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Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

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Nr. 126-149 (1. Juni 1870 - 30. Juni 1870)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0559

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( *

§eMkrger Journal.

M 139.

JitiCKuetMuUpKl» 6- '•• 3 t. in ^eibtlbetf,,
eut* bie foü 3. 1. 16 fr. tjittteCliHrig,

6amflag, 18. ^utti.

Änjeifttn 3 !v. t>te ^eritjnfe, lv: XuStunft#'
fVtbeUuiia 4 ?r.

1870.

Deutfdjlanb

ftarlSru^e, 14. 3“ni. Der ©roßhergog
gebeult bem Sernebntcn nah fhon tti bett nädjfttn
Dagen wieber eine fleinc Steife in einen SEb^il bev
oberen SanbeSgcgenbeti angutreten, bie »on ißm
neuerlich nicht berührt Würben. — AIS Äanbibaten
für bie erfte Sürger me t fterftet le ballier wer*
ben mit Sefttmmtheit genannt unb theilweife auch
fdjon bebattirt, ber bisherige fRathfhreiber $crr
©anger unb ber Abgeorbncte gur gweiten Kammer,
C>err SRorftabt. Damit ift aber bie Äanbibateiilifte
feineSwegS erfefcopft.

Wafiatt, 14. 3uni. äBäßrenb bie im Saufe
biefeb SBinterS Abgebrannten noh mit ber -fjerftei*
lung ihrer SBohnhäufer befestigt ftnb, haben wir
abermals ein bebeutenbeS Sranbunglücf gu »er*
jciä)tien. Um 2 Uhr SRorgenS wedte geuerruf
bte ©Inwohner, unb etje £>ülfe gur ©teile fommen
fonnte, ftanb bereits ber Dahftuhl beS ©afthofS
gum r^einifc^en .fjof in »ollen giammen. Dro|
ben vereinten Anftrengungeit ber ftäbtifhen ^euer-
weßr unb beS SRilitärS legte baS üertyeerenbe (tle*
ment bas ©aftfjauS nebfi brei benachbarten 2Sobit-
baufern mit ihren $>intergebäuben in Afhe.

Sfouftanj, 15. |juni. SDie hfeftge Sürger»
meiftertoal)t, bte fhon fo viel ooit ft<ft reben
gemacht, tft burh Beifügung beS BegirfSamteS auf
ben 22. bS. anberaumt teorben, nadjbem bie ©in*
fpracbett ber fog. Qppofttion ihre ©rlebigung ge»
funben habe«* ®on @e'tfI1 bet ultramontanen
Partei werben großartige Anftretigungen gemalt,
um bie SBieberwa^l beS befanntlicb epfom*
munigirten BürgermeifterS Stromeper gu
hintertreiben. Aud) bie Fragmente ber SolfSpar
tei, bie feit etwa einem 3atjr ftcb hier getammelt
haben, arbeiten gegen ©tromeper, werben aber ba*
bei mehr »on perfönlidjer Abneigung als »on be-
mofratlfcpen ^Jrtnjtpicn geleitet. Bei ber Burger*
fchaft fleht ©tromeper wegen feiner umfufttigen unb
erfolgreichen g-orberung ber materiellen Snterejfen
in höher Sichtung, unb man müßte in ber $hat
blinb fein, wenn man bie großartige Umgeftaltung
ber inneren unb äußeren Serljältniffe unterer ©tabt
btrfennen wollte, bie hauptfählfd) baS Sffierf feiner
tafilofen $hatig?eit ift. ©eine ©ieberwahU, welche
fit einem »on 276 Bürgern Unterzeichneten Auf»
ruf empfohlen würbe, gilt bemnact) auh für ge-
fiebert, wojtt man ber ©tabt Äonftang nur ©lücf
Wünfhcn fann.

©ilbbab, 13. 3uni. Die Äurtapfrage hat
nun ihre ©rlebigung burch einen 6rlaß beS Ä.

i SKinifteriumS beS Innern gefunben. SBährcnb .
feither nur »on ca. 13 ber als Äurgäfic in ber
Srembenlifte eingetragenen ißerfonen ein Seitrag
für bie Äurmufif, ber alb ÜJlinimum 2 ft. betrug,
geleiftet würbe, ift nun bte Äuvtare höherer ffier-
orbnung gemäß auf 3 ft. ä Serfon für bie Äur-
jeit oon i—4 SBoihen feftgefeßt worben, wobei ben
minber Semittelten eine ©vmäßigung unb ben ganj
Slrmen eine Sejahlung ber SEare ganj erlaffen wirb.
Sei ber Sejalftung ber Hurtare oon 3 ft. ftnb bie
Srobuftionen beS ^urordefterS am Äurplaß, in
ben Jt Slttlagen, im ÄonoerfattonSfaale »nb freie
SReicftung beS SBaffevS an ben 'Brunnen inbegriffen,
eS ift alfo burch biefe weitern Sergünfiigungen ben
Surgäftett bei ber wenig erhöhten £a.rc mehr ge*
boten als bisher. — 35le ^tt erbauenbe fatholifcfte
Äirche fommt an bie neue Straße in bie ftlähe ber
englifchen Äivche ju ftchen, unb eS wirb nun mit
bereu Sau begonnen. — ®ie lebten fühlen Sage
haben in ben Sefucft unfereS ßurorts einen fleincu
©tillftatib gebraut, feit ber nun eingetretenen war*
men SBitterung hot ft<b hi£ ^regnen; feßr gehoben.

Slugöburg, 14. 3uni. (Slctenftücf junt
ßoncil.) fRacftftehenb veröffentlichen wir ben
SBortlaut beS SrotefieS her DppofttionSbifdofe
gegen ben gewaltfamen ©d)luß ber ©encralbebatte
über baS SnfatHbüilätSbogma. 35erfelbe ftammt
aue ber $eber beS ©arbinalS IRaufOhet nnb würbe,
mit 93 Unterfchrtften »erleben, am 5. b, 9R. vor
(Srbffnuitg ber ©peclalbebatte an bie SMftbenten
abgegeben:

$ohe, ehrwürbigfte Herren!

SluS bem SOBcfen berSoucilien felbft folgt, baß
bie Sefähigung einem Sotum bie begrüttbenben
SRotioe, auf welche baffclhe ftch ftü§t, ibetjugeben,
nibht baS auSlchließlicfte Srioilegfum einiger Sä*
ter, fonbern ein alJen gemeinfameS 5Red)t ift, unb
biefeS muß um fo gewiffenhafter gemährt werben,
fe bebeutenber bie in $rage fteßenbe Slngelegenheit
tft. SMe atlerbebeutenbfte Angelegenheit aber ift
eine Deftnition, welche bem chtiftlidien Solf irflertb*
eine Sehre als eine »on ©0tt geoffenbarte »orlegt.
3cneS unS nach ber SEageSorbnung jugefchriebene
fRecht Wirb in ben ©eneralcongrcgationen geübt,
barum fönnen bie burd) ©timmenmehrheit über*
wiegenbett bie ftMScnjfion nicht jum Itbruch brin= j
gen, ohne baS Stecht ber Säter, wehte it)re ©timme j
ahjugeben im Begriff ftehen gu fdjäbigen. 5)teß 1
aber ift geftern gefhehen, unb barum tbun wir]
euch, hoh««f- unb ehrw. Sorft|enbe, foIheS hie= j
mit funb, auf baß unter fßroteft, betreffenb baS i

9ted)t ber Säter ihrem Sotnm bie ©rünbe beiju*
fügen, offen bezeugt werbe unb bleibe.

2>ie wir tut übrigen mit ausgezeichneter Ser*
ehrutig »erhärten

SRom, 4. 3ll"i 1870

©urer ehrwürbigften ©minengen benmtbfgft ge*
horfamfte aufrichtige 5)lener. (A. 3.)

SBicSbaben, 14. 3uni. ^eute fanb bahiet
eine gahlrefd) befuhte Serfammlung ber naffauifhen
Srote ftantenf onferehg ftatt, welche nahegu
einftimmig folgenbe Sefhlüffc faßte: 1) Umwanb*
lung ber Äonferettg in einen 3weig»erein beS
beutfheu ScohfiantenoereinSg 2) Sroteft gegen
jeben Serfuh einer Seränfcerung beS naffauifhen
SanbeSfatehiSmuS in ÄatehiSmen ftreng=Iutheri*
(her (b. h• ortboborer) tRIditung, 3) »oöftänbige
SDurhfühvung ber eoangelifhcn Äirhenöerfaffung
im Sinne firdblfcber ©elbftoerwaltung. — 3«
einev biefer Sage in ^omhuvg ». b. £. ahge*
haltener. Serfammlung beS bortigen SOBahlfomite’S
würbe 2Dr. Karl Sraun einftimmig als Kanbibat
für ben IReihStag aufgefteftt.

Köln, 14. 3uni. SBie ih auS guoerlaffiger
Duelle mittheilen fann, haben and) bie fathoHftfccn
iReihS* begichungSweife fianbtagSabgcorbnetten, bie
ftleihenfperger, 3Ratlinfrobt, ftöinbthotft u. a.,
fth gegen bie Unfehlbarfeit beS SapfteS erflärt,
unb gwat in einem birect an ihn felbfi gerichteten
©hreiben, in welchem fie zugleich auf aH baS Unheil
hinweifen welheS, gumal ber fatholifheu Äirh«
DeutfhtanbS, auS einer berartigen Dogmatifation
unfehlbar erwadffen würbe. SRahbem bie Dinge
in 9?om fo weit gefommen, wie fie eS ftnb, bürfte
es nfdft nur wünfhenSwerth, fonbern gerabegu ge»
boten erfheiuen, hefagteS ©hreiben bet Deffent*
lihfeit niht länger »orguenthalten.

©erlin, 15. 3uni. Die heutige „Srcoingial*
©orrefponbeng" bringt einen längern Artifel über
bie SunbeSoerfaffung unb baS SunbeSheer. Die
„Sro»injiaI*©orrefponbeng" conftatirt gunähfi bie
»erfaffungSmäßig bauernben ©runblagen beS ^ecreS*
wefenS: allgemeine SBehrpftiht, breijährige Dienft*
gelt unb ßahlung »on 225 Shalern pro Kopf be»
^riebenSftärfe bis gunt 31. Decembcv 1871, nah
welchem ßeitpunfte bie Ausgaben für baS |)eeic
alljährlid) burh baS SunbeShauShaltSgefeß feftge*
ftellt roerben follen, wobei nah auSbrücfliher Se»
ftimmung ber Serfaffung bie feftftehenbe ^eereS*
organifation gu ©runbe gelegt werben muffe. Daß
bi« angegebenen ©vunblageit burh SRitwirfung beS
SReih^tageS evfhüttert werben fönnten, fagtfobann
baS Slatt, fei unbebingt auSgefhloffen. Die IRc*

Untfr ta Jcm-^dtlMi'r.

Bon Karl ©rüel.

(gortfefeung.)

Der großftäbtifhe Sfetöe^en^er überlegte eben,
ob er nießt mit ber S-affd)6. ba§ ©preeft = Organ
beS fleinen Dorf=AegerS entmideln foUe; ba erhöh
ftch ber feine $crr, ber bis bahin bequem in ben
Kiffen ber ©hafte gelehnt hatte, riß ben ©hlag auf
unb ftanb mit einem eleganten Sprunge oor bem
feltfamen Sirtuofen.

„6t fteh, mein Sohn", begann er, fthtlih über*
rafht, „wo haft bu benn baS gelernt? — „A6er,
fo waftt th lebe!“ unterbrah er bie freunölthe
Anrebe, „baS ift ja IRaj Bartfjolb’s g-löte!" iKit
einem Qefd>icften ©riffe hatte er bas ^uftru*
jaent in feiner £nnb, unb ließ feine Augen halb
fragenb auf bem ©efthte beS Knaben ruhen. Salb
00t> bem fläglihen AuSbrucf in bem trojj
alles ©omienbranben noh immer feinen, intereffan*
ten LelthtShaos U11q hem „herggerreißenben ©e*
fhret nah »'einet giöte" tief gerührt, — beeilte
fth ber fyrembe, feine« {leinen Kunftgenoffen burh
bte Serfthecung gu beru[)iflen: erfreue fth, ben
•Radftaß beS »erfhouenen (Sollegen in fo guten fjan*
ben gu miffen.

Das ©harren ber ißferbe, »on einem ungebul*

\ bigen Seitfd5en=©hnippen nnterftii^t, führte auf bie
! ^-rage gurüd; ob er ben 2Beg nah Kapellenhof
fenne? Aatürlih wußte et il)n. Dort ja lag baS
©ut hinter ben hohen Sappein. Aber mitfahren

unb unterwegs ergählen, wie er gu biefer ^löte ge*
fommen; — unb wenn fth ber $err gehnmal als
^räulein 3ulienS Bruber gu erfennen gab, — nah
bem leßten ©rlebniß, nimmermehr! Aber Ifter ein
©tünbeben auf beffen Aücffehr gu warten, bagu war
er gern bereit, befonberS als ber 4?etr Soncertmei*
fter fth bte nahe ßutnuthung gefallen ließ, ihm
feine im ©tih gelaffenen Sahen, befonberS feinen
roerthoollen gonfirmationS = 9locf mitgnbringen unb
] noh lieber, als biefer ihm au§ ber SBagentafhc eine
i höhft wtllfommene ©rquiefung reihte. Unb wenn
; eS gehn ©tunben gebauert hätte, ©alter wäre niht
' oon feinem Softm gewichen Das foftlthe ©eiß*
hrot_ unb ber feurige Siranf oertrie6en baS letfe
^röfteln in ben noh immer feuchten Kleibern; unb
hatte er niht feine §löte, fth bte ßeit gu oerfür*
gen ? ©o war er benn beinahe übecrafht, als er
j baS AoDen bes gnrücffehrenben ©agenS »emahm.

Die Seforgniß für feine eleganten Slüfhlifim
mähte ben fiohnfutfher jo menfhenfreunblih, bem
unfaubern Suffigier feinen eigenen 'IRantel umgu*
hängen, unb fo taß benn ber ©K*®anfehirt, ehe er
fih noh reh* beftunen fonnte, behagkh neben feinem
neuen ©hüft*r unb erjäglte, ermuthigt burh beffen

freunblicße HRienen, weihe fth felbft bei ber 0cen*
gef.bid)te oom ©teinborfor Kirhhofe weber gu ©pott
noh in ßweifeln oergogen, — AfteS, was ihm gro*
heS unb frühes begegnet war. Auf bie grage;
©aS er nun angufangen benfe? hatte er natürlich
feine anbere Antwort, als einen fdjweren ©eufger.
Aber wie freubig fc^Iug er ein, als ihm baS Aner*
bieten gemäht würbe, mit biefem freunblihen §errn
in bie $auptfiabt gu geßen unb ba baS glöte*
Slafen orbenttid; gu lernen.

ßwei ©tunben fpäter fah ©alter gum etften
Wate in feinem Seben einen Safmgug baher brau*
fen. 3Rit pohenbem bergen brüefte er fih in bie
©de feines 6oup4’S; er fonnte bie ©leihgiltigfeit
feiner Aeifegenoffen niht begreifen, ©ieber nah
einigen ©tunben rief ihn fein neuer $err, bet in
einem anberen ©elenfe beS großen DradjenfhweifeS
gefeffen haben mußte, heraus unb taumelnb betrat
er ben Serron ber neuen feenhaften neuen §eimalh.
©S war fpät AbenbS; gaf)lrethe Slämmhen in fh«ur*
geraben Sinien fpißig gufammeniaufenb, mähte es
»or feinen Augen flimmern, wie bamals auf bem
Kirhhofe; unb eS fehlte niht »iel, fo wäre er be-
wußtloS niebergefunfen, wie bamals unter bem,Seen*
fhleer. ":'r-ß‘

©ein §err felbft erfhien ihm# wie ein mäht»*
get ßauberer. Auf feinen ©inf er'hien ein fifl
gang gläferner ©ageng unheimlih leuchteten jmei
 
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