Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

DOI Kapitel:
Nr. 101-125 (1. Mai 1870 - 31. Mai 1870)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0419

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
B.C. 3uc Soge fit tOcfterreidj-

Heber bem Samt bev franjoftft^cn ^lebiftttbC'
wegung, bev täglich toßrr ju und bcrüberbringt,
»ergeffcn wir faft bcr ticfevnftcn SBaitblung, Welche
ber bfiltdje Nadbar Seutfdlanb«, Defterreid,
eben jeßt burdjumadtft hflf. Unb bod f>at bte
gegenwärtige Krifiö in gratifreid für umj ®eutf^e
weit weniger unmittelbare« gnterejfe, al« bie er*
Heute ©rfdütterung be« Sonaureid«. gft e« bod
jum guten eile gleifd »on unferm gleifd, wa«
buvtb bie (extern betroffen wirb.

3Bai)rli4 e« beburfte nidt ber Sehergabe, um
bie bermalige Vermittlung ber weftöfterreidtfden
ßuftänbe längft »ovherjufagen. 9Nan erinnert ftd,
in weld)’ erfdreefenbent ©rabe bie Vanfbrüdigfeit
be« Negiernng«fßftem«, wie c« »ott bem ,Bürger*
miniftetiiim" in ©i«leithanlen gebanbbabt worben,
ju ©nbe be« vorigen unb ju Nitfang biefe«Sabre«
an’« 8td)t trat. Sie Verfaffung öom Scjcmber
1867, flau bie nidjtbeutfcbcn Völfcrfdaften jn »er*
föhnen, h«tte bie ftaat«feinblid)en Vcftrebungen ber*
felben nur »erfdärft. ©in 3u$ailb hatte ftd
audgebilbet, ber unmoglid) länger ertragen werben
fonnte. Heber bie Nüttel unb Sffiegc jur Slbhülfe
aber waren bie Nnftdten innerhalb ber Regierung
felbft getbeilt. Sic SDfaforität wollte um {eben
Vrci« bte Secembemrfaffung unb mit ißr bie cefi-
traliftiftb^cinbeitlicbe ©runblage ber weftlfdcn Nefd«-
bälfte wahren} bie NHnorität war bereif, bem
«u«glei^ mit ben nidtbeutfden Nationalitäten ju*
liebe bie Verfaffung Wefentlidcn Hmgefialtungen
|u unterwerfen. ($« fant jutn offenen ©rüde jwf*
fi^en betben Parteien} bie NHnorität muffte
weiden.

©ar halb aber warb flat, baß, fotlten bie
Singe überhaupt »um glecfe rüden, bie objiegcnbe
taforität mehr unb mehr in bie Nothwenbigfeit
getrieben Würbe, ba« ©rogramnt tprer abgetretenen
©egner ju bem ihrigen ja mad)en. 3ubent war
non »ornherein offenfunbig, baß ber Neidöfanjlet
ju bem neuen üDtinifierium ftd) in jicmlid feßvof*
fern ©egenfaße hefanb, eine $t)atfact)e, beren mt-
heilöollc Vebeutung burd) ba« Verfpreden, baß er
ftd jeber ©immfdung in bic inneren SSerhältnijfe
©i«lctthantcn« enthalten werbe, burdau« nicht ab*
gefchwächt warb. Ser Sntrigue war Spür unb
®h°r geöffnet, unb in Seutfdlanb weiß man nod)
gar 511 woßI, wa« ba« bei $errn »on Veuft be»
beuten will.

Kein SBunber, baß ftd ba« SÜniftcrium £a«-
ner unter foldjen Umftänben jur »oßenbeten Un* *

j frudjtbarfeit »erbammt faf). 3mNetd«rathc gingen
I bie Singe, wie fte nicht anber« gehen formten. Sie
©jeden hielten ftd} überhaupt »on bemfelben fern,
bte ißoten traten au« unb bte übrigen Nidtbeut*
fd)en folgten ihrem Veifpiele. ©« blieb nicht« übrig,
al« ba« noch »ovf)anbene Numpfparlamcnt 51t fdlie*
ßen. ßugleid ging ba« ©abinet £>a«ncr ju ©rabe.

Unter größeren ©dwierigfeiten ift wohl feiten
ein SNinifterium in’« Seben getreten, al« ba« nun
bom ©rafen ipotodt nnigcbübete. £)ier »erhößnt
mit bem ganzen ©voO bcr eben unterlegenen ©ett*
tralifien, bort mit hartnädigftem Nüßtrauen bearg-
wöhnt »on ben goberaltften — wahrhaftig, in fol-
dfer Sage eine fßolitif ber „Stuöfölmung" mit ©r-
folg jti führen, ift mehr al« ein politische« föuttfi*
fiüd. 3liit bejeidnenbent SBi^ haben bie 28fener
ba« SKinifierium fßotodi ba« ,$affion«mitiiffertum"
genannt} bie ganje 9fath= unb Äopfloftgfeit ber
cidleithanifden iPolitif wirb ihm jur 8aft gelegt,
greilid) iji e« immer ein bebenfltchc« 3cid)ett,
wenn eine ^Regierung eine fo ungeheure Üufgabe
übernimmt, bhne fofort flar ben 2ßeg attgeben jtt
föttnen, auf welchem fte biefelbe burdjjufuhren gc-
benfe. SlUettt, man barf bod? nicht auftet iflcht
laffen, bah Sfiinifterium ißotocfi — in ber
Hiioollftänbigfeit wenigfien«, in weldjer e« bi« jefjt
noch befteht — überhaupt nur einen Uebevgang«-
juftanb bcjctchnet, tu welchem e« gilt, bie Singe
jtt prüfen unb einer fefteu Slction ben ®eg 51t
bahnen, ßu biefem ßwede hat ba« fDftntfterium
junädift Unterhanblungen mit hewotragenben ^ar^
teimännertt ber einzelnen Ufationalitäten in äiit«-
ftd)t genommen, ^ber bie Nachrichten bavüber,
wa« e« in biefen Unterhanblungen ju bieten, refp.
jujugeftehett bereit fei, gehen fehv wirr buve^etn«
auber. ©« fehmedt ein wenig nach einer Slrt
Snnbeöfiaat, wa« man ju profeftiren fdeint. Sic
emjelnen Äronlänber foUen einen beträchtlichen 3«-
febug an ©elbfiänbtgfeit unb in ber gemehtfamen
Net<h«lcgi«latibe eine Übertretung ihter inbiolbuellett
Snterejfen im fterrenhaufe erhalten, weld)e
tvetung 0011 ben einäeintn Sanbtagen ju wählen fein
würbe. Sa« Sibgcorbnctenhau« hingegen, beffet\
3)ittglieber bi«l)et burch bie Sanbtage ernannt wur-
ben, würbe in ßufunft au« aUgetncinen unb bi*
reften üBahlcn be« ganzen ciöleitbanffcSjcn Neiche«
heroorgehen. üllfo eine ähnliche Drganifation wie
bie fchwefjetifche mit ©tänbe* ttub fftationalrath-
3m Hcbrtgen (oK bic Negierung entfdtloffen fein,
ihr ÜJrojeft jcbettfall« auf flreng oerfaffungdmä*
ßigem ÜSege in« Seben ju führen, b. h- nach oor-
heriger SJcreittbarung mit ben Sanbtagen unb bem

Neich«rathe, welche .Rörperfchaften jebod) juöor auf*
f julöfen unb neujuwählen fein würben.

SOfan fieht, ber Slngelpunft biefe« Programm«
liegt tu ber ffragc: wie grofj wirb ba« üDiafi ber
ben einzelnen Ävoniänbern ju gewät)renbcn @elb*
ftänbtgfelt fein? Sic ©sedjett »erlangen hefannt*
lid> für bie „i'änber bcr Üßenjelbfrone" eine gleidje
©teHung, wie fte Ungarn für bießänber ber : tepban«-
frone erhalten hat- Äcvnn ein foldje« Verlangen
erfüllt werben? ©raf SSeufi foll baju gicutlid ge*
neigt fein, baf aber ein wtrflid) öfiervetchifded
üfiinifterium fidi bajti herbeilaffett fotite, bleibt both
fehr jtt hejweifcln. SDtan fann ©alijien jur Notf
eine ©onberfteüung geben, jttmal man in bemfelben
ein gute« Sollwerf gegen SRujjlanb beftfjt. älber
bie ©elbftänbigfeit be« Äönigreid« Söhmcn ge*
währen hiefe Defterreid) »otlfiänbfg jerreifen, hieße
bie ruffifche Sropaganba mit eigener £)anb im
eigenen 4aufe Pflegen, hieße 2 ÜJMioncn Seutfche
ber ©nabe »an 3 Niißionen ©jeden überliefern.
Sie ffrage iji alfo, ob bie ©jetpen ihre maßiofen
govberungen erheblich ermäßigen werben? Ueber bie
eben fegt mit ihnen gepflogenen Serhanblnngen
»erlautet nod nicht« Seßimmte«; wadf aßen früheren
©rfahrungeti ift faum anjuüthmen, baß iljreNad*
giebtgfett ben erfovberliden ©rab erreidjen wirb.
Unb wa« bann?

©infache Nüdfehr ber ci«leithantfdeu S3erfaf-
fung auf ben alten ©tanbpunft wäre bodj fdwer*
lid möglid} benn eine Sßoif«»ertretung, »on ber
bie ©jeden ftd einfüraßemal fern hielten, würbe
bod immer nur ein Numpfparlament bleiben unb
ben ©onffift immer »on Neuem »erfdjärfen. 8eidt
möglid) alfo, baß bie jeijige ©ntwidluug fdlteftlid
bahin führt, ben fßarlamentavt«mu« ganj ju »er*
abfdieben unb jum 2lbfoluti«mu« jurüdjufehren.
greiltd) unfere liberalen @tamme«genoffen in Defter*
reid würben ba« fehr bitter empftnben; aber e«
fann — traurig ju fagen! —■ (eicht fommen, baß
ber Slbfofutidmu« ba« einjige 3Nittet bleibt, biefe
unerfehlide Sereblung beutfder Kultur gegen ba«
@cla»enthnm ju erhalten.

3>eutfdj!anb.

ÜbatrlSruhe, 3. 3Nat. Ser heute erfdienerte
„@taat«anjeiger" Nr. 11 enthält (außer ÜHefanal*
naebrtditen):

Verfügungen unb Vefanntmachnngen
bcr @taat«behörben. 1) ©efanntmadungen
be« SRinifterium« be« 3tnwn>- a) Sie Verleihung
be« großem altbabifdm 3litlftenftiptnbiumö betv.
b) Sie ©eneralagentnr be« geueraffefttranjoerein«

(Geprüft und B ernährt.

Vooelle »on Otfriö DJirftu«.

(Sortierung.)

— „Nein, er fpridt ganj gebilbet unb ficht ]
fehr anfiänbig au«, unb — »or Nßem, er ift franf, !
leibet furcljtbare ©dmerjen! j

„Nun beim, um Sich Io« ju werben, Sränge*
rin! Slber nun fomm’ herauf unb hilf mich anflet*
ben, 3JieIanie!" fagte bie SNajorin (alt. „grau
uon Spangenberg hot mir ben ÜBagctt J)eraufge-
fcf;icft unb mich bitten laffen, noch ein Stünbgjen
bem ^inberbaß anjuroohnen, ber aflerltebft fein faß,
unb ich Wiß bie Vtäbden tanjen fehen-' Komm’,
hilf mid umfleiben!"

Sem Kraulen brinnen war fein 2Bort »on bte»
fer Unterhaltung entgangen, weide büfft »er ber
Sljüre feine« gimmer« geführt würbe. @r runjelte
bie Stirne unb fdüttelte ben Kopf, offne ber Sdmei"
jen ju ad)ten, melde *l)m ^‘efe Bewegung oerur*
fadte. Sann fa§ er ftd in bem Keinen ©tiihden
um, worin außer bem Veite, bent 2Bafd;tifchd)en,
^[nigen Stühlen unb einem armfeligen gefirnißten
lpdranf uon roeid;em §olj beinahe nidt§ wehr
?laum hatte. Sie SBänbe waren weiß getündt,
®‘e »ein alt unb einfad, felbft ba« Sett beinahe
av>mid, a6er aße« reinlich gehalten unb georbnet

bie forgfame unb fleißige §anb einer grau »erra-
t§enb.

„Slrmfelig unb eng, aber immer nod Btffer al«
ein ÜBafdhau«," murmelte er; „unb follte e« mög*
ltd fein? foßte biefe« ÜHäbden bie ©tieftodter ber
fioljen Nlajortn, bie Sodter gerbinanb« au« erfter
@be, fein? . . ."

@r fdloß bie Singen unb grübelte, ©itre halbe
©tnnbe lag er ganj aßeitt, benn Sorthe halte un*
ten in ber Küche ju fdgffe« unb bem Sieger ©ott*
lieb, welder mit bem üBagen ber grau ». Span*
genberg horaufgefahren war, über ben Verfaß be«
Slbenbs ju berichten. Sann (narrte bte Sreppe,
unter ber fdwer beleibten grau; ihr fdwere« ©ei»
benfleib raufdte bie Steppe h£t'ab, tmb ftreifte an
ber SE)üve oon ßManien« ©titbden, unb berKranfe
härte fte mit halblauter Stimme ju ihrer ©tteftod3
ter fagen: „Kgnnft bem Nlanne meinethalben einen
Seßer ©uppe reiden laffen. Ser Slrjt aber wirb
heute ntdjt mehr gerufen, benn id bejal)le feinen
Nadjtbefud) fuv einen gremben. Su warteft unb
bleibft wadi, bi« wir nach <£>aufe fominen, -Hielanie;
unb um Sid)t ju erfparen, fannftSn bei bem grem-
ben in beinern Zimmer arbeiten. gd wiß borf
wenigften« nidt umfonft Fieigen laffen. Sege mir
ben ÜSantel um, Kinfc, nnb fcf>Iage bie Kapuze her»
auf!"

©inige Nlinuten fpäter fe^rte ßßelanie ju ihrem

Vflegltng jurücf, ber bte ülugen auffdlug, al« ob
er gefdlafen habe.

„©ntfdulbigen Sie, baß id Sie jo lange allein
taffen mußte," fagte fie; „fehlt gijucn trgenb eine
Vequemlidteit? 2Bie geht e« ghnen?"

— „Veffer, liebe« Kinb," erwieberte er- „gd
bebauere, baß id) Sie gfjrer Vequemlidfeit be-
raube!"

„öl;, ba« ift ja fein Opfer meinerfeit«! gd
baute nur ©ott, baß ©ie fo glüeflid baoon gefom*
men ftnb! Su lieber cjjimmet, meid ein Unglücf
hätte e« nidjt geben föttnen! . . . Kann id benn
gar nidt« für ©ie tljun, mein §err?"

— „Sod, bod, mein Kinb! reiden ©ie mir
heiße« ÜÖaffer jum Srinfen, ba« hilft mir am be*
ften oon meiner ©idt! gd wiß mir aße SNülfe
geben, rafd gef unb ju werben, bamit id ber grau
00m §aufe nidt jur Saft faße!"

„Nidt bod, benfen Sie baran nidt! ©ie fiitb
hier unoertrieben; Nfama meint e« nidt fo böfe..

— „-Natna? Sie Nlajorin ift alfo ghre Nlut»
ter? fragte ber Kranfe.

„Sie ift bte ©attin jweiter @he weine« guten
feligen Vater«, bc§ Nlajor« .Qcßborn;"

„ghre Stiefmutter alfo? 2lh, badt* id e§
bod! ©ie ftnb t^r fo unähnlid • •

„gd wiß ghnen heiße« ÜSaffer beforgen, mein
 
Annotationen