, als hörte i* brunten auf ber
Sanbßraße Stimmen, Utama," erroieberte SOielante
f*ü*tern; „e§ Hang, mie ein .fjüiferuf!"

„ttnßnn, Äirtb! du biß eine SEräumerin; haß
dir’S nur eingebifbet," fagte bie ältere dame falt.
„©er mirb bei fot*em abf*euli*en ©etter ben
§ügel herauf fommen? Unb bte Stnber fönnen e§
no* m*t fein," feßte ße mit einem Ißlitf auf bte
j fdjöne golbene Uhr an ihrem ©ürM hinp. „deine
’ lebhafte ^Jljantaße hat dir mieber einen Strei* ge-
fpielt. Slrbeite fort unb träume ni*t, thöri*te§
2Jlcib*en!"

ßßelanie erglühte Bef*ämt, teufte baS Sluge auf
bie Slrbeit, unb bie ßtabel ßog orbentti* bur* ben
met*en Stoß. @in »erf*ü*terter Rugbrud, ein
let*ter @*merj fpra* ß* in ben blaßen 3ü3en
aü8, als öb bag junge 3Jläb*en dhränen prüd*
brättgen moßte! mt* aber bann einet ßißen bulben*
ben Ergebung.

„da, baiß’8 roiebtr, liebe Warna! ©8 ruft

manb braußen!" fagte ©elanie na* einer furjen
Sßaufe unb ßanb erf*toden auf. ,,§ören Sie
nidßS V

— „93ießet*t ein Söetrunfener aus bem dorfe,
ber auf bem §eimt»ege hier »oruber fom-mt;" fagte
bie dame falt.

„Rein, nein, Warna! e§ Hang in ber 3*atn,*e
ein §ülferuf! Unb hören Sie nt*t? Run flatfi*t
eS gar mit ber 5ßeitf*e !*

— „3lbf*euli*, ©inen fo in ber intereßanteßen
Seftüre p ßören! dtefe rohen guhrleute!" fagte
bieWajorin^eßborn mit einem ungebuibigen Senf*
jer. „Wan foßte biefeS Rettf*enfnaßen »on ßJo«
Iijet wegen »erbieten!"

„©enn es aber bie @*meßern roaren, bie f*on
»on bem Heine» geße prüdfeßrten, liebe Warna?“
fragte Welanie beforgt. „Soß i* na*fehen? daS
dßor ift möglt*ermeife gef*loßen!"

— „Run benn, ßeh’ mal na* unb laß mt*
ungef*oren. wenn e8 ni*t bte Äinber ßnb! —©i,
ma« fällt dir ein, gar no* ba§ genßer hi« P
öffnen? ©el*e dhorheit! diefer falte Suftpg ifl
ja abf*euli*! Soß i* Rhe»ntatiSmuä befommen?
©ehe »or bie $au8thür, menn e§ di* roirfli* hm
teteßirt, ben roh«n Sengel feanen ju lernen, bctftt
mit ber lßeitf*e fnaflt! gft dir ja bo* jebe @w
legenheit miflfomuten, di* ber Slrbeit p entgehen,
»erbroßeneS ding!"
 
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