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Heidelberger Journal (64): Heidelberger Journal — 1870

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Nr. 101-125 (1. Mai 1870 - 31. Mai 1870)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25213#0503

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B. G. 2)tc SEÖafyvf)ttt über ba§
beutf*e Sttrafgefeijlm*.

äßet in fcen lebten 3öo*en feine politlf*e 9iat)*
tung chigig auö ben ^Blättern ber fübbcutf*en 2De-
mofratie gezogen gatte, wie fönntc ber ft* beu
norbbeutf*en iftetd)Stag wogl anberS »orfießen,
beim alb einen magren äuSbunb oon niebrfgem
Jtne*tsftnne, pbn ©ewtjfen» unb CS^ftrafierloftgfeit?
Unb in ber $£gat, foüte man nid^t t>erfu*t fein,
ft* biefem ttrtgeil anju|*ltegen, wenn man ft*
factum »ergegenwärtigt, baß berfelbe 9flei<j)0-
*ag no* ntcl)t ein ©ierteljahr sorget mit erheb»
li*er äRajorität bie 3luft)cbuiig ber SmbeSfirafe
M*lo§, wägrenb er jegt ber Seibehaltimg berfel*
ben gnftimmte? ©ewig, gälte b‘c Sobebfirafe bei
tiefer Slbfiiinmung allein in grage geftanben,
fo mürbe ein fo rafeber äRcinungSwecgfcl au* »or
ber gelinbeflen Kritif febwevlid) @ntf*ulbigung
ftnbm. 3lber am waS ganbelte eö fiel) in 2Bir£-
liegfeit ?

3n ben oerf*iebcnen beutf*en Staaten wirb
bis heute ein tegr oerfctjiebeneb Strafre*t geljanb»
habt. ÜBarcn baburd) ftgon gu Brüfn beb alten
©unbeS bie fdiwerften Uebelftänbe oerurfaebt, fo
Warb in ©orbbeutfdjlanb feit ©rrieptung beb neuen
üBunbcbftaatb bab 9ßerbaUnt§ gerabegu unerträglich.
3Ran benfe fidi nur, baß ber norbbentfdic Staats»
burger unter Umftdnben an irgenb einem Orte
fine befiimmte Vonbiung gang Straffrei »ornegmen
bann, wägrenb er bie gleiche $anblung eine ^albe
^tunbe weiter, jenfeitb ber ©renge beb partricula-
ten ©aterlänbcgcnS, immer aber in betn großen
©ebietc beb jRorbbunbeS, oielleidit empftiitltcg bü»
jjen muf. Siegt benn barin nidjt eine b’ocgft läftige
©eeinfrä*tigung ber greigügigfeit, wenn i* gwar
bas jRfctjt habe, mid) gang na* meinem ©elicbrn
in =o?rlin, , ^amburf], SBeimar, ^Bremen

B. j. W. nicbergulaffen, aber mir überall erfl einen
neuen ©ober einprägen foll, um nicht mit ben S8c-
gijrben in ©onfUct ju geratgen? Unb gang abge»
iehen ba»o , welken ©inbruef muß eb auf bab
6ffentU*e ©ewiffen cineb ©oll* machen, wenn bte
Sittlichfeit in ber einen ©roötng beb Staates na*
gang anberem URaßftabe gemeffen wirb, alb in ber
ftnbern? Slußerbem noch fann eb oovfommen, baß
infolge beb ©efegeS über bie gegenfeitige 9led)tS»
hülfe bie ©ehorben eineb ©unbeSftaatS gur ©oH»
fireefung eine« Urteil« oerpfliditet ftnb für eine
$bat/ bie na* ben eigenen 8anb;Sgefegen »ielleicfjt
gar nf*t ftrafbar ftnb. — 3ebeS Äinb begreift,
baß ein fol*er 3uftanb in einem auch nur halb»

wegb einbeitlid) georbneten StaatSroefen fo raf*
wie möglich hefeitigt werben muff.

So war benn aud) bereitb »or gmei 3agren
oom ©eicbStage an ben ©unbeSfangler bab ©vfn*en
gefieQt, ein allgemeincb @trafgefe|bud; für ben
ganjeit Siorbbunb anbarbetteit ju laffen. SdincHer
faft, alb man hatte erwarten formen, war bie 9ie*
giernng biefer Slufforbcruitg na*gefommen; bab
große unb fd)a)ierige 2ßerf tonnte bem biebjährigen
iiieichbtage glet* bei feinem 3ufamtnentritt oorge»
legt werben. SDer |)auptjwecf beb ©ntwurfb foilte
fein — unb bab behalte man wohl im äuge! —
bte Sdjaffung eineb einheitlichen ©trafrcd)tb.
5Bar biefem 3wccfe genügt, fo hülle ftd) ber ;)ieichb-
tag, un.fereb ©ia*tcnb, nur bann jur äblehnung
beb ©ntwuvfb für befugt halten tonnen, wenn etwa
baburd) ber ©efammtebarafter ber Strafgcfehgebung
einzelner 33unbebftaaten auf eine,niebere Stufe hin»
abgebrueft wäre. Statt beffen war bab Urtheil
aller Sadtöerftanbigen oon oorut)eretn baritt einig,
bafj bab 5öerf, ungeachtet cingeltier HKängel, im
©anjen unb ©rohen burdiaub annehmbar fei, ja
gegenüber ber Strafgcichgebmtg einzelner Sünber
namentlich ber preufjifchen, einen fehr hebeutenben
gortf^ritt enthalte.

änfgabe beb Sftcichbragb war eb nun, bte fÖiütt*
gel tnögltchfl gu befettigon. Unter benielbcn ergab
ft* fofort alb heroorragenbfter bie S!obcbflriife.
Sroh beb energifdjften 2Biberfprud)S beb ©rafen
SSieurard unb ber ©onferoatioen befd)lojj bab |)aub
Umwanbluiig biefer Strafe in lebenblänglid)eb
3uchthaub. äugerbem würbe eine gange 9icihe oon
ißaragrapben in milbertibcr Senbenj abgeanbert
unb tnebefonbere bet f)olitifd)en QSerbrechen jiatt
ber 3u*it)ftliePrate geftungbhaft gefegt in aden
gätlen, wo ber £t)üter nicht aub eitrlcfer ©eftn»
nung gehanbelt.

So ber Saitoerhalt na* ber gwetten Sera»
thung. @b fragte ft* nun, ob unb mlewett ber
Sunbebrath fi* mit biefeit älenbcrungen cinoer»
fianbeit crflaren würbe, ©r lieh hei Scginn ber
britten Serathuna theilroeife feine
theilraetfe wenigftenb fein pafftoeb Verhalten jn
ben metfien Sef*lüffen ^eb 3bei*«tagb erflären;
nur ber äufbebung ber Sobebftrafe bei oollenbe»
tem 2Jiorb unb SDicrboerfuch nuf bab Sunbebober»
haupt ober einen Snnbebfürjictt innerhalb (eineb
Sanbeb, fowie ber ©tnfuhrung , ber gefiungbljaft
ftatt ber 3uchthaubftrafe bei f*werfteni Sanbeöoer»
ra* fönne er ni*t beitreten. — 3)fan wuhte, bah
bamit bte auherfie ©renje ber 9i«*giebigfett be-
geiebnet fei. 2)ie grage ftanb alfo einfa* fo: ent-

Weber ben Sej*luh über bie Aufhebung ber Sobeb»
ftrafe wieber rücfgaugtg ma*en ober bab gange
©efeh f*eitern laffen. Slian ‘cntf*feb ft* für bab
©rfiere.

3)ur* btefe 3l*rii*nal?me feines früheren So»
tumb foll ft* nun ber 9lci*btag, wie etnb feiner
SOlitglieber, |)r. 2iebtue*t, behaiifJtete, um ben
lebten hieft Oon ä*tung int Solfe gcbra*t hohen,
ädevbingb würbe Cab ber gal! fein, hanbelte eb
ft* hier um eine ftricte Ule*tbfrage. 3ßer bem
Staate überhaupt bab 9te*t beftreitet, gewiffe
Serbre*en mit bem £obe gu beftrafen, ber wirb
fretlt* nie unb nimmer einem Sar«grapheu feine
3ufiimmung geben föntten, in wcldtem biefeStrafe
attf’b Uleue fanctionirt wirb. Slber muh bentr
bur*aub ein 3cbcr biefe änft*t oon ber £obeb*
firafc haben? 2ßir erinnern nur an bie entfpre»
*enbe Debatte ber babif*en jweiten Kammer, um
bab ©egentheil gu geigen. $)ier würbe befanntli*
mit fehr übermiegenber Sflehrheit bie äbf*affung
ber Sobeofirafe bef*loffettj aber ni*t ©iner ber
Dtebncr h«t bem Staate bab 9te*t ber Sobebfirafe
hejiritten, fonbern fte Ratten äUe balfin argumen»
tirt: bie Sobcbfirafe ift tii*t mehr ttöthig unb
barum ifi eb ein ©ehot ber Humanität fte gu be®
fettigen. 2tuf biefe SBcife bie Sa*e lebigli* alb
eine 3o)ecfmähigfeitbfrogc ber .tultur betra*tet,
fragt man fi* benn bo* wohl, oh man ihr gu
Siehe audt in Segug auf anbere ®<nge ftch aub
feiner günftigen Softtion hinaubbrangen laffen foll,
um fdjliehli* gar ni*tb gu ervei*en! Unb wenn
einige eifrige Sorfämpfer ber Slbfhaffung btit
matt) gaben, man foOe mit bem gangen 3Berf no*
ein ober etn paar 3nhre warten, ba war benn
bo* nt*t re*t eingufehen, wehhalh man nicht lie-
her bab ©rret*te erfajfen unb ben eingigen ftrei*
tigen Sunft auf’b Ungewiffe oerfdtieben foilte, alb
bah man bab gange fo bringenb nothwenbige 3Berf
wieber in grage fiellte. ÜBir 35eutf*e foUten bo*
wahrhaftig enbli* gelernt hoben, bah man in ber
Solitif niemalb eine gute®elegenheit oorübergehen
laffen foO, in ber Hoffnung, eine no* heffere er*
langen gu fönnen! ©in groheb aublanbif*ebSlatt,
bic„3nbepenbance helge," thut unb gu wiffen, bag
ihr fo giemli* ihre gange bibhertge Sympathie für
ben Ulorbb. Sunb abhanben gefommen, weil er ft*
ntd)t an ber Sp*e ber Äulturtbeen beb 3ohr(>un-
bertb behauptet habe. 3a wohl, oon ba brauhett
ift lei*t frittflren! 3Bir wollen gar ni*t fragen,
ob benn bie UJltlberung im Strafmah wie in bet
Strafart, wel*c Saufettben oon Serbre*ern ge
Währt wirb, bie unfer SDlitleib wahrli* mit ga. g

dejjrüJt und bewährt.

Sooelle oon OtfriC OTplmb.

(gortfefeung.)

@ineä Üageb fiel ’Blelanie ein 3eiiungb6latt in bie
^änbe, worin eine lränfli*e J>ante eineärt @e|eHf*af-
terin unb Pflegerin auf einer Uleife na* glatten fu*te;
bie Slnipruche, wel*e bab gnferat an bie SÜDung unb
Sefähtgung ber ©efu*ten [teilte, waren fo, bag
SDlelanie biefelben unbebingt hefriebigen lonnte. Sie
eilte gu #errn J)ewang, geigte ihm bab Slnerhieten
«nb hat um feine Vermittlung, bie er ihr fogtei*
ongebeihen lieg, (ginige 3!age fpöter erhielt üJle»
tanie einen ©rief oon einer grau oon Seefelb, bag
igre ©emerbung ben Sieg über bie sDlttbewerherin»
’ten baoongetragen habe, unb bag bie ®ame fte in
*er SReftbeng erwarte, um mit ihr gu unterhanbeln.
Melanie reiste l)m, mar mit ben ni*t ungünftigen ;
^ebingungen tinoerftanben, unb ma*te ft* für ein i
Sahr oerbinbli*. S« Icennung oon Ortheim warb
ihr wefentli* erleichtert, benn bie alte Sene hatte
ft* ins ©ürgeraftjl eingefauft unb bie dßajorin ft*
^boten bab £äus*en einftweilen gu oerwalten unb,
^enn thunli*, gu oermiethen.

®ie erfte ©egegnung mit grau ooit Seefelb
bie Äunbe oon beren Seben8gef*i*te hatten
•^celanie’e a*eilnahme für bie Same lebhaft ange» |

regt, benn biefe mar no* fehr jung, jünger fogar
als ihre ©efeHf*afterin, gart, blag, hager unb h°*
gema*fen, mit bem äuäbrucf tiefet S*wermuth
auf einem ®eft*te, baS ohne abiefe büftere Stimmung
unb Iranfhafte ©läffe f*ön gemefen wäre. Sine rei*e
©rbin, hatte fte ©ater unb UJlutter binnen weniger
©tonate oerloren unb war bann bet einer SDame
oom Stanbe untergebra*t worben, beren Sohn fie
für fi* eingunehmen gewugt unb entfuhrt hatte,
als ber ©orntunb, ein fittenftcenger nü*teriter Äauf»
mann, bie SBerbung bes SientenantS oon Seefelb,
eines offenfunbigeit Uloue, ni*t gebilligt hatte. SDie
beiben Stebenben waren im äuslanbe getraut wor*
ben unb hatten einige URonate irgenbwo oerfteeft
gelebt, bis äbele ft* 3Rutter fühlte. URittlerweile
hatte ber Sieutenant feinen äbf*ieb genommen, mar
in einen fRa*barftaat auSgewanbert unb gwang nun
auf bem ©rogegwege ben ©orntunb gu Verausgabe
i ©ermögenS feiner jungen grau. Kaum in ben
j ©eftg bejfelben getreten, warf fi* ber junge ©atte
in ben milbeften Strubel beS ©enuglebenS unb oer»
na*läffigte unb Ijiuterging feine agnungSlofe ©attin
auf eine f*änbli*e 2Beife. (Sin 3ufall enthüllte ber
jungen grau, wie fehr fte oerrathen fei. Sie fühlte
fi* fo eben gum groeiten üRal URutter unb härmte
fi* barob auf eine UBcife, unter mel*er ihre ©e*
funbheü litt. Verr oon Seefelb fu*te fte f*mei»

I *elnb gu beruhigen, unb äbete war au* wieber

. halb oerföhnt, ba bra*te man ihr etneS lEageS ben
©atten fterbenb tnS §auS, ber bei einem Ktr*thurm»
©ennea geftürjt war unb fo f*roere tnnerli*e ©er*
lehungen erlitten gatte, bag er na* einigen %a
gen garb. Sie erf*ütternbe ©emüthsbeweg»
ungen biefer ÜEage führten eine oorgeitige ®e»
burt oon ßwitttngen herbei; ein slRi[*fteber raubte
ber unglncfli*en ©Jittwe unb ÜRutter auf 2Bo*en
; ben ©erftanb, unb als fte wieber gur flaren Se*
ftnnung fam unb ft* einigermagen erholt hatte,
mugte fte no* erleben, bag im ©erlauf oon faum
gehn !£agen ihre fämmtli*en bret Kinber am S*ar-
la* ftarben, toel*en bie äntme ber 3widinge ein*
gef*leppt hatte. Slbele mar nun geiftesfeanf geroor*
ben, unb felbft na* ber Teilung blieb jene ©er*
büfterung unb iranfhafte jReigbarfeit in ihrem ®e*
müthe garücf, wel*e ft* no* einige gaffte na*
jener Kataftroplje im bel)arrli*en fragen oon trauet*
gewanbern unb in einem äbf*eu oon jeber heitern
URiene, jebem Sä*eln funb gab.

Sag 'IRelanie in Srauecfleibern unb mit bem
eblen S*merg in ihren Bügen oor grau oon See»
felb unb in einer '21 rt 2Bal)loermanbtf*aft mit igr
erf*ienen war, hatte bie 2Bagl »er jungen ©Sittme
entf*ieben. URelanie war au* anfangs, oon e*t
weibli*em URitgefühle gu ber ungluili*en Verrin
hingegogen, rebli* bemüht gewefen, beren ©ertraiten
gu gewinnen unb fte gu gerftreuen, aufguheitem unb
 
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